Different Views von She-Ra ================================================================================ Kapitel 2: Rosalie Châtelet ---------------------------- Paris, 15. Juli 1789 Oscar war in Rosalies Armen gestorben. Nun sah die junge Frau jede Nacht, die letzten paar Minuten Oscars vor ihren Träumen. Immer wieder schreckte sie aus ihren Alpträumen auf und Bernard konnte sie kaum beruhigen. Rosalie hatte Oscar einiges zu verdanken und niemals würde die junge Frau sie vergessen. Und nun war diese tot. Rosalie konnte das Geschehene kaum verkraften. Noch weniger, als schon das Ableben Andrés am Tage zuvor. Jeder Ort, jede Person, erinnerte die blonde Frau an Oscar. Öfter versuchte sie sich sogar einzureden, dass alles nur ein böser Alptraum gewesen war. Aber ihr Mann holte sie immer wieder auf den harten Boden der Realität zurück. Und dies schmerzte Rosalie nur noch viel mehr. Wenn die Unruhen nicht so groß gewesen wären, hätte ihr Weg sie direkt zu dem Anwesen von Oscars Eltern geführt Aber ihr war klar, dass im Moment niemand die Stadt verlassen konnte, genauso wenig wie es möglich war in die Stadt vorzudringen. So schrieb sie an ihre ehemaligen Herrschaften und auch an Sophie einen Brief je einen langen Brief, in denen sie erklärte was mit Oscar und André geschehen war. Rosalie fiel es nicht leicht die passenden Worte zu finden und auch ihr Mann konnte ihr leider dabei nicht weiterhelfen. Sie wollte und musste es alleine schaffen, dass hatte sich die junge Frau vorgenommen. So landeten einige zerknüllte Seiten Papier auf dem Boden, bis sie endlich mit den Briefen zufrieden war. Nur erschien nun ein neues Problem. Wie sollte sie die Briefe den Adressaten zukommen lassen? Alle Straßen und auch die kleinsten Gassen waren stark bewacht oder schwere Unruhen herrschten dort, sodass kein Durchkommen möglich war. Hier hoffte sie nun auf die Hilfe ihres Mannes. Dieser gab sein Bestes, jedoch brachte er Abend für Abend schlechte Nachrichten nach Hause. Bis jetzt hatte er noch niemanden gefunden. So saß Rosalie vor der offenen Feuerstelle mit dem schweren Kessel darüber und starte ins Feuer. Seit Oscars und Andrés Tod waren bereits vier Tage ins Land gezogen. In zwei Tagen soll die Überführung der beiden Körper stattfinden. Dies hatte sie von Alain erfahren. Gewiss hätte mindestens Sophie, wenn nicht auch Oscars Mutter gewusst, wo ihre Kinder begraben sind. Aber Rosalies Hoffnung, dass die Angehörigen noch rechtzeitig davon erfahren würden, schrumpfte von Stunde zu Stunde. //Oh Lady Oscar. Ihr wart immer eine so stolze Frau. Zu Euch habe ich aufgesehen und ich habe Euch, wie auch André sehr viel zu danken. Und dies, wo ich doch einer Verwechslung unterlegen bin und Eure verehrte Mutter töten wollte. Ich höre heute noch Euer Lachen in meinen Ohren, als wir uns auf dem Anwesen Eurer Eltern gesehen haben. Ich kam in Eure Dienste und erledigte meine Arbeiten, so wie sie mir aufgetragen wurden. Dafür unterrichtete Ihr mich in Konversation und höfischer Etikette. Zudem versuchtet Ihr in Erfahrung zubringen, wer meine leibliche Mutter war. Ihr führtet mich in die Welt des Adels mit all seinem Prunk, aber auch des Neides und der Missgunst, ein. So fand ich meine Mutter, die auch zugleich die Mörderin meiner Ziehmutter war. Ich kann heute noch deutlich den Hass gegen sie spüren, aber auch die Trauer. Ich wollte sie wirklich umbringen, aber Ihr hieltet mich davon ab. Wenn ich heute darüber nachdenke, hätte ich es auch nicht gekonnt. Ich bin keine Mörderin. Das habt Ihr immer gewusst, Lady Oscar. Aber wenn Ihr meine wahren Beweggründe, warum ich Euch damals so überstürzt abgereist bin, gekannt hättet, hättet Ihr mich gewiss aufgehalten. Aber mir war immer klarer geworden, dass ich dort selber durch muss. Die Zeit bei meiner leiblichen Mutter zeigte mir mehr als deutlich, dass ich, auch wenn ich von adligem Geblüt bin, keine Adelige bin. Ich bin eine Bürgerin Paris. Dies veranlasste mich auch, hierher zurück zukehren. Und durch Euch lernte ich auch meinen Gemahl Bernard kennen. Wir verliebten uns in einander. Auch als ich dachte, ich würde Euch lieben und mir gewünschte habe, dass Ihr doch als Mann geboren wärt, war es nur eine Schwärmerei, so wie ich heute weiß. So etwas, wie meine Liebe zu Bernard, ist etwas ganz neues und wunderbares für mich. Es erfühlt mich jeden Tag aufs Neue. Ihr Oscar, seid mir immer eine liebe, treue und loyale Freundin gewesen. Und das werdet Ihr auf ewig bleiben. Ich war erfreut, als ich von Bernard hörte, dass Ihr Eure wahre Liebe gefunden habt, auch wenn sie nun nur von geraumer Dauer war. Aber ich bin mir sicher, dass der liebe Gott, Euch nun zusammen sein lässt. Ohne Unterschiede. Ohne Leid oder Trauer. Niemals werde ich Euch vergessen, Lady Oscar. Genauso wenig wie André. Ich bin Euch beiden über alles dankbar.// Rosalie liefen einzelne Tränen über die Wangen. Als sie sie gerade fortwischen wollte, öffnete sie die Haustür und Bernard kam eiligen Schrittes zu ihr. „Rosalie, sag wo…“, kurz stoppte ihr Mann. „Du weinst ja wieder, Liebste.“ Sanft nahm er sie in seine Arme. „Verzeih, aber ich konnte nicht anders.“, kam es traurig von der jungen Frau. „Shht… ich weiß, Rosalie. Aber sag, wo hast du die beiden Briefe?“ „Die Briefe? Hier in meiner Tasche. Warum?“ Bernard löste leicht seine Umarmung und sah sie nun mit einem Lächeln an. „Über Alain habe ich jemanden gefunden, der die Briefe zustellen wird.“ „Ist das wirklich wahr?“ Rosalies Augen wurden größer. Sofort sprang sie auf und griff in die Tasche ihrer Schütze. So förderte sie kurz darauf die zwei Briefe hervor und reichte sie Bernard. „Hier sind sie.“ „Danke, Liebste.“, antwortete Bernard und gab ihr einen kurzen aber sanften Kuss auf die Stirn. „Ich werde sie eben dem Boten bringen.“ Mit diesen Worten war er schon zur Haustür gegangen. „Bernard?“ „Ja, Rosalie?“, erwiderte er, als er im Türrahmen stehen blieb. „Ich danke dir.“ „Das brauchst du nicht.“, kam es mit einem sanften Lächeln. „Aber nun muss ich mich beeilen.“ Mit diesen Worten war Bernard dann auch schon wieder unterwegs. Rosalie schloss die Tür hinter ihm und nahm kurz darauf vor der Feuerstelle wieder Platz. Nun, wo die Briefe endlich unterwegs waren, wurde ihr Herz etwas leichter. Zwei Tage später brach sie mit ihrem Mann, Alain, LaSalle und ein paar wenigen anderen nach Arras auf. Dort trugen sie Oscar und André zu Grabe. Es war eine kleine ruhige Zeremonie, die Rosalie niemals in ihrem Leben vergessen würde, genauso wenig wie Oscar und André selber. Hosted by Animexx e.V. 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