The Resurrection of Hyperion von Phantom (Final Fantasy Ⅷ –) ================================================================================ Kapitel 11: The Guardian ------------------------ Xell verlagerte sein Gewicht auf ein Bein und stemmte eine Hand gegen seine Flanke, während er den Blick durch den verschatteten Raum schweifen ließ. Entfernt summte eine alte Glühbirne. „So friedlich“, murmelte er misstrauisch. „Sie werden sich vor uns verstecken“, vermutete Quistis mit ziemlicher Überzeugung, wofür Squall lediglich ein bezweifelndes Schnauben übrig hatte. „Es ist nicht seine Art, sich zu verstecken. Wenn er weiß, dass ich hier bin, wird er kommen und gegen mich kämpfen. Eine Auseinandersetzung ist unausweichlich.“ Rinoa hörte eine starke Abneigung aus der Stimme ihres Freundes. Duelle mit Cifer waren für ihn kein heimliches Vergnügen mehr – er stufte den Ex-Ritter nun genauso ein wie jene, die dieser beschützt hatte. Ihr gefiel diese Entwicklung nicht. Sie entspannten ihre Haltungen. „Ich frage mich, wie er mit der ganzen Sache zusammenhängt“, äußerte Quistis Trepe ihre Gedanken und verschränkte die Arme. „Bestimmt führt er nichts Gutes im Schilde!“, schoss es aus Xell wie aus einem von Irvines Gewehren. „Der will sich doch nur an Squall rächen!“ „Ist mir eigentlich egal, was er vorhat“, sprach ihr Anführer in den Raum zwischen den beiden. „Wichtig ist, dass er Ell und den galbadianischen Präsidenten in seiner Gewalt hat. Lasst uns sie suchen. Und… seid wachsam.“ Squall wusste nicht, wie weit Cifer dieses Mal zu gehen bereit war. Ob er einen von ihnen töten würde, wenn er die Chance dafür erhielt. Stand er auch nicht mehr unter dem Einfluss der Hexe, so war er doch von Natur aus schon ein der Gewalt ziemlich zugeneigter Kämpfer gewesen. Und nun, wo er weder sein Quartier im Balamb-Garden noch Rinoa zu verlieren hatte – was würde ihn noch zügeln? Er brachte es nicht über sich, Rinoa allein gehen zu lassen, als sie sich aufteilten, und auch nicht, sie in der Begleitung von Quistis oder Xell zu wissen, wie sehr er den beiden auch vertraute. Er wollte nicht klammern – nicht wieder – aber Rinoa in die hungrige Finsternis dieser fremden Räume tauchen zu sehen, war ein unerträglicher Gedanke – und blieb einer. „Hey, Squall! Ich hab’ was gefunden!“ Es dauerte nicht lange, bis sich alle bei ihnen eingefunden hatten. Der Weg, den die einstmalige Widerstandskämpferin entdeckt hatte, führte sie in die Tiefe. Unten angekommen, sahen sie sich einem riesigen Tunnel gegenüber, der ins Unbekannte führte. Links standen ein paar Fahrzeuge. „Ich rieche den Motor noch“, ließ Squall die anderen wissen. „Sie müssen diesen Weg genommen haben.“ „Die Autos funktionieren nicht mehr!“, rief Xell ihnen zu, der sich bereits den Transportern zugewandt hatte. Rinoa legte die Finger um ihren linken Arm, während sie ratlos in die Schwärze des Tunnels blickte. „Ich will nicht laufen.“ „Ich auch nicht“, sagte Xell, und der winzige Hauch einer Bitte schwang darin mit. Squall nickte. „Gehen wir wieder nach oben. Ich glaube, ich weiß, wohin dieser Weg führt. Rinoa? Du kehrst zurück zum Garden und erstattest dem Direktor Bericht.“ „Was? Wieso ich?“, fragte sie ihn mit einer Mischung aus Unglauben und Vorwurf. Allein aus seinem Schweigen erschloss sie die Antwort. „Nur weil ich kein SEED bin?“, wollte sie wissen und war nun regelrecht empört. Nach einigen Sekunden nickte er. „Wenn ich kein SEED bin, kannst du mir auch keine Befehle erteilen!“, konterte sie beleidigt und so laut, dass Quistis und Xell sich abwandten und den kühlen Metalltunnel auf einmal ganz interessant fanden. Squall verstand und schickte die beiden schon einmal nach oben. Als sie allein waren, konnte er es endlich über die Lippen bringen: „Ich mache mir nur Sorgen um dich. Ich will nicht, dass dir etwas zustößt.“ „Aha!“ Nahezu begeistert über diese Antwort stützte Rinoa sich auf ihre Knie und betrachtete sein Gesicht eingehend. „Der Ritter hat Angst um seine Hexe!“ „Cifer und ich werden wieder kämpfen müssen. Deshalb solltest du fern bleiben.“ „Aber Squall… Glaubst du etwa, dass ich ihn noch immer liebe? Er bedeutet mir längst nichts mehr.“ „Das weiß ich, aber beruht es auch auf Gegenseitigkeit? Er hat dich einmal in große Schwierigkeiten gebracht. Ich lasse nicht zu, dass es ein weiteres Mal passiert.“ Sie richtete sich wieder auf und lächelte. „Das ist süß von dir.“ „Süß?“ Er legte eine Hand an die Narbe auf seiner Stirn. „Das würde ich auch für jeden anderen tun. Es ist meine Pflicht als Anführer.“ „Trotzdem…“ „Bitte geh jetzt, Rinoa. Quistis, Xell und ich kommen später nach. Das verspreche ich dir.“ Zu seiner Verwunderung nickte sie nun. „Okay. Passt auf euch auf.“ Er musste schmunzeln, als sie ihm auf völlig überzeichnende Weise den SEED-Gruß präsentierte. Cifer, Ellione, Biggs und Wedge ahnten nichts von den Plänen der SEEDs. Der Transporter raste ohne Tempolimit durch den Tunnel, bis er jedoch durch irgendetwas aus seiner Bahn geworfen wurde. Ohne Kontrolle herumschlitternd, krachte er schließlich gegen die Wand. Die Insassen wurden kräftig durchgeschüttelt. Wedge stöhnte. Cifer kam rasch auf die Beine, musste aber erst die Orientierung zurückgewinnen. Ellione traute sich nur langsam aus ihrer schützenden Haltung. „Ist jemand verletzt?“, rief Biggs vom Fahrersitz aus nach hinten. „I-ich“, krächzte Wedge. Biggs erstarrte für einen Moment, da er seinen Kameraden ins Auge fasste. „Bei Hyne! Wedge!“ Neben ihm ließ er sich fallen, machtlos auf ihn hinunterschauend. Eine der Metallplatten, die das Innere des Wagens auskleideten, hatte sich gelöst und in Wedges Bein gebohrt. Biggs wagte es nicht, sie auch nur anzutasten. „Es wird alles wieder gut! Es wird alles wieder gut“, wiederholte er den Satz wie einen Zauberspruch, derweil seine Stimme stetig schwächer wurde. Dann wurden sie erneut durchgeschüttelt. Die Stahlummantelung des Transporters schützte sie zwar vor dem, was draußen vor sich ging, erlaubte allerdings keinerlei Fenster, die sie es auch sehen ließen. „Ich gehe nach draußen“, verkündete Cifer den anderen kurzentschlossen und zog in weiser Vorausahnung die Gun-Blade. „Ich komme mit“, schloss sich Ellione ihm an. „Warte hier, Wedge.“ Damit stand auch Biggs auf. „Wir kommen gleich zu dir zurück und kümmern uns um dich.“ „Lasst mich nicht allein!“, klagte der Verwundete und streckte einen zitternden Arm nach ihnen aus. „Wir werden nicht ohne dich weitergehen“, versprach Ellione ihm und kniete sich zu ihm hinab. Ihre Stimme und schließlich ihre Hand auf seinem Kopf wussten ihn mehr zu besänftigen als jeder Heilzauber. „Hab Vertrauen.“ Abermals ein kräftiges Beben. Nur knapp verfehlte eine weitere Metallplatte Biggs’ Schulter. Cifer sprang aus dem Wagen, wo die drei bereits erwartet wurden. Während Biggs sein Gewehr lud, sprach Ellione ein Analyse aus. Daraufhin erschienen ihr Informationen vor dem inneren Auge. „Ein Ölspucker“, teilte sie ihren Gefährten mit. „Er greift vorzugsweise mit ölhaltigen Attacken an und könnte uns mit diversen Zustandsveränderungen belegen. Wasser wird nicht viel bewirken – Feuer dagegen wäre äußerst effektiv.“ Cifer wusste sofort, was zu tun war: In Gedanken rief er seine G.F. an und befahl ihr, seinen Feuga-Vorrat mit der Hyperion zu koppeln. Schon spürte er, wie eine anregende Hitze von Griff und Klinge ausging. Er machte sich bereit. „Pusten wir ihn aus unserem Weg.“ Sogleich setzte der Gun-Blader nach vorne, betätigte kurz vor dem weißen Tentakel-Ungetüm den Abzug und schlug zu. Feuerzungen sprangen von der Schneide auf das Monster und glitten siedend heiß über dessen breiten Rücken. Biggs schoss mit Flammenmunition. Ellione ließ Cifer den Vortritt. Als der jedoch zur nächsten Attacke ansetzen wollte, spritzte Öl aus dem weichen Körper mit solcher Plötzlichkeit, dass es Ellione umgeworfen hätte, wäre sie nicht noch ausgewichen! Sich rächen wollend führte Cifer seinen Angriff aus; Feuerwellen erleuchteten den brüllenden Ölspucker. Mit einem Stahlschuss drang Biggs sogar durch die dicke Hautschicht ihres Gegners! Ellione unterstützte ihre Offensive mit einem Flare-Stein; der mächtige Zauber hüllte das Monster knisternd ein, richtete zwar keinen großen Schaden an, ließ Cifer aber annehmen, er könnte geschwind einen starken Hieb folgen lassen. Falsch gedacht! Noch aus dem Rauch der Explosion schoss ein Ölteppich, der den Angreifenden streifte – wo die heiße Flüssigkeit ihn traf, zeichneten sich dunkle Flecken auf seinem Mantel ab. Und damit nicht genug: Das Öl spritzte in seine Augen! „Cifer!“, hörte er Elliones erschrockene Stimme. „Alles okay?“ Es brannte verheerend. Er hatte Schwierigkeiten, die Augen offen zu halten. Doch wenn das Monster glaubte, er würde es dadurch verfehlen, dann irrte es sich! Er und Hyperion waren ein viel zu routiniertes Team, als dass sie nicht treffen würden. Er sprang, schlug zu – es heulte auf! Biggs schoss, dann ließ der Spucker eine ganze Ölwelle auf sie zuschwappen. „Heeeeeeiß!“, jaulte Biggs, während sich Ellione und Cifer rechtzeitig zur Seite retteten. Lagunas Ziehtochter warf sich rasch herum und führte ihre Handflächen zueinander. „Medica!“ Es entfernte Cifers Blindheit restlos. Wieder stürmte er auf den Feind zu. Der Präsident war erst einmal mit sich selbst beschäftigt: Er schluckte hastig eine Potion, um das Schlimmste wieder gutzumachen. Statt Öl setzte das Monster jetzt seine Körpermasse ein, preschte auf sie zu und riss alle drei von den Beinen. Das war Biggs zu viel. Zu versehrt durch die Ölwelle verlor er das Bewusstsein – da half auch keine Hi-Potion mehr. Cifer gelangte zurück in den Stand und ließ den Blick umherfahren. Er fand Ellione an eine Wand gepresst vor – der Ölspucker unweit von ihr und seine ganze Aufmerksamkeit ihr zuwendend. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er jetzt eingreifen musste, wollte er verhindern, dass ihr etwas nicht rückgängig zu Machendes widerfuhr. Ohne noch zu zögern, stieß er sich mit angriffsbereiter Klinge vom Boden ab. „Hältst du das wirklich für klug?“ Er stockte, während sein Bein sich noch erhob. „Es wird dir nicht gelingen, sie rechtzeitig zu erreichen.“ Das Szenario schien wie festgefroren. Er sah sich mitten im Spurt, ohne dass sich etwas bewegte – weder er selbst noch das auf Ellione zustürmende Monstrum. Fenris war ein Meister der Zeitzauber. „Halt die Klappe! Ich brauch’ dich nicht!“, gab er bissig zurück. „Du solltest uns G.F. mehr Vertrauen entgegenbringen.“ „Ich vertraue nur mir und meiner Gun-Blade!“ „Es geht dieses Mal nicht um dich allein. Du möchtest sie beschützen. Nicht wahr?“ Ehe er der G.F. antworten konnte, hob sich der Stopp-Zustand auf, und als würde ein pausierter Film weiterlaufen, setzte sich alles wieder in Bewegung. Cifer rannte dem Olspucker entgegen, welcher wiederum geradewegs auf Ellione zusteuerte, die ihren Mund zu einem Schrei öffnete. Ihre Augen jedoch suchten und fanden Cifer – und da erinnerte er sich. Rinoa. Adell. Squall. Der Zorn. Es war Zeit, dass er seine Entscheidungen selbst in die Hand nahm. Weder Artemisia noch ein falscher Stolz sollten ihm jemals wieder den Abgrund verführerischer machen als den unerschlossenen Weg unmittelbar vor ihm. Denn ja! Er wollte sie doch beschützen! Ohne seinen Lauf zu unterbrechen, konzentrierte er sich auf diesen anderen Geist in seinem Inneren. Die sagenhafte Gestalt eines Wolfes materialisierte sich, rannte neben ihm her. Gut, dass Fenris nicht nachtragend war. Der junge Mann merkte, wie er an Geschwindigkeit gewann, während sich die G.F. annäherte, um schließlich vollends in ihn überzugehen. „Ich wusste doch, dass du durchaus vernünftig sein kannst“, vernahm er die neckende Stimme des Wolfes. Er schlug mit der Hyperion aus, die von dem bekannten Aura-Schein umschlossen wurde, der eines von Cifers berüchtigten Limits ebenso ankündigte wie das Feuga, welches er nun dem Olspucker schickte. Diesem folgte nicht gleich die Spezialattacke – stattdessen ließ Cifer mit der Unterstützung durch die Guardian Force eine Reihe von blitzschnellen Schlägen auf ihn niederhageln, dass selbst Ellione nicht in der Lage gewesen wäre zu sagen, wann und woher die einzelnen Hiebe kamen. Am Ende dieser Kette landete der Gun-Blader fest auf dem Boden und setzte zum Finale an: „Teufelsklinge!“ Noch immer im Rausch des Hast-Zustands, wirbelte er erst seine Waffe herum, bis er sich dadurch selbst um die eigene Achse drehte, sodass sich ein förmlicher Tornado um ihn auftürmte, der von solcher Stärke war, dass er sogar den schwerfälligen Ölspucker in die Luft erhob, wo Cifer erneut dutzende Male auf ihn einschlitzte. Als das Monster auf den Boden knallte, war es unter dem aus all seinen Wunden rinnenden Öl kaum mehr zu erkennen. Diese Attackenkombination hätte problemlos einen ganzen Haufen Monster vernichten können. Die Hitze ließ sich Zeit, abzuflauen, und mit ihr schwand auch der Hast-Zustand. Atemlos stützte sich Cifer an dem Transporter ab. Fenris und er hatten ausgemacht, dass er die G.F. nicht wie jede andere beschwören, sondern dass sie mit ihm verschmelzen würde, um ihm ihre Kräfte für eine kurze Spanne zu verleihen. Der Nachteil dabei war, dass es ihm jedes Mal sehr viel Energie und Beherrschung abverlangte, den göttlichen Geist in seinem menschlichen Körper zu halten und diesen dann auch noch zu kontrollieren. Es war, als drückte ein mächtiges Vakuum von innen gegen seine Knochen, seine Muskeln, das keinen Raum mehr für etwas anderes ließ. Nichtsdestotrotz hatte er seit jeher auf diese ungewöhnliche Art der Kopplung bestanden. Es machte ihn stolz, wann immer er sich erneut beweisen konnte, dass er selbst diese Herausforderung meisterte. Er fuhr sich durch das Haar. Als Ellione und der angeschlagene Biggs an ihm vorbeigingen, blieb Erstere kurz stehen und schenkte ihm ein erleichtertes Lächeln. „Danke.“ Damit stieg sie in den Wagen. Wedge wollte sofort wissen, was vorgefallen war. Er bombardierte die Zurückkehrenden mit Fragen. Seine Schmerzen schien er dabei gänzlich vergessen zu haben. Oder er war – entgegen einiger Meinungen – so diszipliniert, dass er sie offen zu zeigen unterdrücken konnte – jedenfalls solange, bis Cifer vorbeikam und ihm wie zufällig das Metallstück aus dem Bein riss. „AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH!!!“ Ellione kümmerte sich sofort um ihn. Mit einem erschöpften Seufzen ließ sich der Ex-Kadett auf die Bank nieder. „Fahr weiter“, forderte er Biggs auf, der sich sofort an das Steuer begab. Im Auto fanden sich zwei Galbadia-Uniformen. Da man nach ihnen beiden suchte, schlüpften Biggs und Ellione in sie, um ohne ein Erwecken von Aufmerksamkeit aus dem bewachten Wüstengefängnis zu gelangen. Cifer und Wedge, dessen Wunde bis dahin zumindest versorgt war, führten sie wie zwei Gefangene ab. Sie orderten ein Fahrzeug, um sicher durch die Wüste zu kommen. Kaum dass sie außer Sichtweite des Gefängnisses waren und sich die beiden angeblichen Soldaten von den muffigen Uniformen befreit hatten, standen alle vier mit ernsten Mienen beieinander. Sie wussten, dass es nun an der Zeit war, Abschied zu nehmen. Cifer beendete gerade ein Telefonat. Als er sich ihnen wieder zuwandte, meinten sie, dass er anders aussah. Anders auf… positive Weise. „Ich gehe nach Deling City“, verriet er ihnen mit einer befremdlich ruhigen Stimme, von der sie sich alle einig waren, dass sie sie sehr gerne vernahmen. Es war Zeit für ihn, die Tragödie zu beenden. Nach langer Lethargie hatte er endlich zu sich zurückgefunden, hatte wie ein wahrer Hexen-Ritter jemanden beschützt und sogar mit Fenris die Meinung geteilt. Er hatte sich in dem Umfeld von Menschen aufgehalten, die er früher als unwürdig erachtet hatte, und Fu-Jin und Rai-Jin angerufen. Er hatte jemanden küssen wollen und es getan. Was jetzt noch fehlte, war das Abschließen mit der dunklen Vergangenheit. Die Unfähigkeit, SEED zu werden. Der Verrat gegenüber dem Mann, der ihn aufgezogen hatte, und dem Garden, in dem er aufgewachsen war. Die Sehnsucht nach einer unerfüllten Liebe. Und Artemisia. Er wollte die Hexen-Ritter-Oper ein- für allemal abschließen und stattdessen ein neues Libretto beginnen. Mit neuen Schauplätzen, neuen Darstellern, neuen Melodien. Es war keine dieser Wandlungen, die aus einem Dämonen einen Engel machen. Nein – Cifer dachte nicht einmal daran, sich selbst zu verändern! Ganz im Gegenteil: Er wollte wieder [er selbst] sein. Der Ordnungsdienstführer, der ewige SEED-Anwärter. Mit wem er abrechnen wollte, war die fiktive Figur, welche er unter der Hexenherrschaft gespielt hatte. Und um dies zu können, musste er sich mit seiner Vergangenheit penibel auseinandersetzen. Ein letztes, ein allerletztes Mal wollte er sich alle Schwächen, alle Fehler vor Augen führen, um danach wie Phönix aus der Asche neu geboren zu werden und Cifer Almasy zurück in diese Welt kehren zu lassen. Und weil Deling City der Ursprung vieler Fehler und Schwächen war, würde er genau dort anfangen. „Wenn das so ist, werde ich Sie nicht länger begleiten“, teilte Biggs ihm entschieden mit. „Es wäre ausgesprochen dumm von mir, in die Stadt zu gehen, wo man mich sofort wiedererkennt. Ich denke, ich werde Winhill aufsuchen, wo man nicht so sehr an dem Weltgeschehen interessiert ist und Wedge in Ruhe genesen kann.“ Besagter, der von seinem langjährigen Freund gestützt wurde, nickte müde und lächelte schlaff. „Was ist mit dir, Ellione?“, fragte der Präsident die Präsidententochter. Es lag eine Vertrautheit zwischen ihnen in der Luft, als würden sie sich schon ewig kennen. Niemand der anderen beiden wusste, was sie gemeinsam durchgemacht hatten, aber offensichtlich hatte es sie sehr zusammengeschweißt. „Ich gehe mit Cifer“, antwortete sie. „Ich glaube, auch für mich ist es an der Zeit, mich meinen Problemen zu stellen, anstatt wieder vor ihnen davonzulaufen. Ich war ungerecht gegenüber den Menschen, die ich liebe. Deshalb werde ich mit Onkel Laguna über meine Gefühle sprechen. Er wird es verstehen. Ist das in Ordnung?“ Sie blickte den Blonden fragend an, der nur nickte. Er wollte sie ohnehin noch beschützen – zumindest, bis er seine Sache geklärt hatte. „Dann hast du wohl endlich etwas gefunden, nach dem du gesucht hast“, vermutete Biggs mit einem nicht zu überhörenden Lächeln in der Stimme. Ellione wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, doch die ihre Mundwinkel nach oben zwingende Verlegenheit machte eine Antwort unnötig. „Du hast viel für mich getan, Biggs“, entgegnete sie anschließend. „Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.“ „Das werden wir. Ganz bestimmt.“ „Da-da-dann können wir u-uns vielleicht mal zu-zusammen v-volllaufen lassen“, brachte Wedge mit sichtbarer Mühe, aber ebenso sichtlich zufrieden hervor. Ellione lachte sanft. „Ich bin dabei, wenn ich nur mit euch beiden zusammen sein kann. Wedge… Gute Besserung.“ Der Abschied fiel dreien von vier besonders schwer. Ellione umarmte die ehemaligen Galbadia-Soldaten herzlich, und als Wedge sogar Tränen über die blassen Wangen rannen, begannen auch ihre Augen verräterisch zu schimmern. Als sie und Cifer die beiden an dem Fahrzeug hinter sich ließen, wurden sie doch noch einmal aufgehalten: „K-Kommandant Almasy!“ Cifer stöhnte genervt. Hatte der dämliche Trottel von einem Wedge etwa immer noch nicht begriffen, dass er nicht mehr sein Truppenführer war? Er drehte den Kopf nach ihm um. In diesem Augenblick salutierten Biggs und Wedge aus der Ferne vor ihm, wie es in der galbadianischen Armee üblich war. „Sir! Gute Reise, Sir!“, mimte Biggs sein altes Soldaten-Ich. „Sir! Auch Sie sind natürlich herzlich zum Saufen eingeladen, Sir!“, fügte Wedge hinzu. Ein wenig irritierte Cifer dieser Spaß, den sie sich mit ihm erlaubten. Doch dann wandte er sich ganz in ihre Richtung, hob den Arm, führte die Hand an sein Gesicht und schickte ihnen einen Gruß zurück zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Und zum Abschied. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)