Geschichten, die das Leben schreibt von SomeonesAngel ================================================================================ Kapitel 2: "Ihre Tochter ist schwanger." ---------------------------------------- Cass wählte die Nummer ihrer Mutter. Sie konnte sich fast nicht zusammenreißen laut loszulachen, aber sie verkniff es sich. „Böhmer?“ „Mama, ich muss dir was sagen.“ „Ja?“ „Ich bin schwanger.“ Cass blieb dabei ganz ernst. „Cass, du bist noch Jungfrau und hast keinen Freund, also geht das gar nicht. Lass die blöden Scherze.“ „Schon gut, ich bin schon ruhig. Ich komm am Wochenende nach Hause. Bis denn.“ „Mhm, bis denn. Tschüss.“ „Ciao.“ Cass legte den Hörer auf. Ihre Mutter war wirklich eine Spielverderberin! Hätte doch wenigstens ein bisschen schockiert sein können. Oder wenigstens so tun! Dann kam Cass eine neue Idee und sie wählte auf Geratewohl eine Nummer. Es war ein Vorteil, dass niemand in der Küche war oder an das einzige Telefon in der WG wollte. Nach dem dritten Klingeln nahm jemand ab. „Winston?“ „Guten Tag. Spreche ich mit Frau Winston?“ „Nein, ich bin ihn Mann. Einen Moment, ich gebe Sie weiter.“ Rauschen war zu hören, als der Mann den Hörer abdeckte. Dennoch konnte Cass hören, wie der Mann nach seiner Frau rief, auch wenn sie die Wörter nicht verstand. „Hallo?Hier Winston.“ „Frau Winston? Es tut mir Leid, aber ich muss Ihnen leider mitteilen, dass ihre Tochter schwanger ist.“ Erstmal hörte Cass gar nichts. Sie musste lächeln, riess sich aber sofort wieder zusammen, weil sie wusste, dass Frau Winston ihr das Lächeln anhören würde. Plötzlich hörte sie wie Luft geholt wurde und Frau Winston verwirrt antwortete: „Meine Tochter ist erst 12Jahre alt, wurde in der Schule noch nicht mal aufgeklärt und zeigt auch keine Anzeichen für eine Schwangerschaft.“ Leiser fügte sie hinzu: „Soweit ich weiß.“ „Oh, das tut mir Leid. Dann muss ich mich geirrt haben. Ich glaube, ich habe sie mit einer Frau Weston verwechselt. Entschuldigen Sie die Störung.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Cass den Hörer auf und stützte sich auf dem Brett unter dem Telefon ab. Das Brett sollte eigentlich dazu dienen, um Telefonbücher darauf aufschlagen zu können. Doch Cass starrte das Brett nur an. Starrte dann auf das Telefon und fing an zu lachen. Sie hatte bei zwei Müttern angerufen und gesagt, ihre Tochter wäre schwanger. Und beide Male war sie abgeblitzt! Sie fand es einfach zu komisch und als sie sich dann vorstellte, wie sie auf andere wirken müsste, musste sie noch mehr lachen. So wie sie vor dem Telefon stand und aus voller Kehle lachte, musste man sie zwangsläufig für eine Verrückte halten. „Was hat dir das gebracht, Cass?“ Als Cass die Männerstimme hörte, hörte sie auf zu lachen, aber ein Grinsen bleib nach, als sie sich zu der Stimme umdrehte. Cass fand, dass das Grinsen für andere irre wirken muss, und lächelte schief und leicht ironisch, wie sie es meistens tat. „Es war eine Laune. Ich wollte einfach gucken, wie darauf reagiert wird. Aus rein psychologischer Sicht natürlich.“ „Natürlich“, antwortete John und lächelte belustigt, wobei er eigentlich versuchte ihr ironisch-schiefes Lächeln nachzuahmen. „Natürlich ist es eine Laune und natürlich hat es etwas mit Psychologie zu tun. Tolle Ausrede! Dabei kannst du dich einfach nicht entscheiden, ob du jetzt verrückt bist oder einfach nur Aufmerksamkeit brauchst.“ „Denk doch was du willst, John. Es war wirklich eine Laune und die Reaktionen haben mich wirklich unter dem psychologischen Aspekt interessiert. Aber ist ja auch egal.“ Beim Sprechen ging Cass in die Richtung ihre Zimmers, das nur zwei Türen entfernt war. Zum Glück! Wären es mehr Türen gewesen, hätte die Gefahr bestanden, dass John die Unterhaltung noch fortsetzte und darauf hatte Cass keine Lust. Warum konnte sie nicht einfach mal machen, was ihr in den Sinn kam? Als Cass durch die Tür trat, fiel ihr Blick durch das Fenster ihr gegenüber. Büsche, Bäume, Gras. Alles wie immer. Sie ließ sich auf das Bett fallen, einfach mit dem Gesicht ins Kissen. Dann rollte sie sich herum und blickte an die Decke. Sie musste unwillkürlich grinsen. Sie war glücklich. Sie erinnerte sich an einen Spruch, den sie mal gelesen hatte: „Menschen wissen erst was Glück ist, wenn sie zurückblicken.“ oder so ähnlich. Es ging jedenfalls darum, dass die Menschen erst, nachdem sie etwas Schönes erlebt haben, das Gefühl, das sie währenddessen hatten, als Glück bezeichnen. Aber das traf auf Cass nicht zu. In diesem Moment, als sie auf dem Bett lag und die Decke betrachtete, war sie glücklich. Und sie liebte das Leben! Dieses Gefühl, wenn ihr bewusst wurde, dass sie das Leben liebte, überkam sie bei ganz belanglosen oder, wie andere Leute sagen würden, unwichtigen Dingen. Sie hätte sich noch weiter diesem Gefühl hingegeben, doch die Tür ging auf. John kam herein, ging zu Cass und beugte sich über sie, wobei er sich mit den Händen abstützte. Sie schauten sich in die Augen. John ernst, Cass lächelnd. Sie konnte nicht anders. Sie musste einfach lächeln. Warum auch nicht? Sie wollte nicht so ernst dreinschauen wie John und außerdem fand sie die Situation lustig. Genauso wie das Leben überhaupt. Und dann küsste er sie. John küsste Cass und sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Es war klar gewesen, dass er sie küssen wollte, dennoch hatte Cass nicht voraus geschaut. Sie küsste zurück. Sie küssten sich leidenschaftlich, zumindest Cass. Bei John konnte Cass sich nicht sicher sein, da er mal zurückwich, als wollte er aufhören, und mal seine Lippen stärker auf ihre presste. Aber jedes Mal, wenn John zurückwich, holte Cass ihn zurück, indem sie ihre Lippen nicht von seinen trennte. Schließlich riss er sich doch los. Sie schauten sich wieder in die Augen. John brach das Schweigen: „Warum hast du zurück geküsst?“ Cass zuckte mit den Schultern und antwortete ernst: „Es war eine Laune.“ Sie drehte sich von ihm weg zur Wand und grinste verstohlen. „Das heißt, es hat die nichts bedeutet?“ Ihr Grinsen verstand wieder. Sie durfte jetzt nicht grinsen. Das könnte John falsch aufnehmen und sie wollte sich nicht über ihn lustig machen. „Es hat mir nichts bedeutet. Es war nur eine Laune. Ich hab mir nichts dabei gedacht.“ „Genauso wie bei den Telefonanrufen vorhin?“ „Genauso wie bei den Telefonanrufen vorhin.“ John stand auf und ging zur Tür. Cass wusste nicht, ob er enttäuscht war oder nicht. Hätte sie sein Gesicht sehen können, hätte sie vielleicht daraus lesen können. Aber so... John ging ohne ein weiteres Wort raus und die Tür fiel ins Schloss. Cass drehte sich wieder auf den Rücken und starrte die Decke an. Ab und zu schielte sie zur Tür. Das gehörte auch zum Leben. Cass versuchte wieder zu lächeln, aber es gelang ihr nicht richtig. Sie wusste, dass so etwas auch zum Leben gehörte und sie freute sich darüber. Aber sie fragte sich, ob das, was sie getan hatte, richtig gewesen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)