Maulwürfe und andere Chaoten von Karopapier (Ja, der Titel wird definitiv noch geändert!) ================================================================================ Kapitel 9: Teil 9: Alisha ------------------------- Leise Stimmen drangen an Alishas Ohren und sie bewegte vorsichtig den Kopf, um auszumachen, aus welcher Richtung sie kamen. Sie verstand keine Worte, nur ein Murmeln war für sie zu verstehen, ein Murmeln von männlichen Stimmen. Warum war sie so müde? Es mussten mehrere sein; sie hörte ein Lachen, während eine andere Stimme noch immer erzählte. Oder nahm sie ihre Umgebung nur anders wahr als zuvor? Mühsam öffnete sie ihre Augen einen Spalt weit, schloss sie allerdings auch schnell wieder. Grelles Licht blendete sie und sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Wo war sie? Während sie versuchte, still liegen zu bleiben und ihre Gedanken zu ordnen, wurden die Stimmen lauter und lauter. Kamen sie näher? Oder hörte sie sie jetzt nur besser? Alles, was Alisha mit Sicherheit sagen konnte, war, dass ihr Mund wie ausgetrocknet war, ihr Kopf dröhnte als hätte sie ihn sich an einem harten Gegenstand gestoßen und ihr Magen fröhlich Salti schlug. Als eine warme Hand sich auf ihre Stirn legte, öffnete sie die Augen doch wieder, diesmal allerdings vorsichtiger. Das Licht war noch immer grell, aber sie hatte nicht mehr das Gefühl, mit einem Baustrahler genau in die Augen geleuchtet zu bekommen, und nach wenigen Sekunden konnte sie ein verschwommenes Gesicht ausmachen, das, während sie es betrachtete und sich fragte, woher es ihr so bekannt vorkam, langsam schärfer und schärfer wurde. „Hörst du mich?“, fragte das Gesicht von weit weg. Alisha schüttelte schwach den Kopf um zu zeigen, dass ihr nicht nach Reden zumute war, und tastete nach der Bettkante. Sie bemerkte bereits einen leichten Würgreiz, der stetig zunahm. Kotz ihm auf die Schuhe, flüsterte eine bösartige leise Stimme in ihrem Kopf, und Alisha fragte sich, wie sie in diesem Moment noch an so blöde Dinge wie Ästhetik denken konnte. „Eimer“, murmelte sie schwach, und während ihr Gewünschtes gerade noch rechtzeitig gereicht wurde, sprangen ihre Gedanken auch schon weiter, von den Schuhen direkt zu ihrem Bruder. Ob er wohl noch immer an der Liste saß? Er würde nicht rechtzeitig in die Schule kommen, wenn er wirklich versuchte, alle Punkte abzuarbeiten. Jemand reichte ihr ein Glas Wasser. „Hier, spül dir den Mund aus.“ Sie tat es und blickte auf, um ihm ins Gesicht zu sehen. Ein blonder, junger Mann saß vor ihr, dessen Alter sie schwer einschätzen konnte. War er zwanzig? Jedenfalls nicht viel älter. Tatsächlich grinste er sie gerade von einem Ohr zum anderen an und Alisha unterdrückte den Impuls, ihm den Inhalt des Eimers ins Gesicht zu schütten. „Mach dir nichts draus“, sagte er in kameradschaftlichem Ton, „die Aktion habe ich auch vor nicht allzu langer Zeit hinter mich gebracht. In fünf bis zehn Minuten geht es dir wieder besser.“ Alisha hatte das Gefühl, dass irgend etwas hier bedeutend schief ging. Die Aktion hatte er vor nicht allzu langer Zeit auch hinter sich gebracht? Was für eine Aktion? War er etwa auch in einem wildfremden Raum aufgewacht, den Alisha in ihrem momentanen, inzwischen recht wachen Zustand als ein Krankenhauszimmer identifizierte, mit zwei nicht minder fremden jungen Männern auf der Bettkante, von denen ihm einer einen Eimer und der andere ein Glas Wasser gereicht hatte? Sie musste ihn sehr skeptisch angesehen haben, denn er fing an zu nicken. „Wirklich. Sei froh, dass du im künstlichen Koma gehalten wurdest, das Schlimmste hast du gar nicht mitbekommen.“ Viel schlimmer geht ja eh nicht, schoss es Alisha durch den Kopf, als eine neue Übelkeitswelle sie mit sich riss und sie wieder anfing zu würgen. Der Schwarzhaarige, der ihr den Eimer gereicht hatte, sah sie missbilligend an, geradezu so, als würde es ihr einen Heidenspaß bereiten, vor seinen Augen so eine Show abzuziehen. Alisha fühlte sich hundsmiserabel und war sich ziemlich sicher, dass man ihr das auch ansehen konnte. Als er schließlich das Wort ergriff, hatte seine Stimme einen ungeduldigen Unterton. Woher kannte sie die beiden Männer nur? „Nun“, fing er an, „da es nicht so aussieht als würdest du dich allzu schnell von deiner Muta erholen, sollten wir es vielleicht möglichst bald hinter uns bringen.“ „Moment mal.“ Alisha griff erneut nach dem Glas, das der Blonde ihr zuvorkommend hinhielt, spülte sich ausgiebig den Mund aus und sah dann schwach zurück zum Schwarzhaarigen. „Erstens“, fing sie an, dann aber kippte ihre Stimme und sie musste sich räuspern. Mit einem fragenden Blick schob ihr der Blonde den Eimer in Reichweite, zog ihn dann allerdings auf ihr Kopfschütteln hin wieder weg. So langsam kam Alisha sich ein wenig veräppelt vor. „Erstens“, fing sie wieder an, „will ich wissen, wo ich hier bin. Dann will ich wissen, warum ich hier bin, und dann würde es mich noch interessieren, wer Sie sind und was Sie hier tun. Ich weiß dass ich Sie irgendwann schon mal gesehen habe, alle beide, aber ich sehe keinen Grund dafür dass Sie hier an meinem Bett sitzen während meine Eltern scheinbar nicht da sind. Wo sind die? Und was ist mit ihnen? Wie lange bin ich schon hier? Wann kann ich zurück? Und warum“, fragte sie eine Spur gereizter, „kriege ich verdammt nochmal keine Antwort, wenn ich etwas frage?“ „Das könnte daran liegen, dass du einem nicht genug Zeit lässt, um auf deine Fragen zu antworten, und die meisten sicherlich die ersten Fragen bereits vergessen haben, bis du mit deiner letzten fertig bist.“ Er rutschte in eine für ihn bequemere Position und holte mit nachdenklichem Blick Luft. „Der Reihe nach: Erstens bist du im Krankenhaus.“ Einer seiner langen Finger schnellte in die Höhe. „Zweitens“, ein weiterer Finger gesellte sich dazu, „bist du hier weil du schwer verletzt warst. Vielleicht erinnerst du dich noch an das, was kurz vorher passiert ist, aber alles wovon ich weiß ist deine Meldung bei der Zentrale, du bräuchtest Hilfe. Du kannst von Glück reden dass gerade jemand in der Nähe war, der dich auf schnellstem Wege versorgen und dann herbringen konnte, sonst wärst du jetzt wahrscheinlich etwas weniger lebendig.“ Alisha setzte sich ruckartig auf, um ihren Protest verlauten zu lassen, ließ sich aber mit einem leisen Stöhnen wieder in die Kissen fallen. Ihre Umgebung drehte sich verdächtig und sie schloss die Augen, um nicht schon wieder erbrechen zu müssen. Währenddessen fuhr der Schwarzhaarige ungerührt fort, seine Antworten durchzuzählen. „Drittens“, er zeigte auf sich, „bin ich Tim, das da drüben ist Jonas und wir sind im Moment nur auf Besuch hier. Ganz nebenbei möchte ich dich bitten das Gesieze zu lassen, wir sind hier nicht an der Uni, das geht viel unkomplizierter mit einem „du“. Wir werden dir noch einiges zu erklären haben, wie es scheint, aber erst mal die weiteren Antworten. Wo war ich stehen geblieben...?“ Er kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Sie weiß noch nicht, wo ihre Eltern sind, was mit ihnen los ist, wie lange sie schon im Krankenhaus liegt und wann sie wieder zurück kann“, sprang Jonas hilfsbereit ein. „Ah, genau!“ Tims Miene hellte sich sichtbar auf. „Deine Eltern. Nun, deinen Eltern geht es gut, sie erfreuen sich bester Gesundheit. Sie denken allerdings, du wärst in einen Unfall verwickelt worden, das erschien uns recht sinnvoll-...“ „Warum?“, fragte Alisha schwach. „Warum sagt ihr ihnen nicht die Wahrheit?“ „Weil sie die nicht wissen dürfen.“ Jonas griff sich mit einem missvergnügten Blick den Eimer, den er zwischenzeitlich abgestellt hatte, und lächelte Alisha gequält an. „Macht es dir was aus, wenn ich das Zeug hier wegmache? Mein Magen ist noch immer recht wund und bei dem Geruch...“ Alisha winkte großzügig ab. Die Tatsache, dass es sich seit sicherlich einer Viertelstunde immer wieder um den Eimer und seinen zweifelhaften Inhalt drehte, versuchte sie zu ignorieren. „Aber warum dürfen sie das nicht wissen?“ „Was sagt dir der Begriff der Maulwürfe?“ Sie sah Tim an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. „Gegenfrage: Was sagt dir der Begriff „Kamel“? Oder vielleicht auch „Pferd“? Was soll mir der Begriff schon groß sagen? Ein süßes kleines Tierchen, das sich von Käfern und Würmern ernährt – ein Maulwurf eben.“ „Es ist nicht nur einfach ein Tier. Ich meine, das ist es auch, ja. Aber es ist auch der Name einer Gruppe von Menschen, die einen hervorragenden Orientierungssinn besitzen und sich sowohl über als auch unter der Erde ohne große Schwierigkeiten fortbewegen können. Sie verfügen über einen großen Vorrat an Wissen, vor allem über unterirdische Gänge und Höhlen.“ „Du hast zu viele schlechte Filme geguckt“. Stellte Alisha trocken fest. „Eben nicht.“ Der Schwarzhaarige stand mit einem Ruck auf und ging zum Fenster. Von dort aus sah er eine Weile lang auf das bunte Treiben unten im Hof hinab, wo kleine Kinder lautstark und auch für Alisha gut hörbar ihre Spiele spielten. Schließlich drehte er sich um und fragte unvermittelt: „Wie fühlst du dich?“ „Beschissen“, gab Alisha ehrlich zu. „Fühlst du dich so, wie man sich fühlen müsste, wenn man kurz davor war, zu verbluten?“ „Keine Ahnung.“ Alisha zuckte mit den Schultern. „Ich war bis jetzt noch nie in der Situation und kann dementsprechend nicht viel darüber sagen, wie ich mich jetzt eigentlich fühlen müsste.“ „Hast du starke Schmerzen?“ „Es geht wieder.“ „Bist du müde?“ „Nicht sehr.“ „Genau das meine ich.“ Sie sah irritiert zu Jonas hinüber, der mit dem wieder sauberen Eimer zurückgekommen war und sich jetzt wieder auf die Bettkante setzte. „Ist das schlimm?“ „Das kommt drauf an. In deinem Fall nicht.“ Tim lehnte sich lässig gegen die Wand. „Dass dir so schlecht ist, dir ständig schwindelig wird und du dich fühlst, als hätte jemand Steine durch deine Eingeweide gewälzt, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass du deine Muta hinter dich gebracht hast.“ „Und was ist eine Muta, bitteschön?“ „Die Kurzform von Mutation.“ „Aha.“ Sie setzte einen Gesichtsausdruck auf, der leichte Herablassung und größtes nur mögliches Fachwissen ausdrücken sollte, was ihr allerdings komplett misslang. Aber wenn sie ehrlich sein sollte, interessierte das sie nicht. Immerhin war sie gerade von Leuten umgeben, die ihr etwas vom Gipskrieg erzählten und erwarteten, dass sie ihnen auch noch glaubte. Sie war während der Zeit, in der sie bewusstlos gewesen war, genauso sicher mutiert wie ihre Bettdecke auf Wunsch ihre Farbe ändern konnte. Die ganze Aktion war einfach nur lächerlich und alles, was jetzt noch fehlte, war die versteckte Kamera. Falls sie die nicht nur noch nicht bemerkt hatte. Tim ließ sich allerdings nicht von seiner Version abbringen und setzte zu einer Erklärung an. „Das ist, wenn dein Körper-...“ „Ich weiß, was eine Mutation ist“, fuhr Alisha ihn unwirsch an. „Ich verstehe nur nicht, was das hier soll. Ich bin müde, mir ist schlecht, mir tut alles weh und ich habe ein Gefühl, als hätte ich Watte im Mund. Ich bin wirklich nicht in der Laune für dumme Späße und würde gerne alleine gelassen werden, wenn das nicht gegen irgendeinen geheimen Codex dieser Tierclans sprechen sollte.“ Sie gab sich keine Mühe mehr, ihren Sarkasmus zu verstecken. „Entweder ich werde jetzt sofort aufgeklärt, was das hier soll, oder ich drücke den Notknopf und lasse euch rausschmeißen.“ „Jeder normale Mensch, der deine Verletzungen gehabt hätte, wäre verblutet. Selbst wenn er es nicht wäre, hätte er jetzt größere Beschwerden als Müdigkeit, ein flaues Gefühl und leichte Schmerzen. Deine Niere war verletzt.“ „Das scheint nicht sehr schlimm zu sein.“ „Normaler Weise ist das tödlich.“ „Bei mir scheinbar nicht.“ Alisha zuckte mit den Schultern. Die Diskussion wurde ihr zu blöd. „Stimmt. Und rate mal, warum.“ „Verrat's mir“, murmelte sie und schloss erschöpft die Augen. „Du gehörst zu den Clans.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)