Denn am Ende steht... von Leira ================================================================================ Kapitel 3: Problemerörterung ---------------------------- Bonjour! Danke für die Kommentare zum letzten Kapitel! *freu* So- viel gibt’s heute eigentlich nicht zu sagen… ich bin mir über dieses Kapitel selbst nicht im Klaren- aber es ist essentiell wichtig für den Fortgang der Handlung, soviel ist sicher- und deswegen hab ich es nach langem Überlegen so gelassen... Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen, Mit freundlichen Grüßen, eure Leira *sichverzieht* _______________________________________________________________________________ Seit dem Gespräch mit seinen Eltern waren zwei Wochen vergangen. Zwei Wochen in denen Conan sich selbst und auch Ran von Ai ferngehalten hatte, um sie nicht unnötig zu quälen. Er wollte ihr die Zeit geben, sich an die Situation zu gewöhnen. In der Schule, wenn er neben ihr saß, sprach er mit ihr nur das Nötigste, um… tja, warum...? Um ihr keine Hoffnungen zu machen? Er wollte sie in Ruhe lassen. Er wollte, dass sie lernte, in ihm nur einen Freund zu sehen. Er wollte ihr nicht wehtun. Inwiefern Ai das gut fand oder nicht, wusste er nicht. Aber vorerst würde er Abstand halten. Den Detective Boys blieb das natürlich nicht verborgen. Während Ayumi sich heimlich freute, Mitsuhiko nicht wusste, ob er lachen oder weinen sollte, wurde Genta zunehmend nervöser, da sich in seinen Augen die Wahrscheinlichkeit, dass aus Conan und Ayumi ein Paar wurde, exponentiell erhöhte, wenn die Möglichkeit, dass aus Conan und Ai ein Paar wurde, nicht mehr bestand. Natürlich fanden sich in seinen Gedankengängen nicht die Worte ‚exponentiell’ und ‚Wahrscheinlichkeit’, aber nichtsdestotrotz hielt er die Lage für brandgefährlich. Und stiftete Mitsuhiko und Ayumi, die ja immer sehr auf den Zusammenhalt der Detective Boys bedacht waren, dazu an, mit Conan und Ai eine Krisensitzung zu halten. Aus einer Krisensitzung wurden fünf. Erst vorgestern waren er und Ai wieder beiseite genommen und verhört worden, ob sie sich gestritten hätten. Es war ja gang und gäbe, dass sie sich stritten- aber wenn die beiden nicht mehr miteinander redeten, dann fiel das sogar den Kindern als Zeichen eines echten Problems auf. Sie hatten beide dementiert, er und Ai- wie immer; ob die Kinder ihnen geglaubt hatten, stand auf einem anderen Blatt. Tatsache war, dass nicht nur den Detective Boys aufgefallen war, das zwischen ihm und Ai was nicht stimmte. Auch Ran war zunehmend misstrauisch geworden, aufgrund der immer neuen Ausreden, die er erfand, um sie von Ai und dem Haus des Professors fernzuhalten. Er wusste nicht, wie lange er ihr diese Sache noch verheimlichen konnte. Es goss in Strömen, und Conan, der gerade von der Schule nach Hause kam, durchnässt wie eine Kanalratte, die ins Abwasser gefallen war, stemmte sich gegen die Haustür des Hauses, in dem die Detektei und die Wohnung der Môris lagen. Als er die Wohnung betrat, brannte nur in der Küche Licht. Ran saß am Küchentisch über ihren Schularbeiten und aus dem Wohnzimmer war Kogorôs lautstarkes Schnarchen zu vernehmen. Der Mann holzt wieder ganze Wälder ab… Er grinste ironisch, blieb in der Tür zur Küche stehen, wollte Ran begrüßen - doch dann geriet er in Stocken, als er ein leises Geräusch hörte. Sie schniefte. Conan stand da wie versteinert und rührte sich nicht. Von seiner Nase und seinen Haaren tropfte das Wasser, aber es interessierte ihn in dem Moment nicht. Ran hatte ihn scheinbar noch nicht bemerkt, denn sie sah nicht auf. Minuten verstrichen, in denen nichts passierte. Sie las immer wieder die gleiche Stelle in ihrem Mathematiklehrbuch, wobei Conan sich sicher war, dass sie nicht wirklich las. Ihre Augen bewegten sich nicht und ihre Hand mit dem Kugelschreiber rührte sich nicht von der Stelle. Ein leises Wimmern erklang, übertönte kaum das Ticken der Küchenuhr. Dann strich sie sich müde über die Augen, sah auf - und erst da merkte sie, dass sie nicht mehr allein war. Sie schaute ihn verwirrt an. Er nieste. „Wie lange stehst du schon da?“, fragte sie. „Ich weiß nicht.“, antwortete er wahrheitsgemäß. Er hatte nur Augen für ihr Gesicht. Ihr verheultes Gesicht. Er merkte, wie ein Schauer ihm den Rücken hinab lief - und er wusste, der rührte nicht daher, dass er erbärmlich fror. Sie hatte geweint. Und er wusste, warum. Und sie wusste, dass er es wusste. Sie war jetzt noch völlig fertig, so fertig, dass sie sich nicht mal auf ihre Hausaufgaben konzentrieren konnte. Conan schluckte, schloss die Tür hinter sich, dann machte er Anstalten, auf einen Stuhl zu klettern. Schließlich saß er, die Hände auf er Tischplatte ausgestreckt und musterte sie. Ran räumte ihr Schulzeug zurück in ihre Schultasche. „Hattest du einen schönen Tag?“ Er klang angespannt. Versuchte, ein normales Gespräch zu führen. „War schon okay.“ „Okay?“ „Ja. Du bist tropfnass, du solltest dich abtrocknen, bevor-“ Conan sah sie starr an. „Ich bin nicht aus Zucker.“ „Du solltest wirklich… du wirst noch krank. Schließlich bist du noch ein-“ Sie brach ab, blickte ihn erschrocken an, wandte dann den Kopf ab. „Sprichs aus, Ran. Ein Kind, das wolltest du doch sagen, nicht wahr? Das muss dir nicht unangenehm sein, schließlich ist es doch die Wahrheit.“ Seine Stimme troff vor Zynismus- doch in seinen Augen lagen Frustration und Sorge. Sorge um sie, Sorge, dass sie nicht mehr lange klarkam damit… wenn es ihr offensichtlich immer noch Schwierigkeiten machte, ihn so zu sehen. Damit zu leben. Bei ihren Gesprächen immer noch glaubte, aufpassen zu müssen, was sie sagte... Ran schaute auf, bemerkte den betrübten Ausdruck auf seinem Gesicht. Sie wusste, woran er dachte. Wusste, er fühlte sich schlecht, weil er sie mit seinem Zustand manchmal in einen Zwiespalt riss... ihre Gedanken, ihre Wünsche und ihr Leid, ihre Zweifel, in ihren Augen las. Dann griff sie über die Tischplatte, drückte seine Hand. „Mach nicht so ein düsteres Gesicht, Shinichi… du denkst zuviel nach, du machst dir zu viele Gedanken um mich...“ Sie lächelte ihn aufmunternd an. „Ich komm schon klar…“ Conan seufzte. Sie versuchte, ihm nicht zu zeigen, dass es ihr nicht gut ging. Wie immer. „Glaub mir, das tue ich nicht. Zuviel nachdenken, meine ich…“, murmelte er leise, entzog ihr seine Finger und stützte seinen Kopf auf beide Hände. Unter ihm bildete sich auf dem Tisch eine Wasserlache. Er schüttelte den Kopf. Ran strich sich die Haare aus dem Gesicht, schaute ihn müde an. Es gab noch etwas anderes, was sie beschäftigte- ein Thema, über das er sich immer noch beharrlich ausschwieg. „Du weißt, dass das nicht ewig so weiter gehen kann. Du machst dich kaputt mit all deinen Sorgen. Sag mir doch, was genau passiert ist. Wer hat dir das angetan, und warum? Und was ist los mit dir und…“ …Ai? Er schüttelte resignierend den Kopf, nieste erneut, senkte seinen Blick auf die Tischplatte, zog sich die Brille von der Nase. Ran starrte ihn an. Ohne Brille sah sie ihn noch viel deutlicher als ohnehin schon. Shinichi… Da war sie wieder- diese Sehnsucht. Sie überwältigte sie fast, riss sie mit sich. All ihre Fassung, ihre Selbstbeherrschung löste sich in diesem Moment im Nichts auf. All ihre guten Vorsätze, ihn nicht mehr merken lassen zu wollen, wie sehr er ihr wirklich fehlte, schwammen den Bach runter, schwanden dahin... waren auf einmal irrelevant, wie weggewischt. Sie biss sich auf die Lippen, merkte, wie ihr die Luft wegblieb, als sie versuchte, ihre Tränen, die sich in ihren Augen zu sammeln begannen, zu unterdrücken. Lange sprach keiner ein Wort. Als sie dann schließlich den Mund öffnete, klang ihre Stimme brüchig. „Ich will dich wiederhaben.“ Er schaute auf, sah eine Träne in ihren Augen glitzern. Das war es, auf das er gewartet hatte. Er hatte es kommen sehen… es war einfach unvermeidlich. Egal wie sehr sie versuchten, auf heile Welt zu machen - ihr Dilemma war offensichtlich, ihr Problem ließ sich weder wegdiskutieren noch totschweigen. Er beugte sich nicht vor, um ihr die Träne wegzuwischen. Widerstand dem Drang, etwas Beruhigendes zu sagen. Alles, was er ihr zu sagen gehabt hätte, wären Lügen gewesen. Und wieder kamen sie, all die Zweifel, die er eigentlich vergangen geglaubt hatte. Zweifel, ob das, was er getan hatte, richtig gewesen war. Ob Ran einzuweihen wirklich eine gute Idee gewesen war. Sie saß ihm gegenüber, sah ihn erschöpft an. „Ich liebe dich, verdammt. Ich will dich wieder…“ Sie weinte jetzt hemmungslos, schaute ihn an - in ihren Augen lagen Vorwurf und Verlangen gleichermaßen. Er hielt ihrem Blick stand. „Du hast gelogen.“ Innerlich brach gerade eine Welt für ihn zusammen. Was machten sie hier eigentlich? Wie hatte er jemals glauben können, er würde ihr einen Gefallen tun, wenn er ihr sagte, wer er war? Sie starrte ihn perplex an. „Was?“ „Du hast gelogen - im Speziellen, an dem Tag als Sonoko da war. Und im Allgemeinen, an jedem Tag seit Weihnachten…“ Seine Stimme war leise, kaum mehr als ein Flüstern. „Wie… wie meinst du das?“ Sie schniefte. „Du sagtest, du wärst glücklich, Ran. Das war eine Lüge. Eine verdammte Lüge. Du willst es sein, du spielst es mir vor, aber… Du bist nicht glücklich, und ich bin es auch nicht, machen wir uns nichts vor.“ Ran schaute ihn an. Er hatte den Blick abgewandt, schaute wieder seine Spiegelung auf der polierten Holztischplatte an. „Seit Weihnachten schwankst du gefühlsmäßig zwischen Himmel und Hölle. Glaubst du, das ewige Auf und Ab fällt mir nicht auf? Immer wenn du mich ansiehst, denkst du an die Stunde im Park, es ist doch so?“ Sie starrte ihn an. Er sah auf. „Versuch nicht, es abzustreiten, es ist so, mir geht es doch genauso. Und jedes Mal, wenn du mich ansiehst, und an diese Stunde im Park denkst… dann wird dir bewusst, dass wir davon weiter entfernt sind, als wir es jemals vorher waren. Das ist die Wahrheit, Ran, schüttle nicht den Kopf.“ Sie hörte auf, ihren Kopf hektisch von Links nach Rechts zu bewegen. „Du liebst mich nicht.“ Ihr wurde kalt, als sie ihn das sagen hörte. „Wie redest du mit mir…?“, wisperte sie fassungslos. Er schluckte, sah sie an. „Versteh mich nicht falsch, Ran. Aber wenn du zu mir, so wie ich jetzt vor dir sitze, sagst, dass du mich liebst, dann lügst du. Du liebst Shinichi, nicht Conan. In Conan sahst du immer nur den Bruderersatz, in Shinichi den, den du…“ Er brach ab. „Aber du bist doch…“ Conan schüttelte den Kopf. „Nein, da irrst du. Ich bin nicht Shinichi. Ich bin weit davon entfernt, Shinichi zu sein, solange ich in diesem Körper stecke. Conan ist eine Kunstfigur, Shinichi ist echt. Und genau da liegt der Hund begraben. Indem ich dir bestätigt habe, damals im Park, wer Conan ist… damit hab ich dich mit in den Zwiespalt gerissen, in dem ich schon längst stecke. Was hab ich mir dabei gedacht? Ich hab dir damit keinen Gefallen getan. Die kurzen Momente des Glücks, die du erleben darfst, wenn du an Weihnachten zurückdenkst, und die einzige Sorge, die ich dir nehmen konnte, nämlich die über Shinichis Aufenthaltsort, das wiegt das ganze Unglück, in das ich dich gestürzt habe, doch längst nicht auf… längst nicht…“ Er schluckte schwer. „Ich seh’s dir doch an…“ Ran sah ihn an. Sie hatte aufgehört zu weinen. Langsam begriff sie, was er ihr klarzumachen versuchte. Er starrte sie an. „Ich liebe dich.“ Er seufzte matt. „Weißt du, dass ich schon mal darüber nachgedacht hab, mich aus deinem Leben zu verabschieden, damit du glücklich werden kannst? Damit du mich vergisst und dir einen anderen suchst…?“ Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, seine Finger zitterten etwas. „Langsam frage ich mich, ob das nicht die bessere Wahl gewesen wäre, als dir das hier anzutun…“ „NEIN!“ Sie klatschte mit der Hand so heftig auf die Tischplatte, dass er hochschrak. Sie atmete tief durch. „Nein.“, sagte sie dann noch einmal ruhig, schloss kurz die Augen. „Ich liebe dich. So wie du bist. Auch so, wie du grad im Moment bist. Du weißt, ich hab schon oft geahnt, dass du Shinichi bist. Ich hätte dich nie vor vollendete Tatsachen gestellt, wenn ich nicht sicher gewesen wäre, damit umgehen zu können. Ich hab es mir leichter vorgestellt, das stimmt. Aber ich bereue nichts. Und mit dir jetzt hier zu sitzen und darüber so zu reden, zeigt mir, dass meine Entscheidung richtig war. Und deine damit auch. Ich bin froh, dass du mir vertraut hast und es mir gesagt hast. Mich nicht wieder im Unklaren gelassen hast.“ Ran schluckte, schaute ihn liebevoll an. „Ich kann verstehen, dass du dich entzweigerissen fühlst, und dabei will ich dir helfen. Ich will, dass du wenigstens manchmal vergisst, dass du momentan einen Meter kürzer und zehn Jahre jünger bist, als du sein solltest. Aber du darfst nie vergessen, wer du bist. Ich gebe zu, es ist schwer. Und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich würde dich nicht lieber in deiner älteren Version hier haben. Aber ich bin froh, dass du da bist. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du gehst. Das wäre viel schlimmer, als alles, was hier noch kommen kann.“ Conan schaute sie unsicher an. „Es ist gut so wie es ist. Mach dir nicht immer so viele Gedanken.“, wisperte Ran. „Es gibt Hochs und Tiefs, das stimmt. Aber ich hab dich nie angelogen. Ich bin glücklich, dich zu haben. Vergiss nie, wir gehören zusammen. Uns verbindet etwas.“ Sie stand auf, ging um den Tisch herum, beugte sich neben seinem Kopf zu ihm runter. „Vergiss nie, was ich gesagt habe. Ich halte auch was aus, trau mir doch auch was zu, Shinichi, auch wenn ich manchmal einen Durchhänger habe. Du musst das nicht mehr allein durchmachen.“ Ran gab ihm einen Kuss auf die Schläfe, dann stand sie auf. „Ich mach was zu essen.“ Damit ging sie an den Kühlschrank und begann, die Zutaten fürs Abendessen auf die Anrichte zu türmen. Lange sagte er nichts, sah ihr einfach nur stumm dabei zu. Dann- „Ran?“ Sie drehte sich um. „Hm?“ „Danke, Ran…“ Sie lächelte nur, dann wandte sie sich wieder der Zubereitung des Essens zu. Er rutschte vom Stuhl und verließ die Küche, ging zuerst ins Bad, um sich abzutrocknen, dann in Kogorôs Zimmer, um sich umzuziehen und schließlich in Rans Zimmer. Da er ungestört überlegen wollte, verzog er sich lieber hierhin als in Kogorôs Schlafzimmer, in dem er für gewöhnlich schlief, falls Kogorô heimkam und ihn in seinen Gedanken störte. Er mochte die Atmosphäre in ihrem Zimmer. Er setzte sich aufs Fensterbrett, ließ seine Stirn gegen die Scheibe sinken und seufzte. Jetzt, nachdem er das Gespräch ein wenig verdaut hatte, begann er sich zu fragen, wie es eigentlich soweit hatte kommen können. Sich so gehen zu lassen, auf solche Gedanken zu kommen. Er hätte gerade eben ziemlichen Mist bauen können. Waren seine Nerven wirklich schon so blank? Warum? Weil er glaubte, Sonoko verdächtigte ihn? Er schüttelte den Kopf. Doch nicht Sonoko. Nein. Sonoko mit dem Intelligenzquotienten eines Handrührgerätes und dem detektivischen Gespür einer Straßenlaterne? Nein. Er lachte innerlich auf. Aber trotzdem blieb bei dem Gedanken ein bitterer Nachgeschmack auf seiner Zunge zurück. Ihre Blicke letztens waren seltsam gewesen. Und noch immer schaute sie ihn komisch an, in der Schule in der Pause, wenn sie bei Ran war- immer, wenn sie unter welchen Umständen auch immer, aufeinander trafen, schien sie ihn zu beobachten. Aber Sonoko und ihn verdächtigen- ganz ehrlich? Nein. War er so verwirrt wegen Ai? Vielleicht… Er machte sich Sorgen um sie. Sie hatte in ihrem Leben schon so viel gelitten, schon so viel verloren- ihre Eltern, ihre Schwester… sie wurde von der Organisation verfolgt, hinter ihr waren Leute her, die sie um jeden Preis umbringen wollten… Shiho hatte wohl nie wirkliche Freunde gehabt, hatte sich bis dato nie ernsthaft verliebt… und dann suchte sie sich ausgerechnet jemanden wie ihn aus. Er seufzte, massierte sich die Schläfen. Ihr Leben bestand aus einer Aneinanderreihung von Katastrophen und Schicksalsschlägen. Er wollte doch eigentlich auch, dass sie glücklich war, und gleichzeitig wusste er, dass er nicht derjenige sein würde, der sie glücklich machen würde. Sicher machte er sich auch Gedanken wegen Ran, ja… er hatte sich die letzten zwei Wochen schon immer wieder Vorwürfe gemacht. Er hatte wirklich von Zeit zu Zeit bereut, sie da mit hineingezogen zu haben. Warum machte es ihm eigentlich soviel aus, dass sie sich nach ihm sehnte? Er wünschte sich doch auch seinen Körper zurück, sich selbst an diesen See im Park, mit ihr… er konnte es nur nicht ertragen, wenn er sie leiden sah, wenn sie weinte, wegen ihm- und wenn er sie enttäuschen musste. Ihr seine Liebe, so wie sie damals gewesen war, jetzt versagen musste, sie ihr nicht geben konnte, weil es… weil es… Weil es nicht gut war, so. Weil es nicht richtig war. Er war ein Kind. Sie nicht. Aber sie hatte Recht- sie war in diese Sache auch involviert, sie war auch in der Lage, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Warum traute er ihr eigentlich so wenig zu? Vielleicht sollte er ihr ein wenig mehr sagen. Nur ein wenig mehr. Damit sie… die Umstände besser verstand. Vielleicht sollte er ihr über Ai erzählen. Jetzt, wo sie über ihn Bescheid wusste, musste ihr Ais Verhalten ohnehin auffallen… Er merkte nicht, wie die Tür aufging. Auch nicht, wie sich jemand näherte. Erst als er den Duft ihres Parfums roch und sich kurz darauf ihre Arme um seinen Körper spürte. „Essen ist fertig. Und wenn du dir weiterhin so fleißig deine Stirn in Falten legst, bleiben sie dir.“ Conan seufzte und drehte sich um. „Es tut mir Leid.“ „Hm?“ Er holte Luft. „Das von vorhin. Ich weiß nicht, was los war mit mir. Es tut mir Leid, dass ich dich so… so angefahren habe, dir diese Sachen unterstellt habe, nur weil ich eine Sinnkrise habe.“ Er lächelte schief. „Ich hasse es, so zu sein, wie ich gerade bin. Ich vermisse dich auch, obwohl das von mir zu hören, komisch für dich sein mag. Und ich vermisse mich.“ Ran lächelte erleichtert. „Ich versteh schon, was du meinst, mach dir keine Gedanken." Sie schaute ihn ernst an. "Das wird alles wieder werden, irgendwie... ich glaube fest daran, und das solltest du auch. Das solltest du auch.“ Er nickte, dann ging er in die Küche. Ran blieb noch kurz stehen, schaute ihm nachdenklich hinterher, bevor sie sich ebenfalls zu Tisch begab. Irgendetwas muss passieren, Shinichi. So geht das nicht weiter, du machst dich kaputt. Warum erzählst du mir nicht einfach, was passiert ist…? Das Abendessen verlief schweigsam. Kogorô schlang sein Essen schnell herunter, um sich dann für seine Pokerrunde zu verabschieden. So blieben Ran und Conan wieder einmal allein zurück. Während Ran den Abwasch machte, blieb er sitzen, sah sie prüfend an. Ran, die seine Blicke im Nacken spürte, drehte sich um. „Hm?“ Sie sah ihn aufmerksam an. „Du hast dich in all der Zeit nicht gebessert, Shinichi. Wenn du was zu sagen hast, dann spuck’s aus.“ Er schaute sie verwirrt an. „Sieht man mir das an?“ „Ja.“ Sie nickte. „Man sieht es dir an. Also, was ist los?“ Conan blickte sie ertappt an. „Aber ich weiß noch nicht, ob ich es dir sagen soll oder nicht.“ Ran seufzte genervt. „Warum?“ „Weil es eigentlich eine- meine- Privatsache ist. Da sie dich aber doch irgendwie auch betrifft, und du es früher oder später wohl herausfinden wirst… und ich nicht will, dass du’s von einer anderen Person erfährst…“ „Shinichi…! Komm auf den Punkt.“ Ran schaute ihn nachdenklich, aber auch leicht ungeduldig an. Dass er so um den heißen Brei herumredete, war sie eigentlich nicht gewohnt von ihm. Er schluckte, räusperte sich. „Du darfst das aber jetzt nicht irgendwie wichtig nehmen oder so. Und es ist wichtig, dass du’s auch keinem sagst, mit niemandem drüber redest, erst recht nicht mit der betreffenden Person, sonst dreht sie mir den Hals um.“ Ran legte den letzten, abgespülten Teller beiseite und setzte sich an den Tisch. „Jetzt machst du mich neugierig.“ Er seufzte tief. „Es geht um Ai.“ „Also sagst du mir endlich, was los ist? Warum du mich mit aller Gewalt von ihr und vom Professor fernhältst, du mit ihr fast nicht mehr redest?“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Dann ist es dir wirklich aufgefallen.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ran nickte zustimmend. „Was ist mit Ai?“ Conan schaute sie ernst an. Ihm war auf einmal heiß geworden, was sich in einer etwas rötlicheren Gesichtsfarbe manifestierte. „Du darfst nicht lachen. Versprich es. Versprich mir, dass du nicht lachst.“ Ran schüttelte verständnislos den Kopf. „Warum sollte ich lachen? Aber gut, okay, ich versprechs.“ „Ai ist in mich verliebt.“ Conan schaute sie abwartend an. „Das ist Ayumi auch.“ Ran verzog krampfhaft die Lippen. Warum machte er jetzt so ein Aufsehen um eine Kinderliebelei? Er hatte doch mit Ayumi auch keine- äh- nennenswerten Probleme. Außer ihr gebrochenes Herzchen, wenn sie jemals erfuhr, wer Conan wirklich war. Er hob tadelnd eine Augenbraue in die Höhe. „Ich lache nicht!“ „Aber du würdest. Wenn ich dir jetzt noch etwas sage, dann wird es dir vergehen. Ai ist ein Jahr älter als ich.“ „Na und? Dann ist sie halt schon zehn…“ Conan schüttelte ernst den Kopf. Und jetzt begriff Ran. „Oh mein Gott…“ Sie hielt sich die Hand vor den Mund, starrte in fassungslos an. „Zwanzig? Ai ist schon zwanzig? Sie wurde…“ Ihre Stimme verlor sich. Ihr Teint war sehr blass geworden, ihre Augen voller Entsetzen. „Auch geschrumpft? Mehr oder weniger, ja. Sie hat das Zeug erfunden.“ Conan vervollständigte ihren Satz, schluckte. Er wusste, es war gefährlich, so nahe an die Wahrheit heranzugehen, er wollte Ran ja eigentlich nichts über die Schwarze Organisation erzählen- aber er wollte ihr die Sache mit Ai nicht verheimlichen. Schließlich waren sie ein Paar. „Sie war diejenige, dank der ich an Weihnachten eine Stunde Zeit für dich hatte.“ Er lächelte. „Sie hat’s getan, weil sie mich mag. Ich hab sie angefleht, eine Woche vor Weihnachten, bevor wir telefoniert hatten. Da sagte sie noch, es würde nicht gehen. Dann kam sie am vierundzwanzigsten mit dem Mittel, den Rest kennst du.“ „Wusste sie, dass du…“ „Dass ich zu dir gehen würde und dir sage, was… was ich für dich empfinde? Ja. Sie wusste es.“ „Aber warum? Aus welchem Grund…?“ „Aus dem gleichen Grund, warum ich dich verlassen wollte. Um mir das Leben etwas leichter zu machen. Damit ich mal wieder glücklich bin, wenn auch nur kurz.“ Ran lehnte sich zurück. Sie musste diese Information erst einmal sacken lassen. „Aber du bist doch schon länger Conan, als du Ai kennst… oder?“, fragte sie schließlich. „Ja, das ist richtig. Ich hab Ai erst einige Zeit später kennen gelernt.“, stimmte er ihr zu. „Also… also hast du das Gift nicht von Ai direkt bekommen?“ „Genau. Ich bekam es von jemand anderem.“ „Von wem-“, setzte Ran an, wurde aber durch Conans Kopfschütteln unterbrochen. „Frag nicht weiter, Ran. Mehr wirst du aus mir nicht herauskriegen.“ „Aber…“ „Kein Aber.“ Er schaute sie ernst an. Dann wandte er den Kopf, ließ seinen Blick aus dem Fenster schweifen. Draußen gingen langsam der Reihe nach die Lichter in den Fenstern der Wohnblocks an. Schließlich brach sie das Schweigen, stellte die Frage, die ihr schon seit Weihnachten auf der Zunge brannte. „Shinichi? Warum erfinden Leute irgendwelche komische Substanzen und probieren die an Unschuldigen aus? Warum haben die dir das Gift gegeben, was sollte es eigentlich bewirken…? Und warum wären sie hinter dir her, wüssten sie, dass du noch lebst? Warum wissen sie genau das aber nicht, warum wissen sie nicht, wer du bist, wissen nicht, dass ihr eigenes Gift diese Wirkung haben kann?“ Er rutschte vom Stuhl, schaute zu ihr hoch. „Frag nicht weiter, Ran.“ Damit ging er. Sie schaute ihm nach, zum zweiten Mal an diesem Abend. Und sie fasste für sich einen Entschluss. Wenn er es nicht für nötig hielt, mit der Wahrheit herauszurücken, lieber dein einsamen Wolf spielen wollte- dann würde sie ihn wohl irgendwie zum Reden bringen müssen. Ihn, oder jemand anderen. Und die perfekte Person dafür hatte er selbst ihr heute genannt. ___________________________________________________________________ PS: Für den, den's interessiert: an Ostern wird es wieder Zeit für einen Oneshot- der diesmal auch einer bleibt. Hat mit Ostern zwar nicht direkt was zu tun, aber muss er ja auch nicht, oder? Kap vier kommt wie gehabt am Mittwoch nächste Woche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)