Mondkönig von Celian ================================================================================ Kapitel 2: Goldene Fesseln -------------------------- Kapitel 2 Goldene Fesseln Langsam wandte der König von Bayern seinen Blick vom Fenster ab, an dem er längere Zeit verweilt hatte, um den Schneeflocken beim Fallen zuzusehen. Ohne Eile trat der junge Mann dann an seinen Schreibtisch in der Münchner Residenz und ließ sich auf dem bequemen Arbeitssessel nieder, öffnete eine der Schubladen des hölzernen Schreibtisches und holte ein großes, königsblaues Buch heraus, dass er vor sich auf den Tisch legte. Das Buch trug vorne das Siegel des Königs, zwei in sich verschlungene goldene L. Nachdem Ludwig das Buch aufgeschlagen hatte, griff er zu seiner Schreibfeder, tunkte diese in das kleine Tintenfässchen und begann nachdenklich einige Zeilen in seinem Tagebuch zu verfassen. 15. Januar 1867 Während ich draußen den Schneeflocken bei ihrem langsamen Fall zugeschaut habe, fragte ich mich, warum mein Leben eher wie ein Schneesturm verlaufen muss. Die letzten zwei Jahre waren so voller Unruhe. Erst muss ich mich all den Kunstbanausen in meiner Regierung beugen und den von mir so geschätzten Richard Wagner bitten, Bayern wieder zu verlassen. Dann 1866 dieser unsägliche Krieg. Warum muss man mich drängen Kriege zu führen? Warum verlangt man von mir, mich zu entscheiden, auf welcher Seite mein Volk kämpfen soll, wo es mir lieber wäre, sie müssten gar nicht kämpfen?! Nur wegen meiner hochgeschätzten Cousine Sisi habe ich mich damals auf die Seite Österreichs und somit gegen Preußen gestellt. Und was hat dieser Krieg für Bayern gebracht? Nur Schlechtes. Die Truppen stehen nun unter preußischem Oberbefehl und 30 Millionen Gulden Kriegsentschädigung musste mein armes Land zahlen. Was wohl dieses Jahr für Wirren für mich bereithalten wird? Mit dieser Frage schloss der Monarch seinen Tagebucheintrag ab und schaute einen Moment auf die langsam trocknende Tinte. Die einzige wirkliche Beständigkeit war in diesen zwei Jahren die Liebe zu jenem Stallmeister gewesen, die mit einem Kuss im Stall von Schloss Berg ihren Anfang genommen hatte. Natürlich war es nicht einfach, diese Beziehung geheim zu halten, und doch klappte es, solange sie sich beide in der Öffentlichkeit am Riemen rissen und dort nichts weiter waren als König und Diener. Erst hinter verschlossenen Türen konnten der Bayernkönig und der mittlerweile auch zum Leibdiener aufgestiegene Richard ein Liebespaar sein. Die Gedanken des Königs wurden durch ein Klopfen gestört und es dauerte einen Moment, bis er mit einem ‚Herein’ den ungebetenen Gast hinein bat, denn eigentlich erwartete er niemanden. Herein kam die Mutter des Königs, mit roten Wangen und wehendem Rock. Sie sah aufgeregt und ziemlich in Eile aus. Ludwigs Gesicht verdüsterte sich beim Anblick seiner Mutter, denn er mochte sie heute noch genauso wenig wie vor drei Jahren schon. Der König kam aber gar nicht dazu, irgendwie etwas zu sagen oder sie zu begrüßen, denn seine Mutter war schon immer eine Frau der Taten gewesen und so begann sie auch gleich ihr Anliegen vorzutragen, ohne dass Ludwig darum gebeten hatte. „Mein Sohn, da bist du ja!“, rief sie aus und der junge Monarch verzog das Gesicht, als er ihre Stimme hörte, die er noch weniger mochte. „Ich habe dich im ganzen Schloss gesucht! Auf, auf! Es eilt! Zieh deine Uniform an, es geht auf einen Ball!“, meinte die Königinmutter im Befehlston, was dem König auch wieder missfiel. „Was für einen Ball?“, fragte Ludwig und sprach das Wort ‚Ball’ fast wie ein Schimpfwort aus, denn er hasste Bälle. „Ich gebe einen Ball heute Abend!“, sprach seine Mutter. „Es wird endlich Zeit, dass du dir eine Frau nimmst! Darum habe ich viele adlige Frauen eingeladen, die im heiratsfähigen Alter sind. Eine wird dir bestimmt zusagen! Es ist deine Pflicht als König, Ludwig!“, sagte seine Mutter barsch, als sie sah, wie ihr Sohn die Augen verdrehte. „Also zieh dir deine Uniform an! In einer Stunde beginnt der Ball!“ „In einer Stunde? Was soll das Mutter? Hast du mich gefragt, ob ich einen Ball will? Oder ob ich mich verloben will?“, fragte Ludwig mittlerweile aufgebracht, denn er hatte nicht die geringste Lust, in einer Stunde auf diesem Ball zu stehen und sich von unzähligen Frauen umkreisen und umschwärmen zu lassen. Er hatte sich eher vorgestellt, den Abend heute mit Richard zu verbringen, ganz in Ruhe einfach ein wenig die Zweisamkeit zu genießen, aber genau das konnte er seiner Mutter ja schlecht auf die Nase binden. Und seine Mutter ließ auch nicht locker, sie hatte dies geplant und würde sich nicht davon abbringen lassen. „Nein, ich habe dich nicht gefragt, weil du mir ohnehin als Antwort gesagt hättest, dass du dies alles nicht willst. Also … keine Widerworte, in einer Stunde. Sei pünktlich!“ Nachdem sie dies ausgesprochen hatte, verließ die Königinmutter das Arbeitszimmer ihres Sohnes. Dieser blieb empört über ihr Verhalten zurück und wusste in diesem Moment gar nicht wirklich, was er tun sollte. Er hatte ja eben schon deutlich gesagt, was er über diese schwachsinnige Idee dachte, doch was blieb ihm denn für eine Wahl? Seine Mutter würde keine Ruhe geben und ihn sicher überall suchen lassen, wenn er nicht gehen würde. Doch was würde es bringen, wenn er gehen würde? Eine Frau würde er ohnehin nicht finden, egal ob hübsch oder heiratsfähig. Es gab nur einen, mit dem er über dieses Thema sprechen konnte, nämlich Richard. Außerdem betraf dieses Thema seinen Geliebten und Leibdiener auch, das machte es in Ludwigs Augen umso wichtiger, auch ihn dazu anzuhören. Ohne weiter zu zögern, zog Ludwig an einer goldenen Kordel, die nicht unweit von seinem Schreibtisch hing und an der die Dienerglocke befestigt war. Und tatsächlich dauerte es nicht lange und ein kurzes Klopfen ertönte. Nach des Königs „Herein!“ trat der blonde Leibdiener ein, verbeugte sich, wie er es eigentlich immer tat. „Das sollst du nicht tun, das weißt du …“, kommentierte Ludwig diese Verbeugung, nachdem Richard die Tür geschlossen hatte. Richard schenkte seinem Liebsten und Herrn ein strahlendes Lächeln. „Ich weiß, aber du kennst mich ja. Du musst mich mindestens noch einmal daran erinnern“, sprach der junge Mann und kam dann einige Schritte näher. „Was kann ich für dich tun, Liebster?“, fragte Richard nun, denn sein Herr hatte ihn ja sicher aus einem bestimmten Grund gerufen. Ludwig seufzte leise und erhob sich von seinem Stuhl und schritt durch den Raum auf Richard zu, nahm diesen dann an die Hand und zog ihn zu dem an einer Wand befindlichen Sofa und ließ sich darauf nieder. Das Sofa war schön weich, bequem und mit edlem Stoff überzogen. Als sie saßen, zog der König seinen Geliebten in seine Arme und drückte ihn eine Weile erstmal nur schweigend an sich, bevor er dann doch die Stimme erhob. „Meine Mutter war eben hier. Sie will, dass ich in einer Stunde auf einem Ball erscheine.“ Er brauchte Richard gar nicht erzählen, dass er solche Anlässe hasste, sein Liebster wusste dies längst. “Aber viel schlimmer ist die Tatsache, dass dieser Ball einzig und allein dazu da ist, damit ich mir eine Verlobte suche. Richard … was soll ich tun? Ich kann das nicht und ich will das nicht … ich will niemanden außer dich lieben … niemanden sonst.“, erklärte Ludwig und machte so klar, was in ihm vorging. Während er gesprochen hatte, hatte der König langsam sein Gesicht in der Halsbeuge des Liebsten vergraben, seufzend auf Richards Antwort wartend. Der junge Stallmeister saß einen Moment wie gelähmt da. Sein Liebster sollte sich verloben? Aber das ging doch nicht! Er war doch schon mit ihm zusammen! Dann kam ganz langsam wieder die Wirklichkeit in ihm auf. Niemals durfte ihre Beziehung bekannt werden, das würde das Ende von Ludwigs Regentschaft und auch sein Ende bedeuten. Sein Geliebter musste seine Pflicht erfüllen, die jeder König zu erfüllen hatte. Er sollte heiraten und Nachkommen zeugen, wie es Brauch und Sitte war. Einen Moment stiegen Tränen der Verzweiflung in ihm auf, denn er fragte sich innerlich, ob er seinen Geliebten teilen konnte. Konnte er damit leben, mit dem Wissen, dass des Königs Liebe nur ihm gehörte? Aber dass er den Körper dieses Mannes mit einer Frau teilen musste? Richard musste sich beherrschen, um nicht gleich in Tränen auszubrechen, so sehr schmerzten ihn diese Gedanken. Er wusste, wenn sie ihre Beziehung weiterführen wollten, musste sie geheim bleiben. Eine Heirat würde jeden Verdacht auf eine Beziehung mit ihm außer Frage stellen. Tapfer nahm sich der junge Mann zusammen und biss sich auf die Lippen, um die Tränen zurückzuhalten, atmete tief ein, bevor er dann zu sprechen begann. „Liebster …“, sprach er, getraute er sich doch Ludwig nur dann so zu nennen, wenn sie absolut alleine waren. „Glaub mir, dass mir dieses Thema auch nicht leicht fällt … der Gedanke, dich teilen zu müssen, widerstrebt mir, aber …“, sagte Richard weiter und es brach ihm fast das Herz beim Anblick seines Liebsten. „Aber wir müssen daran denken, dass unsere Beziehung niemals an die Öffentlichkeit gelangen darf. So schön sie auch sein mag, wir dürfen diese Beziehung nicht wie Mann und Frau ausleben. Vielleicht wäre es besser, wenn du dir eine Verlobte nimmst, um unsere Beziehung zu sichern, verstehst du?“ Nach diesen Worten nahm Richard Ludwigs Gesicht in beide Hände und eine salzige Träne kullerte über Richards Wange, die er nun doch nicht mehr zurückhalten konnte: „Oh Ludwig, glaub mir, es fällt mir auch nicht leicht, das zu sagen … Aber wenn du nicht das tust, was man von dir erwartet, dann wird man über dich reden … Dann wird man unsere Beziehung vielleicht entdecken … Dann holen sie dich von mir fort! Willst du das?“, sprach Richard mit zitternder Stimme, während noch eine Träne über seine Wange rollte. Sanft drückte er seinen Liebsten an sich: „Es bringt mich fast um, wenn ich daran denke, dass ich dich mit einer Frau teilen muss. Doch werde ich versuchen stark zu sein, für dich … für uns, weil der Gedanke, dich verlassen zu müssen, mich mehr schmerzt, als dich zu teilen …“, wisperte der junge Stallmeister nun mit tränenerstickter Stimme. Der Angesprochene seufzte daraufhin schwermütig. Hatte Richard etwa Recht mit dem, was er sagte? Was würde werden, wenn er sich eine Frau nehmen würde? Allein der Gedanke daran, mit einer Frau zusammenzusein, widerstrebte dem jungen König, sogar fast genauso wie der Gedanke an Krieg und so gab es auch nur wenige Frauen, denen Ludwig vollste Verehrung entgegenbrachte, doch nie mehr als das. Zärtlich und ohne ein weiteres Wort strich der Mondkönig, wie Richard ihn oftmals nannte, die Tränen des blonden Leibdieners fort. „Shhh, weine nicht. Deine Tränen sind zu kostbar … und … noch ist nichts entschieden. Ich muss nachdenken, vor allem auch darüber, was du eben sagtest“, sprach der König von Bayern mit ruhiger Stimme, obwohl ihm bei der momentanen Situation auch eher nach Weinen zumute war. Vorsichtig beugte er sich nun ein Stück vor, küsste erst sanft die Wangen des Stallmeisters, konnte dabei auch den salzigen Geschmack von Richards Tränen schmecken. Es brach dem Monarchen das Herz, wenn sein Richard weinte, ging es dem Leibdiener doch ebenso, wenn Ludwig weinte. Erneut seufzte der König, suchte aber im nächsten Moment die warmen Lippen des Geliebten und entführte diesen in einen liebevollen Kuss. „Heute werde ich keine Entscheidung treffen … hab keine Angst. Und egal, was auch sonst geschehen wird, ich werde an unserer Liebe festhalten, denn ich liebe dich von ganzem Herzen“, flüsterte Ludwig seinem Liebsten zu, ließ so auch seinen warmen Atem über die Lippen des jungen Mannes streichen. „Hilf mir bitte in die lästige Uniform zu kommen …“, bat der König, verdrehte dabei die Augen und lächelte ein wenig gequält, auch um Richard zumindest wieder ein kurzes Lächeln zu entlocken. Er sollte nicht enttäuscht werden, denn der junge blonde Mann musste wirklich etwas bei den Äußerungen seines Liebsten lachen. Sanft schüttelte Richard den Kopf und seufzte ein wenig. Sein Geliebter und Herr verstand es immer wieder ihn, wenn es ihm schlecht ging, aufzumuntern und ihn zum Lächeln zu bringen. Bedächtig erhob er sich, gab dem jungen Monarchen noch einen liebevollen und zärtlichen Kuss, bevor er sich dann zum Gehen wandte: „Komm, ich hole die Uniform schon einmal heraus“, sprach er, bevor er im anliegendem Schlafzimmer verschwand. Richard ging zielstrebig vom Schlafzimmer gleich weiter ins Ankleidezimmer, wo sich alle Kleider seines Herrn befanden. Schnell hatte er die verhasste Uniform gefunden und brachte sie ins Schlafzimmer, wo Ludwig bereits wartete. Schweigend half er seinem Herrn in die Uniform, befestigte das Schwert um dessen Hüfte und steckte auch alle Orden und Auszeichnungen an ihren Platz. Als der junge Leibdiener und Stallmeister endlich fertig war, betrachtete er seine Arbeit und nickte zufrieden. „Du siehst wunderbar aus …“, sagte er bewundernd und seufzte dann wieder etwas traurig. Genau das würden auch alle Frauen denken, die an diesem Abend an dem Ball teilnehmen würden. Richard ballte seine Hände zu Fäusten, denn dieser Gedanke machte ihn unglaublich eifersüchtig. Ludwig sollte niemandem gehören außer ihm selbst. Die bösen Gedanken waren ihm ins Gesicht geschrieben, denn sein Blick war etwas abwesend und seine Stirn ärgerlich gerunzelt. Der König schüttelte bei diesem Blick seines Leibdieners und Geliebten den Kopf. “Mach nicht so ein Gesicht, das steht dir nicht.“ Sanft strich der Monarch mit der nun weiß behandschuhten Hand über die Wange des jungen Stallmeisters. „Denk einfach an meine Worte. Heute Abend wird nichts entschieden. Genieße du also wenigstens den Abend“, bat Ludwig, während er noch mal kurz einen Blick in den Spiegel warf. Die Uniform, die ähnlich wie die war, die er zu seiner Krönung getragen hatte, schmückte den schönen König tatsächlich und so bereitete sich Ludwig schon mal darauf vor, dass sicher etliche Damen um ihn herumschwänzeln würden. „Richard …“ Der Gong der großen Standuhr unterbrach den Adligen und deutete so auch an, dass es langsam Zeit wurde, sich auf den Weg zum Ball zu machen. „Ich liebe dich …“ fügte Ludwig an, als die Uhr aufgehört hatte, zu schlagen. Nach einem kurzen liebevollen Kuss und einem erneut etwas gequält anmutendem Lächeln verließ der Bayernkönig seine Gemächer und machte sich auf den Weg durch die langen und mit riesigen Gemälden ausgestatteten Gänge der Residenz. Langsam und ohne Eile führten ihn seine Schritte hin zum großen Fürstensaal, hinein in das Gedränge aus adligen jungen Frauen und Eltern, die alles dafür geben würden, ihre Tochter mit dem König von Bayern verheiratet zu wissen. Richard blieb zurück und seine Knie zitterten. Er glaubte gleich in sich zusammensinken zu müssen, wenn er noch länger stehen blieb, aber anstatt sich zu setzen, verließ er eilig das Gemach seines Herrn. Seine schnellen Schritte führten ihn zu seinem eigenen Zimmer, in das er eintrat und anschließend die Tür schloss und den Schlüssel umdrehte. Einen Moment blieb er so stehen und er fühlte wieder diese Eifersucht in ihm aufsteigen. Konnte er damit leben? Würde er damit leben können, dass Ludwig sich vielleicht eine Frau nehmen musste? Seufzend schüttelte er den Kopf und kam in Gedanken zu dem Schluss, dass er es nicht wusste. Müde und auch aufgewühlt schälte er sich aus seiner Arbeitskleidung und kleidete sich wieder in eine leichte schwarze Hose und ein genau so leichtes weißes Hemd, fast die gleiche Kleidung, wie er sie damals in dieser Nacht getragen hatte, als Ludwig und er im Garten spazieren gewesen waren. Wieder seufzte der junge Stallmeister und legte sich, nachdem er die Decke zurückgeschlagen hatte, ins Bett und kuschelte sich ins Kissen. Er war sehr aufgewühlt und es plagte ihn die Ungewissheit, doch die Müdigkeit siegte, so dass er nach einiger Zeit tief und fest schlief. Doch dieser Schlaf währte nicht lange, so schien es Richard jedenfalls. Ein hektisches Klopfen weckte ihn auf. Verschlafen blinzelte er zur Tür, wo Richard das Klopfen ausmachte. Wer konnte das um diese Zeit sein? Denn als er auf die Standuhr sah, gewahrte der junge Mann, dass es schon fast Mitternacht war. Genau diese Tatsache machte ihn misstrauisch. Langsam schwang er seine Beine aus dem Bett und sah wieder zur Tür: „Wer ist da?!“, rief Richard. Draußen vor der Tür verstummte das Klopfen, als die Stimme aus dem Zimmer hinter der Tür erklang. Ein großgewachsener Mann in Uniform stand vor der Tür des Dieners und hatte eben wie wild dagegen geklopft. „Ich bin es Richard, mach bitte die Tür auf …“, sprach niemand anders als der König persönlich durch die geschlossene Holztür hindurch. Nicht allzu laut, denn es musste ja nicht jeder erfahren, dass er hier war. Im Grunde sollte dies wohl auch am besten niemand erfahren, denn was machte schon ein König mitten in der Nacht beim Zimmer seines Leibdieners? Und tatsächlich öffnete Richard die Tür, denn er hatte die Stimme seines Liebsten erkannt, selbst wenn dieser seinen Namen nicht genannt hatte. „Was machst du hier?“, fragte der Stallmeister seinen Herrn und Geliebten erstaunt, der eben durch den Türspalt hereingeschlüpft war und die Tür wieder hinter sich geschlossen und auch den Schlüssel im Schloss umgedreht hatte. Ludwig schüttelte sich etwas, wie um eine Erinnerung abzuschütteln. „Was ich hier mache? Geflüchtet bin ich … ich war schon zu lang auf diesem Fest“, stellte er genervt fest, warf die eben ausgezogenen Handschuhe auf den Holztisch in Richards Zimmer. Auch den Gürtel mit dem Schwert nahm er von seiner Hüfte und legte diesen auf den im Raum befindlichen Stuhl. „Hier wird mich zumindest niemand suchen, überall anders wäre ich mir da nicht so sicher gewesen“, bemerkte Ludwig seufzend. „Ich hätte schon viel früher gehen sollen, es war nämlich einfach nur grauenhaft. Keine Minute hatte man einfach Zeit für sich. Immerzu war jemand um einen herum. Und immerzu hat meine werte Mutter darauf gedrängt, mit diesem oder jenem Mädchen zu tanzen oder mich zu unterhalten. Da blieb ja fast nur die Flucht … zumal mir dieser ganze Abend Kopfschmerzen bereitet hat …“ Mit diesen Worten ließ sich der junge Monarch auf das Bett seines Liebsten niedersinken und streckte eine Hand in Richtung des blonden jungen Mannes aus, als Zeichen, dass er zu ihm kommen sollte. Richard schüttelte seufzend den Kopf, als er den Schilderungen seines Liebsten lauschte. Wenn er sich das bildlich vorstellte, schauderte es selbst ihn. Es würde ihn umbringen, ständig von irgendwelchen jungen Frauen umschwärmt zu werden, besonders so eine Frau, die wie ein Wasserfall reden konnte. „Warte …“, sprach Richard und ging an seine Kommode, öffnete die zweite Schublade von oben und holte ein kleines Beutelchen hervor. Er goss frisches kaltes Wasser in einen Becher und streute eine Art Pulver aus dem Beutelchen hinein. Anschließend brachte er seinem Liebsten das Gefäß: „Trink das, das ist von meiner geliebten Mutter …“, sagte er und in seiner Stimme schwang der Stolz und die Bewunderung mit, die er seiner Mutter entgegenbrachte. „Man könnte sie eine Hexe nennen, aber sie kennt sich mit Kräutern gut aus, diese Kräutermischung, getrocknet und dann zu Pulver verarbeitet, hilft gegen Schmerzen, auch gegen Kopfschmerzen“, erklärte der junge Mann. Lächelnd beobachtete Richard, wie sein Liebster die angebotene Medizin trank, während er sich neben ihn auf das Bett niederließ. Sie schmeckte nicht besonders gut, das wusste der junge Stallmeister, hatte er es selbst doch schon so oft getrunken, wenn er Kopfschmerzen oder dergleichen gehabt hatte. „Ich hoffe, es hilft dir“, fügte er hinzu und schenkte seinem Herrn ein sanftes Lächeln. Dieser setzte grad in diesem Moment den Becher ab und blickte Richard mit einem Gesicht an, das verriet, dass die Medizin wirklich furchtbar geschmeckt hatte. „Das hoffe ich auch, dass sie hilft. Schmeckt ja scheußlich …“ Erneut schüttelte sich der König, diesmal aber aufgrund des bitteren Geschmacks der Medizin. Kurz darauf erhob er sich und ging zu der Kommode und stellte dort seinen Becher ab. Danach ließ er seinen Blick wieder zu seinem Liebsten schweifen und schaute diesen scheinbar ein wenig verlegen an. „Kann … ich heute Nacht hier bei dir bleiben und schlafen?“, fragte Ludwig, nachdem er vorher durchaus gezögert und überlegt hatte, ob er diese Frage stellen sollte. Der junge blonde Mann sah einen Moment erstaunt drein, denn er hätte mit so einer Bitte nicht gerechnet. Ludwig war zwar in manchen Dingen wie ein normaler Bürger Bayerns, aber es gab gewisse andere Dinge, die ihn zum König machten. Sein Geliebter liebte prächtige Zimmer und seines war bestimmt nicht prächtig, wenn er an das Schlafzimmer seines Herrn dachte. Dennoch lächelte er sanft und nickte: „Wie du wünschst … Vielleicht bist du hier sicher vor diesen hyänengleichen Frauen“, sagte er amüsiert und schmiegte sich nach seinen Worten in seine Arme. Das erste Mal heute Abend kam ein ehrliches Lachen über die Lippen des jungen Königs als er hörte, was sein Geliebter da sagte. „Wie recht du hast Richard …“, erwiderte er und schnappte sich im nächsten Moment den blonden Stallmeister, hob ihn von den Füßen und trug ihn hin zum Bett. Lächelnd legte er Richard vorsichtig darauf und deutete ihm an, dass er liegen bleiben sollte. Er selber entledigte sich im nächsten Moment der Uniformjacke und der langen Stiefel, knöpfte das Hemd ein wenig auf und krabbelte dann zu Richard unter die Decke. „Sehr viel besser so, lange nicht so unbequem …“, erklärte der junge König, der nun seinen Liebsten wieder in seine Arme gezogen hatte und diesem zufrieden seufzend über den Rücken streichelte. „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein …“ Ludwig liebte es, mit Zitaten aus literarischen Werken zu spielen und gerade hatte er es, der Situation angepasst, erneut getan. “Goethe …“, ergänzte er seine Ausführung und erklärte, wen er zitiert hatte. Während er gesprochen hatte, hatte der junge Monarch die Augen geschlossen und nun war auch ein Gähnen von Seiten Ludwigs zu hören. Richard hörte gespannt zu, denn er selbst las doch so gerne, kam aber fast nie dazu, weil er so viel zu tun hatte. Seine Augen wurden ganz groß, wie die eines Kindes. „Goethe?“, fragte der junge Mann: „Ich lese so gerne, aber ich habe kaum Zeit. Außerdem habe ich auch nicht die Zeit, überhaupt in eine Bibliothek zu gehen, um mir ein Buch auszuleihen“, sagte er und ein trauriges Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Von diesem Lächeln sah der junge König allerdings nicht viel, denn er hatte es sich mittlerweile in dem Bett wirklich bequem gemacht, hatte die Decke noch ein Stück höher gezogen und war vor lauter Müdigkeit schon halb eingedöst. Dennoch hatte er vernommen, was sein Liebster gesagt hatte. Halb schlafend ging er noch auf das Gesagte ein. “Du kannst gerne einmal mitkommen, wenn ich in meine Bibliothek gehe, was, denke ich, in spätestens zwei Tagen der Fall sein wird. Ich habe nur noch Wilhelm Tell und Iphigenie auf Tauris zu lesen in meinem Gemach.“ Erneut gähnte der junge Adlige und drückte seinen Liebsten ein wenig fester an sich. “Dann kannst du dir ausleihen, was du gerne lesen möchtest …“, fügte er an, küsste dann noch einmal die Stirn des Leibdieners. Von der Freude Richards darüber bekam der König nichts mehr mit. Die Müdigkeit und der Stress des ganzen Tages forderten ihren Tribut und ließen den Bayernkönig ins Land der Träume versinken. Richard bemerkte zuerst gar nichts davon, dass sein Liebster bereits eingeschlafen war. „Oh danke! Das ist einfach wunderbar! Ich wollte schon lange wieder lesen!“, sprach er voller Freude, doch als er keine Antwort bekam und hoch sah, gewahrte er, dass Ludwig bereits eingeschlafen war. Sanft lächelnd schmiegte er sich an seinen Liebsten und schlief dann alsbald friedlich in seinen Armen ein. 19. Januar 1867 Heute führte mich mein Weg nach Schloss Possenhofen, wo ich eigentlich meiner verehrten Cousine Sisi einen Besuch abstatten wollte. Wie sich herausstellte war sie, entgegen meinen Informationen, nicht mehr dort. Stattdessen habe ich mich ein wenig mit meinem Cousin Gackel unterhalten. Wir redeten ein wenig über Sisi, kamen dann aber auf meine Cousine Sophie Charlotte zu sprechen. Mein Cousin fragte mich, ob ich sie nicht einmal in die Oper ausführen wolle und erzählte mir, dass sie für mich schwärmen würde. Dies scheinen einige Frauen zu tun, doch eigentlich weiss ich, dass ich keiner je mein Herz schenken könnte. Dennoch werde ich Sophie morgen Abend ausführen, auch damit meine Mutter endlich ein wenig Ruhe gibt mit ihrem Gerede von Treffen mit jungen Damen, Verlobung und Hochzeit. Wer weiss, was der Abend bringt!? Ludwig Nachdenklich hatte der Bayernkönig diesen Eintrag seines Tagebuchs gelesen. Die nächsten Seiten überflog er nur, um schließlich auf der nächsten leeren Seite anzugelangen. Langsam und diesmal eher widerwillig nahm er seine Schreibfeder und tunkte diese in das goldene Tintenfässchen zu seiner Rechten. Das, was er nun seinem Tagebuch anvertraute, würde er nachher auch noch Richard mitteilen müssen, und schon jetzt fragte sich der junge Adlige, wie er nur hatte so dumm sein können. 23. Januar 1867 Jeder sucht sich den Weg zum Abgrund selber. Und ich habe ihn mir wohl gestern Abend gesucht. Wie konnte ich es nur soweit kommen lassen? Wie habe ich mich so drängen lassen können, von meiner Mutter, von der Öffentlichkeit? Gestern Abend habe ich mich mit Sophie verlobt. Dabei liebe ich sie doch nicht einmal. Das einzige, was wir teilen, ist die Liebe zur Musik, zu den Opern von Wagner und zur Natur. Warum wird von mir erwartet eine Frau zu heiraten, die ich nicht liebe, und mit ihr Kinder zu zeugen? Doch nun ist es zu spät, ich hätte es niemals aussprechen dürfen. Wie soll es nur werden? Nach dem 25. August, wenn ich verheiratet sein werde? Ich muss hinaus, ich muss es IHM beichten … Schwermütig seufzend legte Ludwig die Schreibfeder fort und klappte sein Tagebuch zu, nachdem die Tinte getrocknet war. Danach verstaute er das Buch in einer Schublade, welche er verschließen konnte. „Was Richard wohl sagen wird? Wahrscheinlich, was für ein Riesendummkopf ich bin …“, murmelte der junge Mann und erhob sich von seinem Stuhl. Ihm war fast schlecht bei dem Gedanken, Richard nun sagen zu müssen, dass er sich verlobt hatte. War es nicht wie Verrat an ihm? Wie ein Verrat ihrer Liebe? All diese Gedanken schossen Ludwig durch den Kopf, als er sich aus seinem Gemach einen Mantel, seine Reitstiefel, Reithandschuhe und seinen Hut holte und auch alles anzog. Ohne weiter auf irgendjemanden zu achten, führte der Weg des Königs in den Stall, wo er Richard wie vermutet vorfand. Dieser verbeugte sich sofort, als er seinen König und Geliebten sah, wie es sich eben in Gegenwart anderer Personen gehörte. „Majestät … wollt Ihr ausreiten?“, fragte der junge Stallmeister, woraufhin er lediglich ein ernstes Nicken seines Herrn bekam. Irgendetwas stimmte nicht mit seinem Geliebten, das fühlte der blonde Diener und doch fragte er nicht nach, sondern begann einmal das Pferd des Königs und eines für sich selbst zu satteln. Da dies alles geübte Handgriffe waren, brauchte Richard nicht allzu lang dafür und so ritten sie kurze Zeit später schon schweigend nebeneinander her. Da nun niemand um sie herum war, wagte Richard nun Ludwig anzusprechen. „Liebster, was ist los? Du wirkst so … nachdenklich oder bedrückt“, bemerkte er. Ludwig seufzte erneut, deutete Richard mit einer Handbewegung an, dass er ihm auf die Wiese dort folgen sollte. Er selber lenkte seinen Rappen ebenfalls in diese Richtung. Es war eine nicht allzu lange Strecke, dennoch trieb Ludwig sein Pferd noch einmal zum Galopp an, auch um selber den Kopf ein wenig frei zu bekommen, was allerdings nur sehr schwer möglich war. Immer noch wortlos stieg der junge König, auf der Wiese angekommen, von seinem Ross ab, nahm die Zügel in die Hand und führte das edle Tier zu einem Baum, wo er die Zügel befestigte. Die ganze Zeit über konnte er deutlich Richards Blick in seinem Nacken spüren, ein fragender und auch besorgter Blick. Und prompt kam auch noch mal die Bestätigung dieses Gefühls in Worten. „Ludwig, was ist los?“, fragte der Stallmeister, dem dieses Schweigen und die Ungewissheit langsam auf eine gewisse Art unangenehm wurden. Der Bayernkönig war unterdessen zu einem kleinen Teich gegangen, der inmitten der Wiese war und hatte begonnen, einige Steine auf das gefrorene Wasser des Teichs zu werfen. Als Richard ihn ansprach, drehte er sich wieder zu ihm um, zog den Pelzkragen seines Mantels ein wenig zurecht, und holte dann tief Luft. „Richard … du weißt doch, dass ich gestern Abend noch einmal mit Sophie in der Oper war!?“ Nach einem bestätigenden Nicken seines Liebsten versuchte der König weiterzuerklären. „Du hast vor einer Woche etwa zu mir gesagt, dass ich mir vielleicht besser eine Verlobte nehmen solle, damit unsere Beziehung gesichert ist. Das … habe ich getan. Ich … habe mich gestern Abend mit Sophie verlobt …“, flüsterte der Monarch fast nur noch, geknickt und nicht glücklich, wie man beim Überbringen so einer Nachricht eigentlich sein sollte. Der junge blonde Stallmeister trat erschrocken einen Schritt zurück. Er selbst hatte es seinem Geliebten vor einer Woche geraten, doch nun, da Ludwig das getan hatte, was Richard an jenem Tag als Tarnung ihrer Beziehung vorgeschlagen hatte, war es ihm, als bräche sein Herz im selben Moment entzwei. Pure Eifersucht stieg in ihm auf, genauso wie der bereits angelegte Hass auf Sophie, Ludwigs Cousine. Er biss sich einen Moment auf die Lippen und ballte die Hände zu Fäusten. In ihm stiegen Tränen auf, die er krampfhaft versuchte runterzuschlucken, doch es gelang ihm nicht. Warme Tränen bahnten sich ihren Weg über seine Wangen und als sein Liebster einen Schritt auf ihn zu machte, wohl um ihn in seine Arme zu nehmen, schüttelte er energisch den Kopf. Der junge Stallmeister zitterte am ganzen Leib. Es schien ihm, als wäre es noch kälter geworden, als es bereits war und nur flüchtig bemerkte er, dass es begonnen hatte, dicke Flocken zu schneien. „Nein …“, wisperte Richard leise, mit tränenerstickter Stimme. „Das kannst du nicht tun …“, fuhr er fort und schüttelte dabei wieder den Kopf. „Ich kann das nicht …Ich kann dich nicht teilen. Ich kann nicht!“ Richard schrie am Schluss fast, so wütend machte ihn der Gedanke, Ludwig teilen zu müssen. Ohne zu überlegen wich er seinem Liebsten weiter aus und ging mit großen eiligen Schritten zu seinem Pferd, stieg auf und sah noch einmal zu Ludwig, der ihn mit bittendem Gesichtsausdruck ansah. „Ich kann nicht … Es tut mir leid …“, sprach Richard und mit diesen Worten ritt er davon. Zurück blieb ein König, der in diesem Moment so gar nicht mehr königlich wirkte. Dass Richard weinte und so dachte, machte die ganze Sache nicht unbedingt erträglich. Und auch, dass er einfach fortgeritten war, ohne sich auch nur irgendeine Art von ‚Antwort’ anzuhören, deprimierte Ludwig. Wie hatte er sich denn auch nur ausmalen können, dass alles beim Alten bleiben würde? Er könnte es doch selbst ebenso wenig: ruhig bleiben und darüber hinwegsehen, wenn Richard sich nun verloben würde. Richard war schon lange nicht mehr zu sehen, seine Gestalt war im heftiger werdenden Schneegestöber verschwunden, in dem Ludwig stand. Mantel und Hut waren schon mit einzelnen Schneeflocken bedeckt, während sein warmer Atem kleine Wölkchen bildete angesichts der herrschenden Kälte. Das Einzige, was dem König im Moment warm vorkam, waren die salzigen Tränen, die sich langsam ihren Weg hinab über seine Wangen suchten. Wie sollte es weitergehen? Hatte er Richard verloren? Wegen einer Frau, die er nicht einmal liebte, sondern nur ehelichen wollte, weil es von ihm als König seines Landes verlangt wurde? Langsam schwankte der Monarch zu dem Baum, an dem sein Pferd angebunden war und lehnte sich mit einem Arm gegen den Stamm der alten Eiche. Seine Stirn stützte er gegen seinen Arm. Ein leises und verzweifeltes Schluchzen kam über Ludwigs Lippen, der sich einsamer fühlte als jemals zuvor in seinem Leben. „Was habe ich nur getan? Wie konnte ich nur so töricht sein?“ Richard war in der Zwischenzeit einfach weitergeritten, ohne je einen Blick zurückzuwerfen. Immer weiter trieb er sein Pferd in den Schneesturm hinein. Obwohl er selbst bald nichts mehr sehen konnte und das Tier sicherlich auch nicht, machte er nicht Halt, um umzukehren. Wie hatte das geschehen können? Warum war sein Geliebter nun verlobt? Verzweifelt schüttelte er den Kopf, während Wind und dicke Schneeflocken in sein Gesicht peitschten. Er selbst war schuld, er hatte es ihm vorgeschlagen und nun? Nun hatte er keinen Platz mehr in Ludwigs Leben. Vielleicht würde es besser sein, wenn er seine Anstellung kündigte; denn er würde es nicht ertragen, wenn er zusehen müsste, wie Ludwig mit seiner Verlobten spazieren oder in die Oper gehen würde. Der junge Stallmeister war so vertieft in seine Gedanken, dass er nicht einmal merkte, wie kalt es geworden war und wie heftig der Schneesturm tobte. Erst als das Pferd plötzlich ängstlich wieherte, riss ihn das aus seinen Überlegungen und seinem Schmerz, auf den gleich danach ein anderer folgte. Das Pferd rutschte nämlich auf dem glatten Boden aus und durch die hohe Geschwindigkeit, mit der es lief, stürzte es zu Boden. Richard hatte es nicht mehr geschafft, das Pferd zum Stehen zu bringen, sodass er mit dem Tier zu Boden ging und ihn eisige Schwärze umfing, als er das Bewusstsein verlor. Er hörte Stimmen und auch wie Geschirr klapperte, aber der junge Stallmeister schaffte es nicht, die Augen zu öffnen, um zu sehen, woher die Geräusche kamen und wer sie verursachte. Richard tappte in der Dunkelheit und er fror erbärmlich. Er konnte sich auch nicht bewegen, weder seine Hände oder Finger, noch seine Beine, Füße oder Zehen, doch weiter darüber nachzudenken gelang ihm nicht; denn wieder umfing ihn diese nun warme Schwärze. Als Richard zum zweiten Mal erwachte, kribbelte es in allen Gliedmassen und er hatte das Gefühl, als würden ihn tausend Nadeln überall stechen. Dieses Mal schaffte er es aber, die Augen langsam zu öffnen, um zu sehen, wo er überhaupt war, denn als letztes konnte er sich nur noch daran erinnern, wie er gestürzt war. Langsam klärte sich die Schwärze und nahm Konturen an. Als Erstes erblickte er eine hölzerne Decke, mit ebenso aus Holz gefertigten Balken, die wiederum mit Schnitzereien verziert waren. Nur mühsam und durch seinen starken Willen gelang es ihm, den Kopf etwas zu drehen, um sich weiter umzusehen. Das meiste, was er sah, war aus Holz, kunstvoll mit Schnitzereien verziert, aber dennoch einfach eingerichtet, sodass er zu dem Schluss kam, irgendwo bei einem einfachen Bürger untergekommen zu sein. Er sah einen Stuhl in der Ecke und eine kleine Kommode, auf dem zwei oder sogar drei Schüsseln standen. Von daher kamen also die Geräusche, die er zuvor vernommen hatte. Als er sich aufrichten wollte, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz im Rücken und auch einer im Bein, sodass ihm ein Schmerzenslaut entfuhr. Plötzlich spürte er, wie warme Hände ihn umfingen und ihn sanft wieder ins Bett drückten, sodass die Schmerzen auch langsam wieder nachließen. Die Hände, die Richard eben gespürt hatte, waren die einer Magd, die den jungen Mann wieder ins Bett drückte. „Bleibn Sie liagn, Sie san verletzt“, bat die junge Frau, die im nächsten Moment auch die Decken wieder ein wenig höher zog, die Richard bedeckten. Gerade als diese zu Ende gesprochen hatte, öffnete sich die Tür und eine Frau trat ein. An ihrer Kleidung konnte Richard erkennen, dass sie bestimmt höher gestellt war, als die Magd, denn sie trug feinere Stoffe und eine leichte Goldkette um ihren Hals. Gleich hinter dieser Frau trat ein Mann ein, der ebenfalls eher höher gestellt war, was man wiederum an seiner Kleidung erkannte. Die Frau, die eingetreten war, eilte sogleich an sein Bett, als sie sah, dass der junge Mann seine Augen geöffnet hatte. „Lisl mach Platz! Hol liaba frisches Wossa und neis Verbandszeigs ois hia dumm rum zustehn!“, herrschte die Frau ihre Magd an, die sogleich mit eiligen Schritten verschwand. Als die Magd an ihr vorbei war, trat die Bäuerin an das Bett heran und blickte zu Richard hinab. „Mia hattn uns schon Soagn gemacht, Sie würdn gar ned wieda aufwachn, nachdem mein Mann Sie gstern gefundn hod!“, erklärte die Frau, die mit einem starken bayrischen Dialekt sprach. Ihr Mann nickte mit ernster Miene. “ Sie lagn im Schnee. Ihr Pferd hod nebn ihna gstandn.“, erläuterte der Bauer, wie er den blonden jungen Mann vorgefunden hatte. „Sie komma aus dem königlichn Palost, gell?“, fragte die Bäuerin ganz unverblümt, sie hatte schließlich die edle und unverkennbare Uniform gesehen. „Anna, loss den Herrn doch erst oamoi richtig wach werdn!“, herrschte der Bauer seine Frau an, die ein wenig beleidigt den Mund verzog. „Wia is ibahaupt Ihr Name?“, fügte Anna an, als wolle sie ihren Mann nun ein wenig ärgern. Richard brauchte tatsächlich ein wenig, um alles aufzunehmen, was um ihn herum war. Er war also gestürzt und dieser Mann hatte ihn gefunden und ihn mit sich nach Hause genommen. Bevor er eine Antwort auf die Frage der Bäuerin namens Anna gab, blinzelte er nochmals kurz. „Mein Name ist Richard Hornig. Ich bin der königliche Stallmeister … und der Leibdiener Seiner Majestät.“, antwortete er, wobei allein beim Gedanken an Ludwig ein Schmerz seine Brust durchfuhr, der nicht körperlicher Natur war. Der junge Mann hatte keinesfalls vergessen, warum er gestern davon geritten war, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her. Während Richard kurz in Gedanken war, machten die beiden Bauersleute große Augen. „Der königliche Stallmeista? Dann soitn mia wohl oan Knecht zum Palost schickn und a Nachricht bringn, dass Herr Hornig hia is, oda Johann?“, fragte Anna leise in Richtung ihres Mannes, welcher darüber nachzudenken schien und nach kurzer Zeit bedächtig den Kopf zu schütteln begann. „I werde selba gehn und Bescheid gebn. Es schneit aa ned mehr so stark, da konn i oa Pferd nehma.“,meinte dieser. Richard lächelte dankbar, hatte er doch ihr Gespräch mit verfolgt: „Vielen Dank, das ist sehr freundlich. Die Leute im Palast machen sich bestimmt schon Sorgen um mich …“, meinte er und lächelte etwas traurig. Schon wieder glitten seine Gedanken zu Ludwig, doch der Schmerz seiner zugezogenen Wunden schmerzten in dem Moment fast noch mehr, als die Wunden seines Herzens. „Ich bin Ihnen etwas schuldig“, fügte der junge Stallmeister mit einem nun etwas heiterem Lächeln hinzu, obwohl man ihm am Gesichtsausdruck ansehen konnte, dass er Schmerzen hatte. Anna nickte, mit einem gutmütigen Lächeln auf den Lippen. „Ja, san Sie. Nämli, dass Sie gsund werdn!“ Mit diesen Worten trat sie etwas vom Bett zurück, denn die Magd Lisl trat gerade mit neuem Verbandszeug und frischem Wasser ein. „Lisl wird si um Sie kümmern. Und i werde ihna glei aa etwos zua essn bringn.“ Mit einem Nicken in Richards Richtung und einem mahnenden Blick in Richtung Lisl, das sie sich auch ja gut um ihn kümmern sollte, verabschiedeten sich die Bauersleute erst einmal. Wieder einmal hallten schnelle Schritte durch die Gänge der Münchner Residenz. Des Königs Adjutant war gerade mit eiligen Schritten auf dem Weg zum Arbeitszimmer seines Herrn. Als er dort angekommen war, klopfte er außer Atem an und wartete, bis er hereingebeten wurde. Erst danach trat er ein und verbeugte sich vor seinem Herrn und Freund. Der König hatte schon ungeduldig auf eine Nachricht gewartet, war doch sein Stallmeister und Leibdiener vor zwei Tagen verschwunden. Nun ruhte sein Blick traurig aber dennoch hoffend auf seinem Freund: „Alexander, was gibt es? Irgendwelche Neuigkeiten?“, fragte er. Alexander musste zuerst einmal zu Atem kommen, denn er war zum Arbeitszimmer von Ludwig gerannt. Nachdem er einige Male tief ein- und ausgeatmet hatte, begann er zu sprechen. „Draußen ist ein Bauer. Er ist extra selbst hergekommen, weil es so wichtig ist. Herr Hornig ist bei ihm. Er hat ihn am Boden im Schnee gefunden, nicht unweit seines Hauses“, erklärte er. Ludwigs Augen weiteten sich erschrocken und er erhob sich sofort von seinem Stuhl: „Bring den Bauer bitte zu mir, ich möchte selbst mit ihm reden“, bat er. Alexander nickte und verschwand einen Moment. In dieser Zeit sah Ludwig betroffen aus dem Fenster. Wieder tanzten einige Schneeflocken im Wind zu Boden und es war kälter geworden. Warum war er Richard nicht nachgeritten? Nach einiger Zeit klopfte es erneut und wieder bat der Bayernkönig herein. Diesmal trat wieder sein Freund Alexander von Dürckheim ein, aber auch ein Mann, dem man ansah, dass er nicht vom Hofe, aber dennoch nicht einer von jenen ‚armen’ Bauern war. Dieser verbeugte sich sofort sehr tief vor seinem König, hatte er doch nicht erwartet, dass er Seine Majestät persönlich zu Gesicht bekommen würde. Ludwig trat an seinem Schreibtisch vorbei und deutete mit einem kurzen Wink seiner Hand an, dass der Bauer bequem stehen sollte. „Mein Adjutant berichtete mir, dass du meinen Leibdiener gefunden hast. Was ist mit ihm?“, fragte der König und versuchte dabei, nicht allzu aufgeregt und besorgt zu klingen. „Ja, i hob Eurn Leibdiena gefundn Majestät. A log im Schnee, war von seiem Pferd gstürzt und verletzt. Es hod lange gedauert, bis a ibahaupt wach war und uns sagn konnte, wer a is. Meine Frau kümmert si in meinem Heim um ihn“, erklärte der Bauer und verbeugte sich ehrfürchtig noch mal ganz leicht vor seinem König, war er sich doch selber auch nicht sicher, ob er nicht schon zuviel geredet hatte. Ludwig schluckte währenddessen schwer wegen dieser Nachricht. Es hätte zwar schlimmer kommen können und Richard wäre nicht gefunden worden, dennoch machte der Bayernkönig sich Vorwürfe, dass er ihm nicht nachgeritten war. Ohne lange zu überlegen, hatte er deshalb auch einen Entschluss gefasst. “Dürckheim? Ich möchte dich bitten, eine Kutsche bereitmachen zu lassen, die Richard abholt und hierher bringt. Außerdem soll ein Arzt gerufen werden!“ Dies waren die Befehle an seinen Adjutanten und nun wandte sich Ludwig dem Bauern zu. „Wie ist dein Name?“, fragte er ihn. „Johann Florschütz, Majestät …“, stellte sich der Bauer vor und nickte erneut demütig. Der Monarch nickte ebenfalls und blickte dann wieder in Richtung seines langjährigen Freundes. „Ich möchte, dass Herr Florschütz für seine Dienste belohnt wird. Ich werde mir über die Summe der Entlöhnung noch Gedanken machen. Und nun geh bitte und lass alles bereit machen“ Mit diesen Worten entließ der Bayernkönig seinen Adjutanten und auch den Bauern Florschütz, der sich eifrig dafür bedankte, entlohnt zu werden. Der Adjutant hatte sofort alles in die Wege geleitet, was sein Herr ihm aufgetragen hatte. So verging auch nicht viel Zeit bis er mit dem Bauer in der Kutsche saß und sich zu seinem Haus fahren ließ. Dort angekommen erspähte Alexander ein großes Haus, bäuerlich und doch unglaublich schön. Es war eine Mischung aus Holz und Stein, mit Malereien über jeder Tür und jedem Fenster. „Komma Sie Graf Dürckheim, hia entlang“, bat der Bauer und führte den Grafen hinein. Drinnen war es behaglich warm und es bot sich ihm das gleiche Bild wie draußen schon. Das meiste, was Alexander sah, war aus Holz und wundervoll verziert, also hatte er mit der Annahme nicht falsch gelegen, dass es keine arme Bauernfamilie war. Der freundliche Bauer führte ihn eine hölzerne Treppe hinauf in den ersten Stock. Dort öffnete er eine ebenfalls hölzerne Tür und betrat mit dem Adjutanten ein einfaches und doch gemütliches Zimmer. In einem Schaukelstuhl saß die Bäuerin Anna und strickte, während sie sich scheinbar gerade mit dem immer noch im Bett befindlichen Richard unterhalten hatte. Als jedoch die beiden Herren eingetreten waren, war das Gespräch verstummt und Anna hatte sich von ihrem Schaukelstuhl erhoben und verbeugte sich leicht vor Graf Dürckheim. „Sie komma sicha um Herrn Hornig obzuholn, gell? A soite aa dringend nochmoi von am Arzt ogesehen werdn. A klogt iba Schmerzn“, erklärte die Bäuerin und blickte dabei von Graf Dürckheim zu Richard und wieder zurück. Der junge Stallmeister sah zu dem Adjutanten und ein trauriges Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Es war klar, dass Ludwig ihn geschickt hatte und eigentlich sollte er sich freuen, doch wieder spürte er einen leichten Schmerz in seiner Brust. „Graf Dürckheim …“, sprach er mit etwas zitternden Lippen, denn er war schon wieder so unglaublich müde. „Ihr kommt bestimmt, um mich abzuholen, oder?“ Der Graf nickte und lächelte sanft: „Ja, Seine Majestät hat mich persönlich geschickt, um Euch zurück in den Palast zu holen … Können Sie überhaupt gehen?“, fragte er besorgt. Richard richtete sich etwas auf und sofort entfuhr ihm ein Schmerzenslaut. Graf Dürckheim schüttelte den Kopf: „Herr Florschütz? Bitte helfen Sie mir, Herrn Hornig zur Kutsche zu bringen ja?“, bat der junge braunhaarige Mann. „Aba selbstverständli, Graf Dürckheim!“ Der Bauer ging zusammen mit dem Graf auf das Bett zu und langsam zogen sie den jungen Stallmeister auf die Füße. Je einer legte sich einen Arm des jungen Mannes über seine Schulter. So gingen sie ganz langsam aus dem Zimmer, die Treppe hinab, wo Richard fast vor Schmerzen weinte, und schließlich aus dem Haus hinaus zur Kutsche. Bevor er aber einstieg, drehte er sich zur Bauernfamilie um: „Ich wollte mich noch einmal bedanken, ich stehe bei Ihnen tief in der Schuld für alles, was Sie für mich getan haben.“ „Des war selbsterverständli, dass mia Ihna geholfa hobn, Herr Hornig. Mia san froh wenn Sie bald wieda gsund werdn“, sagte Anna und nickte ihm noch zu. „Ich werde mich bei Ihnen wieder melden“, versprach Richard, bevor er dann mit Hilfe von Graf Dürckheim und dem Bauer in die Kutsche stieg. Als die Kutsche losfuhr, winkte er den Bauersleuten noch zu, die zurückwinkten. „Wenn wir im Palast sind, wird man sich um Sie kümmern. Seine Majestät hat bereits einen Arzt gerufen“, sagte Alexander zu Richard. - Also hat er das alles bereits veranlasst … Er macht sich Sorgen, dachte der junge Stallmeister im Stillen, nickte, da er verstanden hatte, und seufzte leise. Während der Fahrt wechselten sie kein weiteres Wort, denn keiner von beiden wusste so recht, was er sagen sollte. Der Freund des Königs, der gleichsam sein Adjutant war, spürte, dass etwas nicht stimmte, aber er wusste auch, dass er sich nicht einmischen durfte. Als sie beim Palast ankamen, wurde sofort die Tür geöffnet. Der Arzt stand bereits da und auch einige Diener. Richard war etwas erstaunt. Ludwig hatte wirklich alles bereits vorbereitet. „Herr Hornig ist verletzt, helft ihm beim Gehen und seid vorsichtig!“, befahl Dürckheim. Man half dem jungen Stallmeister aus der Kutsche und nun hielten ihn fast vier Mann fest und halfen ihm beim Laufen, sodass er nun eine bessere Stütze hatte. Sie waren fast beim Eingang zum Palast, als Richard aufsah und in die Augen seines Herrn und Liebsten blickte. Alle blieben stehen: der Arzt, die Diener, Graf Dürckheim und auch Richard blieb für einen Moment stehen und blickte Ludwig wie gebannt in die Augen. Der König hatte schon eine geraume Zeit hier vorne im Eingangsbereich der Residenz gewartet und nun, im entscheidenden Moment, wusste er nicht wirklich, was er sagen wollte. Natürlich war er überaus erleichtert und froh, dass Richard wieder da war. Am liebsten wäre er nun zu ihm geeilt, hätte ihn in die Arme geschlossen und ihn geküsst; doch genau dies konnte er im Beisein dieser ganzen Personen nicht tun. Allein sein Blick schien auszudrücken, was in seinem Inneren vorging und wie sich der junge Bayernkönig fühlte. Sie standen sicher eine Minute so da, die Diener, Graf Dürckheim und der Arzt, wartend, ehe Ludwig sich kurz räusperte. “Bringt ihn in sein Gemach …“ Dies war das Einzige, was Ludwig sagte, dann gab er einen kurzen Wink und wartete, bis man mit Richard an ihm vorbei war, ehe er sich diesem Zug anschloss. Richard hatte Ludwigs Blick sehr wohl gesehen und einen Moment hatte sein Herz schneller geschlagen, doch es war im gleichen Moment wieder von Schmerz erfüllt. - Nichts hat er gesagt … Nicht einmal, wie schön es ist, dass ich wieder da bin …-, dachte Richard traurig. Er wurde in sein Zimmer gebracht und zuerst einmal gewaschen, untersucht und schließlich neu eingekleidet. Richard musste die Untersuchung über sich ergehen lassen, obwohl sie ihm sehr Schmerzen bereitete, denn der Arzt war nicht unbedingt sanft. Als schließlich die Untersuchungen vorbei waren und er im Bett lag, seufzte er zufrieden und sah zu Ludwig, der erst gerade eben eingetreten war und nun mit dem Arzt sprach. „Wie geht es ihm?“, fragte der König mit einem Blick auf Richard. Er hatte sich eben kein Stück von der Tür wegbewegt, auch nicht als sein Freund Alexander von Dürckheim ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er heute Abend noch ein Diner mit Sophie hatte. Er hatte Dürckheim lediglich mit auf den Weg gegeben, dass er es absagen solle, er solle sich irgendeine plausibel klingende Ausrede ausdenken. Der Arzt verbeugte sich nun leicht, als der König ihn auf den Zustand seines Stallmeisters und Leibdieners ansprach. „Majestät …“, begann er: „Herr Hornig hat einige schlimme Prellungen erlitten und wie mir scheint, ist etwas mit dem Rücken, was ich zu diesem Zeitpunkt nicht genau sagen kann. Des Weiteren hat er Fieber und sich eine Erkältung geholt. Kein Wunder, wenn er so lange im Schnee gelegen hat.“ Der Bayernkönig seufzte aufgrund dieser Diagnose, denn er fühlte sich schuldig, dass Richard so etwas zugestoßen war. „Verstehe … Sie haben ihm etwas gegen die Schmerzen gegeben? Und gegen die Erkältung?“, fragte Ludwig kritisch, woraufhin der Arzt nickte. „Ja Majestät, ich habe ihm alles verabreicht und ihm auch gesagt, was und wie viel er nehmen darf, wenn er Schmerzen hat“, erklärte der Arzt, der nun auch seine Brille wieder ein wenig weiter auf die Nase schob. Mit dieser Antwort war Ludwig zufrieden und befand, dass er den Arzt nun entlassen konnte. „Danke, falls irgendetwas ist, wird man Sie rufen lassen. Sie können nun gehen.“ „Sehr wohl, Majestät …“ Mit diesen Worten und einem kurzen Blick zu Richard verschwand der Mediziner aus dem Gemach und ließ den König und seinen Leibdiener allein. Endlich waren sie allein und endlich konnte der Bayernkönig das loswerden, was ihm vorhin schon im Kopf herumschwebte. Langsam und dann doch ein wenig zögernd ging Ludwig auf das Bett zu und ließ sich davor auf die Knie sinken. Dann bettete er seinen Kopf auf einem seiner Arme, die er auf das Bett gelegt hatte. Vorsichtig und prüfend wanderte sein Blick zu Richard, der ihn stumm beobachtete. „Richard …“, begann der Monarch leise, wobei es ihm sichtlich schwer fiel, die richtigen Worte zu finden. „Ich bin froh, dass du wieder hier bist. Ich … hab mir Sorgen um dich gemacht. Ich weiss auch nicht, was in mich gefahren ist, dir nicht nachzureiten, aber ich war durcheinander und … dass du gesagt hast, du könntest das nicht, mich teilen ...“ Ein leises Schluchzen kam über die Lippen des Königs, der seine Finger in das Laken der Matratze krallte. „Ich hätte mich nie verloben sollen, es hat nur Unglück gebracht … es tut mir so Leid, aber ich kann nichts mehr dagegen tun.“ Man konnte nun auch deutlich sehen, dass Ludwigs Schultern vom Weinen bebten. „Ich ertrage das alles ohne dich nicht, ich kann nicht ohne dich leben. Bitte…verlass mich nicht…lass mich nicht allein …“ Das Letzte, was Ludwig eben gesagt hatte, ging in einem erneuten verzweifelten Schluchzen unter. Richard lag nur da und war erschrocken. Erschrocken darüber, dass sein Liebster so weinte und auch seine Worte berührten sein Herz. Einen Moment lang wusste der junge Mann nicht, was er sagen sollte. Auch fiel es ihm schwer, wach zu bleiben. Sanft legte er seine Hand auf eine seines Liebsten und lächelte schwach, obwohl ihn das alleine schon viel Kraft kostete: „Shhh … Ich weiss, du kannst es nicht mehr rückgängig machen und glaub mir, ich will es versuchen. Ich kann selbst auch nicht mehr ohne dich sein, also werde ich es in Kauf nehmen, dass du bald eine Frau haben wirst. Ich will es wirklich versuchen … “, versprach Richard. Kaum hatte er aber zu Ende gesprochen, fielen ihm erneut die Augen zu und nun umfing ihn sanfte Schwärze, die ihm auch die Schmerzen nahm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)