Mondkönig von Celian ================================================================================ Kapitel 1: Liebesgeflüster -------------------------- Kapitel 1 Liebesgeflüster Ein kalter Windhauch wisperte über das Land und doch hatte die Sonne an diesem Tag schon etwas wärmer als einige Tage zuvor geschienen. Doch nun war das Himmelsgestirn untergegangen und der Mond war aufgegangen, tauchte das Land in einen milchig weißen Schimmer. Der ganze Palast war hell beleuchtet von unzähligen Kerzen und sprichwörtlich auch in hellster Aufregung. Überall rannten Diener durcheinander, mit Platten voller Speisen oder mit riesigen Blumengestecken. Vor einer Woche war die Thronbesteigung ihres neuen Königs gewesen und nun, nach dem Begräbnis des Vaters, gab die Königinmutter einen Ball, so wie es Tradition war. Auch ein blonder junger Mann war unter den hektischen Dienern zu finden. Richard Hornig hatte einen Tag nach der Thronbesteigung seines Herrn die Mitteilung erhalten, dass er es war, für den sie sich entschieden hatten. Er war Stallmeister am Hofe Seiner Majestät geworden. Nun war er daran gewesen, die Pferde der unzähligen Kutschen zu versorgen, die gekommen waren. Es waren viele Gäste eingeladen worden und sie alle feierten nun zusammen mit dem König. Richard ging nach getaner Arbeit den Gang entlang, der ihn zu den Zimmern der Diener führte und der viel weniger prunkvoll war als die Gänge, welche die Adligen nutzten. Die restliche Arbeit konnten die Stallburschen alleine verrichten, hatte man ihm gesagt und ihm für den Rest des Abends frei gegeben. Der junge Mann hatte seinen Herrn, den König schon ein paar Mal getroffen, vor allem wenn es darum ging, ihm sein Lieblingspferd zu satteln und zu bringen. Immer wieder hatte er das Gefühl gehabt, dass der König ihm einen Moment wie gebannt in die Augen geblickt hatte, doch immer wieder tat Richard es als Illusion ab. Angekommen in seinem Zimmer zog er sich um und wechselte seine Uniform, welche aus einem weißen Hemd, einer roten Weste, einer goldverzierten schwarzen Jacke, einer weißen Hose und schwarzen Reiterstiefeln bestand, gegen eine leichte schwarze Hose und ein leichtes weißes Hemd, welche er aus dem Kleiderschrank holte. Gegessen hatte er schon zuvor in der Küche der Diener. Danach ging er zum Fenster und kurz ließ er seinen Blick über sein Zimmer schweifen. Rechts neben dem Fenster stand das Bett. Sein Zimmer roch nach frischer Wäsche, denn anscheinend waren seine Laken und Decken von einem Dienstmädchen gewechselt worden, das mussten die höheren Bediensteten nicht selbst tun. Ein anderer Duft wehte ihm vom Tisch entgegen, der eine Schublade hatte, und vor dem ein Holzstuhl mit Polster stand. Auf ihm befand sich eine unscheinbare Vase mit ein paar Narzissen darin, es waren nur einige, aber sie rochen so stark, als wäre es ein großer Strauß. Links von der Tür stand eine Kommode mit einer Waschschüssel darauf. Richard bemerkte, dass das Wasser im Krug neben der Waschschüssel auch gewechselt worden war. Geheizt wurde das Zimmer mit einem Ofen, der sich hinter der Tür befand. Nach einem weiteren Blick, den er über das ganze Zimmer schweifen ließ, öffnete er das Fenster. Es war frisch, aber nicht zu kalt, um am offenen Fenster zu sitzen, was er dann auch tat. Er hob sich etwas hoch und setzte sich auf die Fensterbank, stellte ein Bein angewinkelt auf und ließ das andere über die Fensterbank nach innen baumeln. Sein Haar, das zum leichten Zopf gebunden war, fiel ihm in leichten Wellen über die Schulter und schimmerte im Mondlicht, denn Richard hatte sehr langes, fast goldenes Haar. Der junge Stallmeister sah zum Mond hinauf und fragte sich wirklich, wie das alles gekommen war, dass er nun überhaupt hier war, doch er bekam auch vom bleichen Erdtrabanten, der nun schon hoch am Himmel strahlte, keine Antwort. Auch ein Anderer genoss das fahle Licht des Mondes in diesem Augenblick. Jemand von dem man nicht erwartete, dass er in diesem Moment draußen durch den Garten lief. Der junge König war dem Ball mit den ganzen Menschen, der prosaischen Blasmusik und all dem Drumherum entflohen. Hier draußen war es ihm weitaus lieber, nicht umgeben von zahllosen Menschen, die alle auf einmal erwarteten, dass Ludwig sich mit ihnen unterhielt, oder adligen jungen Damen, die alle natürlich mit dem König tanzen wollten. Hier war er allein, hier war wenigstens ansatzweise Stille und einzig der Mond schien auf den jungen Monarchen hinab und beobachtete ihn in diesem Moment, das zumindest glaubte er. Eine Weile strich der Bayernkönig durch den Garten, kniete sich dann und wann hin und strich über die Blütenblätter von einigen Narzissen, welche im Garten blühten. Dann erhob sich Ludwig wieder und schritt weiter durch den Garten näher an die Residenz heran, obwohl er nicht vorhatte, wieder hineinzugehen. Er war auch, wie er nach einigem Umschauen gewahrte, nicht mehr dort, wo ein König normalerweise den Eingang benutzte. Scheinbar war Ludwig so in Gedanken gewesen, dass er immer mehr in Richtung des Westflügels spaziert war, der Flügel, der die Unterkünfte der Diener enthielt. Ein lauer Wind umwehte den König und obwohl der Abend nicht warm war, war es dennoch nicht so kalt, dass man es nicht ein wenig länger an der frischen Luft aushalten konnte. Außerdem hielt die Uniform, die der König trug, ihn auch warm, sodass er zumindest in diesem Moment noch nicht fror. Plötzlich, recht unvermittelt blieb Ludwig dann stehen und sein Blick fiel erneut hinauf in den Himmel und hin zum Mond. Er liebte dieses silberne Licht, das die ganze Welt in seinen Augen wunderschön erscheinen ließ. Nach einem längeren Augenblick ließ der König von Bayern seinen Blick wieder sinken und erblickte an einem Fenster einen jungen Mann, der ihm schon öfter ins Auge gefallen war. Besonders die Augen des blonden jungen Mannes, der im Stall arbeitete, faszinierten den Souverän. Und nun? Ludwig stand einfach still da und schaute zu dem Fenster mit dem jungen Mann hinauf, welcher ihn irgendwie in seinen Bann zog. Richard hatte bis dahin immer zum Mond hinaufgesehen und war tief in Gedanken versunken, sodass er den jungen König erst gar nicht bemerkt hatte. Doch als er nach einem leisen Seufzer wieder hinabsah, wo Narzissen blühten, von denen er einige auch in seinem Zimmer stehen hatte, weiteten sich seine Augen. Da stand sein Herr in Uniform, so wie er ihn auch vor ein paar Stunden schon einmal gesehen hatte, bevor er zum Ballsaal geführt worden war. Was tat er dort unten und warum sah er zu ihm hinauf? In diesem Moment wurde Richard etwas rot und auch sein Herz klopfte etwas und er wusste nicht warum. Es entstand so ein Moment, so wie er im Stall immer entstanden war, wenn der König ihm länger als nötig wie gebannt in die Augen geblickt hatte. Er war ja auch nicht weit weg und Richards Zimmer befand sich im ersten Stock, sodass es unübersehbar war, dass der König ihn anblickte und nicht irgendwo anders hinsah. Der junge Stallmeister nahm nun seinen Mut zusammen, denn er konnte doch nicht einfach dasitzen und nichts sagen, oder? Schließlich hatte er Seiner Majestät nun auch in die Augen geblickt und es war sicher unhöflich, ihn nicht zu grüßen. Ein kurzer Windstoß umwehte ihn, sodass einige Strähnen seines goldenen Haares in sein Gesicht gerieten, die er sanft wieder weg strich und dann seinem Herrn einen Gruß zu rief: „Guten Abend, Majestät!“ Der König hatte irgendwie nicht ganz damit gerechnet, dass er angesprochen werden würde und so brauchte er einen klitzekleinen Moment, um sich zu fassen und um Antwort zu geben. “Guten Abend …“ erwiderte der König und erneut zögerte er ein wenig, ehe er sich doch dazu durchrang und näher zum Fenster ging, in dem der Diener saß. Wie gut er es doch hatte, er konnte jetzt einfach hier am Fenster sitzen und musste sich nicht heimlich herausschleichen, um den Mond anschauen zu können. Nun war Ludwig so nah an der Wand der Residenz, dass er nur noch zwei Schritte tun müsste, um eben jene Wand zu berühren, aber so reichte der Abstand durchaus, um sich auch noch etwas angenehmer unterhalten zu können. “Du arbeitest im Stall, oder? Wir sind uns schon ein paar Mal begegnet, habe ich Recht? Wie ist dein Name?“, fragte er den jungen Mann am Fenster, den Blick weiter zu ihm gerichtet, vor allem zu diesen blauen Augen, die perfekt zu dem blonden Jüngling passten. Auch Richard war überrascht, denn er hätte es sich niemals träumen lassen, dass der König ihn grüsste oder sogar weiter als nach einem Gruß mit ihm sprach. Doch genau das Gegenteil war der Fall und der junge Stallmeister schenkte ihm ein sanftes Lächeln. „Mein Name ist Hornig … Richard Hornig und Ihr habt Recht … Ich arbeite seit ungefähr einer Woche als Stallmeister an Eurem Hof, Majestät …“, erwiderte er. Gerade wollte der junge Mann wieder ansetzen, um zu fragen, was denn den jungen König dazu bewogen hatte, den Ball zu verlassen, der doch extra für ihn gegeben wurde, als plötzlich etwas Unvorhersehbares geschah. Richard hatte sich zu weit vornüber gebeugt, um seinem Herrn in die Augen zu blicken, wenn er mit ihm sprach, doch irgendwie verlor er gerade das Gleichgewicht und fiel aus dem Fenster. Erschrocken schloss er die Augen, denn zwar war es nur aus dem ersten Stock, aber dennoch war es hoch genug, um sich zu verletzen und mit zusammengekniffenen Augen wartete er auf den schmerzhaften Aufprall. Doch genau dieser Aufprall blieb aus, denn mit Schrecken hatte Ludwig gesehen, wie der Stallmeister plötzlich das Gleichgewicht verlor, und hatte geistesgegenwärtig die Arme ausgestreckt – tatsächlich gelang es ihm, Richard aufzufangen. Fast hielt Ludwig den jungen Stallmeister nun wie eine Braut in seinen Armen und schaute etwas erschrocken über das eben Geschehene zu ihm hinab. Der junge Mann in seinen Armen zitterte wie Espenlaub und klammerte sich regelrecht an des Königs Uniform. Man konnte es ihm wohl kaum verdenken, dass er noch erschrockener war als der König selbst und dass er nun so reagierte: schließlich hatte Richard ganz sicher nicht damit gerechnet, aufgefangen zu werden, sondern eher auf dem Kiesboden aufzuschlagen. „Hast … du dir wehgetan?“, fragte der Bayernkönig nach einigen Augenblicken, in denen sie beide geschwiegen hatten, den jungen Mann in seinen Armen. Richard konnte im ersten Moment gar nicht wirklich antworten, sondern musste sich erst selbst irgendwie sammeln. Er hatte wirklich mit einem Aufprall auf dem Kiesboden gerechnet und mit Schmerzen dazu. Innerlich verfluchte er sich für seine Dummheit. Was würde sein Herr nun von ihm denken? Wahrscheinlich hielt er ihn nun für tollpatschig und unfähig. Nach einigen Momenten gab der junge Stallmeister endlich Antwort auf die Frage, die der König ihm gestellt hatte. Sanft schüttelte er den Kopf und sagte: „Nein, ich habe mir nicht wehgetan …“. Erst jetzt merkte er, dass auch seine Stimme zitterte. „Danke … dass Ihr mich aufgefangen habt … Es tut mir wirklich leid … das wollte ich nicht und es war ungeschickt von mir … Es wird nie wieder vorkommen…“, versprach er noch und sah weiter zu seinem Herrn hoch, der ihn dann auch wieder auf die Füße stellte, ihn aber immer noch fest hielt, als habe er Angst, dass er fallen oder zusammenbrechen könnte. Eine der Tatsachen, die zu dieser Annahme des Königs führte, war wohl auch, dass Richard ein fast feminines Aussehen hatte und vom Körperbau eher zierlich war. Und genau dies war es vielleicht auch, was den jungen König so sehr in seinen Bann zog. Dass er sich selbst nichts aus Frauen machte, das wusste Ludwig. Stattdessen hatte er eher Augen für hübsche junge Männer und doch war er zuvor von keinem so sehr verzaubert gewesen, wie von dem jungen Stallmeister, welcher nun vor ihm stand. Einen kurzen Moment lang betrachtete der Monarch den jungen Mann nur, ehe er den Kopf schüttelte. “Schon gut … du konntest nichts dafür, du hast das Gleichgewicht verloren“, erklärte Ludwig und gab so auch zu verstehen, dass er Richard nicht böse war oder in irgendeiner Weise verstimmt. Stattdessen hatte das Zusammentreffen mit Richard seine Stimmung sogar ein wenig gehoben, denn der Stallmeister war ganz sicher nicht wie einer dieser äußerst nervtötenden Ballgäste. “Hättest du Lust, mir ein wenig Gesellschaft zu leisten bei meinem Spaziergang?“, kam es dann plötzlich erneut ein wenig unverhofft vom jungen König, der nun erwartend in die blauen Augen seines Gegenübers schaute. Genau diese Augen weiteten sich, denn Richard hatte niemals erwartet, dass der junge Monarch ihn das fragen würde. Hatte er ihn richtig verstanden? Er sollte ihn bei einem Spaziergang begleiten? Natürlich wusste der junge Stallmeister, dass es sich eigentlich nicht gehörte, aber es war der Wunsch des Königs, also warum sollte er seinen Wunsch ausschlagen, das gehörte sich schon gar nicht. Also nickte Richard schnell und lächelte sanft. „Gerne Majestät …“, sagte er. Auf ein Nicken des Königs gingen sie also nebeneinander her und Richard freute sich, dass der König ihm ein Lächeln geschenkt hatte. Es verwirrte ihn sehr, besonders auch weil sein Herz so seltsam schnell klopfte. Als sie an ein paar Narzissen vorbei kamen, sah der junge Mann zu seinem Herrn: „Macht es Euch etwas aus, wenn ich mir ein paar pflücke?“, fragte er sanft. Ludwig, welcher diesmal eher weniger auf die Blumen als auf den jungen Mann an seiner Seite geachtet hatte, sah diesen nun direkt an, als er diese Frage stellte. Lächelnd schüttelte er den Kopf. “Nein … es macht mir nichts aus, es ist in Ordnung. Nimm ruhig.“, antwortete er dem Stallmeister, was auch wieder einmal aufs Neue die Gebefreudigkeit des jungen Mannes zeigte. Richard strahlte den jungen König an. „Danke, Majestät!“, sagte er und bückte sich dann, um ein paar der schönen gelben Frühlingsblumen zu pflücken. „Ich muss gestehen, ich hab schon ein paar in meinem Zimmer stehen … als niemand es sah und als ich frei hatte, hab ich mir ein paar geholt … Ungewöhnlich für einen Mann, oder?“, sagte Richard, redete einfach darauf los, vor allem auch, weil er dieses Schweigen nicht mochte, das ihm die Röte ins Gesicht steigen ließ. „Ich mag Blumen … nicht alle, aber viele … Narzissen zum Beispiel … aber am meisten mag ich Lilien … weiße Lilien. Leider kann man die so selten beim Blumenverkäufer kaufen … und wenn, dann sind sie so teuer …“, erklärte er lachend und erhob sich wieder, weil er nun einen kleinen Strauss Narzissen gepflückt hatte. Als er sich jedoch zu seinem Herrn umdrehte, weiteten sich schon wieder seine so seltsam blauen Augen. Er hatte gerade noch etwas sagen wollen, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken. Der junge Monarch streckte ihm eine einzelne Narzisse entgegen. Mit zitternder Hand nahm er sie entgegen und strahlte ihn an. „Vielen Dank ...“, sagte er und errötete nun tatsächlich. Was musste der König nur von ihm denken? Der junge König hatte sehr genau beobachtet, wie Richard auf dieses kleine Geschenk reagierte. Trotz des fahlen Mondlichtes, das sie beide beschien, konnte Ludwig sehen, dass der Stallmeister scheinbar ein wenig errötete. Lächelnd kam er noch ein Stückchen näher zu dem jungen Mann, dem er eben die Narzisse geschenkt hatte, und schaute schweigend zu ihm herab. Auch das Herz des Regenten klopfte in diesem Moment ein wenig heftiger als normalerweise und in diesem Moment wurde Ludwig klar, dass er die Liebe dieses Mannes sein Eigen nennen wollte. Was dann geschah, verlangte auch von dem König ein wenig Mut, denn die Chancen, dass Richard es verstehen würde und sich danach nicht distanzieren würde, standen in Ludwigs Augen eher niedrig. Und doch tat er es, beugte sich ein wenig vor und hauchte einen zärtlichen Kuss auf die Stirn des Stallmeisters, nur kurz und fast scheu, dann ging der Bayernkönig einen Schritt zurück, schenkte dem Angebeteten noch ein kurzes, durchaus unsicheres Lächeln und ehe er wirklich eine Reaktion von Richard erkennen konnte, machte Ludwig auf dem Absatz kehrt, wisperte noch ein kurzes „Gute Nacht …“ und ging dann zügigen Schrittes in Richtung der Residenz zurück. Richard starrte seinem Herrn nach und sein Herz schien zu zerspringen, so schnell schlug es in seiner Brust. Er stand einfach da, bekam kein Wort heraus und seine Knie zitterten. Der König hatte gerade seine Stirn geküsst. Was hatte das alles zu bedeuten? Nun gaben die Beine des jungen Stallmeisters doch nach und er drückte die Narzissen sanft an sich, zitterte am ganzen Leib, aber nicht weil es kalt war, sondern weil ihn ein seltsames Gefühl durchströmte. Das würde ganz bestimmt eine schlaflose Nacht geben … Drei Tage später ging Richard wieder den Gang entlang zu seinem Zimmer. Er war ziemlich müde, denn den ganzen Tag hatte er hart arbeiten müssen, waren viele Gäste auch noch länger geblieben nach dem Ball und erst an diesem Tag abgereist. Der junge Mann war froh, dass er nun endlich auf sein Zimmer kam und sich ausruhen konnte, nachdem er unten in der Küche gegessen hatte. Als er jedoch die Tür zu seinem Zimmer öffnete und eintreten wollte, hielt er mitten in der Bewegung inne. Da auf dem Tisch stand eine Vase mit einem riesigen Strauss weißer Lilien drin. Richards Herz begann wieder einmal zu klopfen, so wie in den letzten Tagen auch, als er seinem Herrn begegnet war und sich ihre Blicke getroffen hatten. Er erwachte aus seiner Starre und trat dann vollends ein, schloss leise die Tür hinter sich. Danach ging er zum Tisch und roch an den Blumen und seufzte leise. Sie dufteten einfach himmlisch! Plötzlich sah er auf dem Tisch neben der Vase einen Brief und Richard zögerte nicht, nahm ihn an sich, öffnete ihn und begann ihn zu lesen: „Ich und du Wir träumten von einander Und sind davon erwacht, Wir leben, um uns zu lieben, Und sinken zurück in die Nacht. Du tratst aus meinem Traume, Aus deinem trat ich hervor, Wir sterben, wenn sich eines Im andern ganz verlor. Auf einer Lilie zittern Zwei Tropfen, rein und rund, Zerfließen in eins und rollen Hinab in des Kelches Grund. (Friedrich Hebbel) Ich hoffe, du hast Freude an der kleinen Aufmerksamkeit und auch an dem Gedicht, welches ich mit großem Bedacht ausgesucht und für dich niedergeschrieben habe. Während ich diese Zeilen schreibe, sehe ich deutlich deine blauen Augen vor mir, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen, ebenso wie du mir nicht mehr aus dem Kopf gehst …“ Als Richard den Brief zu Ende gelesen hatte, war er so rot wie niemals zuvor. Dieses Geschenk und dieser Brief konnten nur vom König selbst sein. Er hatte seine Handschrift schon ein paar Mal gesehen und er war sich ganz sicher. Mit zitternden Händen legte er den Brief beiseite und in diesem Moment kam dem jungen Mann eine Idee. Schnell suchte er sich die schönste Lilie aus, dann kramte er eine Feder und ein kleines Stück Papier aus seinem Schrank und schrieb darauf: „Habt Dank Mondkönig …Der Lilienduft wird mich ins Reich der Träume entführen und dann werde ich bestimmt von Euch träumen …Möge Euch der Duft dieser Lilie auch ins Reich der Träume entführen …“ Wenn er nicht schon so rot gewesen wäre, dann wäre er ob seinen eigenen Worten noch röter geworden, doch wie der König unterschrieb er nicht, sondern band die kleine Botschaft an die Lilie, bevor er dann noch einen zweiten kleinen Zettel schrieb. Anschließend schlich er durch die Gänge, sah sich immer wieder um, damit ihn auch niemand sah, doch die Gänge waren leer, denn es war schon recht spät. Richard schlich sich bis zum Gemach des Königs vor und atmete erleichtert auf, als er sah, dass bei Seiner Majestät noch Licht brannte, das hieß, dass er noch wach war und sein Plan aufgehen würde. Leise schlich er sich an die große weiße und mit Gold verzierte Tür und schob den einen kleinen Zettel durch den Türschlitz hindurch auf dem stand: „Seht zu Boden, wenn Ihr die Tür öffnet …“ Danach legte er die Lilie mit der Botschaft direkt vor die Tür Seiner Majestät. Er musste wirklich verrückt sein, was er tat. Was, wenn ihn jemand sah? In diesem Moment war es ihm aber egal, er tat einfach das, was ihm sein Herz sagte, das was er als richtig befand. Richard nahm seinen ganzen Mut zusammen und klopfte leise an die Tür, leise und doch hörbar und dann schlich er eilig in eine geschützte Ecke, wo er die Tür des Gemaches sehen konnte, aber im Schutz der Dunkelheit verborgen blieb. Einen Moment lang glaubte Richard, dass der junge Monarch das Klopfen nicht vernommen hatte, bis er Schritte hörte und auch einen Schatten vor der Tür gewahrte. Das Herz des jungen Stallmeisters begann noch schneller zu klopfen. Gleich würde er das kleine Geschenk finden! Der Bayernkönig war aufgrund des Klopfens zur Tür gegangen und sein Blick war auf einen kleinen Zettel gefallen, der am Boden lag. Als er ihn aufhob und las, was darauf stand, machte es ihn schon neugierig, was genau ihn dort erwarten würde, und so öffnete der junge König langsam die Tür und schaute wie gebeten auf den Boden. Und was erblickte er dort? Eine weiße Lilie, wie er sie hatte Richard bringen lassen, lag auf dem Boden. Kurz ging Ludwig in die Knie, um die Blume aufzuheben und als er sie in der Hand hielt, fiel ihm ein kleiner Zettel am Stiel der Pflanze auf. Während er sich wieder erhob, entfaltete er den Zettel und schon als er die erste Zeile las, wusste er, dass sowohl die Lilie als auch die Botschaft von Richard kamen. Ein glückliches Lächeln schlich sich auf die Lippen des schönen Königs und zufrieden seufzend drückte er die Lilie und den Brief etwas an sich und schloss kurz die dunkelblauen Augen. „Denkst du wirklich so an mich, wie ich an dich denke, Richard? Verstehst du das, was ich für dich empfinde? Verstehst du, dass ich mein Herz an dich verloren habe?“ fragte der Regent in die sonstige Stille der Nacht und des Ganges heraus. Dass genau der, von dem er eben gesprochen hatte, auf dem Gang war, das konnte der König ja nicht ahnen und so hatte er auch nicht berechnet, dass der junge Stallmeister jedes seiner Worte vernommen hatte. Die Augen des jungen Mannes, der verborgen in der Dunkelheit stand, hatten sich geweitet. Er konnte fast nicht glauben was er da hörte. Dann war es also wahr, was die Gerüchte angingen, die im Umlauf waren. Man erzählte sich, dass Seine Majestät sich nichts aus Frauen machte. Und Richard? Der junge Mann fühlte doch genau gleich, auch er konnte mit Frauen nichts anfangen und nun hatte er sich ausgerechnet in den König verliebt. Doch wie es aussah, hatte er eine Chance. Seine Majestät verschwand mit der Lilie und dem kleinen Brief wieder in seinem Gemach und Richard wartete eine Weile, weil er sicher sein wollte, dass sein Herr nicht vielleicht doch wieder raus kam. Danach löste er sich aus dem Schatten und blieb einige Schritte vor der Tür stehen, sah dass das Licht noch an war. Sein Herz klopfte ganz schnell und am liebsten hätte er wahrscheinlich vor der Türe geschlafen, wenn er nicht plötzlich Schritte gehört hätte. Der junge Stallmeister rannte fast zu seinem Zimmer zurück und hielt erst an, als er atemlos in seinem Zimmer an die geschlossene Tür lehnte. Er brauchte einen Moment, bis er sich beruhigen konnte, wenigstens so weit, dass er aufhörte zu zittern. Richard ging zu den Lilien, die in der Vase standen und roch wieder daran. Der Duft erschien ihm nun noch betörender als zuvor und er nahm sich wieder eine Lilie und ging damit zu Bett, angezogen wie er war. Er starrte die Decke seines Zimmers an und roch versonnen an der Lilie. War alles ein Traum? Oder war das die Wirklichkeit? Mit diesen Fragen und dem Geruch der Lilie in der Nase schlief der junge Stallmeister schließlich ein. Seit dem Abend, an dem Ludwig die Lilie mit der Botschaft vor seiner Tür gefunden hatte, war eine Woche vergangen. Diese Woche hatte nur so vor Aufgaben und Arbeit gestrotzt und sehr zu Ludwigs Bedauern war keine Zeit für Ausritte geblieben. Doch genau das würde sich in der kommenden Woche ändern, hatte sich der König doch selbst ein wenig Ruhe und Entspannung verordnet und einen Aufenthalt in Schloss Berg am Starnberger See geplant. Weder irgendwelche Minister noch sein Adjutant Graf Dürckheim würden den Regenten davon abhalten können, denn wenn es um seine ‚Freiheit’ ging, hatte der junge König durchaus seinen eigenen Kopf. Jetzt saß Ludwig in seinem Arbeitszimmer und erwartete das Erscheinen seines Freundes und Adjutanten, dem er noch einige organisatorische Dinge mitteilen wollte. Während der Mondkönig wartete, unterschrieb er noch einige Dokumente und Aufträge, doch mit seinen Gedanken war er anderswo. Außer nach Schloss Berg schweiften die Gedanken des Königs immer wieder zu dem blonden Stallmeister, welchen er nun schon eine Woche nicht mehr gesehen hatte. Wieder einmal hallten eilige Schritte durch die Gänge. Graf Dürckheim war zum Arbeitszimmer Seiner Majestät unterwegs, denn man hatte ihn dorthin zitiert. Er lief mit eiligen Schritten, denn man hatte ihm auch gesagt, dass es sehr dringend sei. Als er schließlich beim Arbeitszimmer ankam, klopfte er vorsichtig an und trat ein, als er hereingebeten wurde. Sofort nachdem er eingetreten war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, verbeugte er sich und schenkte seinem Herrn und Freund ein Lächeln. „Ihr habt mich gerufen, Majestät?“, fragte er sanft und sah Ludwig nach dieser Frage erwartend an. Der eben Angesprochene schenkte ihm ebenfalls ein wohlwollendes Lächeln, hatte er doch ihre Freundschaft keinesfalls vergessen. „Ah Alexander, schön dass du so schnell kommen konntest …“, begann der junge König und legte seine schneeweiße Schreibfeder beiseite. „Ich möchte dich darum bitten, die Dienerschar zusammenzustellen, die mich nach Schloss Berg begleitet …“, erklärte der junge Herrscher nun sein Anliegen und fügte dann noch an: “Mir ist es eigentlich gleich, welche Diener mitkommen, ich möchte dich einzig und allein darum bitten, dass du den Stallmeister Richard Hornig mit einteilst. Er kümmert sich hervorragend um die Pferde und er soll ein sehr guter Reiter sein.“ Natürlich waren die genannten Gründe, weshalb Richard mitkommen sollte, im Prinzip nur die halbe Wahrheit, doch der Monarch hatte, trotz aller Freundschaft nicht vor, sein Geheimnis nun zu offenbaren. Doch Alexander ahnte es, wie viele andere auch, die mehr mit dem König zu tun hatten. Dies war dem jungen Adjutanten schon auf dem Ball aufgefallen, der zu Ehren seines besten Freundes gegeben worden war. Ludwig hatte keinen Blick an all die schönen und heiratsfähigen jungen Damen verschwendet, nicht mit einer hatte er getanzt, ganz zum Missfallen der Königinmutter. Alexander wusste, was sie von ihrem Sohn erwartete, genau wie das ganze Volk. Sie erwarteten von ihrem König, dass er sich nun verlobte und eine junge adlige Dame zur Frau nahm und schließlich Nachkommen für das Adelshaus der Wittelsbacher zeugte. Doch es sah fast so aus, als habe Ludwig dies nicht vor. Der junge Mann bemerkte, dass sein Herr ihn etwas verwirrt und auch besorgt musterte, war er doch einen Moment still und in Gedanken gewesen. Sanft schenkte er ihm ein Lächeln und nickte sofort, zum Zeichen, dass er verstanden hatte. „Sehr wohl, Majestät ... Ich werde mich gleich persönlich darum kümmern“, sagte der Graf und nickte noch einmal. „Wann wollt ihr Euch denn auf den Weg machen nach Berg? Heute schon?“, fragte er noch: „Ich muss es ja den Dienern und Herrn Hornig mitteilen, wann sie in Berg sein müssen oder Euch in Herrn Hornigs Fall begleiten soll ...“, sagte er weiter und ein kleines verschmitztes Lächeln stahl sich auf Alexanders Lippen. Der junge König versuchte dieses Lächeln auf Alexanders Lippen zu deuten und doch gab er es nach einem kleinen Moment schon wieder auf, glaubte er doch keinesfalls, dass irgendjemand auch nur ansatzweise ahnen könnte, dass er reges Interesse an Richard hatte. Interesse eben, welches über das übliche Interesse eines Königs an seinem Stallmeister hinausging. „Ich werde heute Abend abreisen. Mir sind Reisen in der Nacht lieber, dann hat man nicht immerzu alle neugierigen Blicke auf sich gerichtet. Und so weit ist es ja nicht bis Schloss Berg, da lässt sich eine Fahrt gegen Abend wohl verantworten, denke ich ...“, erklärte Ludwig, während er sich von seinem gepolsterten Stuhl erhob. Dann schritt er um den Schreibtisch herum in Richtung des großen Fensters, welches ihm einen Blick hinaus über die Hauptstadt München gewährte. Kurz betrachtete der junge Monarch diesen Ausblick, ehe er zu seinem Adjutanten schaute. “Noch etwas ... ich möchte darüber informiert werden, wie es um die Suche nach Richard Wagner steht. Sollte er nach München kommen, werde ich den Aufenthalt in Berg unterbrechen und nach München zurückreisen ...“, sagte der König. Er kam jetzt auf den Komponisten, da seine erste Amtshandlung gewesen war, Wagner suchen und nach München einladen zu lassen. Er liebte die Opern des Sachsen Wagners, war doch dessen Interpretation des Lohengrin vor zwei Jahren die erste Oper gewesen, die er hatte anschauen dürfen. Sofort hatte den damaligen Kronprinzen die Musik und die Inszenierung der bekannten Sage des Schwanenritters in ihren Bann gezogen. Der Adjutant nickte bei den Worten seines Herrn, waren dies doch durchaus Befehle, die sich befolgen ließen. „Sehr wohl, Majestät, ich werde alles in die Wege leiten und sollte Wagner nach München kommen, werde ich ein Telegramm nach Berg schicken“, versprach der junge Graf und verbeugte sich vor seinem König. Kurz wartete er, ob der Bayernkönig noch einen Wunsch hatte. Als dieser ihm aber ein Zeichen gab, dass er gehen durfte, verabschiedete sich Alexander von Dürckheim. Anschließend verließ er das Arbeitszimmer und ließ so den jungen König am Fenster stehend zurück. Ein blonder junger Mann eilte im gedämpften Licht der Laternen durch die Stallungen Seiner Majestät. Gleich musste er die Kutsche bereit haben, die den König zu Schloss Berg bringen würde, und er, Richard Hornig, sollte ihn begleiten. Bei diesem Gedanken hielt er einen Moment in seiner Arbeit inne und seine Wangen röteten sich wie bei einem Mädchen. Seit einer Woche hatte er seinen Herrn nicht mehr gesehen und wenn der junge Stallmeister ehrlich mit sich selbst war, dann hatte er sich immer wieder gefragt, wann er den König wieder sehen würde. Doch leider war ein König nicht so frei wie es aussah. Sein Herr hatte Pflichten, genau wie ein normaler Bürger Bayerns. Er war ein Paradiesvogel, wunderschön und doch in einem goldenen Käfig gefangen, aus dem er sich nicht befreien konnte. Richard schüttelte etwas den Kopf, um aus seinen Gedanken zu erwachen und eilig wieder seiner Arbeit nachzugehen, denn sein Herr hasste es, wenn jemand unpünktlich war. Seine Sachen hatte er bereits gepackt und einem Diener gegeben, denn sein Gepäck wie das Gepäck Seiner Majestät waren schon unterwegs nach Schloss Berg. Ebenso wie eine kleine Gruppe von Dienern, die die Ankunft des Königs vorbereiten sollte. Der junge Mann ging zur letzten Box in der Stallung, in dem ein Schimmel stand und seine Nüstern leicht blähte, als er Richard kommen sah. „Na, Amadeus? Wartest du schon ungeduldig, mhm?“, sagte er und öffnete die Boxtür. Der Schimmel schien den jungen Mann zu verstehen, denn er wieherte leise und stupste Richard auch kurz an. Dieser lachte amüsiert und nahm das edle Tier an den Zügeln, die er schon zuvor festgemacht hatte: „Komm, deine Freunde warten schon und Seine Majestät sicher auch...“, sagte er und der Schimmel setzte sich widerstandslos in Bewegung. Er führte ihn aus der Stallung hinaus und zur Kutsche, streichelte immer wieder die Nüstern des jungen Hengstes und wäre deswegen fast mit jemandem zusammengestoßen. Als Richard erschrocken hochsah, gewahrte er, dass er fast mit dem König zusammen gestoßen war, weil er so beschäftigt gewesen war, den Hengst zu streicheln. Wie gebannt sahen sich die beiden einen Moment lang an, dann blinzelte Richard noch einmal erschrocken: „Majestät!“, rief er aus und verbeugte sich sofort. „Es tut mir wirklich leid ... Ich war in Gedanken ... Die Kutsche ist gleich reisefertig ...“, versuchte der junge Stallmeister zu erklären, denn er konnte den Gesichtsausdruck des jungen Monarchen nicht deuten. War er vielleicht wütend, weil die Kutsche nicht ganz bereit stand? Wäre es nicht Richard gewesen, mit dem der König zusammenstieß, dann wäre der junge Monarch nun vielleicht wütend gewesen; aber da es Richard war, blieb der König ruhig und nickte bei dem, was der junge Stallmeister sagte. „In Ordnung, ich werde mich wohl noch zwei Minuten gedulden können ...“, meinte Ludwig und schenkte dem jungen Diener ein liebevolles Lächeln. Auch er trat nun näher an die edlen Schimmel heran und tätschelte einem der Pferde den muskulösen Hals. Seine schwarzen ledernen Handschuhe hatte der junge Adlige dabei nicht ausgezogen, denn es wurde zunehmend kühler, je später es wurde. Auch sonst war Ludwig reisetauglich angezogen mit seinem langen Mantel über dem für den König eher alltäglichen Anzug, der trotz allem sehr edel aussah. Während er sich mit dem Pferd beschäftigte, wanderte sein Blick immer wieder zu dem jungen Richard. Auch dieser trug einen Mantel über seiner Uniform und Handschuhe lagen für ihn auf dem Kutschbock bereit, sodass auch er nachher nicht frieren musste. Wortlos beobachtete er jeden einzelnen Handgriff Richards, welche allesamt sehr geübt und auch geschickt wirkten und zeigten, wie ernst der junge Mann seine Arbeit nahm. „Du machst das wirklich gut ...“, kam es dann ganz plötzlich lobend aus des Königs Mund, der Richard immer noch lächelnd beobachtete und langsam in Richtung der Kutschentür schlenderte. Der Angesprochene hatte seine Arbeit schnell und doch präzise verrichtet, sodass er ein wenig aufschrak, als der König zu ihm sprach und ihn lobte, war er doch in sein Tun so vertieft gewesen. Der junge Mann richtete sich auf und schenkte seinem Herrn auch ein wohlwollendes Lächeln: „Vielen Dank, Majestät … Die Arbeit gefällt mir auch sehr“, sagte er und beeilte sich dann, mit großen Schritten zuerst an der Kutschentür zu sein, um diese für seinen Herrn zu öffnen. Dann streckte er ihm eine Hand entgegen als Hilfe beim Einsteigen. Der König nahm diese Hilfe in Anspruch und legte seine Hand in die von Richard und wieder wurde der junge Stallmeister rot. Es war schließlich eine Woche her, seitdem er ihn gesehen hatte, und diese unerwartete Nähe ließ sein Herz schon wieder etwas höher schlagen. Anscheinend fühlte sein Herr genauso, denn auch dieser sah ihn einige Momente wie gebannt an, als sich ihre Blicke trafen. Kurz versank der junge Monarch in den blauen Augen seines Gegenübers, doch hielt dieser Augenblick bedauerlicherweise nicht lang an, denn nach einem kurzen Moment bemerkte Ludwig, wie einige Bedienstete über den Hof kamen und dabei grob die Richtung der Kutsche einschlugen. Kaum merklich seufzte der König von Bayern und stieg vollends in die Kutsche, ließ dabei aber erst recht spät seine eigene Hand aus der von Richard gleiten. Danach ließ er sich in das bequeme Polster der Kutsche nieder und lehnte sich zurück. Prüfend griff er zu der Decke, welche sich neben ihm befand und die er, falls es zu kalt werden würde, über die Beine legen könnte. Statt wie sonst eher alles andere zu betrachten, blieb der Blick des Monarchen diesmal wie von alleine auf dem jungen Stallmeister haften. Es war doch zum verrückt-Werden, denn trotz der Botschaft an der Lilie vor einer Woche wusste Ludwig immer noch nicht so ganz, ob Richard wirklich dasselbe wie er selbst empfinden könnte, oder ob er vielleicht einfach seinen König nicht hatte beleidigen wollen. Für einen kleinen Moment schloss der adlige junge Mann die Augen und versank weiter in seiner Gedankenwelt, als er dann auch irgendwann das Klappen der Kutschentür hörte. Sofort öffnete er die dunkelblauen Augen wieder und bemerkte, dass Richard ihn scheinbar auch betrachtet hatte und nun eine kurze Verbeugung ausführte und per Handzeichen nachfragte, ob er abfahren könnte, was der König mit einem Nicken bejahte. Noch bevor die Kutsche sich in Bewegung setzte, ließ sich der König von Bayern tiefer in die bequemen Polster der Kutsche sinken und schloss erneut die Augen. Vielleicht würden seine Gedanken ein wenig klarer werden, wenn er die Fahrt über schlafen oder zumindest ein wenig dösen würde. Die Fahrt dauerte nicht lange. Von München aus nach Schloss Berg war es vielleicht eine Stunde mit der Kutsche, doch die Fahrt verlief nicht ganz wie geplant. Die Wege, noch feucht vom letzten Regen, waren rutschig und nicht ganz gefahrlos. Ein Pferd hatte sich kurz vor dem Schloss die Fessel verletzt. Es war ausgerutscht und fast gestürzt, hatte sich dann aber fangen können, weil eine Felswand es daran gehindert hatte, ganz zu fallen. Nur mit Not schaffte es Richard, die Kutsche doch noch an ihr Ziel zu bringen, doch gleich als er hielt, sprang er vom Kutschbock herunter, wies einen Diener an, dem König die Tür zu öffnen und einen anderen, den Stallburschen zu rufen, der ihm den Koffer bringen sollte mit dem Verbandszeug und den Heilmitteln für die Pferde. Der junge Mann selbst machte sich sofort daran, das verletzte Pferd aus dem Gespann zu nehmen und es von den anderen Pferden etwas wegzuführen, aber auch um Seiner Majestät diesen Anblick zu ersparen, wusste er doch, wie sehr er seine Tiere liebte. Das Pferd hatte sich nicht nur an der Fessel verletzt, wie Richard dann feststellen musste, sondern hatte sich anscheinend auch noch an der Flanke entlang an der Felswand aufgescheuert, denn es blutete aus einer ziemlich großen Wunde. Endlich kam auch der Stallbursche mit dem Koffer angerannt und Richard nahm ihm diesen sofort ab: „Da bist du endlich … Schnell, schneid große Verbandsstücke, damit ich die Wunde verbinden kann …“, wies er den Jungen an und nahm selbst ein Tonikum aus dem Koffer, das desinfizierte und zur Wundheilung beitrug. In der Zwischenzeit hatte der angewiesene Diener dem König die Tür geöffnet und hatte sich verbeugt. Seine Majestät schien sichtlich verwirrt, denn er runzelte die Stirn und sah sich dann suchend um. Als er aus der Kutsche gestiegen war, wollte er um die Kutsche herumgehen, doch der Diener, der ihm auch die Tür geöffnet hatte, stellte sich vor seinen Herrn und verbeugte sich sofort wieder. Er hatte gesehen, dass das Pferd sehr stark blutete und wollte seinem König diesen Anblick ersparen, nur deswegen hatte er sich erlaubt, sich vor ihn zu stellen und ihn aufzuhalten. „Bitte, geht nicht dahin, Majestät … Das ist kein schöner Anblick!“ Der König jedoch hasste es, so im Ungewissen zu sein und außerdem fragte er sich, wo denn wohl Richard abgeblieben war und warum er nicht gekommen war, um ihm die Türe der Kutsche zu öffnen. Und was meinte dieser Diener damit? Das sei kein schöner Anblick?! War etwas mit Richard? War er verletzt? Vom Kutschbock gefallen? „Lass mich durch, ich befehle es!“, gebot der junge König und ließ sich auch nicht davon beirren, dass der Diener weiter versuchte, beschwörend auf ihn einzureden und ihn daran zu hindern, um die Kutsche herumzugehen. Nach dem fünften oder sechsten „Majestät …“ seitens des Dieners wurde es Ludwig dann auch endgültig zu bunt und nicht fest, aber durchaus bestimmt packte er den jungen Mann an den Schultern und schob ihn zur Seite. Bevor sich dieser dreiste Diener wieder zwischen ihn und den freien Weg drängen konnte, eilte Ludwig regelrecht, um zu sehen, was geschehen war. „Richard …“, rief Ludwig besorgt aus, als er um die mit Gold verzierte Kutsche geeilt war und die Kutschpferde nun neben sich hatte. Kurz sah er sich suchend um, ehe er den Stallmeister bei einem der Kutschpferde sah, das an der Flanke verletzt war. Obwohl sich Richard schon daran gemacht hatte, das Tier zu verbinden, war es wahrlich kein schöner Anblick und doch beruhigte es den jungen Monarchen, dass ‚lediglich’ mit dem Pferd etwas war und nicht mit Richard. Aus diesem Grund atmete Ludwig erstmal tief durch und trat dann näher heran. Ohne groß zu überlegen nahm der Regent dann auch die Zügel aus der Hand des Stalljungen und streichelte mit der anderen Hand beruhigend über die Stirn und die Nüstern von Amadeus. “Was ist geschehen, dass er sich so verletzt hat?“, fragte Ludwig ruhig und doch schwang ein wenig Besorgnis in seiner Stimme mit. Richard sah einen Moment erschrocken hoch, weil er nicht erwartet hatte, dass der König herkam, denn eigentlich hätte sein Herr noch nichts von dem Geschehenen mitbekommen sollen. Er selbst hätte es ihm später mitteilen wollen. Seufzend legte der junge Stallmeister dann aber das Tonikum beiseite und überließ es dem Stalljungen, Amadeus weiterzuverbinden. Er selbst richtete sich nun auf und sah seiner Majestät tief in die Augen, denn er fühlte sich schuldig, für das was passiert war. „Majestät…“, begann Richard ein bisschen unsicher, nahm sich dann aber zusammen und atmete tief durch: „Kurz vor dem Schloss ist Amadeus auf der nassen und schlammigen Strasse ausgerutscht, aber zum Glück nicht gestürzt, da ihn eine Felswand daran gehindert hat. Dennoch hat er sich deswegen Kratzer zugezogen und auch seine Fessel scheint ein bisschen gestaucht zu sein“, erklärte der junge Mann. Er ging näher an das Tier heran und tätschelte beruhigend seinen Hals, sah dann wieder zu seinem Herrn und schenkte diesem ein sanftes Lächeln: „Es wird ihm bald wieder besser gehen. Alle Wunden wurden versorgt und ich werde mich persönlich darum kümmern, dass er Ruhe bekommt und seine Fessel auch wieder heilt“, sagte Richard und in seiner Stimme schwang ein Ton mit, der klar machte, dass er sich schuldig fühlte. Ludwig beobachtete den jungen Stallmeister während er sprach sehr genau und hörte auch heraus, dass sich Richard scheinbar schuldig fühlte. “Es ist nicht deine Schuld, dass Amadeus fast gestürzt wäre und so schlimm kann es ja nicht gewesen sein, wenn ich es nicht mal bemerkt habe“, erklärte der junge König ruhig und mit einem Lächeln auf den Lippen. „Am besten du versorgst die Pferde und gehst dann zu Bett, die Reise war dann wohl doch ein wenig anstrengender als erwartet.“, fügte er an. „Außerdem …“ Kurz unterbrach sich der junge Monarch selbst und warf einen Blick in den Himmel. „Außerdem beginnt es zu regnen, erkälte dich nicht …“ Während er dies ausgesprochen hatte, war Ludwig schon einige Schritte gegangen, wobei er ungefähr auf der Höhe von Richard flüchtig seinen Blick zu ihm wand. Kurz hob Ludwig auch eine Hand und streckte sie ein klein wenig in die Richtung des Stallmeisters, als wolle er ihm im nächsten Moment durchs Haar streichen. Als er jedoch merkte, was er da tat, zog Ludwig die Hand wieder zurück, warf dem jungen Mann stattdessen einen kurzen sehnsüchtigen Blick zu. “Ruh dich aus und … .Gute Nacht.“ Mit diesen Worten verschwand der großgewachsene Mann in Richtung des kleinen weißen Schlosses an dem Ufer des Starnberger Sees. Richard sah seinem Herrn mit großen Augen nach, denn er hatte genau gesehen, was er im Begriff gewesen war zu tun. Sein Herz begann schneller zu klopfen und es brauchte eine Weile, bis er aufhörte, an den Punkt zu starren, wo der König verschwunden war. Er erwachte aus dieser Starre, als ihn der Stalljunge am Ärmel zupfte und seinen Namen rief. Der junge Mann schüttelte etwas den Kopf, wie um einen Bann loszuwerden und wandte sich dann dem Jungen zu. „Ah, Martin! Du bist mit dem Verbinden fertig …“, sagte er und ein etwas scheues und dennoch glückliches Lächeln stahl sich auf Richards Lippen. „Das hast du sehr gut gemacht!“, lobte er den Jungen und nickte ihm auch noch bestätigend zu. Danach nahm er die Zügel des verletzten Pferdes und mithilfe von Martin schaffte er es auch, Amadeus in den Stall zu bringen. Dort schickte er Martin zum Essen und versorgte seinen Schützling alleine weiter, hatte Seine Majestät doch befohlen, dass er sich um die Pferde kümmern solle. Die anderen Pferde standen aber alle schon in ihren Boxen, sodass seine volle Aufmerksamkeit Amadeus galt. Trotz der Worte seines Herrn fühlte er sich schuldig. Vielleicht hatte er die Pferde zu schnell angetrieben und Amadeus war deswegen abgerutscht? Genau aus diesem Grund, dem schlechten Gewissen, blieb der junge Stallmeister, anders als von Seiner Majestät angeordnet, im Stall, immer ein waches Auge auf das verletzte Pferd habend. Irgendwann kam dann auch Lise, die Köchin. Da Richard beim Essen gefehlt hatte, brachte sie ihm etwas zu essen. Der junge Mann aß nur wenig, denn immer wieder besah er sich Amadeus Zustand und ob er doch noch mehr Verletzungen hatte, als er angenommen hatte. Doch irgendwann, er lag im Heu neben dem stehenden Amadeus, der eine größere Box bekommen hatte als die anderen Pferde, übermannte Richard die Müdigkeit. Der Duft des frischen Heus und die Wärme des Strohs auf dem er lag taten ihre Wirkung und nach einiger Zeit war der junge Mann noch in seiner Reisekleidung eingeschlafen. Amadeus, der seinen Zureiter kannte, schnupperte an seinem Haar und dann ganz plötzlich schnappte sich das Pferd etwas Stroh und ließ es auf den jungen Mann fallen, fast so als wolle er ihn zudecken und dafür sorgen, dass dem Stallmeister nicht kalt wurde. Jemand ganz Bestimmtes beobachtete dieses Verhalten des Pferdes und staunte nicht schlecht über das, was er da sah. Der König hatte vorhin ein wenig Zeit im Schloss verbracht, allerdings war es ihm schnell zuwider geworden, einfach innerhalb der Schlossmauern zu sitzen, während draußen der Himmel aufklarte und der silberne Mond zum Vorschein kam. Eigentlich war Ludwig nur für einen Spaziergang draußen gewesen, als er dann aber im Stall noch Licht brennen sah. Da eigentlich des Nachts auch das Licht im Stall gelöscht wurde, hatte der Adlige nicht lange überlegt und sich auf den Weg zum Stall gemacht. Dort angekommen bekam er dann eben dies zu sehen: Den schlafenden Stallmeister und Amadeus, der ihn scheinbar geradewegs mit Stroh ein wenig zugedeckt hatte. Leise lachend und kopfschüttelnd schritt Ludwig vorsichtig in die Box, streichelte dem Pferd kurz durch die Mähne. Diese Streicheleinheiten nahm der Hengst gelassen schnaubend entgegen und wandte sich nun wieder seiner Futterbox zu, beachtete den König und auch den Stallmeister erstmal nicht weiter. Auch der König achtete nicht weiter auf den Hengst. Sein Blick war viel mehr auf den schlafenden jungen Mann im Stroh fixiert. Schon wieder fiel Ludwig auf, wie schön Richard war. Das hübsche Gesicht, die blonden Haare und die schlanke Figur zogen ihn unwillkürlich in seinen Bann. Und es war nicht allein dieser Bann, es war dieses Gefühl, das stärker wurde, immer wenn er in Richards Nähe kam. Herzklopfen, Schmetterlinge im Bauch und ein heilloses Durcheinander im Kopf des jungen Königs. Aber was sollte er tun? Konnte er einfach seinem Verlangen und seiner Sehnsucht folgen? Selbst wenn Kirche und Gesellschaft dies aufs schärfste verurteilen würden? Aber es war ja auch wiederum die Frage, ob er sich ewig selbst belügen wollte. Nach kurzem Hin-und-Her-Überlegen siegte dann aber die Neugierde auf die ‚verbotene Frucht’ und deren Geschmack über die Vernunft des jungen Mannes und so kam er ganz vorsichtig, beinahe schleichend auf den im Stroh liegenden Richard zu. Langsam und erneut sehr vorsichtig, um den jungen Mann nicht zu wecken, kniete sich Ludwig auf den mit Stroh bedeckten Boden und betrachtete den Schlafenden erneut. Dann hob er bedächtig eine Hand und tat genau das, was er vorhin schon beinahe getan hätte. Die schlanken und langen Finger des Monarchen strichen ganz leicht und kaum merkbar über das weiche blonde Haar des jungen Stallmeisters. Allein jetzt glaubte Ludwig schon, sein Herz würde so laut klopfen, dass Richard davon aufwachen musste und doch schlief dieser seelenruhig weiter, schien gar nicht zu bemerken, was sein König geradewegs mit ihm anstellte. Nicht einmal als des Königs Finger tiefer wanderten und kurz über seine rosigen Lippen strichen, erwachte Richard aus seinem Schlaf, was den König wiederum ermutigte etwas zu tun, was er sich sicher nicht getraut hätte, wäre Richard wach gewesen. Langsam und mit rasendem Herzen beugte der dunkelhaarige König sich zu dem blonden Stallmeister hinab und nach kurzem Zögern tat er es wirklich. Vorsichtig legte er die eigenen warmen Lippen auf die des schlafenden Jünglings, an den er sein Herz verloren hatte. Ein wohliger Schauer durchfuhr seinen Körper, obwohl dieser Kuss ja nicht einmal erwidert wurde, weil der Geküsste ja schlief. Schlief? Der junge Stallmeister schlief nicht mehr, denn er war aufgewacht, nachdem er plötzlich gespürt hatte, wie ihn jemand küsste. Als er einen Moment lang die Augen öffnete, um zu sehen, wer sich überhaupt die Freiheit herausnahm, ihn während des Schlafens zu küssen, begann sein Herz wie wild zu klopfen. Über ihm schwebte das Gesicht seines Herrn. Er war es, der ihn gerade küsste. War das wirklich real oder träumte Richard gerade und wenn er aufwachen würde, dann würde alles vorbei sein? Der junge Mann wusste nicht, wie ihm geschah und anstatt lange zu überlegen, entschied er sich, dass er träumte und dass es wohl in Ordnung war, seinen Herrn wenigstens im Traum zu küssen. So schloss er seine Augen und begann den Kuss seiner Majestät zu erwidern und legte seine Arme um seinen Nacken, schmiegte sich so auch an ihn. Auch seinen Körper durchfuhr ein leichter wohliger Schauer, während er seinen Herrn weiter küsste. Ein wenig erschrak Ludwig, als er merkte, was gerade geschah, denn er hatte nicht damit gerechnet, dass Richard aufwachen würde und doch war dies scheinbar geschehen. Was der Stallmeister tat, nämlich genau genommen den Kuss zu erwidern, überstieg all das, was Ludwig sich überhaupt als möglich ausgemalt hatte. Doch gerade das war es, was noch viel mehr Herzklopfen verursachte und auch eine wohlige Wärme in dem jungen König aufsteigen ließ. So ein unglaubliches Gefühl hatte er bisher nur einmal erlebt, wenn auch vielleicht nicht ganz so stark. Vor zwei Jahren, als er das erste Mal die Oper Lohengrin sehen durfte, hatte den damaligen Kronprinzen ein ähnliches Gefühl erfüllt. Und obwohl Ludwig nun, da Richard wach war, noch nervöser war und auch ein wenig ängstlich, dass der Stallmeister ihn doch noch von sich stoßen könnte oder ihn als ‚abartig’ ansehen könnte, erkundete er weiter die weichen und süßen Lippen des jungen Mannes. Seine eigenen Lippen und auch seine Hände zitterten. Das konnte doch nur ein Traum sein, dass Richard tatsächlich so empfand. Es musste einfach so sein, es passte alles zusammen, die Nachricht mit der Lilie und nun, dass er auch noch diesen Kuss erwiderte. Und doch konnte es ja nicht ewig so weitergehen, irgendwie musste er es erklären, das war dem jungen König klar. So löste er nach einigen Momenten den zärtlichen und beiderseits wohl etwas scheuen Kuss und hob dann auch langsam sowohl Kopf als auch Oberkörper ein wenig an und schaute hinab in Richards Gesicht. Seine Wangen waren gerötet, die Lippen noch einen Spaltbreit geöffnet und die wunderschönen blauen Augen fragend und doch mit leicht verklärtem Blick auf ihn gerichtet. Das Ganze nun zu erklären, war wohl schwerer als der Kuss es eben gewesen war, so strich sich Ludwig erst einmal kurz durchs Haar, um sich selbst ein wenig zu sammeln. “Richard …“, begann er im nächsten Moment unsicher und seufzte kurz. Was sollte er sagen? Alles, was er sich in seinem Kopf zurechtlegte, schien so unendlich dumm zu klingen. “Würdest du dich deinem König mit Leib und Seele verschreiben und als Gegenleistung ein Geschenk erhalten, das niemand sonst bekommt?“, fragte der Bayernkönig und umging so die direkte Frage zunächst. Richard sah seinen Herrn einen Moment verwirrt an. Konnte das wahr sein? Verstand er es so, wie sein Herz es wünschte? Der junge Mann nickte sofort und musste erst einmal schlucken, denn sein Mund war so trocken. Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und atmete dann tief durch. „Ja, das würde ich … Ich hab mich Euch bereits verschrieben …“, wisperte der junge Stallmeister und während er sprach, zitterten seine Lippen etwas. Ludwig hörte genau zu, was der junge Stallmeister ihm als Antwort gab und sein Herz begann bei dieser Antwort noch wilder zu klopfen. Dennoch wollte der König auch die vollkommene Bestätigung und fügte so noch eine zweite, diesmal direktere Frage an. „Und … würdest du mir deine Liebe auch schenken und die meine annehmen, wenn ich nicht dein König wäre?“ Nun war es heraus, nun war es ausgesprochen und Ludwig bangte, ob der blonde junge Mann ihm gegenüber auch auf diese Frage hin mit ‚Ja’ antworten würde. Richards Augen weiteten sich. Sein Herr hatte genau das ausgesprochen, was er geahnt hatte, was er sich erhofft hatte. Sein Herz schlug wie wild und fast glaubte er, es müsse gleich zerspringen, so schnell schlug es vor Glück und Freude. Keinen Moment zögerte er mehr, als er seinem Geliebten antwortete: „Ja … Ja, das tue ich doch bereits … das tue ich bereits …“, sprach er seufzend und eine Freudenträne bahnte sich ihren Weg über Richards Wange hinab. Die beiden jungen Männer sanken wieder ins Stroh und wieder fanden sich ihre Lippen zu einem zärtlichen Kuss, der dieses Mal nicht mehr so scheu war, wie beim ersten Mal. Langsam erlosch auch die Kerze in der Laterne, die zuvor noch gebrannt hatte, sodass nur noch das silberne Licht des Mondes durch die kleinen Fenster schien und auf das Liebespaar fiel, wie um sie zu liebkosen. Die Liebe lag wie ein süßes schweres Parfum in der Luft und nichts hätte das Glück und die pure Liebe dieser beiden Männer zerstören können. Würde diese Liebe aber trotz aller Widerstände bestehen können? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)