Oh Mann, Ryoga! – Eine schamlose Parodie. von Deepdream ================================================================================ Kapitel 9: Wie Feuer und Wasser... ---------------------------------- Cologne gähnte und nahm einen tiefen Zug von ihrer Pfeife. Das helle Holz glänzte im einfallenden Sonnenlicht, indes sich der Rauch aus dem Kopfstück hervorkräuselte. Aus den Augenwinkeln schielte sie abwechselnd zum Telefon und zur offenen Tür. Je nachdem, wo sich gerade mehr regte. Zu ihrem Missfallen regte sich gar nichts. Hierin lag auch der Grund für ihre Langeweile. Langweile, das war ein Gefühl, dass Cologne hasste. Es hielt ihr nämlich sprichwörtlich den Spiegel vor die verschrumpelte Nase. Viel gesehen, erreicht und erlebt zu haben, wies nämlich einen großen Nachteil auf. Welcher das war? Es blieb am Schluss nur wenig übrig, was die schläfrig gewordene Neugier noch wecken konnte. Simultan mit dieser althergebrachten Wahrheit entstieg ihrem Hals ein weiteres Gähnen. Ja, ja, die liebe Neugierde. Das war ein Trieb, den man auch mit zweihundert Jahren noch nicht stillen konnte. Sie schlief zwar ein und verkroch sich wie eine alte, mürrische Katze – schlussendlich behielt sie aber immer ein Auge offen. Es war Colognes große Schwäche, dass war ihr so klar wie ihre Herkunft. Ihr abenteuerlicher Wissensdurst hatte sie viel im Leben gekostet und ihr besagtes Leben eher häufig als selten erschwert. Doch mal ehrlich, in ihrem Alter hatte man entweder einen Laster oder lag – philosophisch gesprochen - unter einem. Happi war ja wohl das beste Beispiel dafür! Der alte Knochen besaß heute noch mehr Energie im kleinen Finger als die meisten Jungspurte im ganzen Körper. Überhaupt, ging es um hübsche Höschen, dann war Energie gar kein Ausdruck mehr - dann wurde er zur Naturgewalt. Gewiss, mächtig mochte er sein. Allerdings war er aber auch abartig und pervers. Nun gut, dass war er bereits in jungen Jahren gewesen, - gleiches galt für sie mit ihrer Neugierde; und beide Fehler zusammen war keine gute Mischung gewesen! - aber über die Jahrzehnte hatte er ein gewisses Talent für seine ‚Interessen’ aufgebaut. Bei Gott, er hatte eine Kampfkunst daraus gemacht! Eine Etage über ihr polterte es lautstark und das dreimal, sehr hart und von drei Schmerzschreien begleitet. Es unterbrach ihre Überlegungen. Lethargisch paffte sie an ihrer Pfeife – und verdrehte die Augen. Es schien, als ob der Tellerwäscher erwacht war. Hatte sich aber auch ganz schön Zeit gelassen das Jungchen. „Dumme Ente loslassen, sonst Shampoo süßsauer machen!“ Hach ja, die Lebendigkeit der Jugend. Voller Elan zu kämpfen, zu lieben und zu… „Aber Sham…“ Ein weiteres Poltern folgte, erschütterte die Becher und Tassen in den Schränken und wurde von einem gequälten Wimmern begleitet. Ja, zu kämpfen, zu lieben und zu STREITEN. Ihre verschrumpelten Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Es war schön zu sehen, dass ihre Schützlinge wieder fit für ihre täglichen Albereien waren. Nachdem Shampoo sich gestern ausgeschwiegen hatte und Mousse nicht wirklich ansprechbar gewesen war, hatte sie auf eine Bericht verzichtet. Doch sie wusste, dass etwas vorgefallen sein musste. Genüsslich zog sie an der Pfeife und stieß eine Wolke aus Rauch aus. Na ja, eventuell würde sie schon noch rauskriegen was dieses etwas war. Beiläufig warf sie einen Blick aus der offenen Tür. Aus dem ‚beiläufig’ wurde rasch ein ‚milde interessiert’ und zwar als ihre Augen einer weiteren Unterhaltungsquelle des Viertels fündig wurden. Es war dieser Kunojunge. Reich, verzogen und arrogant glaubte er Miyamoto Musashi selbst zu sein. Dabei war das einzige was er war ein Idiot. Dafür war er immerhin darin einer der Größten. Amüsiert gackerte die Alte, als der Kendoist in Gedanken versunken in einen Laternenpfahl lief. Verdattert wich er einen Schritt zurück und maß die Säule mit Blicken – ehe er den Bokken von der Seite zog und schräg nach der Steinsäule schlug. Ohne abzuwarten ging er weiter. Nicht unerwartet rutschte der Laternenpfahl langsam entzwei und das obere Stück verabschiedete sich auf den Asphalt. Als sich der untere Teil des Pfahls allerdings zehn weitere Male teilte und zu Boden glitt, zog Cologne die Augenbrauen hoch. Wann hatte der Tölpel so viele Schläge angebracht? Argwöhnisch hielt sie Ausschau nach dem Hobbysamurai, doch fehlte da schon jede Spur von ihm. Die tiefen Runzeln auf ihrer Stirn verbrachten das Unvorstellbare – sie runzelten sich noch mehr. Hierzu nahm sie einen tiefen Zug von ihrer Pfeife, schmeckte den feinen Rauch auf ihrer Zunge und atmete zwischen krausen Lippen aus. Wie es schien, würde ihr Wunsch doch noch erfüllt werden. Interessante Zeiten standen vor der Tür. Wer war sie, dass sie diese nicht auf ein ausgedehntes Schwätzchen einlud? … <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Oh Mann, Ryoga! – Eine schamlose Parodie. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Kapitel 9 – Wie Feuer und Wasser... <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Die Charaktere gehören mir nicht, sie gehören Rumiko Takahashi. Da ich weder weiblich noch kleinwüchsig bin, schließe ich, dass sie mir auch nie gehören werden. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> … Ryoga starrte auf die Grashalme zu ihren Füßen. Ihr Atem schwemmte heiß und rhythmisch über die Lippen, vor und zurück. Immer wieder zischte die Luft über ihre Zähne wie Wasser über Fels. Ihr Temperament kühlte das jedoch nicht. In ihr spie Gischt feurig gegen die Klippen ihrer Geduld, brachte sie zum Bröckeln und ihr Herz zum Tosen. Sie war so voller Zorn und Trauer, dass ihren Mund kein Wort verließ. Nichts wollte sich von ihrer Zunge lösen, jedes Wort klebte daran wie nasses Papier. Schnaufend setzte sie einen schweren Schritt nach vorne, ihren Kopf weiterhin gesenkt und die Arme an den Seiten baumelnd, die Hände zur Faust geballt. Sie wollte Rache. Sie wollte Vergeltung. Sie wollte Saotome umbringen. Ein kehliger Schrei strapazierte ihre Stimmbänder, entlud sich in die vormittägliche Luft und ließ ihren Gegner zögerlich zurückweichen. Es folgte ein zweiter Schritt, der diesmal in einem sanften Platschen endete – und ein dritter, bei dem es spritzte. Beim vierten und fünften begann ein Kribbeln an ihren Schläfen, das sie mit einem einzigen Gedanken niederrang. Dieser Gedanke war RACHE. Das Kribbeln wurde rasend, drängend und protestierte. Es war wie eine Durchgangssperre. Und genau den Effekt einer Durchgangssperre bei einem Hibiki hatte sie auch - also keinen. Störrisch durchstieß Ryoga die Limitierung ohne zu begreifen, dass es auch genau das war. Es war eine Limitierung – und keine unwesentliche. Die Dämonin fixierte ihre Gegnerin und fühlte sich dabei alles andere als wohl. Das mochte einerseits an den unausgesprochenen Todesdrohungen liegen, die die Göttin in jeden ihrer Schritte legte. Das mochte andererseits daran liegen, dass sie allmählich kalte Füße bekam. Letzteres war durchaus wörtlich der Fall, denn egal wohin sie auch sah, breitete sich eine Wasserschicht im Garten aus, versenkte die Gräser und füllte den Teich auf. Als Konsequenz – schließlich stand sie in ebendiesem Garten – bekam sie kaltes Wasser an die Füße. Das sie Sandalen trug, half dem nicht gerade. Über solche Unannehmlichkeiten hätte sie ja noch hinwegsehen können... Leider galt selbiges nicht für den weißen Nebel, der um ihre himmlische Feindin aufzog. Durchsichtig und doch unleugbar umfing er das andere Halbmädchen wie ein Sturm, bauschte ihr Haar auf und hinterlegte ihre bedrohliche Erscheinung mit einem netten Spezialeffekt. Apropos Haar, jenes wurde – in Ermangelung eines besseren Wortes – durchflutet und zwar von einem fiebrigem Türkis wie es nur das Meer selbst kannte. „Oh verdammte…“, murmelte die Dämonin und wich noch ein bisschen weiter zurück. Gerade rechtzeitig, um den ersten Blick auf die Augen ihres Gegenübers zu erhaschen. Sie waren von einem Braun, dass vom Alter tausender Bäume, der Geburt der Steine und den Erinnerungen der Erde selbst sprachen. Außerdem glühten sie sehr unangenehm. Wie sich im nächsten Moment zeigte, waren die Augen nicht das einzige was an Ryoga unangenehm geworden war. In entschlossenen Schritten setzte Hibiki auf ihren Kindheitsrivalen zu. Sie spürte eine ungekannte Kraft in ihren Gliedern, die sie wie ein Monsun durchdrang. Myriaden an Tropfen reinster Energie schlugen in ihrem Inneren auf und füllten eine Leere, von der sie nie etwas geahnt hatte. „RANMA!!!“ Die Faust zurückgezogen machte sie einen Satz, zog Nebelschleier nach und schlug in einem gewaltigen Hieb zu. Der Schlag verfehlte zwar, der Untergrund riss aber trotzdem in alle Himmelsrichtungen auf und katapultierte Schlammbrocken durch die Luft. In akrobatischen Meisterleistungen wich die Dämonin den Projektilen aus und trat ihrerseits hart zu. Diesmal traf ihr Kick allerdings nicht sein Ziel – sondern Ryogas Unterarm. Dahinter grinste die Göttin ihr Reizzahngrinsen, packte mit der freien Hand zu und schleuderte den Dämon hoch. Jedoch hielt sie nicht viel davon Ranmas Fußgelenk loszulassen, anstelle dessen knallte sie den Rotschopf mit Schwung zu Boden und lauschte auf das erstickte Keuchen ihrer Kontrahentin. Ohne Absetzen schleuderte sie das andere Mädchen nochmals hoch und erneut nieder. Und wie beim ersten Mal folgte ein gequältes Keuchen, als Saotome auftraf. Es ist nämlich eine Sache einen Kopfsprung in den Pool zu machen, eine ganz andere mit dem Äquivalent von 60 Tonnen auf eine flache Schicht kühles Nass befördert zu werden. Ryoga wusste das, es kümmerte sie aber nicht sonderlich. Was sie kümmerte, war der gegnerische Axtkick der sie auf die Nase traf und die Dämonin aus ihrem Griff befreite. Zornig grollte Hibiki und zog ihre Fäuste vor. Saotome würde büßen! Viel zu lange hatte sie den Typen von der Schippe gelassen! Er sollte schon längst unter den Toten weilen. Sie war viel zu sanftmütig zu ihm gewesen und jetzt kassierte sie die Rechnung dafür. Wie naiv sie doch gewesen war! Er wäre eine Dämonin geworden? So ein Quatsch! Man konnte nicht von einem Dämon besessen sein, ohne selbst einen im Herzen zu tragen! Die kleine Stimme in ihrem Hinterkopf, die sie auf die – raren, aber trotz allem vorhandenen – Momente verwies, in denen Ranma nicht nur ein eigensinniger, impertinenter Zeitgenosse gewesen war, ignorierte sie gekonnt. Ihre Fäuste schossen vorwärts, ihre Knie hieben ein und ihre Kopfstöße trafen – nicht. Egal welche Variation sie probierte, die Dämonin wich dennoch behände aus. Zähnefletschend hieb sie von oben herab und spürte Ranmas Finger um ihre Unterschenkel. Noch ehe sie das richtig mitbekam, befand sich die Dämonin bereits in ihrem blinden Punkt – namentlich ihrem Rücken und entlud eine Kaskade aus Schlägen. Wenig stilvoll, aber dafür umso effizienter verlagerte Ryoga ihr Gleichgewicht und ließ sich nach hinten fallen – die Absicht Saotome unter sich zu begraben im Sinn. Allerdings war Ranma schon längst wieder fort. Eilig richtete sich Hibiki auf und wartete. Ihr Gegner aber war verschwunden. Nicht, dass er es bleiben würde. „Komm’ raus Saotome!“ Nervös huschten ihre Augen von links nach rechts, ruckte sie ihren Körper in immer neue Richtungen. Doch alles was sie sah, waren diese verdammten Wasserkreise die sich konzentrisch ausbreit… H-Hey, warte mal! Zielsicher fand sie mit einem knappen Umblick sechs verschiedene Punkte, an denen etwas – oder besser jemand – die Oberfläche berührt hatte. Ihre Fänge bleckend wartete sie und starrte aufmerksam umher. Hastig wirbelte sie nach rechts und fand den ersten Wasserkreis vor, auf den in den nächsten Sekunden mehrere weitere folgten. Hiervon ausgehend spähte sie nach links und ihr schien tatsächlich ein guter Stern. Ein frischer Wasserkreis breitete sich soeben aus. Diesmal verlor Ryoga allerdings keine Zeit und hetzte nach links – und zwar dorthin, wo sie Ranma erwartete. Hastig hieb sie Zeigefinger voran auf den Untergrund ein und fühlte ihn unter sich explodieren. Matsch und Wasser peitschten durch die Luft. Ohne Pause ließ sie ihre Augen wirbeln und ihr Grinsen wurde breit und – in Ermangelung eines konträren Begriffes – diabolisch. „Das könnte jetzt SEHR wehtun!“, spie sie hervor und sprang kräftig ab. Die Dämonin hörte den Ruf, doch war sie augenblicklich zu beschäftigt den Dreck aus den Augen zu wischen und gleichzeitig das Tuch festzuhalten. Denn ohne Tuch gab’s auch kein Umisenken und bei dem beunruhigenden Motivationsschub ihres Gegners brauchte sie jeden erdenklichen Vorteil, den sie kriegen konnte. Dumm nur, dass der Rotschopf wegen ihrer Quasi-Unsichtbarkeit nicht damit rechnete einen Tritt in die Hüfte zu kassieren. Genau den erhielt sie aber – und so flog sie auch recht ungeschickt für einige Meter, ehe sie hart und schmerzhaft aufkam. Immerhin ersparte ihr Ryogas Eifer den dazugehörigen Schrei; ihr blieb nämlich gar keine Puste dafür. Denn ihr Rivale ließ es sich nicht nehmen ihr sofort nachzujagen und sie in einem brutalen Schulterstoß niederzureißen. Kaum traf sie den Boden, da rollte sie ab und sprang auf die Beine. Immerhin wäre sie das gerne, hätte sie da nicht jemand an den Beinen gehalten und sie erneut unästhetisch niedergeschmettert. Wasser stob ihr ins Gesicht, drang in ihre Nasenlöcher und verschwemmte ihre Sicht. „Sehr schmerzhaft Ranma, sehr schmerzhaft kann es werden“, höhnte Ryogas Stimme über ihr. Sie vernahm kein Platschen und doch ahnte sie, dass die Göttin nahe war. Der Dämon fauchte und ließ Flammen übers rote Haar tanzen. Okay, die kleine Göttin wollte die Samthandschuhe ausziehen? Konnte sie haben! Ryoga empfand, so unerklärlich es auch für sie selbst war, Freude. Es war nicht die Freude, die sie erlebt hatte, als Ukyo für sie kochte. Es war nicht die Freude, die sie erlebt hatte, als Ukyo sie küsste und alles Weitere unwichtig wurde. Letztendlich war es keine Freude, die diesen Titel auch verdiente. Diese Freude war ein verrottendes, stinkendes Ding, das einen wie der faulige Apfel im Obstkorb an seine Anwesenheit erinnerte. Es war ihr ganz persönlicher Apfel, denn er nannte sich Rache und sie würde ihn kosten. Zornig fegte sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln und biss sich auf die Unterlippe. Ukyo war tot! Nur wegen diesem verdammten Mistkerl! Keine paar Meter von ihrem Standpunkt war ihre Chefin gestorben, den Flammen zum Opfer gefallen – und DAS, obwohl Ukyo wusste, welches Geheimnis Ryoga ihr vorenthalten hatte. Trotz ihres unverzeihlichen Vertrauensbruchs hatte Ukyo ihr das Leben gerettet. Mühevoll erstickte sie ein Schniefen und konzentrierte sich auf den reglosen Leib ihrer Gegnerin. Jetzt war nicht die Zeit für Trauer. Jetzt war es Zeit ihrer Rivalität ein Ende zu bereiten. Denn so flink und gewitzt Ranma Saotome auch sein mochte, auch sie beging Fehler. So war Ryogas Angriff nur dadurch gelungen, dass Ranma durch den aufgespritzten Schlamm kenntlich geworden war. Sicher, sie hatte Saotomes Kleider schlammbraun färben wollen, um diese dadurch besser erkennen zu können. Aber einen solchen Erfolg hatte sie sich eigentlich nicht erhofft. Nämlich hatte ihre Kontrahentin ein schlammbraunes, großes Tuch vor sich hergetragen und diesen Umstand nicht einmal wirklich zur Kenntnis genommen. Ranma war zwar noch immer kaum wahrnehmbar gewesen. Das Stück Stoff hatte als Orientierungspunkt jedoch völlig genügt. Etwas so dreckiges war ja auch schwer zu übersehen. Den Rest hatte ein guter Kick in die Seite erledigt. Und nun würde sie ihrer Nemesis ein Ende bereiteten. Entschlossen trat sie vor – und bemerkte zum ersten Mal, dass es nicht platschte. Verwirrt sah sie zu Boden und musterte das Wasser, das ihr entgegenschimmerte. Dann sah sie zu ihren Füßen und dazwischen das Wasser hindurchschimmern. Probeweise hob sie einen Fuß und ihre Vermutung bestätigte sich. Sie lief auf dem Wasser! Damit hatte sie ehrlich gestanden nicht gerechnet – Göttin hin oder her. Aber letztendlich tat es auch nichts zur Sache. Ob sie nun wie Jesus über Wasser oder wie Indiana Jones hindurchwatete, machte keinen Unterschied für sie. Ihr Ziel lag – durchweg wörtlich – vor ihr und sie würde es gleich erreichen. Eine Reise von Jahren würde heute ihr Ende finden. „Der Schmerz könnte sehr stark werden!“, drohte sie, zog den Arm zurück und schlug zu. Keine Sekunde bevor ihre Faust Kontakt herstellte, war Ranma rückwärts gerollt und stieß sich in einem Handstand weg von ihr. Auf diese Weise verfehlte auch Ryogas hastig nachgesetzter Fußfeger sein Ziel, der geradewegs unter Ranma hinwegsegelte und das Wasser aufschäumte. Die Dämonin feixte innerlich. Jetzt war sie mit Austeilen an der Reihe! Ihren Handsprung verwandelte sie mit einem Krümmen ihres Rückens und dem Herabschwingen ihrer Beine in einen Doppelfußtritt gegen Ryogas Stirn. Kaum war dieser gelungen, da stieß sie sich auch bereits vom Kopf der Göttin ab, vollführte einen Salto und kam drei Meter entfernt auf. Voll teuflischer Freude besah sie sich ihre Gegnerin, die benommen den Kopf schüttelte. Aber das war nicht genug – noch lange nicht. Aus dem Augenwinkel schielte sie zum Sakurabaum, der diesen Teil des Grundstücks dominierte. Es war ein hochgewachsener Kirschbaum und bis auf einige grüne Blätter längst kahl. Für ihr Vorhaben allerdings war er ideal. Denn erst als sie mit dem Gesicht im Matsch lag, begriff sie wie das hatte kommen können. Es war das verflixte Wasser, das der Göttin zeigte, wo sie war! Im Rückschluss musste sie die Wasseroberfläche meiden – so einfach war das. Wie gut, dass das taktische Denken ihres Wirts zumindest hierin herausragend war. Mit einem Grinsen lockerte sie ihre Arme, trat ein paar Mal in die Luft und sprang hoch. Mal sehen wie die himmlische Nervensäge mit ihrer neuen Idee klarkam? Argwöhnisch begutachtete Ryoga die Dämonin und ballte keuchend Fäuste. So allmählich ging dieses Gefecht an ihre Ausdauer. Die vielen Schläge ins Gesicht schmerzten und ihre Wangen, die Stirn und Nase zwiebelten. Auf ihrer Zunge lag der eiserne Geschmack von Blut. Wie gerne wollte sie ihrem Rivalen sogleich dessen Grinsen von den Lippen wischen! Wie sie so da stand, Lockerungsübungen machte und sie damit verhöhnte – alles das ging Hibiki an die Substanz und Selbstbeherrschung. Trotzdem musste sie sich zusammenreißen, ihre Kräfte sammeln und die Atmung stabilisieren. Besagte Atmung verschnellerte sich jedoch unversehens, als Ranma urplötzlich hochsprang und erneut verschwand. Mühevoll schüttelte die Göttin ihre Erschöpfung ab, atmete kräftig durch und beobachtete das ungestörte Wasser - das jedoch auch ungestört blieb wie sie verständnislos feststellen musste. Wo war Ranma? Die Frage klärte sich alsbald. Denn kaum, dass sie sich dem knorrigen Kirschbaum zuwandte, sprang ihr Alarmsystem an. Zu spät nahm sie die Hände vors Gesicht und stolperte hektisch zurück. Die Dämonin war wieder aufgetaucht und das genau vor ihr, noch dazu mit einem Hagel von Amaguriken-Schlägen im Gepäck. Der erzeugte Wind peitschte ihr Gesicht und nur knapp blieb besagtes Gesicht vor den Knöcheln, die keine fünf Zentimeter vor ihrer Nase die Luft malträtierten. Natürlich blieb das nicht so, immerhin hatte Saotome mehr als einmal bewiesen, wer von ihnen beiden der schnellere war. Die Antwort bekam Ryoga auch diesmal auf dem Silbertablett. Mehrere Schmerzzentren wurden gleichzeitig stimuliert, als die ersten Knöchel trafen. Erst nach einigen schnellen Schlägen gegen Wange und Stirn, nahm die geschundene Göttin die Arme vor die Augen. Jeder Hieb setzte tausende Feuer – die meisten rein symbolischer Natur - in ihrem Herzen, brachte sie der Niederlage näher und raubte ihr die Kraft. Ein weiterer Schlag aus Hunderten zischte auf sie zu und fast hätte sie es nicht bemerkt. ES, das war ein merkwürdiges Gefühl, das sie erfasste noch bevor es die Faust tat. Erstaunt begriff sie, dass sie das Gefühl nicht nur diesmal empfand – sondern bei jedem Schlag, der sich ihr näherte. Die nächste Faust rauschte heran und Ryoga schloss hinter ihren Armen die Augen. Ihr Verstand aber war wach und wartete. Sie musste nicht lange warten. Denn augenblicklich war das Gefühl da und Hibiki tat etwas, was für sie völlig untypisch war. Sie wich aus – und zwar erfolgreich. Dafür nahm sie den nächsten Hieb entgegen, der in ihren Bauch hämmerte, wandte sich allerdings rechtzeitig nach rechts und entging dem Schlag gegen die Schulter. Ihr Atem spülte unregelmäßig über ihre Lippen, als sie sich hektisch an den Hieben vorbei wand und notfalls mit ihren Armen blockte. Dieses Schlagfeuer erstreckte sich über mehrere Sekunden und wurde schließlich von der Dämonin abgebrochen, die mit einem Satz nach hinten etwas Distanz zwischen sie beide brachte. Wie es schien war Ryoga nicht die einzige, die der Kampf mitgenommen hatte. Denn der Brustkorb des Rotschopfes hob sich nicht minder – ein Aspekt, dem Ryoga in ihrer akuten Stimmungslage nichts abgewinnen konnte – und ihre Wangen glühten beinahe so rot wie ihr Haar. Kein Wunder, immerhin war der Amaguriken auf einen schnellen Erfolg hin ausgelegt. Es ging darum den Kontrahenten mit einem Stakkato aus Schlägen innerhalb von Sekunden niederzuringen. Ryoga Hibiki war allerdings kein Gegner, bei dem ein paar Sekunden genügten. Das war damals schon nicht der Fall und heute noch viel weniger. Akanes Finger zitterten, als sie auf ihre Hände herabsah. Von da aus blickte sie verständnislos auf den überfluteten Rasen und erspähte die Spathula, die sich wie eine windschiefe Palme erhob. Wenige Meter daneben standen sich ihr Verlobter und ihr bester Freund gegenüber, bereit einander auseinander zu nehmen. Die Luft knisterte förmlich zwischen den zwei Vertretern von Himmel und Hölle. Zum einen war da Ryoga, die gebeugt und voller animalischem Zorn jede Sekunde zu explodieren drohte – und dabei ‚ungöttinnenhafter’ gar nicht wirken konnte. Zum anderen war da Ranma, die lässig grinste, Flammen aufzüngeln ließ und provokativ posierte – während das Wasser zu ihren Füßen verdampfte. Wie hatte es nur so weit kommen können? Fragend sah sie zur Spathula, doch das Metall lächelte ihr nur müde zu und enthielt sich einer Antwort. In diesem Fall verhielt es sich nicht unähnlich seiner Besitzerin. Ukyo. Sie und die Köchin waren nicht unbedingt das, was man beste Freundinnen nennen würde. Ehrlich gestanden, war der Kalte Krieg im Vergleich zu ihrer Beziehung miteinander eine Kuscheltherapiegruppe. So gesehen könnte man sie beide als gute Feindinnen bezeichnen. Wenn man es etwas weniger euphemistisch formulieren wollte, so konnte man auch sagen: Ich mag dich nicht; du weißt das, ich weiß das – ich steck’ den Hammer weg, du die Spathula, okay? Doch jetzt auf Ukyos Lieblingsaccessoire zu blinzeln und die Kampfköchin fehlen zu sehen, versetzte ihrem Herzen einen ungesunden Ruck. Wo war sie gewesen, als Ukyo Kuonji vorstürmte und Ryoga zur Seite stieß? Sie hatte nur da gestanden. Verblüfft, verängstigt und war in etwa so nützlich gewesen wie ein angestoßener Zeh. Sie warf einen Blick hinter sich und entdeckte ihren Vater und Herrn Saotome, die erstarrt in den Garten spähten. Bei ersterem fehlten die Tränen und der zweite suchte nicht sein Heil in der Flucht – jeder von ihnen hatten also einen Schock erlitten. Von Nabiki fehlte jede Spur. Wahrscheinlich hatte sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und das Chaos hier draußen ausgesperrt. Wenn Akane sich das so recht bedachte, klang das ganz verlockend. Abrupt flammte Zorn in ihr auf. Auf keinen Fall würde sie sich verkriechen. Sie war ein Kampfkünstler so wie Ranma, so wie Ryoga, so wie Ukyo… Sie hatte eine Pflicht zu erfüllen; und diese war Unschuldige zu beschützen. Wenn sie also ihrem Verlobten in den Hintern treten musste, um diesem Anspruch gerecht zu werden, so würde sie das auch. Ukyo hatte sich nicht gescheut, also würde sie das auch nicht. Entschlossen trat sie vor, unterdrückte das Zittern ihrer Glieder und – stoppte. Für einige Sekunden starrte sie nur dumm, erst dann riss sie sich zusammen und guckte aufrichtig dämlich. Keine vier Meter entfernt trieb das braune Shôgi-Brett der Väter. Das allerdings war nicht, was ihre Aufmerksamkeit – und zu gleichen Teilen ihren Unglauben – erregte. Es war das DING, das zur Hälfte obenauf und im Wasser lag. Es war eine kleine Puppe und sie sollte verdammt sein – natürlich nicht wörtlich -, wenn ihr dieses Szenario nicht bekannt vorkam. Eilig hastete sie von der Terrasse in den durchwässerten Hintergarten, sackte im weichen Boden ein und watete zum treibenden Brett. Die beiden Antagonisten - wenige Meter entfernt - schienen das gar nicht weiter wahrzunehmen. So gelangte Akane auch ohne große Mühen, von den nassen Socken einmal abgesehen, zu dem Objekt und griff ohne viel Federlesen zu. Ein Windzug kräuselte die Wasseroberfläche, beschwörend schwemmte das kühle Nass gegen ihre Fußknöchel und ein Schauer überfiel sie. Keine Frage. Sie hatte sich nicht geirrt. Es war kein Wunder, dass ihr die Puppe und die Situation so bekannt vorkamen. Schließlich war die Puppe Ukyo – und ihr, Akane Tendo, war vor einiger Zeit genau dasselbe passiert. Mit zitternden Fingern drückte sie die Mini-Ukyo an sich und stolperte ungeschickt zurück zur Veranda. Ihre Füße funktionierten auf Autopilot, denn im Augenblick waren ihre Gedanken ganz wo anders und gezeichnet von Unordnung. Ihre Gesichtszüge waren entgleist und ihre Hautfarbe aschfahl. Doch eine Erkenntnis bahnte sich den Weg durch Akanes überarbeiteten Denkapparat, zerhackte das Dickicht aus verwirrten Lianen und bekämpfte die Boa der Ablenkung. Ukyo war nicht tot. Ukyo war eine Puppe. Die Dämonin hatte die Faxen dicke. Zwar mimte sie noch immer den nonchalanten Bösewicht, doch A) ging ihr diese Rolle so allmählich gehörig auf die Nerven und B) verspürte sie keine Lust mehr auf dieses schweißtreibende Duell. Wie hatte ihr alter Lehrmeister nicht einst so schön gesagt? Dauert eine Angelegenheit zu lange, verkürze einfach ihre Ursache. Doch, das klang wie eine gute Idee. „Hey Ziellose! Wie wär’s, wenn ich dir mal zeig’ wie echte Metagewalten kämpfen?“ Ryoga fauchte zur Antwort und der bläuliche Nebel der ihre Gestalt umgab, flackerte herrisch wie eine Flamme aus Saphirstaub. Langsam hob der Dämon ihre rechte Hand und streckte den Arm durch. In der nächsten Sekunde zuckten bereits mehrere Funken darüber hinweg, tanzten in der Luft wie brennende Glühwürmchen und akkumulierten sich in einem Gefühl der Hitze innerhalb ihrer Handfläche. „Und jetzt fang!“ Kaum hatte das letzte Wort ihre Lippen verlassen, da schoss auch schon eine Flammenwalze übers Gras und verdampfte alles Wasser zwischen sich und der Göttin. Ryoga ahnte schon was kam, ehe sich das Feuer aus dem Boden wand. Um diese Technik zu ignorieren, war sie bereits zu häufig Zeuge ihrer Anwendung gewesen. Sie würde einfach ausweichen und dann… Überrascht stellte sie fest, dass der Gedanke ihre Beine nicht erreichte. Nein, dass war falsch. Der Gedanke drang durchaus zu ihren Beinen durch, nur störte das ihre beiden Extremitäten nicht sonderlich und so - wedelten diese ihren Befehl fort wie lästige Fliegen. „Nicht gut!“ Als die Flammen zwei Meter vor ihr waren, erfasste sie eine Eiseskälte, die sich in ihre Arme bohrte und ein Chor aus Stimmen – insofern das Wasser eine Stimme, geschweige denn mehrere besaß! – hämmerte in ihr Bewusstsein wie ein Eispickel. Aber was zum Teufel raunten die Stimmen? Noch eineinhalb Meter… Wie? Buch? Sie las kein Buch! Sie war am Kämpfen, gottverdammt! Noch ein Meter… Wie? Kein Buch? Natürlich las sie kein Buch! Sah sie so aus? Noch ein halber Meter… Wie? Ach so hoch, nicht Buch! Hoch? Wie hoch? Arme? In Ermangelung hilfreicherer Vorschläge folgte Hibiki dem Rat der Wasserstimmen. Was dann geschah, übertraf ihre Erwartungen allerdings bei weitem. Nicht, dass sie wirklich viel erwartet hatte. Kaum riss sie die Arme hoch, da barst ein Schwall Wasser empor und knallte mit einem ohrenbetäubenden Zischen in die Feuerwalze. Das Feuer verpuffte zu einer Wolke aus Dampf, die sich detonationsartig ausdehnte und Ryoga hustend zurückstolpern ließ. Ja was zum Geier war DAS gewesen? Mit dem rechten Arm schirmte sie ihre Augen von dem heißen Wasserdampf ab und ignorierte das schwache Nachbrennen des Dampfes auf ihrer Haut. Als sich die Wolke legte, eröffnete sich ihr der Blick auf ihre Kontrahentin. Ja, wie jetzt? Verblüfft verfolgte der Rotschopf das Schauspiel mit, sah wie ihre mächtige Attacke von einer hyperventilierenden Pfütze ausgelöscht wurde und konnte es nicht fassen. Es war nicht so, als ob sie ignorant genug wäre, um zu glauben unbesiegbar zu sein. Allerdings hätte sie diesem Frischling nie zugetraut ihre Kräfte so rasch zu meistern! Okay, dass machte die Angelegenheit komplizierter. Wie sollte sie die Ursache nun verkürzen? Ihr arrogantes Grinsen fand seinen Weg zurück auf ihre Lippen. Ja doch, so sollte es klappen. Noch bevor Ryoga begriff was vor sich ging, schlug sie schon eine Rolle vorwärts. Als sie einen Blick zurückwarf, sah sie kurzzeitig die Wasserfläche brodeln, die sie soeben okkupiert hatte. Nur um mitzuverfolgen wie das überflutete Gras einer Flammensäule Platz machte, die sich sodann für drei Meter in die Luft bohrte, ehe sie in ein Meer aus Funken erstarb. Also – das war neu! Erneut schlug ihr Sakkijutsu an, bimmelte hektisch in ihren Ohren und tatsächlich konnte sie das Wasser unter ihren Füßen kreischen hören. Eilig sprengte sie nach rechts, rollte sich über Schulter und Hüfte ab und sah einen weiteren Quadratmeter gepflegter Vorstadtmoorlandschaft in Flammen aufgehen. DAS war knapp gewesen! Wie lange konnte sie diesen Attacken ausweichen? Das Wasser meldete sich bereits wieder zu Wort und Hibiki sprang einen guten Satz zurück, so dass sie ‚hinter’ statt ‚in’ Flammen stand. Obwohl sie den drei Angriffen entgangen war, stand ihr der Schweiß auf der Stirn und ihr Atem briet ihre Lungenflügel. Die ganze heiße Luft garte sie förmlich von innen heraus! Sie musste sich was einfallen lassen. Und dabei wollte sie Ranma Saotome doch einfach nur die Knochen brechen! Warum konnte das Leben nicht einfacher sein? War es denn nicht gerecht, dass sie ihren Rivalen für seine Tat büßen ließ? Sie wollte ihn doch einfach nur plätten! Herrgott, war das zuviel verlangt? Warte mal – plätten? Ihre Überlegungen kamen zu einem quietschenden Halt und rempelten gegen eine unvorhergesehene Eingebung. Es war eine Eingebung, bei der sie sich nicht wirklich sicher war, ob es ihre eigene war oder ein weiterer Ratschlag des flüssigen Elements. Aus dem Augenwinkel huschte ihre Pupille übers Schlachtfeld und blieb an einem Krater hängen, der etwas sorgfältiger aussah, als Ryogas Resultate. Besagter Krater war ja auch immerhin der Koi-Teich. Hm, Krater, Teich? Alarmiert stürzte sie vorwärts, als sich ihre Sandalen kurzzeitig entzündeten und kam erstaunlich schmerzlos auf dem Wasser auf – das sich seltsamerweise wie Gelee anfühlte, weniger wie; nun ja; Wasser. Leicht panisch ruckte ihre Aufmerksamkeit zum Teich zurück. So irrsinnig es auch klang, sie wusste, dass darin die Chance lag Ranma zu bezwingen. Aber was konnte ihr ein vermaledeiter Teich schon lehren? Was half ihr diese Pfütze, dieser aufgefüllte Krater? Und plötzlich kapierte sie, als sie genau zwei Kois darin umher schwimmen sah. Es würde riskant werden. Aber wie heißt es nicht so schön? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Akane starrte auf die Puppe in ihren Händen. Sie war das Spiegelbild Ukyos, da gab es keinen Zweifel. Es war schließlich Ukyo selbst, auf die sie im Moment herabblickte. Der Puppenkörper war in eine Miniaturausgabe der Okonomiyaki-Uniform gekleidet und das einzige was zur Vervollständigung fehlte, war eine Spathula auf dem Rücken. Behutsam strich die jüngste Tendo ein paar Strähnen aus dem Gesicht der Puppe und spähte in das ruhige, niedliche Gesicht. „Das wird teuer.“ Erschrocken blickte Akane nach links zu ihrer älteren und korrupteren Schwester. Nabikis Gesicht spiegelte ihren Missmut über den Zustand des Gartens wider, doch in ihren Augen schimmerte kühles Kalkül. „Paps, Herr Saotome?“ Fragend sah die mittlere Tendo hinter sich und in die starren Gesichter der beiden Männer. Als sie von dort keine Auskunft erhielt, wandte sie sich zurück zu ihrer kleinen Schwester. „Du weißt nicht zufällig, was hier vor sich geht, oder?“ Nabikis Stimme implizierte eine feine Balance aus Interesse und Sarkasmus. „Ranma ist eine Dämonin, Ryoga eine Göttin, beide sich am umbringen und Ukyo eine Puppe“, resümierte Akane knapp und entließ ein geplagtes Kichern. Abschätzig spähte Nabiki auf die Puppe in den Händen ihrer Schwester, legte den Kopf schief und schüttelte frustriert den Kopf. „Wenn euch schon langweilig ist, könnt’ ihr dann nicht was anderes machen? Wie wär’s mit NORMALEN sportlichen Aktivitäten? Oder Schach? Oder Lesen?“ Verständnislos erwiderte Akane Nabikis Blick. „Müsst’ ihr denn immer gleich Himmel und Hölle in Bewegung setzen?“ Mit einem rasselnden Seufzen zuckte Akane die Schultern und grinste halbherzig über die Anspielung. „Du – Farbunfall, hast du Angst vor einem männlichen Kampf?“ Akane verschob ihre Aufmerksamkeit auf die junge Göttin, die sich soeben an einer Beleidigung erprobt hatte. Wie es schien, sprang die Dämonin darauf an. „Wie war das?“, gekränkter Stolz vibrierte in ihrer Stimme mit wie ein Hochhaus bei einem Erdbeben. „Du, eh… feiges Huhn! Kannst wohl nichts einstecken, eh? Trau’ dich doch her!“ Verärgert stoben Flammenzungen über den langen, roten Zopf ihres Verlobten. Das dämonische Mädchen schien ernsthaft gekränkt von den Kommentaren. So wie sie sich benahm, könnte man fast denken, dass der Dämon tatsächlich Ranma wäre - denn nur Ranma konnte derart eingeschnappt auf so unbeholfene Beleidigungen reagieren. Der Rotschopf schäumte vor Zorn. Ironischerweise wusste sie selbst nicht weshalb. Was interessierte es sie schon, was eine Göttin sagte? Pah! Aber dennoch kam sie nicht umhin verärgert zu sein – um es mal höflich zu formulieren. Diese kleine himmlische Ratte wollte sie also kränken? Gut, dafür würde sie die Göttin ins Krankenhaus bringen! Bevorzugt wäre die Leichenhalle. Aus dem Stand beschleunigte sie, spritzte übers Wasser und landete den ersten Schlag. Auf den ersten folgten hundert weitere, denen ihre Gegnerin panisch auswich oder die sie einsteckte. Diesmal aber würde sie das freche Gör nicht so leicht davon kommen lassen. Niemand beleidigte sie! Immerhin war sie Dämonin zweiter Klasse, zweiter Kategorie mit unlimitiertem Zugriff! Immer heftiger flogen ihre Fäuste und immer häufiger landete sie harte Treffer gegen ihre Kontrahentin, die beständig zurückwich. Ja, DAS hatte sie jetzt davon! Genug des Spiels, sie hatte sich bereits viel zu lange von dieser Entschuldigung für eine Göttin aufhalten lassen. Oh ja, sie würde dieser Scharade ein Ende bereiten und allen beweisen, wer hier die Stärkste war. Mental feixte sie und hämmerte unverdrossen ein. Schlag um Schlag ratterte auf das Mädchen mit dem Bandana ein und doch hielt die Göttin still dagegen. Nur noch ein wenig. Ein klein wenig länger. Gleich hatte sie die Dämonin da, wo sie sie wollte. Ein Hieb traf sie an der Augenbraue, ein weiterer an der Schläfe, dem gegen ihr Kinn entging, den gegen ihre rechte Wange kassiert sie. Ihre hochgezüchtete Belastbarkeit war am Limit. Jeden Hieb spürte sie inzwischen zur Gänze, was mitunter daran lag, dass sie überall am Körper Prellungen aufwies. Ihre Kraft war nur mehr ein Schatten ihrer einstigen Stärke und ließ nichtsdestotrotz weiter nach. Ihre Geschwindigkeit war – um es auf den Punkt zu bringen – von ‚mittelmäßig’ auf ‚erbärmlich’ herabgesunken. Es war einzig dem merkwürdigen Gefühl zuzuschreiben, dass sie noch stand. Das Gefühl warnte sie nämlich noch immer vor jeder sich nähernden Faust und so konnte Ryoga immerhin probieren auszuweichen. Nicht, dass das viel brachte. Aber es war besser als nichts. Ein besonders harter Schlag – oder vielleicht waren es zehn? – traf ihre Nase und ließ sie taumeln. Damit endete es aber nicht, als sich ihr ein Fuß in die Magengrube bohrte und sie sich hustend vornüberbeugte. Sogleich nahm sie einen Kniestoß gegen das Kinn in Empfang, wodurch ihr Kopf hoch geschleudert wurde und sechs schnelle Schläge trafen sie im Anschluss gegen die Stirn. Einer der letzten Treffer erwies sich zugleich als der letzte Tropfen, der das Fass zum Überschwappen brachte – und Ryoga Hibiki, Göttin zweiter Klasse, dritter Kategorie mit limitiertem Zugriff kippte kraftlos um. Keuchend starrte der Dämon auf ihren Gegner. Sie hatte gesiegt. Ihr war unklar wie lange der Kampf gedauert hatte, aber es fühlte sich an wie ein Millennium. Jeder ihrer Muskeln war überstrapaziert, Milchsäure schoss unter Hochdruck durch das entzündete Fleisch und Adrenalin wurde durch die Venen zu ihrem Herzen zurückgepumpt. Die schimmernde Schweißschicht wischte sie sich mit dem Handrücken fort. Letztlich war der Kampf doch noch episch gewesen. Wer weiß, eventuell würde sie die himmlische Nervensäge ja vermissen? Ein sardonisches Grinsen zog über ihre Lippen. Nein, wahrscheinlich doch nicht. Lässig schüttelte sie ihre Hand aus, massierte den Oberarm und richtete ihre Finger schließlich auf die niedergestreckte Göttin. „Viel Spaß beim Barbecue!“, höhnte der Rotschopf und sammelte Hitze in ihrer Hand. Jetzt würde es eine himmlische Party geben! Das einzige was störte, war, dass das Grillfleisch antwortete. „Sorry, ich bevorzuge es kalt.“ Mit diesen Worten hob die Göttin ihre Hände in die Luft und ließ sie zurück aufs Wasser brettern – und die beiden Kontrahenten sackten innerhalb von Sekunden mehrere Meter in die Tiefe. Wimmernd knackten die Erdschichten, zu denen das Wasser bisher noch nicht durchgedrungen war. Meterweise Erde und Geröll wurde hinauf katapultiert. Für die versammelten Zuschauer sah es aus, als würde ein Vulkan in ihrem Hintergarten ausbrechen – mit dem kleinen, aber wichtigen Unterschied, dass dieses Exemplar eine Schlammlawine spuckte und nicht etwa Lava. Ryoga bekam davon nicht viel mit, denn sie war im Auge dieses Vulkans. Verzweifelt klammerte sie sich an die Reste ihres entfliehenden Bewusstseins und versuchte sich auf den Schmerz zu konzentrieren. Gott sei dank, gab es davon mehr als ausreichend. Steine boxten ihr in den Rücken und knallten gegen ihren Hinterkopf, traktierten Arme und Beine. Wie ein Kuscheltier im Schnellwaschgang wurde sie von allen Seiten geprügelt. Das einzige was sie tröstete war, dass es Ranma nicht anders ergehen würde. Dumpf grunzend landete sie auf dem Rücken und spürte im nächsten Augenblick kaltes Wasser daran herabfließen. Die Grube war gegraben. Zähneknirschend erhaschte sie einen Blick auf Saotome, die grimassierend auf dem Rücken lag und flache Atemstöße von sich gab. Voll hilfloser Wut tanzten Flammen über ihr Haar, erstarben jedoch rasch, da Ranmas Zopf – so wie der Rest von ihr – zum Löwenanteil im Wasser lag. Die Kois waren in der Grube. Mit verbissener Miene mobilisierte Ryoga ihre letzten Kräfte. Unter einem Schmerzensschrei setzte sie sich auf und holte gequält Luft und ließ sich vom Wasser kühlen, dass ihr im Sitzen inzwischen bis zur Hüfte reichte. Zu ihrem Leidwesen war die Dämonin auch nicht gerade faul, kniete bereits wieder und spießte sie mit erbosten Blicken auf. Aber zumindest sah man ihr die Spuren der letzten Eskapade an. Schlamm kleisterte ihr Gesicht, ihre Klamotten waren gerissen und erlaubten tiefe Einblicke und – Ryogas persönlicher Favorit - ihr Arm hing in einem ungesunden Winkel herab. „Jetzt oder nie“, keuchte die Göttin und rappelte sich – abgestützt an einer der schlammigen Grubenwände - auf, während Lanzen aus Eis und Feuer an jeder Faser ihres Seins stachen. Ryoga Hibiki wusste nicht wie die Hölle war, hiermit aber erhielt sie einen guten Vorgeschmack und verlor fast das Gleichgewicht vor Schmerz. Das einzige was sie auf den Beinen hielt, war, dass Ranma ebenfalls stand. Nun also zum letzten Schritt ihres Plans. Für die Dauer eines Wimpernschlags heulten ihr die Stimmen des Wassers ins Ohr, verdichtete sich der Nebel um ihre Glieder und schoss dann in alle Himmelsrichtungen davon. Kaum war das geschehen, da peitschte heftiger Wind auf und trieb das kniehohe Wasser in der Grube und gleichermaßen das auf dem Grundstück auseinander. Jetzt oder nie… Zitternde Hände streckten sich zu ihren Seiten aus und Schweiß lief ihr trotz des Bandana in die Augen, ihre Knie schlotterten und doch hielt sie stoisch die Stellung. Wie ein Orkan kehrte der Wind in die Grube zurück, wirbelte wie ein hysterischer Derwisch um Ryoga und verlosch als feiner Nebel um ihre Gestalt. Dann brauste die Flut auf die Grube zu. Grashalme wurden von der plötzlichen Strömung aus der Erde gerissen, verschiedenste Gegenstände – darunter auch das umgekippte Shôgi-Brett – wurden unbarmherzig fortgespült und in einem Funkeln von tausenden Sternen bäumte sich das angezogene Wasser am Rand der Grube auf. Einem Leviathan gleich reckte es hunderte schäumende Hälse empor, regnete tausende Tropfen Wassers herab und glitzerte im Sonnenlicht. „Ich hoffe du kannst schwimmen“, lächelte Ryoga matt und schlug die Augenlider zu. Dann zog sie ihre Arme zusammen und das Wasser stürzte mit einem brüllenden Tosen auf Dämonin und Göttin hernieder. Der letzte Schritt ihres Plans… Die Grube füllte sich. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Anmerkung des Autors: Das neunte Kapitel ist fertig gestellt. Ich muss gestehen, selten habe ich derart fiebrig an etwas über zehn Seiten gesessen. Mehrfach habe ich ganze Passagen gelöscht, eventuelle Witze herausgelöscht und das Geschehen mitunter aus einer ganz anderen Perspektive verfasst. Letztlich habe ich es aber doch geschafft – und ich bin verdammt glücklich.^^ Noch ein Kapitel und ihr habt es vorerst ausgestanden. Das nächste Kapitel wird nämlich Nummer 10. und zugleich den Abschluss von „Oh Mann, Ryoga!“ bilden. Ist das aber dann das Ende? Stehen nicht noch viel zu viele Fragen für ein Kapitel offen? Was passiert von hier an mit Ukyo? Wird Mousse seinen Entschluss nach hartem Training weiterverfolgen? Lernt Shampoo akzeptables Japanisch? Was ist mit Kuno? Und letztlich – wie ergeht es den beiden Vertretern von Himmel und Hölle? Können alle Fragen im nächsten Kapitel geklärt werden? Ehrliche Antwort? Ich fürchte nicht.^^° Ein kleiner Glossar zum besseren Verständnis: Miyamoto Musashi = Es heißt, er wäre der wohl größte Samurai in der Geschichte Japans gewesen. Zudem galt sein Kampfstil als unbesiegbar, da er bereits mit 29 Jahren über 60 Duelle – mitunter gegen die berühmtesten Samurai seiner Zeit bestritten und allesamt für sich entschieden hatte. Anders als Kuno – der als klassischer Kendoist lediglich eine Waffe verwendet – war Musashi dafür berühmt mit zwei Waffen gleichzeitig zu kämpfen. In Duellen jedoch verwendete auch er nur eine Waffe. Ein weiterer Aspekt, der interessant sein dürfte, ist, dass er den besten Samurai seiner Zeit, Sasaki Kojiro, angeblich mit einem Bokken besiegt hätte. ;-) Sakkijutsu = Das Prinzip schilderte ich zwar im letzten Kapitel bereits, aber aus Vorsichtsgründen gehe ich nochmals kurz darauf ein. Das Sakkijutsu ist der so genannte Sechste Sinn der Kampfsportler, der sich durch ein hohes Maß an Training über viele Jahre ausbildet. Dieser Sinn dient dem frühzeitigen Entdecken von Gefahrenquellen und ermöglicht scheinbar unmenschliche Ausweichmanöver. Viel Spaß, euer Deepdream. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)