Oh Mann, Ryoga! – Eine schamlose Parodie. von Deepdream ================================================================================ Kapitel 7: Verdammt! -------------------- Mousse schlug die Augen auf und der Schmerz auf ihn ein. Unter dem unverwechselbaren Charme hunderter Fäuste verteilte sich sein körperliches Leid über ihn und entlockte ihm ein heiseres Röcheln. Hatte ihn seine geliebte Shampoo einmal wieder zum Training missbrau…, eh zu Rate gezogen? Immerhin fühlte es sich ganz so an. „Herrlich“, raunte er und blinzelte ins Zwielicht, das es irgendwie schaffte am herabgelassenen Rollo – das er ohnehin nicht sehen konnte - vorbeizukommen. Jedes Blinzeln stieß viele, kleine Lanzen in seine Schmerzzentren. Das verleitete ihn dazu wie jeder andere Mensch in dieser Situation zu reagieren. Er zog eine Grimasse, was ihm natürlich auch nicht half. Stattdessen walzte Schmerz um Schmerz wie seine übliche Abwascharbeit an ihm vorbei und ließ seine Zähne klappern. Aber wenn seine Augenlider bereits derart schmerzten, wie ging es dann dem Rest seines Körpers? Aufmerksam tastete er alle Stellen an seinem Körper gedanklich ab. Nach ein paar Minuten schloss er seine Untersuchung mit einem beruhigenden Urteil. Bis auf seinen Rücken und Bauch schien soweit eigentlich alles in Ordnung zu sein. Also tat er das nächstgelegene und versuchte seinen Körper in eine bequemere Position zu bringen, die seinen Rücken wohlmöglich entlastete. Es genügt zu sagen, er fand keine. Zwischen den Schmerzstößen entsann er sich allerdings auch daran, was wirklich vorgefallen war. Vor seinem inneren Auge spielten sich die Szenen in brillanter Bildqualität ab – nicht dass das ein Trost für ihn wäre. Erneut verfolgte er Ranmas Attacke auf Shampoo, durchlebte seinen erfolglosen Versuch seine Geliebte zu rächen und ihre Ehre wiederherzustellen. Jeder blaue Fleck an ihm diente zur Erinnerung daran und da er keinen der Flecke erkennen konnte, meldeten diese sich hilfreicherweise per Schmerzfunk bei ihm. Mousse seufzte schwer. Erneut war er von seinem Erzrivalen geschlagen worden, doch diesmal nicht nur in körperlicher Hinsicht. Er war es schließlich gewohnt Holzstäbe auf, Teller an und Waschzuber über den Kopf zu bekommen, da kam ein zusätzlicher Schlag hier und da einer Massage gleich. Nebenbei erwähnt, konnte er mit dieser Art von Erniedrigung leben. Hey, er war schließlich ein Amazone, da lernte man das noch vor dem Laufen. Erniedrigungen waren ein fester Bestandteil des Alltages im Amazonendorf. Man stand auf, man frühstückte, bekam einen Tritt, arbeitete, trainierte, bekam einen weiteren Tritt, aß zu Mittag, verrichtete Feldarbeit, bekam – um die Kontinuität zu erhalten - einen dritten Tritt und das ging so weiter und so fort. Je nach Interessenslage der jeweiligen Amazone konnten Tritte auch gegen Hiebe, Kopfnüsse und geworfenen Töpfe substituiert werden. Mousse lächelte nostalgisch und unterdrückte ein Winseln. Das Lächeln erstarrte allerdings nur zu schnell, als er sich seiner Niederlage entsann – und dass der Schmerz schneller nachließ, wenn er sein Mundwinkel nicht so sehr beanspruchte. Ja, heute hatte Saotome ihn wirklich gedemütigt. Da war die bereits erwähnte körperliche Demütigung noch die geringste. Aber seine Shampoo weder rächen noch wirklich beschützen zu können, schmerzte ihm am stärksten. Erneut seufzte er tief und rasselnd. Er war wirklich erbärmlich, geradezu kümmerlich. Kein Wunder, dass weder Shampoo noch Saotome ihn ernst nahmen - die eine nicht als möglichen Verlobten, der andere nicht als würdigen Feind. Schnaubend stieß der Amazone seinen Atem aus und seine Augen weiteten sich, als eine Sekunde später ein zweiter Atemstoß folgte. Schlagartig drehte er seinen Kopf, grinste spastisch unter den unzähligen Phantomnadeln, die sich in seinen Hals bohrten und biss sich gequält auf die Unterlippe. Den Schmerz drängte er mit metaphorischen Keulenschlägen zurück. Ächzend spähte er ins Halbdunkel. Was das wohl war? Angestrengt kniff er die Augen zusammen. Hm, blau oder lila, in etwa menschengroß und den Geräuschen nach atmete es. Es war also ein Mensch - wahrscheinlich. Diese Überlegung führte ihn aber schon zum nächstgelegenen Gedanken. Was machte die Person neben seinem Bett? Die einzige Erklärung, die ihm logisch erschien, war das er oder sie – man durfte ja noch hoffen – Bettwache für ihn hielt. Probeweise verengte er erneut die Augen, konnte aber ebenso wenig wie zuvor erkennen. Was sich allerdings als auch nicht weiter verwunderlich ausnahm, wenn man seine Sehstärke von sechs Dioptrien berücksichtigte. Schließlich verwechselte er im Kino ja sogar den männlichen mit dem weiblichen Hauptdarsteller, wenn seine Brille fehlte. Erstaunlicherweise tat sie das ständig - also fehlen quasi. Mousse seufzte und gab es schlussendlich auf, die Identität der mitleidigen Seele herauszufinden. Es war ja nicht so, als ob er sich bei besagter Seele über diese Geste beschweren wollte - dumm wäre er. Ehrlich gestanden, war er gerührt, dass ihm jemand Gesellschaft leistete - wenngleich die Person auch eingepennt war. Er hätte nur eben gerne gewusst, wer ihm diesen Dienst tat - und dabei schnarchte. Na ja, was soll’s. Still lächelte er und unterdrückte ein weiteres Mal ein Jaulen. Ob sein Gast morgen früh noch immer an seinem Bett sitzen würde? Schön wär’s ja, aber er bezweifelte es. Überhaupt hatte er sich in seiner Zeit hier in Japan zu häufig auf den Beistand anderer Leute verlassen. Dadurch war er schwach geworden, eine richtig feiges Huhn, eine dumme Gans, ein gefallener Star, ein... Verärgert rutschten seine Augenbrauen zusammen. Woher kamen die ganzen Assoziationen und wieso waren es immer nur Vögel? Genug von der Selbstanklage - ab dem heutigen Tag war er neu geboren! Ein unmerkliches Flackern erfasste seine Pupillen. Es war ein Feuer, das einigen Menschen unter dem Terminus ‚Entschlossenheit’ bekannt war. Alle anderen nannten es Wahnsinn. Von nun an würde er wieder richtig trainieren. Er durfte sich nicht Shampoos Zukünftiger nennen, wenn er sie nicht einmal beschützen konnte. Deswegen würde er von nun an jede freie Stunde in sein Training stecken! Er würde solange schwitzen, werfen, springen und rennen bis er Saotome herausfordern konnte. Selbst, wenn das hieß, dass er alle Übungen während des Auslieferns auf dem Fahrradsattel durchzuführen hatte! Er würde Shampoo zurückgewinnen. Nein, er würde sie sich verdienen! Diesmal war sein Lächeln entschlossener Natur – das entband ihn allerdings nicht vom Schmerz wie er sogleich feststellte. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig. Für die nächste Zeit musste er sich das Lächeln abgewöhnen UND hart trainieren. Wobei ihm letzteres wohl noch leichter fallen dürfte. „Dummer Mousse…“, murmelte das Phantom neben ihm und säuselte niedlich. Es genügt zu sagen, dass Mousses Lächeln diesmal alle Vorstellungen sprengte – leider auch seine Schmerzzentren, wenn der nachfolgende Schrei einen verlässlichen Hinweis abgab. … <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Oh Mann, Ryoga! – Eine schamlose Parodie. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Kapitel 7 – Verdammt! <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> Die Charaktere gehören mir nicht, sie gehören Rumiko Takahashi. Da ich weder weiblich noch kleinwüchsig bin, schließe ich, dass sie mir auch nie gehören werden. <><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><><> … Kasumi legte den Telefonhörer auf. Aus dem Dojo drang noch immer das wütende Zetern Ranmas. Unbekümmert davon wanderte sie zurück in die Küche. Wo hatte sie nur das Gemüse hingetan? Das Geräusch von Schlägen hallte durchs Anwesen, draußen erklang das Flattern von Vögeln und Onkel Genma redete beruhigend auf Ranma ein. „Du nichtsnutziger Sohn! Wo ist deine Disziplin geblieben!“ „Vielleicht haste die ja auch vertickt?“ „Als ob ich meinem einzigen Kind so etwas antun könnte!“ „Als ob? STÄNDIG wäre wohl treffender!“ Ranma wirkte irgendwie unruhig. Das hatte Kasumi schon kurz nach dessen Heimkehr gemerkt. Kaum war der Verlobte ihrer jüngsten Schwester nämlich aufgewacht, regte er sich bereits lauthals auf. Dabei war das doch so schädlich fürs Herz. Zumindest stand das in den Büchern, die Doktor Tofu ihr auslieh. Wahrscheinlich hatten Ranma und seine Freunde nur mal wieder zu heftig miteinander getollt und einer hatte sich wehgetan. So war es gewiss. Tobend stürmte Ranma an ihrer Küche vorbei und zog seine Kampfaura wie eine rote Wolke hinterher. Den purpurroten Streifen an dessen Wange beäugte das Mädchen seelenruhig, während sie ihre Utensilien aus den Schubkästen kramte. Es würde Ranma sicherlich gut tun, einmal wieder mit Ryoga zu spielen. Die beiden hatten sich doch schließlich so gern. Genma Saotome kroch aus dem Teich. Sein Fell war nass, es war schwer und im Moment sehr unbequem zu tragen. Ähnlich einem SEHR dicken, SEHR haarigen Pelzmantel, der SEHR durchnässt war. Dementsprechend fühlte er sich auch SEHR mürrisch, als er nach seiner aufmüpfigen Brut Ausschau hielt. Grunzend schob er seinen schweren Körper zur Terrasse, wo bereits sein alter Freund Soun das Gô-Brett aufstellte. Vergnügt platzierte der schnurrbärtige Mann mehrere Spielsteine darauf und sah dann auf. „Etwas nicht in Ordnung Saotome?“ [Der Junge benimmt sich komisch.] „Komisch? Wie meinst du das alter Freund?“ [Er hat ein Rückgrat bekommen.] „Nun ja Saotome. Die meisten Menschen werden mit einem geboren.“ Der Panda starrte seinen Freund nur vielsagend an. „Ach Saotome. War doch nur ein Witz. Mach’ dir mal keine Sorgen.“ [Wenn du meinst.] Trotzdem konnte es sich das Teilzeit-Tier nicht verkneifen hier und da einen Blick zur Treppe zu werfen. Denn auf seine makabere Weise liebte Genma Saotome seinen Sohn tatsächlich. Schließlich verfolgte er die Idee mit der Heirat ja nur deswegen mit solchem Eifer, weil er davon ausging, dass alles was für ihn selbst gut war, auch für seinen Sohn gut wäre. Warum Ranma das allerdings nicht verstand, entzog sich Genmas Einsicht. Nabiki war gut gelaunt. Dieser Umstand entsprach zwar nicht einem Ding der Unmöglichkeit, war aber ebenso wie manches seltene Naturspektakel eben recht selten zu beobachten. Umso erstaunlicher war es, dass sie dieses Gefühl für jeden sichtbar auf dem Gesicht trug – in Form eines Grinsens. Vorausgesetzt jemand wäre dermaßen wahnsinnig sie auszuspionieren oder dämlich genug direkt durch ihre Tür zu treten. Der Grund für ihre Freude war simpler Natur. Er war grün, dünn und quadratisch. Der heutige Kampf Ranmas gegen die Amazonen hatte die Kassen klingeln lassen. Das letzte Mal hatte sie zur Ankunft des bezopften Wunders und dessen erster Auseinandersetzung mit Kuno einen solchen Betrag verdient. Man musste den Leuten nur etwas liefern, was niemand erwartete. In solchen Situationen konnte man die Schüler am besten auspressen - und für Nabiki Tendo waren ihre Schulkameraden allesamt Zitronen und Orangen. Bisher hatte sie noch keine Kokosnuss darunter gefunden – sollte das aber mal der Fall sein, so würde sie diese auch noch knacken. Natürlich erklärten ihre schönen Abzock-Strategien nicht Ranmas untypisches Verhalten. Aber eine Erklärung dafür konnte erstmal warten. Jetzt wollte sie den unverhofften Geldsegen genießen. Es klopfte an ihre Tür. Unwirsch wirbelte sie in ihrem Bürosessel herum. Wer störte sie denn da in ihrer guten Laune? Nochmals klopfte es, diesmal bedeutend drängender. „Ja, ja. Herein, wenn’s Eintreten nicht zuviel Mühe macht.“ Verblüfft begegnete sie zwei eiskalten Augen, die sie als Ranmas identifizierte. Der Verlobte ihrer Schwester stand mit verschränkten Armen im Türrahmen und lächelte sie unterkühlt an. Nabiki konnte sich nicht helfen – sein Lächeln erinnerte sie an jemanden. Nicht ohne Überraschung stellte sie fest, dass es sie an sich selbst erinnerte. „Was ist Saotome?“ Dieser zog mokierend die Augenbrauen hoch. „Wie? Was soll denn sein Nabiki?“ „Na, dass sagst du mir entweder oder scherst dich zum Teufel.“ Unerwartet verfiel Ranma in einen hysterischen Lachanfall. Hatte Saotome nun völlig den Verstand verloren? Zweifelnd musterte sie den jungen Mann und lauschte auf sein schallendes Gelächter, das sich mehrfach überschlug ehe es in seiner Lautstärke abnahm. Amüsiert rieb er sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln und feixte. „Humor hattest schon immer, muss man dir zugute halten, nich’?“ Nabikis Zweifel fiel allmählich ab und machte aufrichtigem Argwohn Platz. Ranma benahm sich sonst nicht so. Er war ein einfältiger, arroganter, manchmal netter und unbeholfener Junge. Aber dieser Umgangston entsprach nicht diesem Ranma. Irgendetwas ging hier vor. „Was willst du Saotome?“ „Oho – woher die Kälte Nabiki? Ich dacht’ nur, ich statt’ dir mal ’nen Besuch ab.“ „Einen Besuch?“ „Genau, nichts als ’nen kleinen Besuch beim Geldscheffler der Familie.“ Nabikis Augenbrauen zogen sich in einem knappen Anflug von Rage zusammen. „Wiederhol’ das Saotome.“ „Echt mal, sitzen hier alle auf’n Ohren? Shampoo war heut’ genauso drauf.“ „Bevor oder nachdem du ihr eine gelangt hast?“ Ranma nahm eine nachdenkliche Pose an und grinste höhnisch. „Das ist ’ne verdammt gute Frage. Viel kann aber nicht kaputt gegangen sein.“ „Verlass’ mein Zimmer Saotome. Oder die halbe Schule kriegt Nacktbilder deiner hübscheren Seite.“ Die mittlere Tendo lächelte bedrohlich und zeigte dabei Zähne. Jetzt hatte sie ihn am Hacken. „Dann lass’ sie mich zumindest aussuchen, ’kay? Soll ja ’n bissel Fleisch mit drunter sein, nich’?“ Nabikis Augenlider schossen wie Rollladen auf. Hatte sie sich gerade verhört? „Wie meinen?“ Sie wusste, dass es ein dummes Verhalten war. Denn aus irgendeinem Grund wollte Ranma sie verunsichern und hiermit bewies sie ihm, dass er mit seinem Vorgehen Erfolg hatte. Etwas stimmte hier überhaupt nicht! „Du weißt schon. Fleisch, also nackte Haut, diskrete Körperstellen und so weiter und–so–fort.“ Die letzten Worte dehnte Ranma und zwinkerte ihr anzüglich zu. „Wenn das witzig sein soll Saotome…“ „Witzig? Also dein Spruch anfangs war’n Kracher. Aber ich – witzig? Und das von der Herrin der Rhetorik und Manipulation? – Ranma deutete eine übertriebene Verbeugung an – Zuviel der Ehre.“ „Raus! Raus aus meinen Zimmer!“ In falscher Fürsorge trat der Verlobte ihrer Schwester auf sie zu. „Aber, aber Nabiki. Wo sind deine Manieren? Deine gepflegten Gedankenspielchen?“ Die mittlere Tendo fühlte sich in eine Ecke gedrängt und musste zugeben, dass es kein angenehmes Gefühl war. Sie verspürte ein unangenehmes Kneifen in ihrer Magengrube, das sie überrascht als Angst identifizierte. Jedoch Angst vor dem treudoofen Möchtegern-Ehemann ihrer Schwester zu haben, war doch lächerlich. Oder? Ranmas Augen funkelten sie wie Gletscher an und ließen sie selbst wie Eis unter einer Spitzhacke zersplittern. Ihr Magen verkrampfte sich zunehmend unter Ranmas Blick. „Ranma, wo…?“ Unerwartet kam ihr jemand zur Hilfe. Akane beäugte die Konfrontation völlig konfus. Was ging hier vor sich? Ranma stand Nabiki nonchalant gegenüber und grinste diese noch immer unverwandt an. Ihre Schwester wirkte äußerst ernst und reichlich unerfreut über Ranmas Anwesenheit. Die Szene hätte aus einem billigen Italo-Western stammen können, eine Art High-Noon im Zimmerformat. „Ranma?“, fragte Akane schließlich vorsichtig. Ohne sich zu ihr umzudrehen, antwortete er in seinem saloppen Tonfall. „Ja ’kane?“ „Ist alles in Ordnung?“, hakte sie nach. Erst jetzt drehte sich Ranma ihr zu und lächelte sorglos. „Och ja, Nabiki wollt’ nur’n bisschen quatschen, nich’?“ Feixend warf er ihrer Schwester einen Blick zu und verließ den Raum. Die mittlere Tendo dahingegen starrte noch immer angespannt auf die Tür, fast wie als erwarte sie, dass Ranma nochmals zurückkäme. Aber warum sollte er das? Ihr Verlobter mied niemanden mit solcher Sorgfalt wie ihre ältere Schwester. Oder anders ausgedrückt, kam Nabiki in Ranmas Angsthierarchie gleich unter Katzen. Apropos Nabiki, diese krallte sich inzwischen nur noch halbherzig in ihre kurzen Hosen und wirkte schon bedeutend entspannter. „Alles okay Nabiki?“ Ihre Schwester blickte finster auf, fast so als hätte sie die jüngste Tendo gerade erst wahrgenommen. „Akane.“ „J-Ja?“ „Sei vorsichtig.“ Nach diesem kryptischen Ratschlag drehte sich Nabiki wieder zu ihrem Tisch und schien fast sofort in ihre Unterlagen vertieft. Als das Piepsen des Taschenrechners begann, seufzte Akane und gab es auf, etwas Konkreteres aus ihrer Schwester herauszubekommen. Leise schloss sie die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen und seufzte ein weiteres Mal. Sie brauchte nicht Nabikis Antwort – sie wusste auch so, dass es an Ranma liegen musste. Etwas stimmte nicht mit ihm. Ranmas Füße trugen ihn direkt ins Badezimmer. Dort angekommen entledigte er sich seiner Kleidung und ballte zornig die Fäuste. Was war nur los mit ihm? Woher stammte diese unkontrollierbare Gehässigkeit und Wut? Fragend schaute er in den Spiegel, doch seine Reflektion enthielt sich einer Antwort. Nicht, dass ein Spiegelbild antworten könnte. Schön wäre es aber trotzdem gewesen. Er probierte sich an seinem – ihm so eigenen – Grinsen und fand, dass es ihm schwer fiel es überzeugend vorzubringen. Er fühlte sich nicht mehr so recht in Kontrolle über seinen Körper und Geist. Irgendetwas ging in ihm vor – nur hatte er echt keine Lust herauszufinden, was das genau war. „Erstmal ins Furo…“, sprach er sich gut zu und senkte den Fuß bereits hinein, da hielt er inne. Akane würde ihn dumm und dämlich kloppen, wenn er sich vorher nicht abwusch. Mit einem Schnauben setzte er sich auf den Hocker und übergoss sich mit eiskaltem Wasser. Da erfasste ihn plötzlich ein merkwürdiges Kribbeln. Es war zwar nicht so, als ob es nicht immer kribbeln würde, wenn er sich verwandelte. Diesmal jedoch fühlte er sich wie ein Hähnchen auf dem Grill, anstatt wie ein Fisch unter Storm. Ranmas Stirn runzelte sich. So gesehen waren beide Varianten nicht sehr angenehm. Das Mädchen goss sich einen weiteren Zuber voll kalten Wassers über den Kopf. Vielleicht vertrieb das ja solche komischen Überlegungen. Kribbeln war Kribbeln. Es bestand also kein Grund zur Sorge. Sonst war sie ja auch nicht der Typ fürs Abwägen und Denken und so. Sie zog es vor die Dinge anzupacken und dann Kleinholz aus ihnen zu machen. Alles im Leben war ein Kampf – das war eine Lektion, die ihr Vater ihr mit der Flasche und den ersten Schlägen gegeben hatte – und sie war Ranma Saotome. So einfach war die Sache. Denn egal wie dämlich die Herausforderung, sie gewann immer! Macht das sie im Umkehrschluss dämlicher als den Herausforderer? Erneut kräuselte sich ihre Stirn und sie beschloss, dass ein weiterer Zuber gar nicht so schlecht klang. Ein drittes Platschen später, wusch sie sich eilig ab und versuchte das merkwürdige Kribbeln zu ignorieren. Dass besagtes Kribbeln die Zurückhaltung eines Ameisenhaufens im Frühling aufwies, erleichterte die Sache nicht unbedingt. Aber da Ranma Saotome in allem der Größte – im Augenblick die Größte - war, konnte sie auch ohne weiteres der größte Ignorant sein. Ironischerweise hatte sie DAS bereits häufig genug unter Beweis gestellt. Kaum war sie sauber, sprang sie in den warmen Furo und spürte das Wasser über sich zusammenschlagen. Schön wieder ein Mann zu sein. Wärme durchströmte seine Muskeln, verlief sich an seinen Armen herab zu den Schultern und breitete sich über seinen Brüsten aus. Hey. Halt. Stopp! Brüste? In bester weiblicher Hysterie spähte Ranma auf ihre beachtliche Oberweite, die noch immer einladend zur Schau hing. Dass das eigentlich gar nicht mehr der Fall sein dürfte, schien diese nicht wirklich zu stören - Ranma jedoch schon. „Was is’ hier los, was zum Teufel?!“ Fast wie auf Kommando setzte ein zweites Kribbeln ein und versetzte ihren Körper widerwillig in seinen Ausgangszustand. Oder anders gesagt, praktizierte die bezopfte Kampfsportlerin die wohl wirkungsvollste Diät aller Zeiten. Ihre Brust flachte ab, wurde härter und muskulöser. Die Arme, die vorhin noch so streichelzartweich waren, bekamen Konturen und zeichneten den Bizeps ab. Er war wieder ein Mann. Erleichtert atmete Ranma aus. Der Krampf, der kurzzeitig sein Herz erfasst hatte, fiel davon ab und hinterließ das frenetische Pochen von Blut in seinen Ohren. „Oh Mann, ich dacht’ schon, ich wär’ wieder in diesem Körper – er schaffte es genug Abscheu in das letzte Wort zu legen, um es mit Malaria und schottischen Nationalspeisen auf eine Stufe zu stellen – gefangen. Hab’ ich nochmal’ Glück gehabt.“ Wenige Minuten später hatte er das Ereignis bereits erfolgreich verdrängt. Es brachte nämlich nichts sich mit Vergangenem aufzuhalten, dafür kam zuviel Neues. Zumindest war das in seinem Leben der Fall. Denn – mal ehrlich – jeder, der Zeit besaß über sein Leben zu sinnieren, hatte doch nur Langeweile. Und dabei handelte es sich um ein Gefühl, das Ranma nicht einmal im Ansatz kannte. Pfeifend erhob er sich aus den Fluten, griff nach dem Froteehandtuch und rubbelte sich ab. Sobald er halbwegs trocken war, wickelte er es sich um den Unterleib und tänzelte zum Spiegel. Kaum stand er davor und richtete seinen Zopf, da setzte das Kribbeln ein weiteres Mal ein. Diesmal allerdings ungleich stärker als die vorherigen Male. Nicht unähnlich Saffrons Flammenhölle breitete sich eine irrsinnige Temperatur auf seiner Haut aus. Stumme Schreie verließen seinen Mund, als er vornüberkippte und sich übers Emailebecken lehnte. Was ging hier ab? Die Augen halb geöffnet, blinzelte er in den Spiegel wie als erwartete er von da eine Antwort zu erhalten. Umso erstaunlicher war es, als er diese auch erhielt. Denn kaum nahm er sich selbst auf der Oberfläche war, da zerrte ein besonders scharfer Schmerz an seinem Körper – und verwandelte ihn zurück in seine weibliche Hälfte. Damit endete es allerdings nicht. Seine Augen gingen für den Bruchteil einer Sekunde in Flammen auf, ließen das Halbmädchen schmerzerfüllt krächzen und auf den Fliesen zusammensacken. Ihre Finger krümmten sich, spreizten sich und krümmten sich erneut – fast wie bei einem Aerobickurs im Fegefeuer. Anstatt mit trommelfellbelastendem Techno, wurde sie jedoch mit brennenden Peitschenhieben gequält. Wobei sie – rein theoretisch – die Peitschenhiebe dem Techno vorziehen würde. Im Augenblick allerdings hätte sie auf beides verzichten können, drängte mühevoll Tränen zurück und versuchte sich zu bewegen. Um Hilfe schreien wollte – und konnte – sie nicht. Sie war schließlich Ranma Saotome, Männer unter Männern und Erbe des Musabetsu Kakuto Ryu. Ganz egal, dass sie im Augenblick besser bestückt als die meisten echten Mädchen war. Nicht, dass ihr Machodenken in dieser Lage viel brachte. Aber es war schön sich alles das einzureden und damit von den Qualen abzulenken. Und dann plötzlich – so rasch wie er kam - war der Schmerz fort. In einer Mischung aus Verblüffung und Misstrauen rappelte sie sich auf und wartete ab. Keine falschen Hoffnungen machen. So oder so ähnlich sah ihr Kerngedanke aus. Bislang hatte jedes ihrer Probleme mehr als nur ein paar Minuten Aufmerksamkeit benötigt. Grundlegend war sie die meisten ihrer Probleme bis zum heutigen Tage nicht losgeworden. Ein deprimierender Gedanke, fürwahr. Als sie allerdings nach groben fünf Minuten noch immer weder Schmerz noch diese seltsame Überhitzung verspürte, erlaubte sie sich durchzuatmen und wischte ein paar Tränen – eh, Schweißtropfen natürlich! – von den Wangen. Wie es schien, blieb ihr keine Wahl. Sie musste die alte Hexe konsultieren. Vielleicht konnte Cologne ihr ja weiterhelfen? Ranmas Gedankengang folgte dem Schicksal eines Autos ohne Benzin. Er machte einen ungeplanten Halt. Hatte sie heute nicht angeblich Shampoo und Mousse verprügelt? Ihre Stirn zog sich kraus. Doch, je mehr sie darüber nachdachte, desto stärker verfestigte sich die Erinnerung. Sie hatte die beiden wirklich in Grund und Boden gehämmert. Seltsamerweise ging ihr jedwede Reue darüber ab. Aber sie hatte doch ein Mädchen geschlagen! War das denn nicht etwas Schlechtes? Irritiert stierte sie auf ihre rechte Hand, die sich wie von allein zur Faust krümmte. „Pah!“ Die Amazone hatte das verdient. Immerzu aufdringlich und mit einem Dialekt wie Yoda gesegnet, konnte sie froh sein, dass Ranma sie nicht schon längst zurück nach China getreten hatte. Ein Grinsen legte sich über ihre Lippen und sie stand zuversichtlich auf. Dann begann das Kribbeln erneut. Akane war verschwitzt, hatte Staub an den Handkanten und fühlte sich unwohl. Das lag daran, dass sie kurz zuvor im Dojo trainiert hatte und jetzt vor dem Badezimmer wartete. An und für sich störte sie das nicht. Was sie störte, war, dass sie jetzt bereits seit einer halben Stunde hier wartete. Schließlich riss ihr – nicht wirklich dicker – Geduldsfaden und schnappte wie eine wütende Schlange nach ihrem Zorn. Der meldete sich auch gleich darauf zu Wort. „Beeil’ dich endlich mal! Ich steh’ mir hier die Beine in den Bauch du Idiot!“ Stille antworte aus dem Inneren des Badezimmers. Kein Tapsen, keine gespielten Beleidigungen, kein „Ich komm’ ja schon!“. Akane wurde allmählich besorgt. Aber trotzdem, sie konnte ja wohl schlecht so einfach ins Bad stürmen. Wer weiß, vielleicht war Ranma ja nur… Ja – was? Unter Wasser, taub, ertrunken? Zaghaft näherte sie ihre Hand der Türklinke und drückte das kühle Messing zaghaft herab. Vorsichtig stupste sie gegen die Tür und schob sie vorsichtig auf. Stückchen für Stückchen vergrößerte sich der Spalt. Dann schlug die Tür urplötzlich zu, federte Akanes Hand zurück, so dass diese sie unrühmlich im Gesicht traf und die jüngste Tendo feierlich auf ihrem Hosenboden Platz nahm. „RANMA!“ Wie auf Kommando öffnete sich die Tür diesmal von selbst und eröffnete den Blick auf Ranmas bessere Hälfte – obwohl dieses Statement natürlich fragwürdig war. Akanes Kiefer klappte herab. Wäre er nicht zwangsläufig angewachsen gewesen, so wäre er ihr wahrscheinlich äußerst schmerzhaft in den Schoß gefallen. Nicht, dass er das nicht vorhätte, so wie er an ihren Muskelfasern zerrte. Vor ihr stand Ranma, soviel stimmte. Aber es konnte nicht Ranma sein. Denn keinen halben Meter entfernt, stand ein Mädchen mit flammend rotem Haar, das sich in einem Zopf bis hinab zu ihrem Steißbein ergoss. Wie züngelnde Lava glühte es ihr entgegen und kontrastierte mit den gletscherblauen Augen seiner Besitzerin. Das an und für sich entsprach durchaus dem Ranma, den sie kannte – abzüglich des Zopfes mit Überlänge. Was jedoch überhaupt nicht ins Bild passte, war der laszive Lederaufzug, der sich an den Körper ihres, eh ihrer Verlobten presste. Im Detail setzte sich dieser aus einem glänzenden Top, einem an der Hüfte großzügig geschnittenen Rock und darunter befindlichen Shorts zusammen. Allesamt waren die Kleidungsstücke schwarz und aus weichem, sinnlichen Leder, ebenso ihre Sandalen, die sich in – welche Überraschung - Lederbändern wie Schlangen um ihre Unterschenkel wanden. „R-R-R-Ranma?“ Die Angesprochene hob den Kopf und grinste animalisch. „Willstes herausfinden?“ Soun saß seinem alten Freund gegenüber. Beide starrten konzentriert auf das Brett zwischen ihnen, auf dem sich mehrere flache Steine tummelten. Im Moment überwiegte weiß – was auch sehr gut zum Verwender dieser Farbe passte. Aber wo er schon mal bei Übergewicht und Weiß war, konnte er auch ruhig einen Gedanken an Saotome opfern. Denn jedes Mal, wenn er aufsah, ertappte er seinen Kumpan dabei wie dieser zu den Treppenstufen schielte. Jeder der Genma Saotome kannte, hätte es nie vermutet, aber der alte Panda liebte seinen Sohn tatsächlich. Natürlich auf eine Weise, die das Wort LIEBEN Lüge strafte. Aber so war Genma eben und schon immer so gewesen. Anders kannte Soun ihn nicht. Das erschwerte natürlich auch die Beziehung zwischen seinem alten Freund und dessen Sohn, was wiederum nicht gerade vom negativen Einfluss Nerimas erleichtert wurde. Soun seufzte und rieb sich den Hinterkopf. Wie kam es, dass hier in Nerima nichts einfach zu sein schien? Die Kinder stritten sich, ihre Freunde waren entweder verliebt oder verhasst und Herausforderer kamen – kaum das Ranma mit seinem Vater durch die Tür getreten, respektive getragen worden war – wie die unerklärlichen Wetterumschwünge, die auch erst mit Ranmas Ankunft begonnen hatten. „Saotome?“ Der andere Mann lugte auf. „Ja Tendo?“ „Könntest du mir wohl den schwarzen Stein zurückgeben?“ „Oh – aber natürlich Soun alter Freund.“ „Danke Saotome.“ Beide lächelten – der eine wissend, der andere gequält. Ein Schrei drang durch das Haus, dröhnte durch Mark und Bein, ließ die Spielsteine erbeben, die Zähne der Männer aufeinander klappern und dann kehrte ganz langsam Stille ein. „Saotome?“ „Hm?“ „Sollen wir nachsehen?“ Genma blickte nachdenklich auf. Dann blickte er auf das Gô-Brett und darauf zu Soun. Der erwiderte den Blick, hielt diesem ganze drei Sekunden stand und widmete sich sodann auch wieder dem Spielbrett. Im nächsten Augenblick kam Akane heruntergestürmt, bremste vor den beiden Männern ab und holte tief Luft. „Ranma ist ein Perverser!“, brüllte sie bedeutungsvoll. „Aber Mäuschen, das sagst du doch immer“, beschwichtigte Soun seine Tochter. Nicht, dass diese etwas davon hören wollte. „Nein Paps, du verstehst das nicht. Er IST ein Perverser.“ „Und das sagst du auch ständig.“ „Paps! Er ist ein Mädchen und…“ „Das wissen wir auch – nicht wahr Saotome?“ Der Angesprochene nickte behäbig und musterte Akane verständnislos. In eben diesem Moment knarrten die Treppenstufen. Souns Neugierde wechselte von seiner Jüngsten zu der Treppe. Wahrscheinlich würde von eben dort jetzt Ranma herabsteigen, puterrot und sich über Akane beschweren. Beide würden meckern, sich beleidigen und schließlich würde Ranma sagen… „Yo Machoweib.“ Genau das würde er sagen und… und… und… Souns Gedankenapparat setzte aus. Für eine qualvolle Sekunde sah es so aus, als würde sein Herz dem Beispiel folgen – schlug dann allerdings weiter. Das ersparte ihm dennoch nicht den Schock. Genma erging es nicht anders. Sein Gesicht war aschfahl – optimistisch ausgedrückt. Dieser Umstand war sicherlich nicht untypisch für Japaner, die generell eher von blassem Hautton waren. Nichtsdestotrotz war der Saotome-Patriarch nur selten so blass gewesen. Er entsann sich da zwar eines Ereignisses, in das seine Frau und das Aufdecken eines gewissen Fluches bei einem gewissen Sohn verwickelt gewesen waren; doch selbst zu diesem Zeitpunkt hatte er mehr Gesichtsfarbe besessen. „W-W-W-W!“, gab er stotternd zum Besten. Auf dem untersten Treppenabsatz stand Ranma. Immerhin wollte Genma das – NICHT – glauben. Sein Sohn, eh Tochter sah nämlich seinem Sohn, eh seiner Tochter wie er ihn, eh sie kannte überhaupt nicht ähnlich. Praktisch heißt das, dass er sich selbst in seinen schlimmsten Albträumen nicht hätte vorstellen können, dass der stolze Erbe des Musabetsu Kakuto Ryu einmal in Leder modeln würde! Selbst Großmeister Happosai wäre nicht auf eine solche Idee gekommen – obwohl er den neuen Kleidungsstil sicherlich begrüßen würde. „R-Ranma! Was soll das! Willst du deinen alten Vater beschämen!?“ Das Mädchen begegnete seinem Blick und lächelte schief. „Oh-ho! Beschämen? Na, du wirst wohl wissen, wovon du sprichst – bist ja schließlich Experte drin, nich’?“ „Ich glaub’, ich hab’ dich in letzter Zeit zu häufig von der Leine gelassen. Diesen Fehler werde ich heut’ korrigieren.“ Ranmas Antwort bestand aus einem zweiten Lächeln, diesmal geradewegs boshaft. „Ah – jetzt wird’s interessant. Wusste zwar nicht, dass du auf so was stehst, aber auch gut du alter Sack.“ Genma stockte in seiner Bewegung. Gerade hatte er sich erhoben und auf sein Kind zu bewegt, da erreichten ihn Ranmas Worte und er erstarrte. „W-Was soll das Ranma? So habe ich dich nicht erzogen. Ich war kein Musterbeispiel für einen Vater, aber SO habe ich dich nicht großgezogen. Entschuldige dich gefälligst.“ Der Saotome-Spross schnaufte abfällig und legte den Kopf schief. „Ach Alterchen, du checkst es nicht, oder?“, begleitend mit der rein rhetorischen Frage begann Ranmas feuerrotes Haar tatsächlich Feuer zu fangen. Ihre Augen glühten kälter denn je. „Ranma macht ein Nickerchen und jetzt bin ich hier.“ Genmas Augen verengten sich zu Schlitzen und er öffnete den Mund, doch Soun kam ihm zuvor. Die Stimme seines alten Kameraden war kühl und besonnen, ganz so wie das in früheren Tagen der Fall gewesen war. „Wer bist du dann, wenn nicht Ranma?“ Gespielte Erleichterung tanzte über die Miene des Rotschopfes. „Endlich fragt mal einer. – ein unirdischer Wind blies durchs Anwesen, ließ die Blumen in den Vasen tanzen und ihren hüftlangen Zopf flattern, während das Grinsen auf ihren Lippen größer und bedrohlicher wurde – Ich bin eine Dämonin. Eine Dämonin zweiter Klasse, zweiter Kategorie mit unlimitiertem Zugriff. Mein Fachgebiet ist Wehmut. Meine Name ist – Verdammt!“ Ein Platschen zerstörte die Dramatik des Moments. „Du meine Güte, tut mir leid Ranma.“ Die platschnasse Dämonin spähte aus gesenkten Augenlidern zu Kasumi. Die großherzige Haushälterin lächelte unschuldig und hielt einen Eimer in der einen und einen Wischlappen in der anderen Hand. „Elende Sterbliche, du wagst es mich zu verhöhnen?“ „Trockne dich doch bitte ab Ranma. Ansonsten machst du am Tisch alles nass. Das wäre doch schade, oder?“ Verblüfft beobachtete der höllische Rotschopf das Mädchen. War die nicht mehr ganz in Ordnung? „Ich bin eine Dämonin zweiter Klasse, verbeuge dich vor m…“ „Froteehandtücher sind oben Ranma. Beeil’ dich, sonst isst dir dein Vater noch alles weg.“ Jovial lächelte das gute Herz des Hauses und ging beschwingt ihrer Wege, der Eimer klapperte höhnisch mit. „Ja was zum…“, murrte die Dämonin ungläubig, hatte aber nicht viel Zeit sich zu wundern. „Also Verdammt, was hast du mit meinem Sohn gemacht?“ Perplex sah das Höllenwesen auf. Hatte sie hier irgendetwas verpasst? „Wie bitte?“ „Du hast mich schon gehört Verdammt, was ist mit meinem Sohn?“ Verdammt? Verdammt? Was hatte der für ein Problem? Erst dann dämmerte der Dämonin die Erkenntnis und sie ließ die Schultern hängen. Soviel zum Thema ruhmvolle Wiederkehr. „Sie missverstehen, mein Name ist…“ „Ja, ja, Verdammt. Ich hab’s kapiert. Aber wo ist mein Sohn?“ „Der ist in mir, der schläft und ich heiße…“ „Verdammt! Ich weiß, dass du Verdammt heißt! Ich will meinen Sohn verdammt nochmal!“ „Ich heiß’ nicht Ver…!“ Erneut traf sie ein Schwall eiskalten Wassers ins Gesicht. Fassungslos spähte die Dämonin ein zweites Mal in die unschuldige Miene der Haushälterin. „Das tut mir leid Ranma. Jetzt sollest du dich aber wirklich mal abtrocknen.“ „Verdammt, verdammt, verdammt!“, brüllte die Dämonin zornig. „Wir wissen wie du heißt!“, brüllte Genma nicht leiser. „Ich heiße nicht Ranma und auch nicht…!“ Ein schwerer Gegenstand traf den Rotschopf von der Seite und schleuderte sie zu Boden. Einige Meter entfernt stand Akane, die schwer atmete und den Dämon anfunkelte. „Hör’ auf zu brüllen du Perverser!“ Benommen hielt sich die Dämonin den Kopf. Also, SO hatte sie sich ihre Weltübernahme nicht vorgestellt. „Verdammt auch eins, was sollte das denn?“ „Musst du ständig deinen Namen wiederholen!“, meckerte Genma von rechts. „Benimm’ dich gefälligst!“, schnauzte Akane von links. Soun unterstrich beide Aussagen mit nachdrücklichem Schweigen. Und die Dämonin fühlte ihr Nervenkostüm zerreißen. „Nehmt mich gefälligst ERNST!“ Kaum schallte das letzte Wort über ihre Lippen, da schleuderte sie ihre Arme wuchtig in beide Richtungen und verteilte ein paar harmlose Funken in der Luft. Die knisternden Flammenzungen, die daraufhin das Parkett entlangjagten, waren allerdings alles andere als harmlos. So wichen Akane und Genma nur in allerletzter Sekunde den Feuerwalzen aus, die sich an ihnen vorbei und durch die Außenwände des Anwesens brannten. „S-Soun?“, Genmas Stimme zitterte merklich. „J-Ja Saotome?“ „D-Das müssen w-wir doch n-nicht zahlen, oder? S-Sind doch h-hübsche Nebeneingänge, o-oder?“ Soun richte einen ungläubigen Blick auf seinen alten Kamerad, wollte sich dazu durchringen etwas – irgendetwas - zu sagen, schüttelte dann aber bloß den Kopf. Es hätte ohnehin keinen Sinn. „Hört mir gefälligst zu! – quengelte die Dämonin, führte aber sofort weiter aus - Diese Behausung wird mir als Unterschlupf dienen, im Gegenzug werde ich euch an den Rand eurer erbärmlichen Existenz und mit mir unvorstellbares Chaos bringen.“ Ranma kicherte selbstgefällig. Souns Miene blieb neutral. „Junges – Fräulein, entschuldigen sie. Aber wo genau ist der Unterschied zum vorherigen Ranma?“ „Eh…“, repondierte die Dämonin ein wenig hilflos und war von einem Augenblick zum nächsten von der Katze zur Maus geworden. Trotzdem, in ihrem Fall konnte selbst die Maus noch beißen; und ihre Wunden brannten. „Genug des Unsinns. Ihr werdet mir unterstehen und ich…“ „Essen ist fertig, bitte zu Tisch.“ Fassungslos verfolgte das dämonische Rothaar mit wie ihr Publikum abwanderte und sich an den Tisch setzte. Bald schon begann eifriges Geplapper, das Scheppern von Tellern und die zweite Schwester drängte sich mit einem „Könnt’ ich mal? Danke auch.“ auf der Treppe an ihr vorbei. „A-Aber…“ „Ranma, setz’ dich doch bitte. Das Essen wird sonst kalt“, ermahnte Kasumi sie. „A-Aber ich…“ „Ranma“, tadelte Kasumis Ton sie mit der ganzen verheerenden Wucht eines Wattebausches. Die Dämonin ließ die Schultern hängen und schlurfte zum Tisch, wo sie sich neben dem Mädchen mit den blauen, kurzen Haaren niederließ. Es war genau das Mädchen, das vorhin diese – fragend sah sie zu der Stelle, wo das Projektil aufgekommen war – Samurairüstung nach ihr geworfen hatte. Warte mal, Samurairüstung? Ungläubig glotzte sie zur Seite und erhaschte das finstere Starren Akanes, das augenblicklich münzgroße Löcher in sie bohrte. Waren hier denn alle verrückt? Sie war eine waschechte Dämonin und keinen kümmerte es? „Bedien’ dich doch Ranma“, echote die engelsgleiche Stimme der ältesten Tochter. Allerlei bösartige Ideen zogen durch das Bewusstsein der Höllenbrut. Sie könnte jetzt den Tisch entflammen lassen, sie könnte das Haar der mittleren Tendo ansengen oder sie könnte wohlmöglich sogar Kasumi beleidigen. Ein „Dankeschön“ später bediente sie sich am Essen. Teufel auch eins, war sie erbärmlich. Die Dämonin ließ die Schultern noch ein wenig tiefer sinken und seufzte kläglich, dann aß sie weiter. Der nächste Morgen war klar, keine Wolke am Horizont zu sehen und die ersten Vögelchen zwitschern bereits friedlich über den Dächern der Häuser. Teig brutzelte vergnügt auf einer Herdplatte, warf Blasen und wurde behände gewendet. Lächelnd sah Ukyo auf die Uhr hinter sich und gähnte, ehe sie sich erneut dem Okonomiyaki und dem hellen Sonnenschein zuwandte. Gestern Abend hatte sie noch eine kleine Unterhaltung mit Ryoga geführt. Etwa darüber, wohin ihre Bedienung denn heute genau gehen wollte. Eingangs war besagte Bedienung konsequent dagegen gewesen IRGENDETWAS preis zu geben. Nachdem Ukyo Ryogas Zunge allerdings ein wenig ‚gelockert’ hatte – bei dem Gedanken daran erwärmten sich ihr sogar selbst die Wangen -, war die Göttin erstaunlich redselig geworden. Schön zu sehen, dass der weibliche Charme auch bei Mitgliedern der eigenen Rasse zog. Auf jeden Fall hatte Kuonji herausbekommen, was sie wissen wollte. Unerwähnenswert, dass sie nicht gerade glücklich über Ryogas Zusage an Kasumi war. Außerdem war sie doch recht verwundert, warum die Tendo-Schwester ausgerechnet Ryoga wählte. Schließlich kannten diese und Ranma sich doch kaum. Nebenbei verstand sich die Göttin nicht allzu gut mit ihrem Verlobten – rückblickend aus durchaus nachvollziehbaren Gründen –, zudem war besagter Verlobter im Moment nicht so ganz er selbst. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Ukyo noch keine Ahnung wie Recht sie damit behalten sollte. Die Treppe knarrte. Grinsend wandte Ukyo sich dieser zu, während sie – ohne hinzusehen – die Okonomiyaki in die Luft schleuderte und auf zwei vorplatzierte Teller beförderte. Derartiges konnte sie im Schlaf. Ehrlich gestanden, beherrschte sie das Okonomiyaki-Backen tatsächlich im Schlaf. So war es ihr nicht selten passiert, dass sie versucht hatte, ihr Kopfkissen knusprig und kross zu backen. Hinbekommen hatte sie es, jedoch stellten sich die schwarze Farbe und der Geschmack verbrannter Wolle als eher unappetitlich heraus. Ryoga roch das Aroma des Okonmiyaki bereits auf der zweiten Etage und folgte diesem blind – tatsächlich lief sie wirklich mit geschlossen Augen. Mit jedem Meter, den sie sich näherte, wurde der Geruch umso verführerischer – und erschlagender. Nicht, dass sie Ukyo auf den zweiten Punkt hinweisen würde. Schließlich war Ukyo insbesondere auf ihre kulinarischen Künste stolz. Vielleicht war es ja dieser Stolz der ihre Gerichte so gut schmecken ließ? Ja, wahrscheinlich lag es daran, denn ihre Küche war genauso speziell wie Ukyo selbst. Man merkte, dass dieses komische Mädchen, bei allem was sie tat, eine gewisse Liebe zum Detail an den Tag legte. Apropos Liebe… Wie standen Ukyo und sie nun zueinander? Die vorletzte Nacht hätte sie vielleicht noch als ‚Unfall’ werten können, obwohl es schon ein sehr prekärer und intimer Unfall gewesen wäre. Aber das Ukyo sie gestern Abend erneut geküsst hatte, gab ihr zu denken. Die Ereignisse von vorletzter Nacht gaben ihr zwar auch zu denken, aber in gänzlich anderer Hinsicht - und benötigten daher besondere Aufmerksamkeit. Ob Ukyo sie wohl mochte? Unter glühenden Wangen verließ Ryoga das Treppenhaus – und lief beinahe in den Dreh- und Angelpunkt ihrer Überlegungen hinein. „Oh. Oh! H-H-H-Hallo U-Ukyo. G-G-G-Guten M-M-Morgen!“, kämpfte die Junggöttin tapfer hervor. Ukyo ihrerseits verdrehte nur die Augen, deutete wortlos auf die zwei Teller, auf denen bereits Okonomiyaki dampften und spazierte mit leichtem Hüftschwung zum Tisch. Ryoga folgte brav hinterher - natürlich ausschließlich um sich nicht zu verlaufen. Kurz quietschten die Stuhlbeine übers Holz, dann saßen beide auch schon und aßen. Für eine Weile herrschte Stille – natürlich konnte es so nicht bleiben. „Und?“, fragte Ukyo. „Hm?“, fragte Ryoga zurück. „Wann geh’n wir?“ „Jetzt dann am b…“ Der Sprachverlauf der Göttin in Ausbildung erlebte eine unerwartete Eiszeit. „W-W-Wie bitte? Wir?“ „Jupp“, gab Ukyo grinsend zur Antwort und schob sich ein Stück Okonomiyaki in den Mund. „Eh-eh! Auf-keinen-Fall! Wer weiß wie Saotome drauf ist? Ich lass’ ihn nicht in deine Nähe.“ „Oh-ho, machste dir etwa Sorgen um mich?“, lächelnd beugte Ukyo sich ihrer Bedienung entgegen. Ryoga reagierte entsprechend und lief rot an. „N-N-Nein. N-Nur nicht, d-dass du d-dich an ihn r-ranwirfst.“ „Ach Ryo-ga-chan, weshalb sollte ich das denn?“, flötete die Braunhaarige zuckersüß. „Als ob ich eine Göttin wie dich aufgeben würde.“ Das zusätzliche Zwinkern ließ Ryoga verschämt seitwärts blicken und brachte ihr Blut erneut in Wallung. „L-L-Lenk nicht ab! Du kommst nicht mit.“ „Oh doch, ich komm’ mit!“ „Tust du nicht!“ „Tu ich doch!“ „Nein!“ „Doch!“ Keine fünf Zentimeter entfernt voneinander verharrten beide Kontrahentinnen. Jede von ihnen halb über Tisch und Essen gelehnt. Dann wurde Ukyo mit einem Mal ganz ruhig – und feixte. Ryoga wusste spätestens in diesem Moment, das etwas stank. Und das war nicht das Okonomiyaki, trotz der Tatsache, dass sie dessen Geschwister jeden Tag mehrere Stunden lang roch. Ganz zu schweigen, ernäherte sie sich auch noch davon und das tagein, tagaus. Keiner hätte ihr verübeln können – obwohl streicht das, Ukyo würde es ihr verübeln! -, wenn sie sich beim bloßen Anblick der Teigfladen übergeben müsste. Nicht, dass sie bei ihrem eng angesetzten Arbeitsplan Zeit dafür hätte. Manchmal fand sie ja nicht einmal drei Minuten für die Toilette! „Also einverstanden? Super, ich wusste du würdest mir zustimmen.“ „W-W-Wie? Was?“, stotterte die überrumpelte Junggöttin, doch Ukyo war schon mit ihrem geleerten Teller zur Spüle verschwunden und eilte kurz darauf die Treppe hoch. Ominös knarrte jede Stufe in Ryogas Ohren. „Ja aber… wie?“ Verdattert blinzelte das Halbmädchen von dem Platz ihr gegenüber zur Spüle und von dort zum Treppenhaus. Wie kam es, dass niemand ihr zuhörte, geschweige denn ihren Willen respektierte? Unter einem müden Seufzen ergriff sie ihre Stäbchen, teilte ein Stück vom inzwischen erkalteten Okonomiyaki ab und führte es mit einem „Na dann, guten Appetit!“ an den Mund. Zehn Zentimeter – es rumpelte in der Etage über ihr. Sechs Zentimeter – die oberste Stufe der Treppe knarrte. Drei Zentimeter – die unterste Stufe knarrte. Ein Zentimeter – die Stäbchen verharrten. Es genügt zu sagen, dass Ryogas Frühstück ab da zum Abschied winkte und einsam auf den Teller zurückfiel. Dafür wurde die Junggöttin unter Protestrufen am Handgelenk aus dem Ucchan’s geschliffen. Ein Stupsen drehte das Schild auf GESCHLOSSEN und eine Schlüsseldrehung ließ das Schloss befriedigend klacken. „Mein Frühstück!“ „Du kriegst später eins!“ „Jetzt ist es aber morgens – ich will es jetzt!“ „Sei nicht so sein Baby!“ „Ich bin kein Baby!“ „Dann komm’ gefälligst mit!“ „Aber mein Frühstück!“ „Da hast du’s. Schon wieder beschwerste dich!“ „Tu ich nicht!“ Ins warme Zitronengelb der Sonne getaucht, blieb das Ucchan’s hinter dem streitenden Pärchen zurück. Ein paar Vögel stimmten wie zum Abschied ein Pfeifkonzert an, das die beiden Mädchen jedoch zugunsten ihres Wortwechsels ignorierten. So trugen ihre Füße die Köchin und die Göttin unweigerlich zum Tendo-Dojo. Was sie dort allerdings erwarten würde, entzog sich jeder gesunden Vorstellung. Daher war es gut, dass sie sich erst gar nicht weiter damit beschäftigen. Denn hiermit hatten die beiden nur den ersten Schritt auf einer sehr merkwürdigen Odyssee gemacht - eine Odyssee, die Ryogas sonstige Reisen wie Trips in den Streichelzoo aussehen lassen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)