Mensch mit Hund von winterspross (Wichtelgeschichte für DINO2011) ================================================================================ Kapitel 4: Teil Vier -------------------- TEIL VIER … in dem Toast an seinem Verstand zweifelt, Peter sich als gar nicht so schlechter Schüler erweist und Gisela dekorativ in der Gegend herumsitzt. „Peter, weißt du was?“, murmelte der Pudel, als er am Lagerfeuer erwachte und seinem Herrn direkt in die verschlafenen treubraunen Augen blickte. „Hmmm?“ „Wenn ich dich so ansehe, bekomme ich echt das große Kotzen.“ Toast musste feststellen, dass er Peter zwar nicht beißen, der ihm aber sehr wohl kräftige Kopfnüsse verpassen konnte. Sich selbst bemitleidend saß er etwas abwesend und leckte sich das Fell. Einfach grauenhaft, diese Situation. Mittlerweile waren schon drei endlose, schrecklich langweilige Tage vergangen, in denen sich nicht einmal der Stiefel eines Räubers am Horizont gezeigt hatte. Es war zum Verzweifeln, nichts geschah, außer dass sie sich, wenn man Gisela glauben konnte, nicht mehr weit von Mirgit befanden. Allerdings war der Hund mittlerweile nicht mehr so überzeugt, ob es eine gute Idee gewesen war, das Mädchen mitzunehmen: Es war seiner Meinung nach nicht viel klüger als das Toastbrot, dem er selbst seinen Namen verdankte. Zwar hatte es nicht viel Idiotisches von sich gegeben, doch diese Geschichte mit seinem kranken Onkel war doch sicher erstunken und erlogen, das konnte er regelrecht riechen. Gisela hatte irgendetwas vor, aber ganz offensichtlich war sie nicht schlau genug, es halbwegs raffiniert anzugehen. Nun, bei Peter hatte die Taktik ja gewirkt, er klebte an ihren Lippen – und anderen Körperteilen – und war zu keinem Gespräch mit seinem Gefährten fähig, weshalb Toast es aufgegeben hatte, ihn weiter warnen zu wollen. Nun, wenn er sich ins Verderben stürzen wollte, ihm war es nur recht. Wenn Peter starb, war zumindest der Vertrag erfüllt und er hatte wieder einige Jahrhunderte Ruhe, bis der nächste Spinner kam und seine Hilfe brauchte. Andererseits verhinderte eben dieser Vertrag, dass er das zulassen konnte. Er seufzte. Was für ein Leben. Langsam trottete er hinter den beiden Turteltäubchen her und hielt die Nase auf den Boden. Noch einmal wollte er sich nicht die Blöße geben, einen Angreifer einfach zu überriechen, nicht auszudenken, was dieser unsägliche Peter dann mit ihm angestellt hätte. So bemühte er sich nach Leibeskräften, irgendeinen Feind zu erschnuppern, doch wie schon in den letzten Tagen konnte er keine anderen Duftspuren außer denen von Kaninchenköddeln, Schlamm und Gras entdecken. Es war ganz so, als ob sich hier seit Jahren niemand mehr bewegt hätte. Seltsam war das schon, denn eigentlich müssten sie nach Aussage Giselas ja schon ganz nah an einer großen Stadt sein. Toast lauschte. Die Stille der Landschaft dröhnte regelrecht in seinen Ohren. Nichts, gar nichts regte sich, kein Vöglein zwitscherte, kein Wind wehte. Wo waren sie überhaupt? Diese Gegend kam Toast nicht sehr einladend vor, auf dem Boden lagen spitze Felsen, links und rechts erhob sich eine steile Felswand. Verdorrte Bäume säumten den Weg. Diese Geräusch- und Geruchlosigkeit war äußerst merkwürdig… Nur ein paar kleine Steinchen rieselten den Abhang herunter. „Peter!“ Der Felsbrocken rumpelte vollkommen unerwartet in die Tiefe, doch Toast schaffte es gerade noch, Peter auf die Seite zu stoßen, um ihn so vor Schlimmerem zu bewahren. Wütend schimpfte er auf seinen Meister ein, der vollkommen blind durch die Welt zu marschieren schien. Peter lächelte nur, als er sich aufrappelte. „Machst du dir etwa Sorgen um mich?“ „Ach, sei still! Wenn du endlich tot bist, dann habe ich wieder ein paar hundert Jahre meine Ruhe!“ Es krachte laut, als sich eine spinatgrüne Wolke materialisierte. Als sich der verdächtig nach Pferdeäpfeln duftende Rauch verzogen hatte, humpelte ein vertrocknetes Männlein auf die beiden zu. Es sah sehr angestrengt aus und keuchte bei jedem seiner kleinen Schritte wie eine Miniaturdampflokomotive, doch die mausgrauen Augen waren zu kleinen bösen Schlitzen verengt. Peter wusste nicht, wer dieser Opa war, doch Toast zuckte bei dem Anblick des Alten zusammen: Es war sein Peiniger und Gefängniswärter Turlin. Der geneigte Leser wird nun sicher wissen wollen, wer er nun war, dieser Turlin. Zum jetzigen Zeitpunkt soll nur so viel gesagt werden, dass der alte Mann ein berühmter Magier war und es mit einer List geschafft hatte, Toast in einer seiner früheren Manifestationen zu bannen. Weiters waren die Lieblingsspeisen des Magiers Schafkäse und Mayonnaise, er bevorzugte weiche Leinenbettwäsche und liebte es, sich abends ein entspannendes Fußbad in lauwarmer Hühnersuppe zu gönnen. „Du Unglücklicher!“, brüllte nun Turlin erstaunlich kraftvoll und starrte Toast aus zusammengekniffenen Augen an. „Halte dich an deinen Vertrag, sonst wird es dir schlecht ergehen!“ „Dass du noch lebst, du vertrockneter alter Sack“, murmelte Toast wütend. Er hatte gehofft, disen lästigen Pimpf schon vor langer Zeit losgeworden zu sein, da er ihn schon seit mindestens zwei Jahrhunderten nicht mehr gesehen hatte. Allerdings hatte Turlin gerade wieder bewiesen, dass er selbst für einen seiner Zunft ganz besonders zäh war. Toast vermutete ja, dass der Magier von dem Zorn, den er für ihn hegte, konserviert wurde. Nun, da er jetzt aufgetaucht war, hieß das wohl, dass er sich etwas mäßigen musste. Turlin war zwar uralt, aber immer noch sehr geübt, was Flüche und ähnliches anging. Misstrauisch beäugte er seinen ersten Meister, doch der hatte sich nun Peter zugewandt und musterte ihn unverhohlen von oben bis unten. „Du bist nun also der, der sich neuer Meister nennt?“, lächelte er schelmisch. „Ja, der bin ich wohl“, grinste Peter verlegen und kratzte sich am Kopf. „Bilde dir ja nichts ein, Bürschchen. Bei mir hatte dieser Pudel eine etwas ansprechendere Form. Du Versager.“ Sämtliche Farbe wich schlagartig aus Peters Gesicht, doch Turlin drehte sich nun wieder zu Toast um und beachtete ihn nicht weiter. „Denk an den Vertrag. Halte dich daran, sonst wirst du es bereuen, das kann ich dir garantieren.“ Der Alte lächelte böse auf den Hund herunter, der sich nun noch erbärmlicher und kleiner vorkam als sonst. „Wie niedlich du aussiehst. Kümmere dich gefälligst um deinen Meister, Schoßhündchen, ihr werdet beide untergehen, wenn du so weitermachst. Ich beobachte dich…“ Wieder puffte es und der altbekannte Pferdeäpfelgeruch machte sich breit. Peter atmete erleichtert aus und auch Toast fühlte sich nun wieder etwas wohler. Bei der nächsten Begegnung musste er Turlin allerdings raten, ein anderes Parfum zu benutzen. „Himmel, wer war denn das?“, ließ nun auch Gisela vernehmen, die sich bis jetzt hinter einem Busch versteckt hatte. Toast wollte gar nicht wissen, wie sie es geschafft hatte, Turlins magischem Blick zu entgehen, beschloss aber, die Warnung seines ersten Meisters ernst zu nehmen und besser auf Peter aufzupassen. Er würde Gisela im Auge behalten. „So ein böser alter Mann… Peter, halt mich fest!“, seufzte sie. Der ließ sich das nicht zweimal sagen und umschlang die zierliche Frau mit seinen starken Armen. Während sich die beiden nun oscarreif und ohne ersichtlichen Grund küssten, Toast sich bemühen musste, nicht zu erbrechen und sich die Erde weiterdrehte, verschwand ein grauer Schatten von der Felswand, der das Trio bis jetzt beobachtet hatte. Er würde zu seinem Meister zurückkehren und sich verantworten müssen, dass er es nicht geschafft hatte, die Feinde auszuschalten… Nun, eine Chance würde er sich noch gönnen. Später, wenn es dunkel geworden war. „Peter, du musst lernen, dich zu verteidigen und mich als Waffe einzusetzen“, begann Toast flüsternd, als er neben seinem Meister auf der Erde hockte. Gisela hatte sich schon neben das Lagerfeuer zum Schlafen hingelegt, man konnte sie in der Nähe leise schnarchen hören. Der Hund war mehr als froh darüber, er hatte genug von dieser dämlichen Schnepfe, die Peter dermaßen das Hirn vernebelt hatte, dass der nicht einmal wissen wollte, wer denn der ungebetene stinkende Gast gewesen war oder wer den Felsbrocken auf ihn geschleudert hatte. Er schien nicht zu verstehen, geschweige denn zu bemerken, dass er in Gefahr war. Nun versuchte es Toast mit einem Appell an seinen Stolz. „Du willst doch stark sein, um Gisela beschützen zu können, wenn es darauf ankommt, oder?“ „Gisela beschützen… Ja, das hört sich gut an…“, säuselte Peter. Toast wartete nur noch darauf, dass er jeden Moment anfing zu sabbern. Seufzend verdrehte er die Augen. „Gut, dann fangen wir gleich an.“ Er schnappte nach Peters Hosenbein und begann zu zerren. Den leisen Protest seitens seines sogenannten Meisters ignorierte er und machte einfach weiter, bis Peter endlich neben ihm stand und auch hinter ihm hertorkelte, wenn er ihn rief. Na wunderbar. Irgendetwas lief hier gewaltig schief – sollte es nicht umgekehrt sein? Nun, mittlerweile hatte er sich abgefunden, dass mit dem Typen einiges nicht ganz toll war wie mit früheren Meistern, seine jämmerliche Gestalt war der beste Beweis dafür. Oh, was für imposante Körper hatte er früher gehabt! Leise winselnd lief er weiter. Hoffentlich schaffte er es bald, Peter zu einer mutigen Tat zu bewegen, lange würde er das nicht mehr aushalten. Als er endlich eine geeignete Stelle gefunden hatte, ließ er sich im taufeuchten Gras nieder. „Setz dich, die Nacht ist noch lang.“ Peter verstand nicht recht, was er eigentlich tun sollte. Es war viel zu kalt, um sich zu konzentrieren, wie es Toast von ihm verlangte. Das feuchte Gras durchweichte seine Hosen, machte ihn munter, und doch, er hatte das Gefühl, jede Sekunde einzuschlafen. Leider schnappte diese Töle jedes Mal, wenn sein Kopf hinunter sank, nach gewissen Regionen seines Körpers und weckte ihn so schlagartig wieder auf. Konzentrieren, pah. Was sollte das bringen? Und wieso überhaupt mitten in der Nacht? „Verdammt, jetzt reiß dich zusammen!“ Toast war sichtlich wütend. „Du bist schlimmer als jedes Kleinkind, selbst das hätte den Ernst der Lage schon erkannt!“ „Kleinkind nennst du mich?“, knurrte Peter nun zurück. Sein Schädel brummte, seine Augen brannten und dieser Hund beschimpfte ihn auch noch: Das Maß war eindeutig voll. „Du hast mir nicht einmal gesagt, wieso ich mir hier eigentlich die Blase verkühle!“ Es war zwar dunkel, doch er konnte genau erkennen, wie sein tierischer Begleiter die Augen verdrehte. Zorn stieg in ihm auf, Zorn über diese Reise, die dermaßen sinnlos war, dass er hätte losschreien können. Es raschelte im Gebüsch. „Sei still“, zischte Toast und Peter verstummte. Ein Paar glühender Augen starrte sie an. Leises Knurren ertönte. „Was zum…“, murmelte Peter erschrocken, doch da löste sich ein Schatten aus der Dunkelheit und sprang. Peter wollte weglaufen, doch etwas hinderte ihn daran, sich zu verstecken. Schlagartig erinnerte er sich wieder an die Vorschriften. Nach links wegducken, Angriffe gingen meist nach rechts. Ein grauer Schatten rauschte an ihm vorbei, ein jämmerliches Jaulen ertönte. Ruckartig drehte er den Kopf in Toasts Richtung, konnte den Hund jedoch zuerst nirgends entdecken. Erst als er sich konzentrierte, sah er ihn: Leblos lag er etwas weiter von ihm entfernt auf dem Boden, der Angreifer hatte sich offensichtlich zuerst um ihn gekümmert und wollte nun ihn erledigen. Die Augen glitzerten nun wieder im Schatten, musterten ihn. Peters Herz raste, doch er fühlte sich vollkommen klar im Kopf. „Das kannst du vergessen, du Arsch“, stellte er trocken fest und griff, leicht erstaunt über seinen eigenen Mut, nach einem abgestorbenen Ast, der auf dem Boden lag. Das Ding war zwar mehr als nur morsch, doch für kurze Zeit konnte er sich den Fremden sicher vom Leib halten. Langsam löste sich ein gewaltiges Untier aus der Dunkelheit. „Du glaubst wohl nicht, dass du mich damit besiegen kannst?“, ertönte eine tiefe Stimme. Der graue Wolf schien zu lachen, seine Augen funkelten nun noch mehr, er schien hungrig zu sein. „Versuch es nur, Peter Librarian, ich werde dich in Stücke reißen!“ Entschlossen packte Peter seine Waffe fester. Das Holz knirschte unter seinen Fingern. Nun, dann würde er wohl als Wolf-Chappi enden, doch er würde es dem Monster nicht zu leicht machen. Probeweise schlug er mit dem Ast nach den Pfoten des Wolfes, der geifernd zurücksprang, um gleich wieder näherzukommen. Fast schien es, als würde er mit seinem Opfer spielen. „Bist du bereit zu sterben?“, grinste er und leckte sich über das Maul. Es krachte und ein Geruch nach nasser Katze machte sich breit. Verdutzt starrte der Wolf an Peter vorbei in die Dunkelheit. Einige Augenblicke später stürzte sich ein schwarzer Schatten auf ihn. Wild kämpfend rollten die beiden auf dem Boden herum, Fellfetzen flogen, doch kein Laut erklang. Die beiden Wesen bekämpften sich in vollkommener Stille, was der ganzen Sache eine sehr unheimliche Note gab. Schließlich zerriss der Schwarze dem Grauen die Kehle. Peter hatte alles reglos verfolgt. Immer noch hielt er den Ast umklammert, doch seine Knie zitterten so sehr, dass er auf dem Boden zusammengesunken war. Als der schwarze Schatten endlich von seinem Gegner abließ und auf ihn zukam, wäre er am liebsten im Erdboden versunken. Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte: Es war Toast, sein Toast, der ihn gerettet hatte. Verändert sah er aus: Anstatt kurzer, flauschiger Stummel hatte er nun lange, muskulöse Beine mit glattem Fell. Monströse Krallen waren ihm gewachsen, an denen immer noch Blut klebte. Der Stummelschwanz war einer mächtigen schwarzen Rute gewichen, die einem Wolf alle Ehre gemacht hätte. Der Rest des Körpers war jedoch unverändert geblieben, was dem Hund ein noch erbärmlicheres Aussehen verpasst hatte. Peter hoffte inständig, dass es in Mirgit und Umgebung keine Spiegel gab – Toast würde ihn garantiert umbringen, wenn er sich zu Gesicht bekäme. Verzweifelt bemühte er sich, nicht zu lachen, doch es nutzte alles nichts. „Gott, du siehst echt schrecklich aus!“, kicherte er. Toast griff an. Kreischend schlug Peter die Arme vors Gesicht, doch anstatt eines schmerzhaften Bisses spürte er nur eine feuchte Zunge, die ihm über die Ohren schlabberte. „Danke, dass du so mutig warst! Danke, danke!“, heulte der Hund. Verwirrt, aber glücklich streichelte Peter ihm das Fell. „Ist die Show schon vorbei?“, ertönte ein helles Stimmchen. Toast und Peter drehten sich um und entdeckten Gisela, die es sich auf einem Fels in der Nähe bequem gemacht hatte. Peinlich berührt rutschten sie voneinander weg. In der Hand hielt ihre Beobachterin ein Stöckchen, auf dem sich weiße Klumpen eines Nahrungsmittels befanden, das Toast nach einem kurzen Schnuppern als Marshmallows identifizierte. Bestimmt hatte sie schon die ganze Zeit dort gesessen. „Glaubst du mir jetzt, dass die Frau einfach vollkommen irre ist?“, zischte er seinem Meister zu. „Jupp.“ Der andere sah ihn erstaunlich intelligent an. „Dann lass uns abhauen, wenn sie schläft.“ „Aber sie ist doch soooo süß!“, quietschte Peter mädchenhaft und winkte eifrig in Giselas Richtung. Nun, es hatte sich wohl doch nicht alles geändert, das musste Toast zugeben. Allerdings hatte sich Peter als gar nicht so nutzlos erwiesen, als er gedacht hatte. Jetzt musste er ihm nur noch so schnell wie möglich beibringen, ihm seine wahre Gestalt wiederzugeben. Halb Pudel, halb Wolf… Er konnte sich nicht entscheiden, ob es klüger war, sich gleich selbst zu ersäufen oder zu warten, bis das die Bewohner von Mirgit im Glauben, ein Monster zu töten, erledigten. Gisela und Peter liefen vor ihm her und er folgte ihnen über seine neuen langen Beine stolpernd zum Lager zurück. Weiters musste diese schräge Tante im Auge behalten werden. Irgendetwas hatte sie mit der Sache zu tun, dieses Gefühl wurde er einfach nicht los. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)