Nacht von erdbeerschen ================================================================================ Prolog: Prolog~♥ ---------------- Sie liebte die Nacht. Vor allem die Stille und diese Dunkelheit. „Chof!“, rief er leise. Eine Eule schrie irgendwo in der Nähe. Sie zog sich nur noch die Ja-cke über, dann kletterte sie aus dem Fenster. Sie balancierte vorsichtig am Dachrand entlang und kletterte am Baum herunter. „Hast du alles?“, fragte sie und fuhr mit der Hand durch die Haare um die kleinen Zweige darin zu entfernen. „Natürlich!“ Sie konnte sehen, dass er grinste, obwohl es dunkel war. Jemand räusperte sich. Die beiden schreckten herum und sahen, dass Falke sich näherte. Er nickte ihnen zu. Sie schlichen sich zu dritt aus dem Garten, kletterten über den Zaun und stahlen sich durch die Straßen. Sie mieden die Laternen. Das Licht war ihnen zu unheimlich. Chof balancierte spielerisch auf einem Zaun. Falke beäugte sie skeptisch. Sie näherten sich der S-Bahn-Haltestelle. Sie drei warfen sich Blicke zu und teilten sich dann auf. Chof ging auf ein dunkles Fenster zu, kletterte daran herauf und schaffte es mit Geschicklichkeit und Mut auf das Überdach des Bahngleises. Auf dem Bahnsteig waren ein paar betrunkene Jugendli-che. Falke stieß zu ihr. „Heute ist Neumond.“, stellte er fest und sah in den Himmel. „Hm…“ Sie sah besorgt in den Himmel. „Aber es riecht nach Regen.“ „Vorhin hat es leicht genieselt.“ Socke setzte sich wieder zu ihnen. „Wo warst du so lan-ge?“, fragte Chof und runzelte die Stirn. „Ich denke nicht, dass ich dir das sagen muss…“ Er grinste. Chof zeigte ihm Zähne doch er reagierte nicht darauf. Die Bahn wurde angesagt und die drei bereiteten sich vor. Langsam fuhr sie auf dem Gleis ein. Als sie angehalten hatte, sprangen sie ab und landeten auf dem Dach. Die Entfernung war immer ein Risiko. Auch, dass der Aufprall hätte gehört werden können. Doch die drei kannten das Spiel und waren geübt. Als sie aufkamen, wandten sie sich blitzschnell um und liefen lautlos zum Ende des Wagens. Zu ihrem Glück war es einer der älteren Bahnen. Am letzten Wagen waren Ausstülpungen, Ketten und Möglichkeiten sich festzuhalten. Sie passten auch wunderbar zu dritt ans Ende. Chof hielt sich an Socke fest und vergrub ihr Gesicht in seinem Pullover. Er roch immer noch wie früher. Falke lehnte mit dem Rücken am Wagen und sah auf die Schiene. Die Bahn fuhr wieder. Wenn die Bahn sehr schnell wurde, könnte sie die drei abwerfen. Doch es war nur eine Stati-on. Als die Bahn wieder langsamer wurde, wussten sie, dass sie da waren. Bevor sie ganz angehalten hatte, sprangen sie ab und ladeten zielsicher auf ihren Füßen. Ohne ein Wort zu verlieren liefen sie über die Schienen, kletterten über einen Zaun und schli-chen sich durch die Bäume. Und das fast ohne ein Geräusch zu verursachen. Sie liefen durch ein altes Stadtviertel. Ein paar Obdachlose umringten ein Feuer. Chof ging an ihnen scheinbar kaltmütig vorbei. Sie beobachtete aber sehr genau die Leute und studierte jedes Gesicht. Der Feind lauerte schließlich überall. In der Gasse wurde es wieder dunkler. Chof gefiel das. Die Dunkelheit hatte sie völlig ein-genommen und trotzdem sah sie alles. Sie fühlte sich noch immer wie eine Katze. Die Jungs kletterten das Haus hinauf. Chof lehnte sich an die Wand und beobachtete den Eingang der Gasse. Sie durften nicht zulassen, dass jemand ihnen folgte. Falke gab ein Taubengeräusch von sich. Chof nickte und stieg auf das erste Fensterbrett. Sie hangelte sich geschickt von ei-nem Sims auf das nächste. Jeden ihrer Armmuskeln konnte sie spüren. Nicht jedes Haus konn-te man hinaufklettern. Aber alte Backsteinhäuser waren gerade zu dafür gemacht. Als sie die Vier-Meter-Grenze erreicht hatte, spürte sie sich kontrollierter arbeiten. Ein Fehler und es würde gefährlich werden. Ab wie viel Meter es tödlich werden konnte wusste sie ebenfalls genau. Und obwohl sie kein Lineal bei sich hatte, wussten sie und ihre Jungs immer genau, wann es zwei oder zehn Meter waren. Erstaunlich? Nicht wirklich. Als sie die oberste Kante erreichte, war klammerte sie sich fest und stieß sich nach oben ab. Ähnlich wie man es im Schwimmbad machte, wenn man aus dem Wasser wollte. Socke und Falke warteten auf sie. Von hieraus hatte man einen so schönen Blick. Das Dach war flach und ein paar Kabel lie-fen darauf lang. Chof sprang darüber und ging zum anderen Ende des Daches. Sie atmete die kühle Nachtluft ein. Lichter funkelten in der Ferne. Sie wusste noch genau als sie das erste Mal hier oben stand und dachte, etwas Schöneres würde es im Leben nie geben. Socke stellte sich nahe an sie. Chof lächelte ihn an. Sie konnte den Park erkennen. Es war der einzige Ort, der nicht von Lichtern übersät war. Die Hochhäuser waren am deutlichsten zu erkennen. Der Himmel war jedoch nicht schwarz. Unzählige Lichter von Discotheken und anderen Festen durchzogen den Himmel. Sie schwenkten immer hin und her. Chof stellte sich vor, dass dort die Menschen lebendig waren, sie tanzten und lachten. Das es dort auf Neudeutsch: abging! Lächelnd drehte sie sich herum. Falke nickte ihr und Socke zu. Er ging voraus an den Rand. Rückwärts, zuerst auf allen Vieren ließ er sich dann wieder herunter. Socke folgte ihm. Wieder einmal sah sie sich zu allen Seiten um, ob jemand in der Nähe war. Ihre Sinne waren sehr gut. Sie sah nicht nur nachts besser, als jeder andere Mensch, sie hörte auch wunderbar. Sie fühlte sich nicht beobachtet. Und trotzdem nicht wohl. Das Taubengeräusch. Chof machte es wie Falke und ließ sich auf den nächsten Sims nieder. Sie bewegte sich langsam daran entlang und kletterte an einem Fenster dann weiter hinab. Es hatte ein Gitter. Von dort aus war es nicht mehr tief bis zum nächsten Dach. Ohne zu zögern sprang sie hinab und rollte sich ab, als sie aufkam. Blitzschnell liefen sie hinüber und sprangen auf das nächste Dach. Sie mussten schnell und lautlos sein, wenn sie nicht entdeckt werden wollten. Das Gebäude war noch erleuchtet. Und wenn die Leute aus dem Fenster sahen, hätten sie die Drei entdecken können. Chof seufzte lautlos als sie wieder unten war und nicht mehr laufen musste. Sie liefen über eine Straße. Eine Straßenbahn rauschte in einiger Entfernung an ihnen vorbei. Die Leute dar-in sahen in ihre Richtung. Aber sie sahen die Drei nicht. Als die Bahn weg war, liefen sie weiter. Das alte Fabrikgelände wurde sichtbar. Diese Ge-gend war schmutzig. Niemand lebte hier. Die Obdachlosen hielten sich im alten Viertel auf. Aber einige Gangs ließen sich hier manchmal blicken und noch schlimmer waren dumme Ju-gendliche, die glaubten, hier etwas kaputt machen zu können, dass noch nicht kaputt war und sich ordentlich betrinken zu dürfen. Eine alte Werbung. Das Plakat war vergilbt und hing zur Hälfte zerfetz herunter. Falke ließ einen lauten Falkenschrei über das Gelände läuten. Eine Weile war es Still. Dann schien ein Hund zu bellen. Falke runzelte die Stirn. Chof sah Lichter. Sie fauchte wie eine Katze und die beiden Jungs drehten sich nach links und liefen am Zaun des Geländes entlang. Chof folgte ihnen in ein paar Metern abstand. Sie konnte die Polizei förmlich riechen. Scheiß Beamte. Meinen, dass sie die Stadt beschützen müssten. Vor ein paar Kinder, die ei-ne Gang gegründet hatten? Warum hielten sie sich nicht an die großen Fische und sorgten für weniger Morde und Diebstähle. Chof holte die Jungs ein. Sie krochen durch ein Loch im Zaun und verbargen sich, auf dem Bauch liegend in Hagebuttensträuchern. Chof schnüffelte. Sie waren nahe. Ein Lichtstahl flog durch die Luft. Die Drei regten sich keinen Millimeter mehr. „Diese Bandenbildung müsste man doch irgendwie unterbinden können. Das wird langsam zu viel!“, hörte sie einen Mann sagen. Er strahlte in den Strauch in dem sie lagen. Doch we-der sie noch einer der Jungs hatten auch nur die Spur von Angst. Er würde sie nicht sehen. „Ja! Und das schlimmste ist, sie ziehen da die Kinder noch mit rein“, sagte ein anderer „Frühkriminell!“ Es waren drei. „Früh übt sich!“, lachte der erste. „Das ist nicht lustig!“ Eine Weile herrschte Stille. Der Strahl der Taschenlampe huschte weiter. Chof sah, dass die drei Männer weiter gingen. „Wir sollten öfter hier kontrollieren. Das ist ein wunderbares Versteck.“ „Wir sollten alle Gebäude mal durchsuchen.“ „Ja nur um sicher zu gehen!“ „Wollt ihr etwa Überstunden machen?“ Sie verschwanden um eine Ecke und untersuchten eine alte Lagerstelle. Ihre Stimmen hallten an den Wänden wieder. Alle waren hineingegan-gen. Falke kroch langsam durch den Busch. Die beiden folgten ihm. Er huschte auf die andere Seite und sah sich aufmerksam um. Er nickte. Socke folgte ihm und Chof blieb noch einen Moment liegen und lauschte. Die drei Polizis-ten redeten immer noch. Ihre Taschenlampenscheine wirbelten unruhig im Lagerraum umher. Sie konnte es durch die hoch liegenden Fenster sehen. Ohne das geringste Geräusch zu verursachen stand sie auf und huschte zu den Jungs. Zu-sammen liefen sie um das Gebäude. Jeder Schritt wurde genau bedacht. Chof hörte genau auf jedes Geräusch. Waren noch mehr Polizisten auf dem Gelände? Sie liefen vorsichtig weiter. Blieben bei jedem seltsamen Geräusch kurz erschrocken stehen und liefen dann weiter. Selbst für Chof war es schwer die zwei Jungs in der Dunkelheit zu er-kennen, wenn sie sich so lautlos bewegten. Sie mussten einmal quer über das Gelände laufen. Denn den Schrottplatz konnte man nur so erreichen. Von der anderen Seite begrenzte ein alter Tümpel ihren Schrottplatz. Jeder kannte den Weg dahin. Als sie die Mauer erreicht hatten machten sie eine Räuberlei-ter. Das würde heute schneller gehen. Falke stellte sich in Position. Socke stieg zuerst in seine Hände und sprang geschickt auf die Mauer. Chof war die Zweite. Zusammen zogen sie dann Falke auf die Mauer herauf. Dann sprangen sie hinab und liefen nacheinander über den Platz. Überall lagen Tonnen, Blechstücke, Plastik und Holz. Steinplatten türmten sich bis zur Un-endlichkeit. Der Boden war aus Stein und überall gerissen. Es stank nach Verrottendem und Metall. Ein riesiger Haufen aus Reifen türmte sich vor ihnen auf. Socke kroch in einen Reifen hinein und Chof krabbelte ihm hinterher. Falke nahm einen anderen Eingang. Die Reifen rochen vertraut nach Gummi. Chof lächelte. Sie waren rissig und spröde. Wie immer! Sie krochen in Schlangenlinien. Dann wurde es plötzlich hell. Endlich waren sie da! „Ihr kommt reichlich spät!“, bemerkte Cat und half Socke aus dem Loch. Falke klopfte sich den Staub von der Jacke und verstrubbelte sich selbst die Haare. Cat bot auch Chof ihre Hand an. Diese lächelte dankbar und ließ sich helfen. „Danke Süße!“ Sie gaben sich einen Nasenkuss. „Schön dass ihr da seid!! Haben euch die Bullen aufgehalten?“ „Ja… aber wir sind auch etwas zu spät losgegangen. Meine Mom is’ so spät ins Bett ge-gangen!“ „Choffi!!“, trällerte jemand. Yuni kam auf sie zu und umarmte sie. Chof lächelte über-rascht. „Ich dachte, du kannst nicht mehr kommen!“ Yuni ließ sie los. „Dachte ich auch!“ Sie lächelte. „Aber mein Alter is krank und pennt schon den ganzen Tag!“ Sie grinsten sich zu. „Wer hat vorhin das Hundebellen gemacht?“, fragte Socke plötzlich in den Raum. Chof lä-chelte. Dies war ihr Geheimversteck. Es war eine kleiner Raum, denn sie unter den Reifen versteckt hielten. Vorhänge an den Eingängen verhinderten, dass Licht nach Außen drang. Der Raum war mit alten Kissen und Decken übersät und an einem Ende des Raumes war ein regelrechter Kissenthron. Socke schmiss sich in die Kissen und sah auf die muntere Runde. Sie waren insgesamt acht Leute. Socke, Falke, Cat, Yuni, Chaos, Keks, Love und natürlich Chof. “Ich war das!”, sagte Keks eingeschüchtert. Er war noch sehr jung. Vielleicht zehn und sein Haar war schokoladenbraun. Er hatte Sommersprossen im Gesicht. „Es tut mir leid! Ich wusste das Warnsignal nicht mehr und ich kann auch nur das Hundebellen und ich wollte euch doch warnen, dass die Bullen auf dem Fabrikgelände sind…“, betete er herunter und sah Socke ehrfürchtig an. Socke schnitt ihm mit einer herrischen Geste das Wort ab. „Mach dich locker Junge!“ Er grinste. „War doch ganz cool! Die Kerle haben nix ge-merkt!“ Keks wirkte erleichtert. Chof, Yuni und Cat kicherten. Keks war noch neu und hatte so viel Ehrfurcht vor Socke, ihrem Boss, dass er ihm am liebsten vor die Füße fallen würde. „So Mädels!!“ Socke setzte sich im Schneidersitz auf. Natürlich waren nicht alle im Raum Mädchen. Chof, Yuni und Cat waren die einzigen Mädchen. Der Rest bestand aus Jungen. Falke war der Älteste von ihnen. Er setzte sich stumm in die erste Reihe. Die anderen setzten sich ebenfalls. Socke räusperte sich und winkte Chof mit dem Zeigefinger heran. Sie grinste und stahl sich durch die schwarze Masse zu ihm. Mit einem Satz war sie über ihm. „He!“ Er runzelte die Stirn und legte den Arm um ihre Hüfte. „Du hast gefälligst bei mir zu sitzen!“, flüsterte er und küsste sie kurz. Chof durchfuhr ein ihr bekanntes warmes, kribbelndes Gefühl. Sie lachte und setzte sich dann neben Falke und machte es sich bequem. „Also ihr Süßen!! Beginnen wir mit der Besprechung!! Wie ihr sicherlich unschwer be-merkt habt, haben wir heute Gäste!“ Er grinste. Dann wurde er schlagartig ernst. „Genau genommen ungebetene Gäste. Ich habe gehört, dass die Bullen dieses Gebiet öfter kontrollieren wollen. Natürlich nur das Fabrikgelände. Sie vermuten ja nicht, dass wir es uns auf dem Schrottplatz gemütlich gemacht haben. Allerdings ist ab heute höchste Sicherheit angesagt. Vor allem die neueren-“ Er sah zu Keks. „-sollten nun jederzeit bereit sein und handeln können. Chaos… du kümmerst dich bitte dar-um, dass er alles nötige lernt.“ Chaos nickte. Keks war sein kleiner Bruder. Natürlich würde er nicht zulassen, dass Keks irgendetwas vermasselte. „Aber ich danke dir trotzdem Keks, dass du uns warnen wolltest!“ Er zwinkerte ihm zu. Keks nickte freudig. „So! Nun zu dem anderen notwendigem Zeugs. Cat? Hast du was Neues über die Killer he-rausgefunden?“ Cat zuckte zusammen. „Leider nein. Ich glaube sie sind im Kaliganviertel untergetaucht. Aber dafür gibt es keinerlei Beweise.“ „Wolltest du nicht diese Woche hingehen?“ „Ich kam nicht dazu…“, gestand sie leise. „Schon gut! Love? Was gibt neues bei dir.“ „Nix… denk ich… hab mich nicht so genau umgehört“, murmelte er. „Halloho?“ Socke rollte mit den Augen. „Was soll den auf einmal diese Schluderei?? Wir dürfen uns nicht auf unserem Sieg ausruhen! Sonst sind unsere Feinde plötzlich unerwartet schnell wieder da und wir sind dann die Loser!“ Alles war still im Raum. Schuldbewusste Ge-sichter blickten ihm entgegen. „Cat!! Für die nächste Woche hörst du dich sehr genau im Kaliganviertel um! Love und du in deinem!! Wenn ihr so frei wärt! Chaos du weißt ja was zu tun ist.“ „Ich habe noch Neuigkeiten!“, sagte Yuni und hob die Hand. „Wir sind hier doch nicht in der Schule! Nimm die Hand runter!“, grinste Socke. Yuni nahm die Hand runter und wurde rot. „Sorry!“, lachte sie. „Also? Was gibt’s neues?“ „Pferdefresse hat sich wohl angeblich blicken lassen!“ Pferdefresse war ein ziemlich übler Mörder, der in der Nähe sein Unwesen getrieben hatte. „Allerdings im Norden der Stadt an der Böhlersiedlung. Und im Mondviertel hat sich eine neue Gang gegründet.“ Socke nickte. „Sie sind aber eher ungefährlich. Eher eine Gruppe Kinder, die so eine biss-chen Krach machen!“ „Wir jagen ihnen einfach einen kleinen Schreck ein. Das Mondviertel gehört schließlich uns!“, sagte Socke kalt. Chof lehnte sich zurück. Ja! So fühlte sich Größenwahn und Macht-gier also an. „Noch was neues?“ „Nur Kleinigkeiten…“ „Gut. Falke? Sag, was du erfahren hast.“ Falke blickte ihn kurz an, dann drehte er sich herum. „Also. Hier in der Nähe, an der Haltestelle soll ne Skateanlage gebaut werden.“ Alle fingen an zu Jubeln. „Wie geil!!“, sagte Cat und fiel Yuni um den Hals. „Endlich ma’ ungestört skaten und chillen!“ „Alter, das wird unser Platz!!“, grinste Chaos und zerstubbelte Keks die Haare. Keks grinste. „Jo… das war’s soweit… oder hat wer was neues?“ Socke stand auf. Da niemand antwor-tete setzte er sich einfach zu den anderen, neben Chof. Sie bildeten einen kleinen Kreis. Chof holte aus ihren Taschen ein paar Süßigkeiten. Love versorgte sie mit Chips und Keks –wer hätte etwas anderes erwartet- mit Keksen. Cat holte aus einem kleinen Schrank Cola und Alkopops. Keks durfte natürlich noch kein Alkohol. Da passten alle genau auf. Sie spielten Karten und ein Brettspiel. Es war wie immer eine lustige Runde und man un-terhielt sich über übliche Sachen. Cat erzählte, dass sie Freeclimbing immer noch üben muss-te. Chaos verlor immer noch zu schnell die Kontrolle über sich und Keks sagte immer wieder er müsste unbedingt die Signale kennen. Socke kuschelte sich nahe an Chof und wie jedes Mal schlief er fast auf ihrem Rücken ein. Sicherlich waren diese Runde und diese Gesprächsthemen nicht für jeden unbedingt nor-mal. Doch vier von ihnen waren schon immer ‚Schatten’ gewesen. Natürlich war es kein Zufall, dass alle schwarz trugen und eine Kapuze hatten. Es gab kei-ne bessere Farbe um in der Nacht ungesehen hierher zu kommen. Sie waren perfekt in Tarnung. Wie Schatten eben. Chof grinste. Als es beinahe vier war, war Love kotzübel und Yuni eingeschlafen. Socke tat nur so, als würde er schlafen. Falke sah auf die Uhr. „Wir sollten!“, sagte er und schaute auf Chof und Socke. Der Schattenbau leerte sich schlagartig. Chof gab Cat und Yuni noch einen Gute-Nacht-Nasenkuss und löschte dann das Licht. Es wurde dunkel. Stockdunkel. Etwas unbeholfen durch den vielen Alkohol tastete sie sich durch den Raum und nahm Sockes helfende Hand. Sie kletterten zusammen wieder hinaus. Draußen blendete das Licht. Es wurde bereits schon wieder hell. Aber die Dunkelheit reichte um nach Hause zu kommen. Sie nahmen nicht haargenau den Weg, den sie herge-kommen waren. Das wäre auch viel zu gefährlich gewesen, da Socke vor Müdigkeit und Chof vom Alkohol leicht wankten. An der Haltestelle war niemand. Sie kletterten wieder aufs Vordach und warteten auf die Bahn. Auf den Boden gepresst warteten sie ab. Bei der Helligkeit des Himmels konnten sie nicht Gefahr laufen, dass der Bahnfahrer sie entdeckte. Die Bahn kam und sie sprangen wie-der auf das Dach. Hier war die Entfernung so gering, dass sie keine Angst haben mussten, dass sie abrutschten. Wie bei der Hinfahrt hielten sie sich am Ende des Wagens fest. Socke strich ihr liebvoll durchs Haar. Sie hatten Hände gehalten auf dem Weg zur Halte-stelle. Falke schwieg die ganze Zeit über. An ihrer Haltestelle stiegen sie aufs Gleis und rannten schnell hinter das Gebäuden einen Seitengang entlang und verschwanden wieder in den dunklen Gassen ihres Örtchens. „Also…“, sagte Falke. Chof umarmte ihn. „Schlaf gut!“ Socke und er gaben sich ihr Handzeichen, stießen mit den Fäusten zusammen und machten irgendetwas Komisches. Dann verabschiedete er sich. Ihre Wege trennten sich. „Du musst mich nicht begleiten, Socke…“, sagte Chof und lehnte sich an ihn. „Hm… ich wollte die Nacht eigentlich nicht so enden lassen…“, sagte er leise. Chof sah ihn an. „Gott! Ist doch schon gleich fünf!“ „Du wirst immer vernünftiger, je näher wir deinem Haus kommen. Vielleicht sollten wir noch Mal zurückgehen.“ Er drückte sie gegen eine Wand. Chof lachte. Ein warmes Gefühl war da in ihrer Brust. „Komm! Ich sehe dir doch an, dass du es auch willst!“, flüsterte er und küsse ihren Hals. Chof kicherte. „Ich hätte noch Lust auf einen Quicki!“ Sie kicherte noch mehr. „Du bist so doof… Aber nur, wenn du niemanden weckst!“ Er lä-chelte. Küsste sie lange. Lange Zeit blieben sie nebeneinander liegen. Er strich sanft über ihren Körper und sah ihr dabei tief in die Augen. Seine Finger tasteten über ihren Arm, das gebrandmarkte Symbol der ‚Schatten’. Jeder Schatten hatte dieses Zeichen. Die Digitaluhr über ihrem Fernseher zeigte, dass es viertel vor sechs war. Er drehte sich herum und sah auf die Uhr. Langsam und unendlich behutsam stand er auf und suchte sich seine Sachen zusammen. Chof beobachtete ihn, während sie über das Treffen der Schatten nachdachte. Sie waren nicht einmal vollständig. Ein paar konnten nicht kommen, einige andere Schatten waren aus-getreten, weil sie sich zu alt vorkamen, andere hatten die Schatten verraten. Der Krieg hatte so viele Opfer hervorgebracht. So viele sinnlose Opfer. Chof kam es vor, als wäre es noch gar nicht so lange her, dass sie in dieser Schlacht kämpfen musste. Es war eben kein leichter Job ein ‚Schatten’ zu sein. Und das schlimmste: Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was ihre Mam und ihr Dad mit ihr anstellten, wenn sie herausfanden, was sie ein-mal die Woche, oder gar öfter nachts tat. Ihre Mutter hatte ja schon einen Anfall bekommen, als sie einmal zu spät nach Hause kam. Noch viel erschrockener war sie allerdings über die vielen Wunden, die sie oftmals nach Hause brachte. Zu Chofs Glück standen ihre Eltern und sie ungleich auf, sodass sie nie erfuhren, dass sie schon so zur Schule gegangen war. Aber sie fühlte sich wohl in dem was sie tat. Am Anfang war sie sogar beinahe jeden Tag so spät abends draußen gewesen. „Hm… ich muss dann…“, flüsterte Socke und zog sich seinen Pullover über. Chof reagier-te nicht. Sie wollte so gerne, dass er noch blieb. Sie kam sich so alleine vor. „Chof?“ „Choffi??“ Er grinste. „Sophie?“ Mit einem Satz setzte sie sich auf. Sie wurde rot. „Ich liebe dich!“ Seine Stimme klang so tief, fand sie. Ein heftiges Kribbeln war in ihrem Bauch. „Ich dich auch…“ „Schlaf noch ein bisschen…“ Er nickt, küsste sie noch einmal und verschwand durchs Fenster. Chof schmiss sich aufs Bett und tastete nach der Stelle, wo er gelegen hatte. Sie war noch etwas warm. Gott, war sie verliebt! Das Kribbeln hörte ja gar nicht mehr auf. Lächelnd sah aus dem Fenster, da wo er verschwunden war. Nicht immer war alles so einfach gewesen… Kapitel 1: Moonshadow --------------------- Moonshadow Sophie lebte am Stadtrand, in einem wohlhabenden Viertel. Sie war fünf und hatte blonde kurze struppige Haare. Selbstsicher stand sie in Latzhose und einem roten Shirt auf dem Ga-ragendach des Nachbars. „Komm da runter, Sophie!“, rief ihre Mutter von unten und sah besorgt hoch. „Gleich Ma-ma!“ Sie lief planlos über das Dach, holte den Drachen und lief denselben Weg zurück. Sophie liebte es zu klettern. Sie kletterte auf jeden Baum in der Umgebung. Vor der Höhe hatte sie keine Angst. Ihr war noch nie etwas passiert!! Sie ließ den Drachen vom Dach herunterfallen und setzte sich dann auf die Kante. Das war doch gar nicht so hoch. Sie sprang ab und fiel prompt um, als sie auf dem Boden aufkam. Ein dünner Schmerz durchfuhr ihre Beine. Sofort stand sie wieder auf und streckte die Beine. Es tat gut. „Sophie!! Mach doch nicht so was!!“, rief ihre Mutter und kam auf sie zu. „Mir geht’s gut!“ Sie sprang auf und ab. „Mama? Darf ich noch mit dem Fahrrad rum fahren?“, fragte sie süß. Ihre Mutter runzelte die Stirn. „Von mir aus… aber bleib in der Nähe!“ Sie nickte eifrig, stieg aufs Fahrrad und sauste ohne zurück zu sehen davon. Sie war schon fast sechs Jahre. Bald kam sie in die Schule! Aber nach sechs Uhr durfte sie nicht mehr raus. Obwohl es noch hell war. Als sie um eine Ecke bog, sah sie drei Kinder auf der Straße malen. Sie hielt ganz knapp vor ihnen an. Erschrocken wichen sie zurück. „Was macht ihr da?“, fragte Sophie neugierig. „Wir malen eine Straße für Fahrräder und unsere anderen Fahrzeuge!“, strahlte Phillip. Ein kleiner Junge mit Sommersprossen und roten gelockten Haaren. Zwei Mädchen saßen bei ihm. Eine von ihren war Phillips Schwester Ame-lie und die andere Amelies Freundin Hanna. „Darf ich mitmachen?“ Sophie stieg vom Fahr-rad. „Okay! Du kannst grün haben!“ Hanna gab ihr ein Stück grüne Kreide. „Du musst die Bäume malen!“ Sophie malte also ungeschickt die Bäume neben die Straßen. Als sie fast fertig waren hörten sie ein Klingeln. Die vier Kinder sahen auf. Eine Gruppe Jungen auf ihren Fahrrädern kamen durch die Gasse auf sie zu. Sie waren zu fünft und rasten genau auf sie zu. „Weg da!“, schrie Sophie und die anderen drei warfen sich aus dem Weg. Die fünf Jungen bremsten über ihren Kreidestraßen und verwischten die Linien. Sie lachten lauthals. Einer der Jungen schubste Hanna um, die sofort zu weinen anfing. Dann verschwanden sie um die E-cke. Sie hatten alles kaputt gemacht. Sophie war stinksauer. Sie setzte sich auf ihr Fahrrad und fuhr den Jungen hinterher. „Bleibt stehen ihre Säcke!“, rief sie den Fahrrädern vor sich zu. Sie drehten sich um und er-schraken, dann fuhren sie noch schneller. Aber Sophie hatte ein gutes Fahrrad und holte sie schließlich an der Hauptstraße ein. Sie stieß das letzte und vorletzte Fahrrad mit den Füßen um. Die zwei Jungen fielen um und lan-deten auf dem Rasen. Sophie bremste mit quietschenden Reifen und schmiss ihr Fahrrad auf den Weg. Sie lief auf einen Jungen zu. „Macht das wieder heile!“, schrie sie. Der Junge lachte. „Machs doch selber dumme Kuh!“ Sophie lief auf ihn zu und schlug ihm in den Bauch. Er keuchte und warf sich auf sie. Sie prü-gelten sich eine Weile verbissen. Gegenseitig rollten sie sich über den Rasen und keiner ließ nach oder gab dem anderen auch nur die Chance. Die anderen drei Jungen waren nicht wie erwartet weitergefahren, sondern stehen geblieben. Einer der Jungen kam auf die beiden zu. Sophie spürte keinen Schmerz, als der Typ über ihr, ihr in den Arm kniff. Sie bekam ihr Knie frei und schlug ihm damit in den Bauch. „Hört auf!!“, rief jemand. Tatsächlich hören die beiden auf und blickten erst sich, dann den Redner an. Es war ein Junge in ihrem Alter, aber schon sehr groß mit dunklen Haaren und einem ver-schmierten Gesicht. Der Junge über Sophie sprang plötzlich auf. Sie setzte sich auf und be-dachte den dunkelhaarigen Jungen vor sich mit einem skeptischen Blick. „Man prügelt sich nicht mit Mädchen!“, sagte er. „’tschuldigung, Socke… aber sie hat an-gefangen!“, protestierte der andere. Socke trat auf sie zu und machte seinen Fuß auf ihren Bauch. Sophie schlug den Fuß beisei-te und sprang auf. „Socke!! Was für ein dummer Name!“, warf sie bissig ein. „Stinkst auch genau wie eine!“ Er grinste. „Dumme Ziege!“, schimpfte er und schupste sie. Sie schupste so-fort zurück. Eine kleine Rangelei entstand. Doch dann geschah etwas Seltsames. Socke hielt sie am Arm fest. Nahm ihr den Halt unter den Füßen weg und ließ sie mit dem Gesicht auf den Boden prallen. Er war über ihr und hielt ihren Arm am Rücken fest. Mir der anderen Hand drückte er ihr Gesicht in den Boden. Sophie musste feststellen, dass der Boden härter war, als sie gedacht hatte. Sie keuchte erschrocken. „So so… Du prügelst dich also gerne mit Jungs“, sagte er spöt-tisch. Seine Jungs um ihn herum lachten. Sophie wurde rot. Sie versuchte sich zu befreien, aber Socke saß auf ihr drauf. Eine S-Bahn rauschte in einiger Entfernung an ihren vorbei. Krähen waren auf der Wiese und krähten lautstark. Es war ein sehr seltsamer Moment. Beinahe Magisch. Der Druck auf ihren Arm wurde höher. Zum ersten Mal spürte Sophie heftige Schmerzen. Sie stöhnte auf. Socke drückte ihr Gesicht noch tiefer in die Erde. Sie konnte den lehmigen Boden riechen. „Sag, dass ich besser bin! Und Socke ein toller Name ist…“, flüsterte er. Die Jungs lachten wieder. „Niemals!“, schrie Sophie. Der Schmerz wurde noch stärker. Sie konnte kaum noch atmen. „Sag es!“ Ein dicker Kloß saß in ihrem Hals. Wenn sie jetzt weinen würde, hätten die Jungs noch mehr zu lachen. Sie drückte mit aller Kraft gegen die Tränen an. Doch wenn Socke den Drück noch mehr verstärkte, war es aussichtslos. Sie musste die Entscheidung treffen, wie sie sich also am ehesten blamieren wollte. „Wenn du es nicht gleich sagt, breche ich dir den Arm!“ Socke schien eine Kaltgültigkeit auszustrahlen, dass sie ihm jedes Wort glaubte. „Gut… du bist besser…“, keuchte sie. Das Atmen fiel ihr schwer. „Und?“ Socke lachte. „Socke ist ein toller… Name.“ Endlich ließ er sie los. Sophie rang nach Luft und stand auf. Die Jungs um sie herum johlten und lachten. Ein Junge klopfte Socke auf die Schulter. „Der hast du es gezeigt!“ „Arschloch!“ Sophie steckte ihm die Zunge heraus und dreht sich herum. Sie lief zu ihrem Fahrrad und setzte sich darauf. Socke blickte sie an. Sophie sah zurück. Ihr fiel auf, dass er blaue Augen hatte. Sie hielt seinem Blick eisern stand. „Was glotzt du so doof!“, fragte Socke und sein Blick wurde überheblich. Sophie zeigt ihm den Mittelfinger und fuhr los. Auf ihrer Uhr war es schon fast sechs. Sie sollte sich beeilen! Punkt sechs war sie vor ihrem Haus. Ihre Mutter war auf dem Balkon. „Da bist du ja! Komm essen!“, rief sie hinunter. „Aber zieh deine Schuhe unten aus!“ „Jaha!“, schrie sie genervt zurück und setzte sich auf die Treppe. Dieser scheiß Socke! Ihre Wange war braun vom Dreck. Ihre Hose voller Grasflecken und quer über den Arm hatte sie eine Schürfwunde. Außerdem tat er höllisch weh. Oben angekommen war ihre Mutter entsetzt. „Wie siehst du denn aus?“ Erschrocken fuhr sie dem Kind über die Wange. „Hast du dich etwa geprügelt?“, scherzte ihr Vater. Allerdings, wollte sie sagen. „Du kommst erstmal unter die Dusche.“ Während Sophie sich in der Dusche auszog, schwor sie sich, dass sie sich an Socke rächen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)