Freunde für immer? von She-Ra ================================================================================ Kapitel 1: Ein unbedachter Aufbruch in die Ungewissheit ------------------------------------------------------- Es waren einige Wochen seit Mansons Tod vergangen. In Paris war wieder Ruhe eingekehrt. Die Sonne schien brennend auf die Menschen in den engen Gassen nieder. Auch auf dem Innenhof des Hauptquartiers der Musketiere, wo eigentlich Fechttraining abgehalten wurde, war es still. Die paar Anwesenden hatten es vorgezogen, sich im kühleren Schatten aufzuhalten. Jedoch wurde die Stille jäh durch Kapitän Trevilles Toben unterbrochen. Ein paar der Musketieranwärter zogen automatisch ihre Köpfe ein, da sie wussten, wie wütend der Kapitän werden konnte, wenn nicht das geschah, was er wollte. Auch innerhalb des Gebäudes hielten es alle Anwesenden für besser, sich nicht in der Nähe von Trevilles Büro aufzuhalten. Auch Athos und Porthos wollten dieses gerade vorziehen, als die schwere alte Tür aufschlug und ihr gemeinsamer Freund Aramis mit stolz erhobenem Haupt auf die große Treppe zuging. Hinter ihm erschien der Kapitän, der vor Wut schon rot angelaufen war. „Du wirst deinen Degen und deine Auszeichnungen abgeben!“, donnerte es von dem älteren Mann. Aramis zuckte nicht einmal mit der Wimper, scheinbar vollkommen ruhig ging sie weiter, ohne dabei Athos oder Porthos auch nur zu beachten. „Du hast ein Versprechen gegeben! Und es bei deiner Ehre als Musketier geschworen! Und nun besudelst du die Ehre dieser!“, schallte es weiter, ohne jegliche Reaktion Aramis. Porthos und Athos sahen sich mit großen Augen an. So wütend hatten sie ihren Kapitän in ihrer gesamten Dienstzeit noch nie erlebt. Aber auch Aramis verhielt sich anders. Kaum das die beiden ihre Schrecksekunde überwunden hatten, machten sie auf dem Absatz kehrt, um ihrem Freund zu folgen. Jedoch wurden sie von Trevilles herrischer Stimme aufgehalten. „Athos! Porthos! Ihr bleibt hier!“ „Aber, Kapitän…“ „Kein aber, Porthos!“, erwiderte der immer noch aufgewühlte Treville. „Wir reden mit Aramis.“ „Das Porthos öfter schwer von Begriff ist, war mir klar. Aber du nun auch, Athos?“, fuhr er den Dunkelhaarigen an. „Es war ein eindeutiger Befehl!“ Sofort standen die beiden Männer am Treppenansatz stramm. „Ihr werdet die neuen Anwärter heute trainieren. Haben wir uns verstanden?“ Es war klar aus seiner Stimme zu vernehmen, dass er keinen Widerspruch duldete. „Jawohl!“, antworteten die beiden Musketiere im Chor. Trevillé nickte und drehte sich, um in sein Büro zurückzukehren. Jedoch stoppte er und begann abermals zu sprechen, ohne dabei zu Athos und Porthos zu sehen. „Ab heute werdet ihr nur noch zusammen mit D’Artagnan euren Dienst versehen. Aramis ist kein Mitglied der Musketiere mehr!“ Kaum das er die Worte ausgesprochen hatte, trat er langsam in das vor ihm liegende Zimmer. Athos, wie auch Porthos, Augen weiteten sich. Aber kaum das sie ihren Mund geöffnet hatten, erschallte abermals Trevillés Stimme. „Ihr werdet ihm gleich auch nicht folgen! Es hat seine Gründe und nun geht zu eurem Dienst!“ Kaum das die Worte verhalt waren, ertönte das Knallen der Tür, so dass diese ächzte und etwas Putz von ein paar Stellen der Wand fiel. Beide Musketiere zuckten dabei unwillkürlich zusammen. Es war gefährlich nun dem Befehl des Kapitäns zu missachten. Sie konnten sich zwar bei ihm so einiges erlauben, jedoch in diesem Fall sah es schlecht aus. Daher konnten sie im Moment nur seinem Befehl Folge leisten. Als sie das große und erwürdige Hauptgebäude verließen, schweifte sofort ihr Blick, mit der Aussicht Aramis noch zu Gesicht zu bekommen. Jedoch wurde ihre Hoffnung getrübt. Der gemeinsame Freund war verschwunden. Athos stimmte das ganze sehr nachdenklich. Aramis war sein bester Freund und sie hatten zusammen immer über alles Reden können. Oder etwa nicht? Je mehr Athos nachdachte, desto mehr wurde ihm klar, dass er kaum etwas von seinem Freund wirklich wusste. „Athos?“, fragte Porthos ihn und unterbrach somit die Gedankengänge seines Gegenübers. „Hm?“, war die Antwort die er bekam. „Zerbrich dir nicht deinen Kopf. Wir beeilen uns hier und dann gehen wir zu Aramis. Er wird uns bestimmt sagen können, was passiert ist.“ Athos wollte gerade ansetzen, um etwas zu Erwidern, als oberhalb von ihnen ein Fenster sich öffnete. „Warum höre ich das Klirren der Degen nicht? Athos? Porthos?“, hallte Trevilles Stimme über ihnen. Die beiden Musketiere reagierten sofort und machten sich an ihre Arbeit. Aramis war währenddessen bereits in ihrer Wohnung. Sie wusste, dass dieser Tag kommen musste, aber dennoch hatte sie ihn verdrängt. Aber warum wollte der Kapitän sie nicht verstehen? Ihr war klar, dass sie nicht mehr zurück in ihr altes Leben konnte, und sie wollte dies auch nicht. Warum bestand er nun auf einmal darauf? Warum genau zu diesem Zeitpunkt? Auch wenn Aramis in den ganzen Jahren, in denen sie bei den Musketieren ihren Dienst versah, es gelernt hatte, Gefühle, die sie verraten konnten, zu unterdrücken, konnte und wollte sie es heute nicht. Ihre sonst so starke Selbstdisziplin, zerbrach wie ein morsches Stück Holz. Tränen rannen über ihre elfenbeinfarbene Haut. Ein leises Schluchzen erfüllte kurz darauf den Raum. Aramis war für den Moment überfordert. Zulange lebte sie nun das Leben eines Mannes, sodass sie mit den Emotionen, die tief in ihrem Herzen eingeschlossen waren, nicht umgehen konnte. Die junge Frau hatte durch eine sehr harte Schule gehen müssen, um das zu verkörpern, was sie seit Jahren aufrechterhielt. Aber sie hatten einen Schwur gehabt und diesen hatte sie mit Mansons Tod vollzogen. Eigentlich hätte diese Tat ihr brennendes Herz beschwichtigen, nein sogar beruhigen sollen. Das war nicht der Fall. Jedoch hatte sich das Gefühl geändert. Es war nicht der Durst nach Rache, den sie vorher so stark empfunden hatte. Sondern es war die Einsamkeit. Sie hatte sie zwar schon seit Francois Tod in sich gespürt, doch noch nie so intensiv wie jetzt. Auch die Freundschaft zu D’Artagnan, Porthos und Arthos hatte dies nicht geändert. Obwohl dies nicht ganz den Tatsachen entsprach. Aramis verspürte ein weiteres Gefühl in sich. Etwas, von dem sie niemals geglaubt hätte, je wieder zu spüren. Und dieses war in den letzten Wochen immer stärker geworden, sodass ihre Mauer, die sie in den ganzen Jahren um sich herum aufgebaut hatte, immer stärkere Risse erhalten hatte. Es fiel ihr immer schwerer sich ‚normal’ zu verhalten, damit die anderen nichts bemerkten. Und dies fiel ihr immer schwerer. Sogar ihre Arbeit begann langsam darunter zu leiden. Auch tägliche Patrouillengänge waren für sie geprägt vom Spießroutenlauf, um sich selber, durch ihre immer stärker fehlende Konzentration, zu schützen. Porthos schob es darauf, dass sein Kumpel scheinbar schwer verliebt zu sein schien und er daher nicht mehr so aufmerksam wäre. Athos hielt sich dabei wie sooft zurück und hüllte sich in Schweigen. Auch wenn Aramis ihn nun schon einige Jahre kannte, war es ihr nicht möglich hinter seine Fassade zu sehen. Nur D’Artagnan hielt sich als einziger zurück. Er, wie auch Kapitän de Treville, kannten ihr Geheimnis. Gern hätte sie es auch mit Porthos, aber vor allem mit Athos gern geteilt. Aber wie hätte sie es ihnen beibringen sollen? Es hatte immer ein tiefes Vertrauen innerhalb dieser kleinen Gruppe gegeben und ihr war bewusst, dass durch ein paar kleine Worte ihrerseits, dies für immer zerstört werden konnte. Und das konnte und wollte sie nichts übers Herz bringen. Vor allem bei Arthos fiel es ihr schwer. An dem Tag, an dem sie und die anderen von MyLady erfuhren, war sie dazu geneigt gewesen auch ihr Geheimnis zulüften. Jedoch hatte sie im letzten Moment es nicht aussprechen können. Zu groß war ihre Angst vor der Reaktion der anderen gewesen. Daher war es für Aramis einfacher weiter den Schutz ihres Schweigens aufrecht zu erhalten, als etwas den Freunden zu sagen. Und dies belastete sie von Tag zu Tag immer mehr. Erst Recht, seitdem Manson tot war. Ihre Aufgabe war damit beendet und ihr Kopf für alle anderen Dinge offen, die nun erbarmungslos auf sie einströmten. Es waren Gefühle für Athos. Zuerst hatte sie es für eine tiefe Freundschaft gehalten, da sie der festen Meinung war, dass ihr Herz noch immer und für ewig bei ihrem verstorbenen Verlobten war. Jedoch hatte sie ihre Meinung revidieren müssen. Es war etwas, was über eine tiefe Freundschaft hinausging. Es waren kleine Dinge, die sich in ihr Gehirn gebrannt hatten. Wie z.B. wenn Athos nachdenklich an einem Becher Wein nippte oder er einige Seiten in einem Buch las. Aber auch seine geschmeidigen Bewegungen, wenn er in einem Kampf oder auch im Training seinen Degen führte, hatten sich fest in ihrer Erinnerung verankert. Ohne es zu bemerken, war Athos ihr Lebensmittelpunkt geworden. Und was war nun geschehen? Warum hatte sie damals Treville nur ihr Versprechen gegeben, dass wenn sie ihre Rache vollzogen hätte, sie bei den Musketieren ausscheiden würde? An sich verstand sie es, weil ihre, von sich selber auferlegte Aufgabe dann erfüllt gewesen war. Aber alles hatte sich in ihrem Leben geändert und sie wollte dieses nun so weiter führen, wie bisher. Davon hatte sie den Kapitän versucht zu überzeugen. Jedoch war dies ein erfolgloses Unterfangen gewesen. Treville war bei ihren Worten aufbrausend geworden und hatte sie dann einfach hinaus geworfen. Und zu dieser Schmach gesellten sich noch die fragenden Blicke von Athos und Porthos, die sie am Ende der Treppe hatte stehen sehen. Ihr eigener Stolz hatte sie dazu bewegt, ihre Freunde zu ignorieren und mit erhobenem Kopf das Gebäude zu verlassen. Und nun stand Aramis in ihrer kleinen Wohnung und weinte. Ihr Herz schmerzte, aber sie konnte nichts dagegen tun. Niemanden konnte sie sich anvertrauen und das nagte sehr an ihr. Zudem war jetzt alles aus. Ihren letzten Halt hatte sie verloren. Daher entschied sich Aramis, dass es das Beste für sie wäre, Paris so schnell wie möglich zu verlassen. Mit einer harschen Bewegung strich sie sich über die Augen, um ihre Tränen zu stoppen. Es war nicht leicht, aber sie schaffte es. Anschließend durchquerte sie mit raschen Schritten ihre Wohnung und suchte alles zusammen, was sie für ihre bevorstehende Zukunft benötigen würde. Mit zwei Satteltaschen bewaffnet, verließ sie keine zwei Stunden später ihre Wohnung. Sorgfältig verstaute sie alles, stieg auf ihr Pferd und machte sich auf den Weg Paris zu verlassen. Ohne festes Ziel vor Augen ritt sie durch die vielen Straßen der Stadt. Ihre Gedanken schweiften. Daher registrierte Aramis auch nicht, wie ihr Weg Jeans kreuzte. Überrascht sah der kleine Junge ihr hinterher. Ein paar Mal hatte er ihren Namen gerufen, jedoch war jegliche Reaktion ausgeblieben. Daher konnte Jean nur seinen Kopf schütteln und seinen Weg fortsetzen. //Vielleicht hat Aramis nur etwas Wichtiges zu erledigen//, dachte er bei sich und machte sich daher keine weiteren Gedanken. Athos und Porthos Dienst endete, als Aramis bereits viele Kilometer von der französischen Hauptstadt entfernt war. Beide hatten ihre Pferde geholt und waren aufgestiegen. „Ich habe einen Bärenhunger“, verkündete Porthos und strich sich dabei über seinen mächtigen Bauch. „Du kannst auch nur an das eine denken, Porthos“, tadelte Athos ihn und zog sich dabei seinen Hut zu Recht. „Lass uns erst zu Aramis reiten. Danach kannst du noch immer etwas essen.“ „Das stimmt. Ich bin ja gespannt, was er uns für eine Geschichte auftischen wird.“ „Es wird bestimmt eine logische Begründung geben. Da bin ich mir sicher.“ Porthos nickte und gemeinsam machten sie sich auf dem Weg zu Aramis Wohnung. Als sie diese erreichten und ihre Pferde anbinden wollten, fiel Athos gleich auf, dass Aramis Pferd nicht da war. So schoben sich seine Augenbrauen etwas zusammen. Jedoch folge er Porthos zur Eingangstür. Sein großer Freund klopfte nicht gerade zaghaft an. Aber nichts geschah. Wieder klopfte Porthos an, was schon beinah einem Einschlagen der Türe glich. Doch darauf folgte keine Reaktion. Bevor Porthos sich mit seinem vollen Körpergewicht gegen die Tür warf, trat Athos an ihm vorbei und drückte mit einer fließenden Bewegung die Klinke hinunter. Und beide staunten, als die Tür nun aufschwang und den Blick in Aramis Wohnung freigab. „Aramis?“, sprach Athos ruhig, als er vor Porthos die Räumlichkeiten betrat. Aber es kam keine Antwort. Athos Augenbrauen zogen sich weiter zusammen, als er seinen Blick durch den Raum schweifen ließ. Porthos ging an ihm vorbei. „Wo kann er nur stecken?“, sprach er, als er in die kleine Küche trat, um dort die Schränke nach etwas Essbarem zu durchforsten. „Er ist bestimmt gleich wieder da“, erwiderte Athos und ging weiter durch den Wohnraum. Bei einer leicht geöffneten Schranktür blieb er stehen. An sich war es nicht seine Art, herum zustöbern, aber irgendetwas erweckte seine Aufmerksamkeit. So schob er die Tür etwas weiter auf und sah hinein. Und was er sah, war nichts. Der Schrank war leer. Nachdenklich kaute er für einen Moment an seiner Unterlippe. Er hatte ein ungutes Gefühl in sich, als er kurz darauf die Tür wieder schloss. Ohne seine Haltung aufzugeben, ging Athos zum nächsten Schrank und öffnete diesen ebenfalls. Und wieder erschien dasselbe Bild vor ihm. Der Schrank war leer. „Hast du etwas gefunden?“, fragte Porthos ihn und holte so den Freund damit aus seinen Gedanken. „Ja und nein“, erwiderte er mit einem ernsten Gesicht. „Wie meinst du das?“ „Nun, ich habe nichts gefunden. Rein gar nichts.“ „Gar nichts?“, fragte Porthos nach. Sein Freund schüttelte den Kopf. „Die Schränke sind leer. Er scheint verschwunden zu sein.“ „Einfach so? Ohne uns etwas zu sagen?“ „Es sieht ganz danach aus. Lass uns gehen.“ Gemeinsam verließen sie die Wohnung. Als sie sich gerade auf ihre Pferde schwingen wollten, wurden die Beiden angesprochen. „Sucht ihr Aramis?“ „Jean?“, entfuhr es beiden Männern. Dieser nickte kurz. „Ja, ich bin es. Aber sucht ihr Aramis?“ „Hast du ihn gesehen, Jean?“, hakte Porthos, ohne auf Jeans Frage einzugehen. „Ja, das habe ich. Er schien sehr nachdenklich und hat mich scheinbar gar nicht gesehen.“ „Wo war das Jean? Und vor allem, wann hast du ihn gesehen?“ „Ich würde sagen, dass es etwa vier Stunden her ist. Er ist in Richtung Norden geritten. Aber wohin genau? Das kann ich leider nicht sagen. Aber sagt, was ist den geschehen?“ „Das wissen wir auch nicht genau, nur dass es Ärger im Hauptquartier gegeben hat“, antwortete Porthos ihm. Athos stand derweil nachdenklich bei seinem Pferd und hörte zu. „Ich werde ihm folgen. Er hat zwar ein paar Stunden Vorsprung, aber dennoch dürfte ich ihn bestimmt einholen“, sprach er und schwang sich auf sein Pferd. „Ich komme mit“, erwiderte Porthos und trat zu seinem Reittier. „Nein, du bleibst hier, Porthos! Informiere D’Artagnan und haltet euch bereit. Ich werde euch eine Nachricht zukommen lassen. Solange bleibt ihr hier.“ Aber, Athos…“ "Bitte, Porthos. Versteh mich. Du weißt selber in welcher Laune Trevillé heute war und es wird nicht besser werden, wenn ich schon nicht da bin. Aber wenn du und D’Artagnan ebenfalls fehlen, wird er überschäumen vor Wut.“ Porthos seufzte und nickte dann geschlagen. „Wie du meinst. Wir werden auf dich warten und aufbruchbereit sein.“ „Danke, Porthos.“ Athos ritt neben den Freund und legte ihm kurz die Hand auf seine Schulter und nickte ihm dabei zu. Anschließend ließ er sich von Jean die Straße nennen, wo er Aramis zuletzt gesehen hatte. Er verabschiedete sich und machte sich dabei auf den Weg. Porthos und Jean sahen ihm hinterher. Es dunkelte bereits, als Aramis in einem Gasthof Quartier bezog. Nur kurz hatte ihr Weg sie in Richtung Norden geführt. Dann war sie von der Hauptstraße abgewichen und war in westlicher Richtung davon geritten. Sie hatte dabei eine Reihe von Dörfern durchquert. Erst als der Mond am Himmel stand, hatte sie es vorgezogen Rast zumachen. Ihr war klar, dass ihre Freunde sie suchen würden. Aber sie hatte keine Hinweise oder Spuren hinterlassen und fühlte sich nun sicher. Erschöpft war sie in dem kleinen Zimmer in ihr Bett gefallen und rasch eingeschlafen. Währenddessen ritt Athos noch immer in nördliche Richtung. Dabei kreisten seine Gedanken. Ihm war nicht entgangen wie Aramis sich verändert hatte in den letzten Wochen. Aber auch er hatte es. Tief in sich spürte er es genau. Seit er Aramis kannte und ihn unter seine Fittiche genommen hatte, war der Freund etwas besonders für ihn. Athos hatte von Anfang an, schon als er das erste Mal in die wunderschönen blauen Augen von Aramis gesehen hatte, das Gefühl ihn immer beschützen zu müssen. Warum, konnte er sich selber nicht beantworten. Aber es war mehr als nur ein purer Beschützerinstinkt. Das war ihm bewusst. Was im besonders immer häufiger aufgefallen war, dass er Aramis immer genauer beobachtete. Es war sogar mehr als nur Beobachten, er ertappte sich des Öfteren dabei, wie er Aramis geradezu anstarrte. Aber zum Glück merkte er es noch immer rechtzeitig, so dass es niemanden auffiel. Es ging den letzten Wochen sogar soweit, dass Athos aus dem Schlaf erwachte, weil er von seinem Freund geträumt hatte. Er verstand sich selber nicht mehr. Es konnte einfach nicht normal sein. Auf einer Anhöhe machte er Rast und sah über das dunkle Land hinweg. Es war fast Mitternacht. Das Beste war, er würde hier rasten und beim Morgengrauen weiter reiten. Jetzt würde es nichts mehr bringen. So gut es ging, machte er es sich am Fuße einer großen Eiche, die in der Nähe stand, bequem. Athos war froh, dass es noch Sommer war und es in der Nacht nicht so kühl wurde. Während er in den Himmel sah und so die Sterne beobachtete, erblickte er auf einmal Aramis Antlitz zwischen den blitzenden Lichtpunkten. Dies ließ Athos seufzen. //Welches Geheimnis verbirgst du nur…//, fragte er sich selber in seinen Gedanken. //Haben wir uns beide soweit von einander entfernt, dass wir nicht mehr miteinander reden konnten?// Er zog seinen Umhang etwas fester um seinen durchtrainierten Körper. //Was ist nur geschehen? Ich hoffe, ihm geht es gut und er hat irgendwo eine Unterkunft. Auch wenn es mild ist, würde er nun bestimmt frieren.// Dieser Gedanke ließ ihn etwas schmunzeln. Er kannte Aramis. Wenn sie auf Mission waren und weit und breit kein Gasthaus war und sie daher im Freien nächtigen mussten, hatte er sich jedes Mal fest in seinen Mantel gewickelt. //Eigentlich kein Wunder. An ihm ist ja nichts dran. Ich verstehe nicht, warum er so schmal und feingliedrig ist. Für einen Mann viel zu untypisch.// Kurz schüttelte Athos seinen Kopf, um wieder klar zu werden. //Ich sollte schlafen und nicht soviel nachdenken. Morgen wird ein langer und anstrengender Tag//, dachte er sich noch und schloss dabei seine Augen. Es dauerte nicht lange und er war tief und fest eingeschlafen. Kapitel 2: Eine Reise und eine mögliche Erklärung ------------------------------------------------- Es vergingen Tage bis Athos eine Spur von Aramis fand. Irgendwann hatte der Musketier die Richtung gewechselt, als er niemanden fand, der sich an Aramis erinnern konnte. So war ihm das Glück holt, als er an einem Tag durch das Dorf ritt und dabei auf den Wirt des ansässigen Gasthofes traf. Von diesem erfuhr er durch Zufall, dass Aramis scheinbar vor einer Woche hier durch gekommen war. Sofort erkundigte sich Athos, in welche Richtung Aramis aufgebrochen war. Als er erfuhr, dass sein ehemaliger Kollege nach Süden geritten war, bedankte der Dunkelhaarige sich und machte sich sofort auf den Weg. Jedoch so schnell er ihre Spur aufgenommen hatte, hatte er sie ein paar Ortschaften weiter wieder verloren. Egal was er auch unternahm, scheinbar hatte niemand den blonden Musketier gesehen, je mehr Tage verstrichen, desto mehr Sorgen begann sich Athos zu machen. Er hoffte und betete darum, dass ihm nichts geschehen war. So konnte er nur wahllos seine Richtung wählen. Das er sehr oft in Aramis Nähe war, erahnte er nicht. Genauso wenig wie sie selber. Diese hoffte, dass ihre Freunde sie nicht mehr suchen würden. Aber nicht nur dies. Zusätzlich wünschte sie sich bald zur Ruhe zukommen und sich nicht mehr soviel Gedanken machen zu müssen. Die Reisen der beiden verliefen ohne größere Auseinandersetzungen. Aramis bevorzugte es schon von jeher, sich dort nieder zulassen, wo keine großen Menschenansammlungen waren. Genauso wenig versuchte sie aufzufallen. Daher hatte sie in einer größeren Stadt sich neue Kleidung besorgt und ihre Uniform sorgsam verstaut. Das war auch der Grund, warum Athos sie nicht fand und mit der Zeit hatte es dieser auch aufgegeben sie zu beschreiben, weil er sich so etwas dachte. Dafür kannte er Aramis zu gut von gemeinsamen Missionen. Da mittlerweile einige Zeit verstrichen war, schrieb Athos rasch ein paar Zeilen an Porthos und D’Artagnan. Diesen schilderte er, dass er noch kein Erfolg gehabt hatte und das sie sich daher keine Sorgen machen sollten. Er würde jedoch die Suche so schnell noch nicht aufgeben. Dieses Schreiben ließ er von einem Boten überbringen. Als die Freunde diesen Schreiben erhielten, waren Athos, wie auch Aramis schon viele Kilometer weiter. Beide Männer überlegten, ob sie den beiden folgen sollten. Porthos war dem ganzen natürlich Feuer und Flamme. Jedoch D’Artagnan zögerte. Er kannte Aramis Geheimnis. Ihm war auch nicht entgangen, wie Aramis sich verändert hatte. Auch wenn Aramis immer ihren Schutz aufrechterhalten hatte, war es dem Gascogner mit der Zeit ein leichtes geworden, diesen ohne Probleme zu durchschauen. Daher war er der Meinung, dass es das Beste war, in Paris abzuwarten. Und mit ein paar scheinbar stichhaltigen Argumenten, schaffte er es seinen gutmütigen Freund Porthos davon zu überzeugen. //Hoffentlich findest du Aramis, Athos. Rede mit ihr//, dachte er beim abendlichen Schmaus mit seinem Freund. Auf seiner Reise führte Athos Weg direkt durch seine eigenen Ländereien. Da es schon spät war, fiel seine Wahl für ein Nachtquartier auf seine alte Sommerresidenz. Beim Einbrechen der Nacht erreichte er das große herrschaftliche Anwesen. Ein paar seiner Dienstboten waren dem Grafen de la Fère treu ergeben und waren daher natürlich mehr als überrascht, ihren alten Dienstherren wieder zusehen. Jedoch ließen sie ihn nicht lange warten und bereiteten ihm sofort sein Zimmer her. Auch die Köchin wollte ihm noch ein Mitternachtsmahl herrichten, jedoch Athos lehnte dankend ab. Er verspürte keinen Hunger, er war nur müde. Als er etwas später in seinem Bett lag, kreisten seine Gedanken, wie jeden Abend, um Aramis. Immer wieder sah er sein Bild vor Augen. Auch kleinste Gesten waren ihm in Erinnerung geblieben. Als er darüber nachdachte, konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken. Und mit diesem auf seinen Lippen, fiel er in einen ruhigen Schlaf. Aramis nächtige nicht weit von ihm, ohne dies wirklich zu erahnen. Sie hatte am Tage zuvor einem adeligen Mann das Leben gerettet und dieser hatte sie als Dank gebeten ein paar Tage Gast in seinem Hause zu sein. Erst hatte Aramis diese Einladung ablehnen wollen, sich jedoch dagegen entschieden. Lange hatte sie nicht mehr so gut gespeist und in einem so weichen Bett geschlafen. So merkte sie am nächsten Morgen, wie erschöpft und ausgelaugt sie gewesen war. Nach einem ausgiebigen Frühstück ritt Aramis zusammen mit dem Baron, der sich ihr verpflichtet fühlte, aus. Sie trabten ruhig durch einen großen Wald. Die Sonne schien durch die Blätter und hinter ließen ein interessantes Lichtspiel am Waldboden. „Heute ist wirklich der perfekte Tag für einen Ausritt.“ „Da stimme ich Euch zu, Baron. Zudem eignet sich diese Gegend wirklich sehr dazu.“ „Das ist wahr, mein Freund. Nun, wir befinden uns auf den Ländereien des Grafen de la Fère.“ Bei diesem Namen weiteten sich für einen Moment Aramis Augen. Sie hatte den ‚alten’ Namen, den Athos früher getragen hatte nicht vergessen. „Aramis?“, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. „Ja, bitte? Verzeiht mir, aber ich habe gerade nicht zugehört“, erwiderte sie entschuldigend. „Ist Euch der Graf bekannt?“ „Nein, nicht direkt. Ich hörte nur ein paar Mal seinen Namen.“ „Ich verstehe. Früher bin ich mit im öfters zur Jagd gegangen. Nachdem das Unglück mit seiner Gemahlin geschah, verschwand er bei Nacht und Nebel.“ Kurz seufzte der Baron bevor er weiter sprach. „Ich würde gerne wissen, was aus ihm geworden ist.“ „Das kann ich Euch leider nicht beantworten.“, beschwindelte sie ihn, ohne das er dies bemerkte. So ächzte der Baron abermals und nickte dabei. „Kommt, wir sind nicht weit von dem Sommeranwesen des Grafen entfernt. Es ist ein wunderschöner Ort mit einer riesen Parkanlage.“ Aramis nickte und folgte ihrem Gastgeber. Bald erreichten sie den Waldrand und vor ihnen erstreckte sich ein wunderschöner, sehr gut gepflegter Park, der von weißen Kieswegen gesäumt war. Skulpturen aus Buchsbäumen und auch einzelne Springbrunnen waren Highlights auf dem riesigen Anwesen. „Und was sagt Ihr nun, mein Freund? Habe ich übertrieben?“ „Nein, das habt Ihr wahrlich nicht. Es ist wirklich wunderschön. Ich bin nur verwundert, dass er so gepflegt ist. Ihr sagtet ja selber, dass der Graf schon sehr lange nicht mehr hier ist.“ „Das ist wahr, aber das Anwesen ist nicht verlassen. Ein paar der Bediensteten sind noch hier. Sie hoffen, dass ihr Herr eines Tages wiederkommt und daher wollen sie darauf vorbereitet sein.“ „Ich verstehe. Das ist wirklich sehr lobenswert.“ „Da kann ich Euch nur zustimmen, mein Freund. Aber nun lasst uns weiter“, sprach der Baron und wendete seine Pferd. Kurz ließ Aramis noch ihren Blick auf das vor ihr liegende Grün schweifen. In dem Moment, als sie sich wieder auf den Baron konzentrieren wollte, bemerkte sie eine Bewegung. So verengten sich ihre Augen. Sofort hatte sie ihn erkannt. //ATHOS!!!//, schoss es ihr durch den Kopf. Es fiel ihr schwer den Blick von ihm zu lösen. Erst Recht, als sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Daher riss sie sich schweren Herzens zusammen und wendete nun endlich ihr Pferd, um dem Baron zu folgen. Ihr fiel es wirklich nicht leicht, nicht stehen zu bleiben und wieder zu ihm zusehen. Athos ging Gerdanken verloren durch die riesen Parkanlagen. Durch seine lange Erfahrung als Musketier, spürte er, dass man ihn beobachtete. So wanderte sein Blick durch die Gegend, jedoch ohne etwas zu entdecken. Als er sich entschied weiterzugehen, sah er ein leichtes Aufblitzen oberhalb von ihm zwischen ein paar Bäumen. Athos Augen verengten sich, aber das Blitzen wiederholte sich. Langsam ging er in diese Richtung, er konnte niemand ausmachen. So seufzte er und machte eine halbe Drehung, um seinen Weg fortzusetzen. Jedoch stoppte er sofort, als er im Busch neben sich wieder etwas blitzen sah. Der Dunkelhaarige ging in die Hocke und führte seine behandschuhten Finger in das Gebüsch. Kurz darauf zog er seine Hand wieder zurück und eine Kette mit einem Medaillon kam zum Vorschein. Mit dieser erhob er sich und besah es sich genau. So bemerkte er, dass der Verschluss der Kette defekt war und es dem oder der Besitzerin vom Hals geglitten sein musste, ohne dass es bemerkt worden war. Aber nur kurz blieb Athos Blick auf dem Verschluss der Kette hängen. Vielmehr interessierte ihn der Anhänger. Diesen hatte er erkannt, da er diesen an Aramis gesehen hatte. So schloss Athos die Kette samt Anhänger fest in seine Hand. Dabei spürte er, wie das Schmuckstück sich scheinbar in seiner Hand bewegte. So öffnete der Dunkelhaarige seine Finger und wurde Zeuge, wie das Medaillon sich öffnete und ein Bild zum Vorschein kam, welches Athos stocken ließ. Deutlich sah er ein Lächeln, aus einem ihm scheinbar so vertrautem Gesicht. //Aber das ist doch nicht möglich…//, schoss es ihm als erste durch seine Gedanken. //Genau dieselben Augen, mit diesem Hauch von Verträumtheit und Melancholie…// Kurz schüttelte Athos seinen Kopf. //Vielleicht hat er eine Zwillingsschwester, von der er nur nichts gesagt hat. Das wird es gewiss sein//, versuchte er sich einzureden und schloss dabei das Medaillon wieder. Dabei drehte er es leicht in seinen Finger und machte dabei eine weitere Entdeckung. Am Rand befand sich eine kleine, ziemliche verschnörkelte Inschrift. Für meinen geliebten Francois, in Liebe deine Renée Dies ließ Athos Blick verengen. //Wenn dies wirklich von seiner Schwester ist…, wieso steht dort Francois? Sein Name lautet doch Aramis. Und wieso Francois und in Liebe?// Diese paar Worte ließen Athos Gedanken immer weiter rotieren. //Das ganze gibt doch gar keinen Sinn. Oder sollte das etwa heißen, dass Aramis wirklich ein Geheimnis hat?// Seinen Blick wurde immer ernster. Ihm war klar, dass auch er ein Geheimnisumwobener Mann war, jedoch dies überstieg langsam aber sicher seine Kenntnisse. Er musste etwas überprüfen lassen. So ließ er die Kette samt Anhänger in seine Jackentasche gleiten und machte anschließend kehrt. Keine halbe Stunde später verließ ein Eilbote das Anwesen de la Fère in Richtung der französichen Hauptstadt. Mit zweimaligem Pferdewechsel erreichte dieser zwei Tage später Paris. Vollkommen außer Atem erreichte er das Musketierhauptquartier. Porthos und D’Artagnan hatte gerade Dienstschluss und somit geschah es, dass der Bote ihnen beinah in die Arme lief. Überrascht sahen sie den Mann an, der sie sofort nach Kapitän de Treville befragte. Pflichtgemäß wiesen sie ihm den Weg, aber nicht ohne fragend hinterher zusehen. Porthos wollte bereits weiter, als sein kleiner Freund ihn aufhielt. „Warte, Porthos. Lass uns noch etwas bleiben.“ „Aber wieso? D’Artagnan, ich verhungere langsam“, erwiderte sein gutmütiger Gegenüber, wobei er sich seinen Bauch rieb. „Ich habe so das Gefühl, dass etwas passiert ist. Sicher bin ich mit nicht. Aber dennoch. Ein paar Minuten wirst du doch gewiss noch überstehen.“ „In Ordnung, wie du meinst. Aber dann gehen wir wirklich los.“ D’Artagnan nickte ergeben und zog es vor, noch mal in das Gebäude des Hauptquartiers ein zutreten. Es schien rein zufällig zu sein, dass er sich in der Nähe von Trevilles Büro aufhielt. Sein Blick richtete sich immer wieder auf die alte schwere Holztür. Jedoch schien nichts dort geschehen. Da Porthos langsam anfing wegen seinem Hunger zu quengeln, seufzte der junge Gascogner kurz und drehte sich zu seinem Freund, um ihm zu sagen, dass sie nun aufbrechen würden, als sich die massive Holztür öffnete und der Kapitän mitsamt dem Boten dort erschien. D’Artagnan blieb stehen und sah in diese Richtung. Sein Vorgesetzter merkte dies und wank ihn und Porthos in sein Büro, während er den Boten fortschickte. Dieser schwang sich draußen auf sein Pferd und galoppierte vom Hof. Dies konnte D’Artagnan durch das Fenster, welches Hofseitig lag, beobachten. Seine Aufmerksamkeit wurde erst durch ein Seufzen und dann durch ein dezentes Räuspern wieder auf den Raum zurück gerichtet. So sah er, wie sich der Kapitän sich hinter seinem Schreibtisch niederließ und seinen Kopf auf seine gefalteten Hände stützte. Dabei hielt er seine Augen geschlossen. Porthos stand direkt vor ihm und tauschte ein paar fragende Blicke mit D’Artagnan aus. Die Minuten schienen zu verstreichen bis Treville wieder zu sprechen begann. „Was soll ich nur mit euch machen?“, kam es von ihm seufzend. „Wie meint Ihr dies, Kapitän?“, erwiderte D’Artagnan ruhig. Jetzt musterte sein Vorgesetzter ihn über seine Fingerspitzen hinweg. „Du hast mich schon richtig verstanden, junger Gascogner. Ich sehe es an deinem Blick. Aber bevor einer von euch beiden mich mit Fragen löchert, werde ich versuchen euch die Sachlage zu erklären“, setzte nun Treville an. „Ich weiß, was euch vier zusammen geschweißt hat und es war gewiss nicht in meiner Absicht euch auseinander zu treiben. Aber ich hatte meine Beweggründe.“ Deutlich sah er, wie Porthos seinen Mund zu einer Frage öffnete, daher machte Treville eine rasche Bewegung mit der Hand, als Zeichen nicht unterbrochen zu werden. Der Musketier verstand den Wink und schwieg. Wieder entstand eine Stille, die nur durch das leise Klirren der Degen aus dem Innenhof, unterbrochen wurde. „Als vor vielen Jahren Aramis zu mir kam, um bei den Musketieren aufgenommen zu werden, nahm ich ihm ein Versprechen ab. Ihr wisst selber, wie sorgfältig ich neue Anwärter auswähle und Aramis entsprach beim besten Willen und in keiner Weise dem, was ich mir vorstellte. Aber nur mit seiner Versicherung, welche er mir geben musste, sagte ich ihm bei uns zu. Und ich gebe ehrlich zu, Aramis hat mit dem Laufe der Zeit mehr als einmal bewiesen, dass er einer meiner fähigsten Musketiere ist. Denn Grund, warum er vor so langer Zeit zu uns kam, war Blutrache. Diese erfüllte er und somit trat nun seine Worte wieder in den Vordergrund. Ich ließ ihm die Zeit, aber nichts tat sich. So musste ich ihn vor die Wahl stellen.“ „Aber, Kapitän…“, unterbrach Porthos in etwas forscher Art. Sofort sah ihn sein Vorgesetzter mit bösem Blick an. Was den Musketier doch leicht schlucken ließ und ihn zum Verstummen brachte. „Er hat bei seiner Ehre geschworen. Und die Ehre eines Musketiers ist wie ein ungeschriebenes Gesetz.“ Treville ließ die beiden Männer vor sich nicht zu Worte kommen. Aber die beiden wussten, dass ihr Kapitän Recht hatte. „Er wollte sein Versprechen brechen und daher habe ich gehandelt. Und er kann froh sein, dass ich ihn nicht mit Schimpf und Schande habe hier entfernen lassen.“ D’Artagnan schien ein Licht aufzugehen. „Natürlich, Kapitän. Aber ich frage mich, was dies mit dem Boten zu tun hat, der hier gewesen ist.“ Nun lehnte sich Treville in seinem Stuhl zurück und betrachtete den jungen Gascogner schweigend. Ihm war nicht entgangen, dass D’Artagnan in der letzten Zeit immer erwachsener geworden war. Nicht nur vom Körper, sondern schon von seiner Handlungs- und Denkweise. „Athos hat ihn geschickt. Scheinbar hat er Aramis ausfindig machen können.“ „Dann müssen wir sofort zu ihm!“, platzte Porthos nun aufgeregt dazwischen. „Nein, ihr bleibt hier!“, kam es von Treville, eine Spur strenger. „Aber…“ „Kein aber! Verstanden?“ Porthos öffnete gerade seinen Mund, um etwas zusagen, als D’Artagnan seine Hand auf die Schulter legte. „Porthos, bitte. Der Kapitän hat gewiss seine Gründe und wenn es soweit ist, werden wir bereit sein.“ Eindringlich sah er dabei seinen Freund an. Dieser zögerte kurz, bevor er zustimmend leicht seinen Kopf bewegte. „Wie du meinst, D’Artagnan.“ Aufmunternd lächelte ihn der Gascogner kurz an und drückte Porthos Schulter leicht. Jedoch ging sein Blick zu Kapitän Treville. Dieser nickte ihm leicht zu. „Ihr könnt euch nun zurückziehen. Ich sehe euch morgen zu eurem Dienst.“ Damit war für Treville das Gespräch beendet und er widmete sich wieder seinen Unterlagen. Die beiden Musketiere salutierten und verließen das Büro des Vorgesetzten. Kaum das die beiden am Ende der Treppe angekommen war, stieß Porthos seinen Freund in die Seite, so dass dieser einen leichten Sprung zur Seite machen musste. „Du weißt doch etwas, D’Artagnan.“ Der Gascogner ruderte noch leicht mit den Armen, um sein Gleichgewicht wieder zu finden. „Was soll ich wissen, Porthos?“ „Du weißt genau, was ich meine. Das mit Aramis und Arthos. Da ist doch etwas im Busch.“ „Du siehst Gespenster. Ich weiß genauso viel wie du, mein Lieber“, erwiderte D’Artagnan ruhig und ordnete sich dabei seine Uniform. Prüfend beobachtete ihn dabei sein Freund. Dann schob er sich seinen Hut zu Recht. „Ich hoffe, dass die beiden bald wieder hier sind.“ „Mir geht es genauso, Porthos. Aber ich vertraue auf Athos. Er wird bestimmt alles mit Aramis klären können und ihn wieder mit zurückbringen.“ Nun nickte sein Freund zustimmend. „Mir geht es genauso. Aber was hältst du davon, wenn wir nun eine Kleinigkeit essen?“ Ein Grinsen konnte D’Artagnan sich nicht verkneifen. So kannte er seinen Freund Porthos. Gemeinsam machten sie sich anschließend auf den Weg in die nächste Gastwirtschaft. Während Porthos kurz darauf bereits kräftig zulangte, dachte D’Artagnan nach. //Ich hoffe, es geht euch beiden gut. Kommt bald zurück// Kapitel 3: Ein unverhofftes Wiedersehen --------------------------------------- Die Zeit, in der Athos auf eine Antwort wartete, ließ er nicht ungenützt verstreichen. Seine Gedanken kreisten um das gefundene Medaillon und auch um Aramis. Was verband diese beiden? Ganz schlaa wurde Athos daraus nicht. Ihm war nur bewusst, dass er nicht einfach herumsitzen und Däumchen drehen konnte. Er ließ sein Pferd satteln, um einen ausgiebigen Ausritt zu machen. Den Anschein hatte es wenigstens für seine Angestellten. Jedoch Athos verfolgte ein anderes Ziel, als das er sich nur eine einfache Ablenkung verschaffen wollte. Er hoffte, Aramis ausfindig zumachen. So lenkte er sein Pferd in die Richtung, wo er die Kette gefunden hatte. Dort stieg er ab und machte sich auf die Suche nach Spuren. Durch seine lange Arbeit bei den Musketieren, hatte er rasch ein paar Hufspuren, die scheinbar noch nicht alt waren, gefunden. Diesen folgte er, bis der Boden zu hart war und die Spuren im Nichts verschwanden. Athos blieb nichts anderes übrig, als sich nun auf sein Glück und seine Intuition zu verlassen. Stunde um Stunde verging, in denen er den Wald Meter für Meter durchkämmte. Jedoch blieb dies ohne Erfolg. Er hoffte innerlich, dass Aramis den Verlust des Medaillons bemerkt hatte und es nun suchen würde. Das dies auch der Tatsache entsprach, erahnte er im Moment nicht im Geringsten. Aramis war erst am Abend aufgefallen, dass das Schmuckstück fehlte. Sie war sich sicher, dass sie es noch am Morgen sich umgelegt hatte. Nach dem Frühstück war sie mit dem Baron ausgeritten. Und da sie das Medaillon auf dem Anwesen nicht fand, musste sie es auf dem Ausritt verloren haben. Aramis hoffte sehr, dass niemand es gefunden hatte. An sich war die Gegend recht einsam, aber sie war nicht gänzlich Menschenleer. Schließlich konnte man nie wissen, wer die Länderein durchquerte. Da ihr Gastgeber ein paar wichtige Dinge erledigen musste, nutzte Aramis die Gunst der Stunde, um nach ihrem Schmuckstück zusuchen. Jedoch verlief diese Suche Ergebnislos. So kehrte sie niedergeschlagen zurück. Der Baron merkte dies und fragte nach dem wieso. Aramis erklärte nur kurz, dass ihr etwas abhanden gekommen sei, aber scheinbar war dies nun für immer verloren. Ihr Gastgeber bot seine Hilfe an, jedoch Aramis lehnte dankend ab. „Es tut mir wirklich leid, mein Freund“, sprach er ruhig. „Vielleicht kann ich Euch dennoch etwas aufmuntern.“ „Wie meint Ihr dies?“ „Meine Köchin hat eine Dienstmagd des Grafen de la Fère getroffen und diese berichtete, dass ihr Herr wieder da wäre.“ „Nun, ich verstehe nicht ganz, auf was Ihr hinauswollt, Baron. Es freut mich gewiss für Euch, dass Euer Freund wieder da ist. Aber was hat dies mit mir zu tun?“ „Ganz einfach, Aramis. Wir werden ihm einen Besuch abstatten.“ Aramis öffnete ihren Mund, um etwas zu erwidern, jedoch hob der Baron seine Hand, um aussprechen zu können. „Kein aber, mein Freund. Ihr werdet mich begleiten. Ihr müsst den Grafen kennenlernen.“ Innerlich schluckte Aramis schwer. Sie konnte doch nicht einfach mitkommen. Ihr ehemaliger Kamerad würde sie sofort erkennen. „Das würde ich gewiss gern, aber ich will morgen Abreisen und daher heute zeitig ins Bett. Bitte versteht dies“, versuchte sie von dem Wunsch des Barons Abstand zu nehmen. „Macht Euch keine Gedanken. Wir werden nicht lange dort verweilen. Also schlagt mir diese Bitte nicht ab.“ Händeringend suchte Aramis eine weitere verbale Fluchtmöglichkeit, aber sie war innerlich so aufgewühlt, dass ihr einfach nichts Gescheites einfiel. So senkte sie kurz leicht ihren Kopf und nickte. „In Ordnung. Ich begleite Euch.“ Freudig lächelte der Baron bei ihren Worten. „Gut, wir werden in einer halben Stunde aufbrechen.“ Athos war nach langer Suche erfolglos zurückgekehrt und hatte es sich nun bei einem Glas gutem Wein bequem gemacht. So war es Zufall, dass er ein Gespräch zwischen seiner Dienstmagd und seiner Köchin vernahm, welches um seinen alten Freund, den Baron de Villefort ging. Er hörte, dass dieser einen Gast zur Zeit hätte, der ihm das Leben gerettet habe. Diese Worte ließen Athos hellhörig werden. Könnte es sich dabei um Aramis handeln? Er hoffte es. Aber wie sollte er es heraus bekommen? Vielleicht sollte er seinem alten Freund und Nachbarn einfach einen Besuch abstatten? Nachdenklich nickte Athos kurz darauf. Das wäre die beste Möglichkeit, um Gewissheit zu erlangen. Dies wollte er gleich heute noch in die Tat umsetzen. Zügig leerte er sein Glas und ging anschließend hinauf in seine Gemächer, um sich umzukleiden. Als er sich fast fertig war, klopfte es und man kündigte ihm Besuch an. Darüber war er sehr überrascht. „Es ist Baron de Villefort mit einem Fremden“, sprach sein Diener auf seine unausgesprochene Frage. Überrascht sah ihn Athos kurz an, dann nickte er leicht und wies ihn an, die Gäste in den Salon zu führen, er selber würde gleich dort erscheinen. Sein Diener nickte stumm und verließ ihn wieder. So blieb Athos noch ein Moment zum Durchatmen. Sein Herz schlug, aus einem ihm nicht ganz erklärbaren Grund, bis zum Zerbersten schnell. Er hoffte, dass er nun endlich Aramis gefunden und mit ihm ein klärendes Gespräch führen konnte. Ein paar Mal atmete er so tief ein und trat dann, nach Außen vollkommen ruhig, die Freitreppe hinunter. Festen Schrittes ging er auf die Salontüren zu. Vor dieser richtete er seine Jacke und trat kurz darauf ein. Sofort bemerkte er seinen Nachbarn, der auf ihn zu Schritt. „Graf de la Fère, es freut mich, dass Ihr wieder hier seit“, begrüßte er ihn freundlich. „Darf ich Euch meine Begleitung vorstellen? Dieser junger Mann hat mir vor ein paar Tagen das Leben gerettet, als ein paar Wegelagerer mich überfallen haben.“ Mit einer Armbewegung wies er in die Richtung, wo Aramis auf einem Sessel saß und sich scheinbar für die gegenüberliegende Bücherwand zu interessieren schien. Athos hatte ihn sofort erkannt und sein Herz hatte für einen Moment ausgesetzt. Es fiel ihm nicht leicht, aber er hielt seine Fassade aufrecht, ohne das man merkte, wie nervös er in Wirklichkeit war. „Es freut mich Euch zu sehen, Baron de Villefort. Ihr habt Recht. Viele Jahre sind vergangen.“ Bei der Handbewegung nickte er leicht. Dann trat er langsam auf Aramis zu und blieb direkt vor ihm stehen. So war sie gezwungen hochzusehen, wenn es nicht danach aussehen sollte, dass sie unhöflich wäre. Daher fiel ihr Blick direkt in seine dunklen Augen und sie musste prompt innerlich mehr als hart Schlucken. Sie erhob sich geschmeidig, auch wenn ihre Knie schon längst zitterten. Kurz räusperte sie sich dann, damit ihre Stimme nicht zitterte. „Es freut mich Eure Bekanntschaft zu machen, Graf de la Fère.“, sprach sie ihn höflich an. Athos Blick schien sie geradezu zu durchbohren, aber sie schaffte es, diesem stand zuhalten. „Die Freude liegt ganz auf meiner Seite, Monsieur…“ „Aramis“, unterbrach sie ihn kurz, als Athos scheinbar absichtlich sie fragend ansah. "Einfach nur Aramis." Diese Reaktion von ihm, ließ sie innerlich etwas aufatmen. Er schien sie nicht vor dem Baron zur Rede stellen zu wollen. „Monsieur Aramis“, leichte nickte Athos kurz. Athos nickte kurz und wies ihnen an sich es sich doch bequem zu machen. Das Dienstmädchen servierte kurz darauf allen Wein, mit dem die drei dann anstießen. Der Baron begann dann Athos auszufragen, wo er die ganzen Jahre gewesen wäre. Aber ihr ehemaliger Kollege hielt sich größten Teils bedeckt und erwähnte mit keiner Silbe seine Arbeit als Musketier. Aramis blieb während des ganzen Gespräches doch recht wortkarg. Sie antwortete nur, wenn man sie direkt ansprach. Und dies änderte sich auch nicht, als sie später alle zusammen dinierten. Spät am Abend verabschiedeten sich. „Ich würde morgen gern eine kleine Jagd abhalten, als Erinnerung an alte Zeiten.“ „Eine sehr gute Idee. Und Monsieur Aramis wird uns gewiss begleiten.“ Als sie die Worte vernahm, schluckte sie kurz, dann schüttelte sie leicht ihren Kopf. „Vielleicht ein anderes Mal. Aber ich werde morgen Abreisen.“ Athos Augen funkelten kurz bei ihren Worten. „Ich bitte Euch. Ihr könnt Eure Abreise, gewiss um einen Tag verschieben. Und wenn nicht um einen Tag, dann um ein paar Stunden.“ Innerlich seufzte Aramis. Ihr wurde dadurch bewusst, dass Athos auf jeden Fall mit ihr das Gespräch suchen würde und dies wollte und musste sie mit allen Mitteln verhindern. „Es tut mir wirklich leid, Graf. Ich werde in ein paar Tagen erwartet und ich habe mich hier schon zu lange aufgehalten und die Gastfreundschaft des Barons ausgenutzt.“ Nun mischte sich auch dieser ein. „Aber, Aramis. Das ist nicht wahr. Ich habe Euch sehr gern als meinen Gast. Ihr fallt mir nicht zur Last. Also begleitet uns morgen. Es wird Euch gewiss gefallen.“ Nun seufzte Aramis wirklich, so dass es die beiden Männer hörten. Innerlich ließ Athos dies Grinsen. „Nun gut, aber danach werde ich direkt aufbrechen.“ „Das freut mich, dass Ihr Euch doch dafür durchgerungen habt“, erwiderte Athos freundlich. „Wir werden um acht Uhr morgen früh aufbrechen.“ Der Baron nickte erfreut und verabschiedete sich dann mit Aramis von ihm. Der Heimritt der beiden verlief recht schweigsam. „Sagt, mein Freund. Fühlt Ihr Euch nicht wohl? Ihr wart sehr schweigsam vorhin.“ Aramis schüttelte ihren Kopf. „Nein, Baron. Es ist alles in Ordnung. Ich bin nur etwas ermüdet“, erwiderte sie entschuldigend. De Villefort nickte kurz. Dann verlief der Rest des Weges abermals schweigend. Kaum bei seinem Anwesen angekommen, wünschte Aramis ihm eine gute Nacht und zog sich anschließend zurück. Schnell war sie auf ihrem Zimmer verschwunden. Sie war nicht im Geringsten müde. Ihre Sinne waren hellwach. Ihr war klar, hier konnte sie nicht länger bleiben. Sie musste fort, weit fort. Und dies, ohne das jemand es bemerkte. Rasch suchte Aramis ihre paar Habseeligkeiten zusammen und wartete bis im Hause Ruhe eingekehrt war. Es tat ihr leid, nun einfach ohne etwas zu sagen, zu verschwinden. Aber Aramis hatte ihre Beweggründe, die einen längeren Aufenthalt hier nicht zuließen. Daher schlich sie sich leise hinaus. Im Stall sah ihr Pferd ihr entgegen. So stellte sie ihre Sattentasche ab und begann nun ihr Reittier ruhig, aber mit raschen Griffen zu satteln und zu Trensen. Nachdem sie den Sitz des Gurtes nochmals geprüft hatte und gerade die Zügel ihres Pferdes ergreifen wollte, hörte sie eine ihr mehr als vertraute Stimme aus der Dunkelheit. Ihre Augen weiteten sich und sie schluckte hart. „Wolltest du nun einfach so verschwinden? So wir du es vor Wochen schon einmal getan hattest?“, kam es aus Richtung der Stalltür. Dort zeichnete sich leicht eine dunkle Silhouette ab. Und Aramis musste sich nicht wirklich darauf konzentrieren, um zu erkennen wer dort stand und ihr den Weg versperrte. „Ich hatte und habe meine Gründe, Athos“, erwiderte sie mit erstaunlich fester Stimme. Dass ihre Augen dabei etwas anderes sagten, konnte sie nicht verhindern. Jedoch war sie froh, dass es im Stall dunkel war und er dies nicht sehen konnte. „Ach, ja? Und die wären? Was hat dir Treville an den Kopf geworfen bzw. was sollst du gemacht haben, damit er dich einfach so aus dem Musketierchor heraus wirft?“, kam es weiterhin mit seiner typischen ruhigen Stimme. „Das geht ganz allein nur mich etwas an, Athos.“ „Das mag sein, Aramis. Aber ich dachte, wir sind Freunde. Und ist es unter Freunden nicht üblich, dass man miteinander spricht? Das haben wir früher immer getan. Oder entspricht das nicht der Wahrheit?“ Aramis erinnerte sich an die Gespräche nur zu gut und oft hatte sie vor allem bei ihm Rat gefunden. „Du hast mit deinen Worten Recht, Athos. Aber in diesem Fall geht es einfach nicht.“ Etwas hatte Aramis sich nun gefangen und befestigte nun ihre beiden Reisetaschen am Sattel. Dann führte sie ihr Pferd aus der Box. Ihr Griff um die Zügel war eisern und er wurde noch fester, je näher sie Athos kam. Dieser lehnte gelassen an der großen Stalltür und sah ihr entgegen. Immer wieder musste Aramis schlucken. Um ruhig zu bleiben, sah sie an ihm vorbei. Als sie dann auf Augenhöhe waren, begann Athos wieder zusprechen. „Es ist keine Lösung fortzulaufen. Die Vergangenheit holt einen immer wieder ein.“ Seine Worte ließen Aramis stoppen. „Was meinst du, Athos?“ „Du verstehst mich, Aramis. Ich spreche von meiner eigenen Vergangenheit und wie du siehst, sie hat mich nicht nur als Musketier Athos eingeholt bei unserer letzten Mission, sondern auch hier.“, erwiderte er ruhig. Dabei mustere er ihr Profil genau. „Was ist nur vorgefallen, Aramis? Wir sind doch Freunde. Oder etwa nicht?“ „Ja, das sind… oder waren wir, Athos. Bitte frage nicht weiter. Ich kann es dir einfach nicht sagen… Ich…“ „Warum, Aramis?“, unterbrach er sie, was sonst nicht wirklich seine Art war. „Warum? Weil du Angst hast? Angst wovor? Das unsere Freundschaft daran zerbrechen könnte? Meinst du nicht, dass deine Flucht viel mehr dazu beitragen kann, als nicht darüber zu reden? Glaube mir, in Paris warten Porthos und D’Artagnan auf eine Meldung von mir. Sie machen sich große Sorgen um dich. Und fragen sich genauso, was vorgefallen ist.“ Aramis atmete sichtbar tief durch und spürte dabei den musternden Blick Athos auf sich. „Ich habe meine Gründe und das muss zur Antwort reichen.“ Sie hatte das Gefühl, dass in ihren Beinen Blei war und sie kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Aber sie riss sich zusammen und führte ihr Pferd weiter. „Willst du es mir wirklich nicht sagen? Muss ich wirklich auf das Schreiben Trevilles warten?“ Sofort blieb Aramis stehen, aber sie sah nicht zu ihm. „Welches Schreiben?“ „Ich habe ihm vor drei Tagen einen Boten geschickt und ich hoffe auf einige Antworten“, erwiderte er ruhig. Die leichte Kühle, die in seiner Stimme mitschwang, ließen Aramis innerlich erzittern und ihre Augen drohten sich mit Tränen zu füllen, die sie nur knapp mit eiserner Disziplin zurückhalten konnte. „Vielleicht erfahre ich von ihm mehr. Aber du könntest mir eine andere Frage beantworten.“ Langsam war er bei seinen Worten wieder zu ihr getreten. Leicht umrundete er sie und konnte so im blassen Mondlicht ihre geschürzten Lippen sehen. Seine Hand griff in seine Jacktasche, ohne den Blick von ihr zu lösen. Er hoffte, dass sie seinen Herzschlag nicht hören würde. „Was hat es damit auf sich?“ Er zog seine Hand hervor und an seinen Fingern hing ihre Kette mit dem Medaillon. Aramis reagierte erst nicht, doch als das silberne Mondlicht sich auf dem Schmuckstück reflektierte, weiteten sich ihre Augen und sie schluckte. „Woher hast du es?“, fragte sie ihn direkt, ohne auf seine Frage einzugehen. Dabei glitt ihre zierliche behandschuhte Hand in Richtung ihrer Kette. Athos zog seine Hand daraufhin etwas zurück und besah sich das Schmuckstück scheinbar genauer. „Gefunden“, war seine knappe Antwort. „Aber nun beantworte mir meine Frage. So wie ich die deine auch tat.“ Aramis seufzte und senkte kurz ihren Blick. Deutlich spürte sie Athos Blick auf sich ruhen. „Es war einmal ein Geschenk“, sprach sie leise. Athos nickte leicht und schwieg, damit sie weiter sprach. „Es ist wie ein Talisman und daher habe ich danach gesucht. Nun weißt du es, würdest du es mir bitte wiedergeben?“ Langsam hob sie ihren Kopf und sah ihn wieder direkt an. Deutlich konnte sie seine dunklen Augen sehen. Jedoch schien er keine Anstalten zu machen, ihr die Bitte zu erfüllen. „Athos? Bitte“, wiederholte sie, diesmal eine Spur lauter. „Wenn das so ist, was bedeutet dann diese Inschrift? Und wie erklärst du dir das kleine Portrait im Inneren?“ Bei seinen Worten öffnete er geschickt das Medaillon und drehte es mit der offenen Seite zu ihr. Sein Blick blieb abwartend. Aramis Augen weiteten sich, erst Recht als sie das kleine Abbild von sich sah. Sie schluckte hart und biss anschießend die Zähne fest aufeinander. „Das geht dich nichts an, Athos“, zischte sie als Antwort. Athos war schon etwas überrascht auf ihre Reaktion, jedoch veränderte er seine Haltung nicht. „Diese Frau sieht dir wirklich sehr ähnlich, Aramis“, begann er. „Man könnte euch für Zwillinge halten. Nur, wenn dies wirklich der Fall ist, warum hast du nie von ihr erzählt. Und vor allem, wieso dann diese Inschrift? Das wäre gewiss nicht logisch.“ Prüfend sah Athos Aramis an, dabei prägte er sich genau jede ihrer Regungen ein. Jedoch blieb Aramis ihm eine Antwort schuldig. Leicht trotzig schob sie ihm ihre Hand herüber. „Gib es mir bitte wieder!“, erklang es fast eisern von ihr. Aber Athos meinte noch etwas anderes in ihrer Stimme zu hören, was er von ihr nicht kannte. Ganz zuordnen konnte er sich dies jedoch nicht. „Beantworte mir meine Fragen und du sollst es sofort wiedererhalten“, antwortete er vollkommen ruhig, auch wenn es in Wirklichkeit anders in ihm aussah. Doch was er dann sah, ließ seine Augen weiten. Er sah Tränen. „Aramis…“, sprach er überrascht und machte einen Schritt auf sie zu. Das hatte er gewiss nicht gewollt. Niemals hätte er ihn so sehen wollen. Aramis sah ihn nicht mehr an, schüttelte kurz ihren Kopf und schwang sich, ohne noch ein Wort an ihn zu richten, auf ihr Pferd. Kaum das sie saß, gab sie dem Tier die Sporen und galoppierte vom Anwesen des Barons. Mit geweiteten Augen und dem Medaillon in der Hand, sah Athos ihr hinterher. „Aramis...“, sprach er nun leise. Dann schüttelte er seinen Kopf und pfiff kurz auf seinen Fingern und sein treues Ross kam sofort darauf angetrabt. Athos ließ die Kette wieder in seiner Tasche verschwinden und folgte kurz darauf Aramis. Er hoffte, dass er sie einholen würde. Kapitel 4: Ein erstes Erwachen ------------------------------ Blind vor Tränen galoppierte Aramis in die Nacht. Ihre zierliche Gestalt und ihr geringes Gewicht machten sich beim Tempo bemerkbar, jedoch bremste ihr Gepäck sie doch etwas. Dennoch hatte sie einen guten Vorsprung vor Athos. Dieser aber kannte die Gegend wie seine Westentasche. Er hoffte, dass Aramis Pferd auf dem Weg bleiben würde, so kürzte er diesen durch das Unterholz ab und erreichte vor Aramis eine große Lichtung. Diese hatte ihrem Pferd vertraut und konnte sich nun, als Athos vor ihr auftauchte und ihr eigenes Tier erschrak und somit kerzengrade in die Höhe stieg, nicht mehr halten und fiel unsanft auf den Waldboden und blieb dort regungslos liegen. „ARAMIS…!“, schrie Athos und sprang von seinem Pferd. Sofort eilte er zu ihr und kniete sich nieder. Vorsichtig und sanft fasste er sie an den Schultern und rüttelte sie leicht. „Aramis… mach bitte deine Augen auf“, sprach er, bedacht dabei ruhig zu bleiben. Jedoch die Angesprochene reagierte nicht. Sie war so unglücklich gestürzt, dass sie das Bewusstsein verloren hatte. Athos schien dies zu merken. Vorsichtig hob er Aramis auf seine starken Arme und trug sie zu seinem Pferd. Das ihr Pferd folgen würde, darüber machte er sich keine Sorgen. Diese galt vollkommen allein Aramis. Langsam ließ er sie in seinen Sattel gleiten, um kurz darauf sich hinter sie zu setzen und sicher festzuhalten. Langsam ließ er sein Pferd losgehen. Sein Herz raste. Einmal, weil er in großer Angst um Aramis war, aber auch weil er ihn so nah an sich spürte. //Er ist noch zierlicher, als es immer den Anschein machte. Und auch sein Gewicht… es wirkt, als würde er beinah nichts zu sich nehmen. Ist er vielleicht krank?// Athos hatte für den Moment das Medaillon vollkommen vergessen, seine Befürchtung war einfach viel zu groß, als sich weitere Gedanken zu machen. Da er nicht wusste, wie schwer Aramis verletzt war, ritt er langsam in Richtung seines Anwesens, welches näher war, als das des Barons. Immer wieder sah Athos zu dem, in seinen Armen hängenden, bewusstlosen Aramis. //Seine Gesichtzüge wirken so entspannt und auch jetzt wirkt sein Haar, wie gesponnenes Gold. Sollte ich…// Kurz führte er seine Hand in Richtung ihres Haares, doch er zögerte und nahm seine Hand wieder zurück. //Athos, reiß dich zusammen! Aramis ist dein Kamerad und wegen deiner Schuld verletzt!// Er versuchte sich zusammen zu reißen, auch wenn es ihm nicht leicht fiel. Deutlich wurde ihm nun vor Auge geführt, dass ihn mehr als nur Freundschaft mit Aramis verband. Dieser Erkenntnis ließ Athos hart schlucken. Er wusste, dass sie nicht sein durfte. Liebe unter Männern war vor Gott verboten. Athos schüttelte seinen Kopf, um klar zu werden, was ihm nicht wirklich gelang. Zum Glück erreichte er endlich sein Anwesen. Seine Diener waren noch auf und nahmen ihn sofort in Empfang. Er schickte einen Boten in das nächste Dorf, um einen Arzt zu holen. Derweil brachte er Aramis in eines der vielen leerstehenden Gästezimmer und legte ihn dort in ein großes Bett. Besorgt hatte er sich für einen Moment zu Aramis gesetzt und ihn beobachtet. Dann verließ er das Zimmer, als er merkte, dass er sich allein an seinem Gesicht nicht satt sehen konnte. Er wies eines der Mädchen, sich um Aramis zukümmern, derweil zog er sich in seinen Salon zurück. Nachdenklich stand er dort an seinem Kamin und nahm hin und wieder einen Schluck Wein. Seine Stirn war in Sorgenfalten gelegt. Als es an der schweren Salontür klopfte, sah er nicht auf. „Ja, bitte?“ Das Mädchen, welches sich um Aramis kümmern sollte, war eingetreten. „Mein Herr?“ „Was willst du? Ist es etwas passiert? Du solltest doch bei dem Verletzten bleiben“, sprach er ruhig, jedoch mit leicht strengem Unterton. Beschämt senkte das Mädchen kurz ihren Kopf. „Wie soll ich sagen… Ich… ich habe…“, stammelte sie nun. „Was hast du getan?“, kam es eine Spur ungeduldiger von ihm. „Ich habe Euren Gast entkleiden wollen, um mögliche sichtbare Wunden zu versorgen. Aber dabei… wie soll ich sagen…“ „Jetzt sprich endlich!“, erwiderte nun Athos herrisch. Eigentlich war dies nicht seine Art und er dachte normalerweise zuerst immer vorher nach, aber im Moment war ihm dies nicht möglich. Das Mädchen zuckte verängstigt und zog ihren Kopf ein. Aber Antworten gelang sie nicht mehr, da der Bote stürmisch klopfte und meldete, dass der Arzt eingetroffen war. So verließ sie rasch den Salon, um den Arzt zu dem Patienten zu bringen. Athos blieb nun alleine mit seinen Gedanken und Sorgen zurück. Es schien für ihn Stunden zu vergehen, bis der Arzt zu ihm kam und er die Diagnose vernahm. Zum Glück war Aramis nicht schwer verletzt. Sie hatte sich scheinbar den Arm angebrochen, aber sonst waren keine Schäden zu entdecken. Nur bestand noch Sorge um die Bewusstlosigkeit. Aramis müsste innerhalb der nächsten Stunden erwachen, sonst würde dies auf eine noch unerkannte schwere innere Verletzung hindeuten. Jedoch das war nicht alles, was der Arzt Athos mitteilte. Und diese traf Athos ziemlich. Er verabschiedete den Arzt und schloss sich kurz darauf in seinem Arbeitszimmer ein. Dort saß er mit einer Flasche Wein hinter seinem mächtigen Schreibtisch und starrte in die Leere. Er musste erst einmal verdauen, was er erfahren hatte. Zudem wusste er nicht, wie er damit umgehen sollte. So folgte dem ersten Glas Wein, rasch ein zweites, ein drittes… bis dann die Flasche leer war. Er reagierte auf kein Klopfen der Dienerschaft, auch wenn er dies, wie auch deren Worte, deutlich hörte. Erst die Meldung, dass Aramis wieder erwacht war, brachte ihn dazu, etwas zu äußern. Er ließ wieder den Arzt kommen, um abermals nach ihr zu sehen. Erst als dieser da war, verließ Athos sein Arbeitszimmer und verschwand in seinen Gemächern, dort richtete er sich und seine Kleidung. Währenddessen traf der Bote Kapitän Trevilles ein. Mit diesem Schreiben ging er in den Salon und ließ sich dort nieder, um ihn zu lesen. Diese Antwort, die er hier nun erhielt, bestätigte seine früheren Gedankengänge. Etwas später kam der Arzt zu ihm und teilte Athos mit, dass sein Gast noch etwas Bettruhe benötigen würde und in zwei Tagen langsam wieder aufstehen würde können. Athos bedankte sich bei ihm und brachte ihn zur Tür. Später wies er seine Angestellten an, sich um Aramis zukümmern und darauf zu achten, dass sie das Bett für die nächsten zwei Tage nicht verlassen würde. Und auf seine Angestellten konnte Athos sich verlassen, sie würden für alles Sorge tragen. Er selber nutzte die Zeit zum Nachdenken. Aramis hatte ebenfalls Zeit zum Kopfzerbrechen. Sie wollte und konnte nicht hier bleiben, nachdem sie erfahren hatte, wo sie sich befand und erst recht, als sie merkte, dass ihr Geheimnis kein Geheimnis mehr war. Jedoch jeder Versuch ihrerseits wurde von Athos Bediensteten unterbunden. Und dies ließ ihre Laune nicht wirklich besser werden. Erst als sie die Erlaubnis bekam aufstehen zu dürfen, hellte sich diese langsam etwas auf. Zum Glück waren ihre Sachen noch da, jedoch mit ihrem verbundenen Arm war es ein kleines Unterfangen sich alleine anzukleiden. So dauerte es etwas bis sie dann fertig angezogen die Treppen hinunter ging. Das Mädchen, welches vor sich um sie gekümmert hatte, führte Aramis zum Salon. Dieser war bereits zum Frühstück gedeckt. Aramis sah sich um, aber sie war allein. Sofort schoss ihr der Gedanke der Flucht in den Kopf, jedoch ihr Magen machte einen kleinen Strich durch die Rechnung, in dem er sich knurrend zu Worte meldete. Dies ließ Aramis leicht seufzen. Das Essen sah wirklich verlockend aus und sie trat langsam an diesen heran. Genau betrachtete sie alles und begann dann in Ruhe zu speisen. Die ganze Zeit blieb sie dabei allein. Sie war schon verwundert, dass Athos nicht auftauchte, da sie damit fest gerechnet hatte. Da dies aber nicht geschah, frühstückte sie in Ruhe zu Ende. Anschließend sah sie sich auf dem Anwesen um. Dabei stellte Aramis schnell fest, dass sie nicht einfach von hier fort konnte. Erst Recht nicht mit ihrem lädierten Arm. Mittlerweile war sie auf der einladenden großflächigen Terrasse angelangt. Vor hier hatte sie einen atemberaubenden Blick auf die riesen Parkanlage. Aramis Blick schweifte über die Grünflächen, die geziert waren durch weiße Kieswege, ordentlich geschnittene Buchsbaumstatuen, einzelne Springbrunnen und dezent gesetzten Blumenbeeten. Es war wie ein Traum. Etwas abgelegen konnte Aramis einen Pavillon aus hellem Marmor ausmachen. Aus einem ihr nicht erklärbaren Grund, zog es sie geradezu magisch dort hin. So setzte sie ihre Füße auf die gute gepflegte Kiesfläche und folgte dem vor ihr auftuendem Weg. Langsam, sich dabei genau umsehend, ging Aramis durch die Parkanlage. Dabei ließ sie sich Zeit, um alles zu betrachten. Als sie den Pavillon erreichte, stellte sie fest, dass er nicht verlassen da lag, sondern jemand sich dort aufhielt. Und allein an der Haltung konnte Aramis deutlich erkennen, um wen es sich handelte. Ihre Gedanken begann sofort zu rasen, sie musste fort. Aber ihre Beine gehorchten ihr nicht. „Du musst nicht fortlaufen“, kam es aus Richtung der Sitzgelegenheiten innerhalb des Pavillons. „Ich halte dich hier nicht gefangen, aber kuriere bitte zuerst deine Verletzungen aus. Dann kannst du gehen, wohin du willst.“ Aramis Augen weiteten sich, als sie seine Worte vernahm. „Es tut mir leid, dass ich schuld für deinen Unfall bin. Ich hoffe, du verzeihst mir.“ „Sag bitte nicht so etwas. Es war auch meine Schuld. Ich hätte nicht blind davon reiten dürfen“, erwiderte Aramis mit erstaunlich fester Stimme. „Das brauchst du nicht sagen. Ich hoffe, du nimmst meine Entschuldigung an.“ Während Athos sprach, war er aus der Dunkelheit des Pavillons getreten. Aramis beobachtete ihn dabei genau und stellte fest, dass Athos sie nicht ansah und ihrem Blick geradezu auswich. Dies verwunderte sie sehr. Erst Recht, als er das Thema des letzten Gespräches nicht wieder aufgriff. Ohne etwas zu sagen, sah sie zu ihm, als er langsam an ihr vorbei schritt. Doch dann stoppte er, als er auf ihrer Schulterhöhe war. Seine Hand glitt aus seiner Jackentasche, mit der anderen griff er nach Aramis gesunden Hand und legte in diese das Medaillon. „Es gehört dir. Ich wollte es dir zurückgeben.“ Auch davon war Aramis mehr als überrascht. Er war so flink gewesen, dass sie ihre Hand nicht mehr zurückziehen konnte. „Da… danke, Athos.“ Das waren die einzigen Worte, die sie über die Lippen brachte. Er nickte nur kurz ohne sie anzusehen und setzte seinen Weg zum Anwesen fort. Aramis sah ihm nur hinter. Dann fiel ihr Blick auf ihre Handfläche, wo ihre Kette lag. Obwohl sie das Schmuckstück genau kannte, verschloss sie es nun mit ihren Fingern und kniff die Augen zusammen. So blieb sie einige Minuten stehen. Erst dann setzte sie ihren Weg fort. Im Pavillon ließ sie sich nieder, um nachzudenken. //Was ist nur mit ihm los? Vielleicht weil er nun weiß, dass ich kein Mann bin? Weil unsere Freundschaft so eine einzige Lüge war? Bitte verzeih mir. Ich habe es dir schon längst. Es war dein gutes Recht. Ich war es, die dich und auch die anderen hinter das Licht geführt hat. Es tut mir unsagbar leid, aber ich kann nichts mehr daran ändern. Aber ich bin dir, wie auch Porthos und D’Artagnan, mehr als dankbar für eure lange Freundschaft und Loyalität. Ihr werdet alle gewiss euren Weg finden, auch ohne mich. Ich werde euch alle niemals vergessen. Vor allem dich, Athos, nicht.// Wieder stiegen Tränen in Aramis Augen. Rasch wischte sie sich mit ihrem gesunden Arm über diese, aber ihre Tränen stoppten nicht. Ihr Körper wurde durch ihr stummes Schluchzen erschüttert und sie verbarg nun ihren Kopf an ihrem Arm. Dass Athos sie aus einer Distanz beobachtete, bemerkte sie nicht. //Was soll ich nun nur tun? Ich kann ihr nicht einmal mehr in die wunderschönen Augen sehen. Wie soll ich mich verhalten? In mir brennen Fragen, die ich mich aber nicht traue zu stellen. Und wenn ich nun sehe, wie sie dort sitzt, zieht es mein Herz mehr und mehr zusammen.// Athos war hin und her gerissen zwischen seinen Gefühlen. Genauso wie Aramis war er nicht im Stande über die Dinge, die nun offen vor ihnen lagen, zu reden. So verharrten beide in ihrer Position, bevor sie zurückkehrten, ohne dass der jeweilige andere, es bemerkte. Die Dienerschaft hatte bereits den Salon zum nächsten Mal eingedeckt und Athos ließ Aramis diesmal wieder einzeln schmausen. Auf einer Seite hätte sie gerne mit ihm zusammen gespeist, auf der anderen war sie ihm dankbar, dass er sie alleine ließ. Zudem zollte dies von seinem Vertrauen ihr gegenüber. Die Tage vergingen und es kam die Stunde, in der Aramis beschloss abzureisen. Es fiel ihr schwer, gerne hätte sie mit Athos noch ein paar Worte gewechselt. Aber in den letzten Tagen hatte sie ihn kaum zu Gesicht bekommen. Zudem wusste sie nicht, welche Worte sie an ihn hätte richten sollen. Nun stand sie in der großen Vorhalle und verabschiedete sie sich bei der Dienerschaft und richtete auch noch ein paar dankende Worte an sie für die Unterkunft und die Gastfreundschaft. Dann trat sie hinaus. Ihr Pferd wartete bereits fertig gesattelt auf sie. Aber es war nicht alleine. Athos stand bei ihm und hielt die Zügel. Für Aramis war es noch immer ein ungewohnter Blick ihn so vornehmer Kleidung statt seiner Musketieruniform zusehen. Langsam, mit einem innerlich mulmigen Gefühl, schritt sie auf ihn zu. Wortlos reichte er ihr die Zügel und ließ sie aufsteigen. „Ich wünsche dir alles Gute, wohin dein Weg dich auch führen mag…“, sprach er ruhig, ohne sie anzusehen. Aramis merkte dabei wieder einmal, dass er es die ganze Zeit nicht getan hatte. „Ich danke dir“, erwiderte sie, wobei sie eine aufsteigende starke Traurigkeit in sich verspürte. Athos nickte und wand sich zum Gehen ab. Dabei spürte er ihren Blick in seinem Rücken. So stoppte er und richtete abermals seine Worte an sie. „Vor ein paar Tagen erhielt ich ein Schreiben Kapitän Trevilles. Diesem war auch ein Schreiben direkt an dich gerichtet. Ich habe es nicht geöffnet und es sicher in deiner Satteltasche verstaut.“ Aramis Augen weiteten sich bei seinen Worten und sie schluckte hart. Wirklich fähig, etwas darauf zu erwidern, war sie nicht im Stande. So nickte sie leicht dankend und nahm die Zügel auf, um ihr Pferd zu wenden. Doch dann stoppte sie für einen Moment. „Ich danke dir, dass ich bei dir Gast sein durfte. Lass es dir, Porthos und D’Artagnan gut gehen. Grüße sie von mir.“ Nun war es an Athos zu leicht zu nicken. „Ich werde es ihnen per Boten zukommen lassen.“ Überrascht sah Aramis über ihre Schulter zu ihm. „Wie meinst du das?“ „Ich habe meinen Rücktrittsgesuch eingereicht. Ich werde hier auf meinen Ländereien bleiben.“ „Aber warum? Ich dachte du fühltest dich immer wohl als Musketier?“ „Wie ich dir bereits sagte, die Vergangenheit holt einen immer wieder ein. Dies hier ist die meine und ich kann vor ihr nicht davonlaufen. Aber nun brich auf. Porthos und D’Artagnan werden gewiss in ein paar Tagen hier sein und ebenfalls fragen. Wenn du dich beeilst, kannst du heute noch weit kommen. Und mach dir keine Sorgen, ich werde ihnen nicht sagen, in welche Richtung du geritten bist. Ich werde ihnen mitteilen, dass ich nicht in Erfahrung bringen konnte, warum du fort gegangen bist.“ Aramis musste wieder hart schlucken. Sie trafen seine Worte sehr, auch war sie teils gerührt. „Ich danke dir. Ich danke dir für alles… Für alle die Jahre, die wir zusammen verbringen konnten. Das ich soviel von dir lernen durfte und du mir jederzeit geholfen und mit Rat und Tat zur Seite gestanden hast.“ Athos lauschte stumm ihren Worten. Er war froh, dass sie nicht in sein Gesicht sehen konnte. Seine Augen brannten. Wie sehr sehnte er sich danach, endlich die Wahrheit zusagen. Aber er konnte einfach nicht. So nickte er nur kurz. „Ich habe es gern getan. Wir sind… waren doch Freunde. Nicht wahr?“ Kurz biss Aramis sich auf die Lippen, als sie seinen letzten Satz hörte. „Ja, das waren wir.“ Ein paar Mal atmete sie tief durch, dann ritt sie langsam los. „Au revoir…“, sprach sie leise. Dann stoppte sie in ihren Worten und verhielt innerlich. „…Olivier…“ Nun weiteten sich Athos Augen, dass Aramis bei seinem eigentlich Namen nannte. Rasch drehte er sich um seine eigene Achse und sah ihr mit feucht schimmernden Augen hinterher. „Au revoir…“, erwiderte er ebenfalls leise. Dann lief er ein paar Schritte und seine Stimme wurde leicht lauter. „Au revoir, Renée.“ Auch wenn Aramis schon ein paar Meter von ihm fort geritten war, hörte sie deutlich jedes seiner Worte. Es führte dazu, dass sie ihren Kopf zwischen ihre Schultern zog und weitere Tränen in ihre Augen stiegen. Dann erhöhte sie ihr Tempo und verließ die Ländereien das Grafen de la Fère. Athos stand noch eine ganze Weile vor seinem Haupthaus, obwohl er Aramis längst nicht mehr sehen konnte. Traurig senkte er seinen Kopf und ging langsam wieder hinein. Kapitel 5: Zwei Briefe ---------------------- Auch wenn Aramis nun vollkommen verwirrt und durcheinander war, hatte sie aus dem Unfall gelernt und versuchte sich daher auf den Weg zu konzentrieren. Es ihr mehr als schwer fiel, dennoch schaffte sie die nächste Ortschaft zu erreichen. Aber sie machte keine Rast sondern ritt zügig weiter. Erst gegen kurz vor Mitternacht ließ sie ihr Pferd verschnaufen. Ihre Tränen waren längst getrocknet. Das nächste Dorf war noch viele Kilometer entfernt. Es sah ganz danach aus, als müsste Aramis unter freiem Himmel nächtigen. Aber sie hatte Glück und entdeckte einen alten verlassenen Heuschober. Hier konnte sie ihr Pferd füttern und unterstellen. Zudem hatte sie eine trockene Unterkunft. Kaum, dass sie etwas in dem verlassenen Gebäude umgesehen hatte, setzte starker Regen ein. Aramis atmete auf, dass sie nun doch nicht draußen übernachten musste. So wischte sie kurz über die verstaubte Fensterscheibe und sah hinaus ins Dunkel. Viel ausmachen konnte sie nicht, nur die Regentropfen, die an der Scheibe hinunter glitten. Ein leises Seufzen verließ ihre Kehle, dann wand sie sich ab und ging tiefer in den Schober hinein. Aus einer ihrer Satteltaschen holte sie eine Decke und auch eine Kerze hervor. Damit ging sie in eine Ecke und schlug dort ihr Lager auf. Für ein Feuer war es hier zu gefährlich, aber für Kerzenschein würde es für kurze Zeit gehen. Sie wollte das Schreiben des Kapitäns lesen. Aramis entzündete die Kerze und trat, die Flamme mit ihrer Hand schützend, zu ihren Satteltaschen. Lange suchen musste sie nicht. Jedoch hielt sie nicht einen, sondern zwei Briefe in Händen. Der eine Trug Trevilles, der andere das Siegel de la Fère, welches sie in den letzten Tagen häufiger auf dem Anwesen gesehen hatte. Ihr war etwas mulmig in der Magengegend, als sie mit den Briefen zu ihrer Nachtstatt zurückkehrte. Dort ließ sie sich nieder, stellte die Kerze vorsichtig auf Stroh- und Heufreien Boden und öffnete anschließend Trevilles Umschlag. Ruhig überflogen ihre Augen die Zeilen. An machen Stellen musste sie diese erneut lesen, da Trevilles Schrift nicht immer sehr lesbar war. An den Musketier Aramis, eigentlich habe ich dir bei unserem letzten Zusammentreffen etwas überreichen wollen. Etwas was mit deiner Vergangenheit zutun hat. Aber durch deinen Starrsinn konnte dies nicht geschehen. Dein Onkel ist vor geraumer Zeit verstorben und ich erhielt sein Testament. Gewiss wird es dich wundern, woher er wusste, dass ich dich unter meine Fittiche genommen habe, aber nach deiner Ankunft vor vielen Jahren, habe ich nach etwas Zögern ihn kontaktiert. Ich schrieb ihm, dass ich wüsste wo du bist und dass es dir gut geht. Natürlich versuchte er mehr aus mir heraus zubekommen, und er schilderte mir seine Sicht der Dinge, aber ich enthielt mich einer klaren Aussage über deinen Verbleib. Und mein Schweigen hast du dir, durch deinen harten Einsatz immer wieder hart erarbeitet. Zudem kann ich mit Stolz sagen, dass du einer meiner besten Musketiere warst. Dieses Schreiben soll gewiss kein Zwang für dich darstellen, nach Paris zurückzukehren, jedoch würden dich die Zeilen deines Onkels gewiss interessieren. Aber ich überlasse es dir, wie du handeln wirst. Sei dir nur dem gewiss, dass ich das Testament und das Schreiben sicher verwahren werde. Hochachtungsvoll Kapitän Treville Ihr ehemaliger Vorgesetzter war vorsichtig gewesen, bei seinem Schreiben und hatte es daher an Aramis gerichtet, für den Fall, dass dieses Schreiben in Falsche Hände gelangen würde und dafür war sie ihm dankbar. Kurz hatte Aramis schmunzeln müssen. Sie kannte Treville und wusste, dass er niemals so offen zugeben würde, dass er ebenfalls sein Teil zu der lautstarken Diskussion beigesteuert hatte. Doch dann schluckte sie hart, als sie vom Tode ihres Onkels hörte. Er war ihr letzter Angehöriger gewesen. Auch wenn sie nicht immer selber Meinung waren, hatte ihr Herz in gewisser Weise dennoch an ihm gehangen. So traf diese Todesmeldung sie sehr und ein paar Tränen rannen über ihre Wangen. So legte sie das Schreiben beiseite, faltete ihre Hände und sprach leise ein Gebet für den Verstorbenen. Lange hatte sie dies nicht mehr getan, aber sie fand dies für den Moment als das Beste und Einzige was sie tun konnte. Mit gesenktem Haupt saß sie eine Weile so da, bis sie langsam ihre Lider hob und der zweite Brief ihr ins Auge stach. //Warum auch ein Schreiben von ihm?//, fragte sie sich, obwohl sie sich die Antwort schon fast denken konnte. Kurz wendete Aramis Athos Brief, doch außer dem Siegel war nichts zu erkennen. Für einen Moment in Gedanken verloren, strich sie über den Wachsabdruck seines Ringes und spürte somit jede kleinste Erhöhung und Vertiefung. Leicht zitterten ihre Finger, als sie begann das Siegel zu brechen, um das Schreiben hervor zuholen. Fast in Zeitlupe entfaltete sie das Stück Papier und schon bei den ersten Worten schluckte sie hart. Wie soll ich nur beginnen… Eigentlich richtet man ein Schreiben direkt an den Empfänger, aber ich weiß nun nach allem nicht, an wen ich diesen Brief richten soll. An Aramis, den Musketier oder an Mademoiselle Renée d’Herblay. Vielleicht an beide. Ich ging auf diese Reise, um meinen langjährigen Freund Aramis zu finden und ihn dazu zu bewegen zurück nach Paris zukehren. Dies geschah nicht im Auftrage des Kapitäns, sondern weil ich mir Gedanken, sogar Sorgen machte... Weil wir Freunde sind? Schon als ich ihm folgte, merkte ich deutlich, dass aus Aramis in all den Jahren wirklich ein sehr guter Musketier geworden war, seit ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Es ist eine Kunst kaum Spuren zu hinterlassen. Es hat mich sogar beinah verzweifeln lassen und es war wirklich ein Wunder, dass ich ihn fand. Oder war es ein Zeichen Gottes gewesen? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, und ich werde wohl niemals eine Antwort darauf bekommen. Ich wollte gewiss nicht spionieren, aber dieses Medaillon ist mir ab und zu bei Aramis aufgefallen. Aber nicht, weil es so offen zur Schau getragen wurde, sondern in geheimen Momenten, die scheinbar unbeachtet sein sollten. Ich war zu erst der Ansicht, dass es ein Geschenk einer Liebsten sein könnte. Aber mit den Jahren dieser Freundschaft sah ich ihn nie in Begleitung einer jungen Dame. Natürlich wurde er oft Mittelpunkt durch das Necken der anderen, aber er hat sich scheinbar nichts daraus gemacht. Ich fragte mich daher ab und zu, ob ihn ein Geheimnis umhüllt, welches er mit niemandem teilen konnte. Vielleicht hoffte ich sogar, dass er sich mir eines Tages anvertrauen würde. Aber dazu hätte ich ihn niemals gezwungen. Zudem hatte ich selber ein Geheimnis. Meine Vergangenheit. Und dass diese mich jemals wieder einholen würde, hatte ich niemals erwartet. Aber ich hätte es besser wissen müssen. Und so schien es auch Aramis zugehen. Dies wurde mir erst Stück für Stück bewusst. Der Anstoß daran war das Medaillon. Als ich es fand, wollte ich es in meiner Tasche sicher verstauen, da ich es erkannt hatte, aber ohne es zu wollen, öffnete es sich in meinen Finger und ich sah ein Bild. Im ersten Moment hatte ich den Eindruck, dass Aramis Augen mich ansahen. Jedoch konnte dies nicht möglich sein, da Aramis doch ein Mann war. So zog ich den Schluss daraus, dass er eine Zwillingsschwester haben musste. Ich war mir meiner Sache sicher, doch dann entdeckte ich die Inschrift auf der Rückseite, was mich wieder stutzen ließ. Jedoch kam ich zu der Ansicht, dass wenn er wirklich eine Zwillingsschwester hatte, das dieser etwas zugestoßen war. Und er auf Rache aus war. Dies würde mit Trevilles Worten zusammen passen. Dennoch blieb tief in mir ein merkwürdiges Gefühl. Genau erklären konnte ich es nicht, denn ich war noch nie ein Mensch, der dies vermochte. Zudem habe ich nie viele Worte darüber verloren. Das Medaillon gab mir dennoch die Hoffnung Aramis wieder zu finden und das Glück schien mir abermals holt zu sein. Ich sah ihn wieder, aber er wirkte verändert. Nicht das mir eine Wandlung seinerseits in den letzten Wochen nicht entgangen wäre, aber es ließ mich jedoch stutzen. Ich versuchte mich daher normal zu verhalten, auch wenn ich eine Spur von Angst und auch Fluchtgedanken in seinen Augen sehen konnte. Irgendetwas musste ich mir einfallen lassen. Es bedurfte eines dringenden Gespräches. Daher kam die Einladung zur Jagd am nächsten Tag sehr gelegen. Deutlich sah ich ihm an, dass er dies nicht wollte und ich konnte seine Gedankengänge nachvollziehen. Er würde die nächste Möglichkeit zur Abreise suchen. Und so geschah dies. Aber ich war ihm gefolgt und versuchte ihn nun zur Rede zu stellen. Ich schäme mich heute noch, viel zu direkt gewesen zu sein und ihn geradezu verjagt zu haben. Hätte ich das nicht getan, wäre dieser Unfall nicht geschehen, den ich verursacht habe. Aber noch nie habe ich Tränen in seinen Augen und ihn zudem so verletzlich gesehen. Ich gebe ehrlich zu, dass dies mich mehr als hart traf. Niemals hätte ich es vor Gott und meinem Gewissen rechtfertigen können, ihn auf dieser Lichtung liegen zu lassen. Daher brachte ich ihn zu mir und ließ sofort nach einem Arzt schicken. Mit diesem hatte ich ein langes Gespräch. Weniger wegen den Verletzungen, eher wegen einer anderen Sache. Aramis war nicht der, für den er sich Jahrelang ausgegeben hatte. Auf einer Seite wurden Dinge für mich verständlich. Sie wurden klar, wie der Sonnenschein. Warum ich Aramis niemals in Begleitung einer Frau gesehen hatte. Wieso er bei unseren Reisen immer zuerst im Zimmer verschwunden war. Warum seine ganze Gestalt geradezu zierlich und schmächtig wirkte. Ohne es zu bemerken, hatte er uns die ganzen Jahre hinters Licht geführt. Er war eine sie und hieß nicht Aramis sondern Renée. Im ersten Moment war es für mich, wie ein Schlag ins Gesicht. Wir waren immer die besten Freunde gewesen und wir haben oft über Dinge gesprochen, was gewiss nicht für Frauenohren bestimmt gewesen waren. Zudem fühlte ich mich verraten und betrogen. Waren all die Jahre wirklich nichts? Jedoch die Tage brachten mich zum Nachdenken. War ich in einigen Dingen nicht ebenfalls kein Stück besser als Renée? Ich hatte ebenfalls meine Vergangenheit verleugnet. Gewiss aus anderen Gründen, aber ich tat es. So verrauchte langsam aber sicher meine Wut. Ich verspürte sogar etwas wie Erleichterung in mir. Das mag gewiss missverständlich sein, aber mir wurde, je länger ich mich damit beschäftigte, leichter ums Herz. Auch verschwieg ich einige Dinge, nicht nur meine Vergangenheit betreffend, sondern auch dem hier und jetzt. Teils belog ich mich damit sogar selber. Ich war nie ein Mensch großer Worte, aber meine Gedanken hätte ich niemals zur Sprache bringen können. Es ist niemals leicht über seine Gefühl und Gedanken zu reden und ich verspürte sogar etwas wie Angst davor. Gewiss halten mich alle für mutig, aber dem ist nicht so. Mit Aramis habe ich immer reden können, aber mit Renée war dies nicht so leicht. Beiden teilten sich so viel, aber dennoch waren sie vom Grunde her verschieden. Ich hatte auf einmal das Gefühl keinen von beiden wirklich zu kennen. Dies schürte das Angstgefühl in mir. Ich hoffe, du verzeihst mir, dass ich die ganzen Tage dir ausgewichen bin. Aber ich brauchte diese Zeit. Dabei ist mir so einiges bewusst geworden. Gern hätte ich mit dir darüber gesprochen, mit dir Aramis, aber auch mit dir Renée. Jedoch hatte ich in deinen Augen immer wieder die Flucht und auch Furcht gesehen. Das ließ mein Herz schwer werden. Niemals würde ich dich mit dem Degen vor der Brust an die Wand drängen und dich zum Reden zwingen. So sah ich die einzige Möglichkeit dir Frieden zubringen, in dem ich dich ziehen lasse. Ich wünsche dir aus tiefstem Herzen alles Gute. Das du dein Glück findest und dich nicht mehr verstecken musst. Zudem musst du dir keine Sorgen machen. Ich werde niemanden, auch Porthos und D’Artagnan, nichts von deinem Geheimnis erzählen. Es wird bei mir sicher sein. Wir beide werden nun unsere Wege gehen. Jeden ist dieser, der meine, vorbestimmt. Ich werde mein Leben als Graf de la Fère fortführen. Meine Aufgabe in Paris ist beendet und Athos, den Musketier, gibt es nicht mehr. Wie du Leben wirst, kann ich mir nicht vorstellen. Wirst du als Renée in dein altes Leben zurückkehren oder wirst du weiter als Aramis reiten? Dafür wünsche ich dir aus tiefstem Herzen alles Gute und das dein Geheimnis niemand erfahren wird. In Liebe Oliver de la Fère Aramis konnte kaum glauben, was sie da las. So kannte sie Athos wirklich nicht. Er war immer in sich gekehrt gewesen und sie konnte sie vorstellen, wie viel Kraft er für diesen langen Brief einsetzen musste. Sie hätte verstanden, wenn er ihr die Freundschaft auf ewig gekündigt und sie verflucht hätte. Aber dies hatte er nicht getan. Er hatte stattdessen Vergleiche zu seinem Leben gezogen. Damit hatte Aramis wirklich nicht gerechnet. So hinterließ der Brief unter anderem eine große Rührung in ihr. Aber sie spürte dennoch, wie viel Traurigkeit in diesen Worten steckte, auch wenn Athos kaum auf seine eigenen Gefühle einging und dies traf Aramis sehr. Wieder und wieder musste sie seine Zeilen lesen, bis sie die Kerze löschte und sich auf ihrem Nachtlager ausstreckte. Noch immer prasselte der Regen auf das alte Dach, aber Aramis registrierte dies nicht wirklich. Ihre Gedanken kreisten nur um ihn. //Wie soll ich glücklich werden? Und wo soll ich mein Glück finden? Ich weiß nur, dass ich es gefunden und auch wieder verloren habe. Dies wird sich auch nicht ändern, egal wie lange ich auch durch die Lande reisen werde. Mein Herz wird immer an einem Ort verweilen. Dort wo er ist. Es gehört ihm auf ewig!// Mit diesen Gedanken schlief Aramis ein. Dabei glänzten zwei Tränen in ihren Augenwinkeln. Als sie erwachte, war es noch immer dunkel. Sie glaubte, dass es noch immer Nacht war, jedoch war dem nicht so. Nur der Himmel war Wolkenverhangen. Die nahen Bäume ließen ihre Äste durch das nasse Laub traurig hängen. Kein Vogel zwitscherte und kein Tier war weit und breit auszumachen. Es sah unter diesem Regenschleier genauso wie in Aramis Inneren aus. Da es keinen Anschein machte, dass sich das Wetter in naher Zukunft sich ändern würde, beschloss sie hier zubleiben. Zum Glück hatte sie etwas Proviant dabei, so konnte sie erst einmal etwas zu sich nehmen. Das ihre Gedanken wieder bei Athos hingen, konnte sie nicht unterdrücken. Aber irgendwo wollte sie das auch nicht. Sie fragte sich, wie es ihm nun gehen und was er gerade tun würde. Aramis malte sich in Gedanken alle möglichen Dinge aus, was sie im Nachhinein nur noch Seufzen ließ. Sie hatte einfach im Moment zuviel Zeit und dies ließ ihre Gedanken immer wieder kreisen und ihr Herz dabei schwer werden. Dabei fiel ihr nicht einmal direkt auf, dass sie in den letzten Tagen mehr geweint hatte, als wie sie es in den vergangenen Jahren je getan hatte. Aramis war einfach nur aufgefühlt und versuchte dem inneren Chaos Herr zu werden und sich auf ihre eiserne Disziplin zu berufen, die ihr sonst immer zu ihrem Erhalt geholfen hatte. Aber wirklich helfen tat ihr dies nicht. Sie übte einige Fechtangriffe, um damit auf andere Gedanken zukommen. Aber das Ergebnis war nur, dass sie am Ende geschafft war und ihre Gedanken noch mehr kreisten. Immer wieder hatte sie sich dabei an Worte Athos erinnert, als er sie im Fechten unterwies. Wie sie den Degen führen und die Taktik ihres Gegners herausfinden musste. So wurde Aramis erneut klar, wie sehr sich ihre kleine Welt immer irgendwie um Athos gedreht hatte und sie nun so gesehen vor dem nichts stand. Und damit wusste sie im Moment nicht umzugehen. Daher ließ sie sich wieder auf ihre Lagerstätte fallen und starte von dort an die mit Spinnenweben benetzten Dachbalken. //Was soll ich nur tun?// Mit diesem Gedanken und erschöpft von ihren Übungen, nickte Aramis wieder ein. Kapitel 6: Ein Gespräch unter Männern ------------------------------------- Während Aramis in ihrem Heuschober die Zeit verschlief, stand Athos in seinem Arbeitszimmer und sah von dort hinaus in den Regen. Das Wasser perlte die Scheiben hinab, aber wirklich wahrnehmen tat er das nicht wirklich. Er war vollkommen in Gedanken. //War es wirklich richtig diesen Brief zuschreiben und ihn ihr zuzustecken? Vielleicht hätte ich es nicht tun sollen… Aber nun ist es zu spät. Ich hoffe inständig, dass sie meine Worte nicht falsch versteht. Hätte ich schreiben sollen, was ich wirklich fühle? Nur wie würde sie dann reagieren? Ja, wir waren Freunde. Jedoch… was sind wir nun? Möglicherweise ist es so, wie es nun ist, am Besten. Ich habe gelernt mit Verlust zu leben. Das ist mir erst jetzt bewusst geworden. Die Flucht aus meinem alten Leben war zwar keine Farce, aber es hat mich viele Dinge gelehrt. Es hat mich stärker gemacht, aber was ist mit ihr? Sie hat so viele Jahre dieses Versteckspiel aufrechterhalten können, ohne das man sie entdeckte und dafür zur Rechenschaft zog. Es wird nicht einfach für sie gewesen sein. Sie musste in ständiger Angst leben, dass man sie entdeckte. Ich mag mir nicht ausmalen, was dann geschehen wäre. Aber was wird nun geschehen? Was will sie tun? Ich hoffe, dass sie zur Ruhe kommen und die richtigen Entscheidungen treffen wird.// Athos seufzte und trat langsam zu seinem Schreibtisch. Während er an diesem entlang ging, strichen seine Finger, wie von alleine, über die Kante des alten und schweren Möbels. //Wenn sie Hilfe braucht, werde ich ihr diese geben. Sie würde es auch für mich tun. Da bin ich mir sicher.// Er ließ sich auf seinem Stuhl nieder und starte auf den Kamin, der sich auf der anderen Seite des Raumes befand. Athos war so in Gedanken, dass er nicht einmal bemerkte, wie man bei ihm anklopfte und kurz darauf jemand eintrat. Erst ein kräftiges Räuspern, ließ ihn aufschrecken. Er drehte sich in Richtung Tür und entdeckte dort zwei ziemlich durchgeweichte Gestalten. „Porthos? D’Artagnan?“, fragte er, als er meinte sie zu erkennen. „Ja, wir sind es. Sag, wo ist nun Aramis? Hast du mit ihm reden können?“, fragte ihn Porthos ohne Umschweife. Kurz seufzte er und sah dann zu seinen Freunden. „Ich lasse euch zwei Zimmer herrichten und trockene Kleidung bereitlegen. Während ihr euch dann umzieht, lass ich die Köchin euch etwas zu Essen vorbereiten.“ D’Artagnan fuhr sich mit seinen Finger durch das feuchte Haar. „Das ist eine gute Idee, Athos. Zudem wäre etwas essbares genau das Richtige“, griff er seinem dicken Freund vorweg. Und dessen Bauch grummelte prompt zur Antwort und Porthos legte leicht beschämt seine mächtige Hand an den Hinterkopf. Dann ertönte sein kräftiges Lachen. „Das stimmt. Eine gute Idee. Und dann setzen wir uns alle zusammen.“ Athos nickte und rief nach dem Dienstmädchen. Diese kam rasch und nickte bei den Anweisungen ihres Herrn. Kurz darauf befanden sich Porthos und D’Artagnan in ihren Zimmern und machten sich fertig. Währenddessen wurde im Salon alles angerichtet, so dass sie später bei einem festlichen Schmaus zusammen saßen, wo Porthos kräftig zulangte. D’Artagnan, der ebenfalls ausgehungert zu sein schien, beobachtete dabei seinen Freund Athos genau. Etwas schien nicht zu stimmen, dass spürte der junge Gascogner deutlich. Innerlich hatte er ein ungutes Gefühl, zudem Aramis war nicht anwesend. Jedoch wirkte deswegen Athos so niedergeschlagen? //Was ist nur vorgefallen?//, fragte sich D’Artagnan, während er seinen Wein trank. Athos bemerkte die fragenden Blicke des jüngsten Musketiers. Jedoch hielt er es im Moment für das Beste noch etwas zu warten. Zudem hoffte er, dass Aramis so noch etwas Vorsprung gewähren konnte. So mussten sich alle gedulden, bis sie später vor dem gemütlichen Kamin mit einem Cognac saßen. Nun war Porthos ungeduldig und wollte wissen, was nun mit Aramis wäre. „Aramis war hier. Aber er ist wieder fort.“ „Warum hast du ihn nicht aufgehalten? Dir war doch klar, dass wir bald hier sein würden“, unterbrach der Hüne ihn. Athos sah ihn zur Antwort nur ruhig an, wobei er wieder von D’Artagnan beobachtet wurde. Es schienen Minuten zu verstreichen, bis er zu sprechen begann. „Einen Reisenden sollte man ziehen lassen…“ „Was soll das nun wieder bedeuten, Athos?“, wurde er wieder von Porthos unterbrochen. Jedoch bevor dieser reagieren konnte, schaltete sich D’Artagnan ein. „Lass Athos bitte ausreden, Porthos. So kommen wir doch nicht weiter“, versuchte er seinen dicken Freund zu besänftigen. Dieser grummelte kurz etwas Unverständliches. Dann schwieg er jedoch, um Athos weiter sprechen zu lassen. Dieser sah kurz zu dem jungen Gascogner und nickte ihm leicht zu. „Was bei Treville geschehen ist, habe ich nicht aus ihm heraus bekommen können. Er machte nur einen sehr niedergeschlagenen Eindruck auf mich. Wirklich viel haben wir nicht miteinander gesprochen. Zudem kann ich ihn nicht dazu zwingen. Er wird seine Gründe gehabt haben. Aber diese werden sich uns wohl nie offenbaren.“ Athos hatte sich zurück gelehnt, seine Hände gefaltet und sah nun zu seinen Freunden. Porthos war deutlich anzusehen, was er von dem ganzen hielt. Jedoch D’Artagnan wirkte nach außen nachdenklich. So blieb Athos Blick auf ihm haften. „Habt ihr etwas von Kapitän Treville erfahren können?“ „Nein, das haben wir nicht. Er hat zwar im groben gesagt, was vorgefallen ist, aber ganz genau, wissen wir es nicht.“ Athos nickte verständlich und rieb sich anschließend das Kinn. „Weißt du wenigstens wohin Aramis wollte? Oder zumindest in welche Richtung er geritten ist?“, mischte sich nun Porthos wieder ins Gespräch mit ein. Athos zog eine Braue hoch und sah musternd zu ihm. „Ich weiß nicht, wo er hin ist. Sein Weg führte in Richtung Süden. Aber ihn zu finden, wird schwer sein. Ich habe ihn auch nur durch Zufall gefunden. Er ist wirklich geschickt darin, seine Spuren zu verwischen und nicht auf den Wegen zu bleiben…“ „Wir sind zu dritt und dann werden wir ihn schon finden!“ „Nein, Porthos. Schau mal hinaus. Es regnet in Strömen, da wirst du ihn gewiss nicht finden. Er wird irgendwo Unterschlupf gesucht haben. Zudem, bist du wirklich der Ansicht, dass er dir sagen wird, warum er gegangen ist?“ „Mit dem Regen gebe ich dir Recht, Athos. Dann brechen wir halt auf, sobald er nachlässt. Ich bin mir sicher, dass wir ihn finden werden. So schnell gebe ich nicht auf. Und reden wird er auch. Er ist doch ein Mann und wird uns doch bestimmt sagen können, was los ist.“ Bei dem Wort ‚Mann’ änderte sich etwas in Athos Augen. Aber nur D’Artagnan schien dies zu bemerken. //Weiß er, dass Aramis eine Frau und kein Mann ist? Und wenn ja… ist er ihr deshalb nicht gefolgt?// Nachdenklich nippte der Gascogner an seinem Glas. Athos sah zu ihm, den ihm war der Blick nicht entgangen. Porthos hingegen redete weiter. Sein Redefluss stoppte erst, als er bemerkte, das scheinbar niemand ihm gehör schenkte. „Was ist hier eigentlich los?“ „Was sollte sein, Porthos?“, fragte D’Artagnan ihn ruhig. „Ihr hört mir nicht zu und scheint nur Löcher in die Luft zu starren. Also wisst ihr etwas und sagt es mir nicht.“ „Das stimmt doch nicht, Porthos. Du siehst Gespenster. Ich mache mir nur Gedanken, was geschehen sein kann.“ Athos hielt es für besser zu schweigen und nur bei D’Artagnans Worten zu nicken. Porthos beobachtete das Geschehen genau und er verlor den Eindruck nicht, dass etwas zurück gehalten wurde. Und sein Unmut tat Porthos deutlich und lautstark kund. Aber wirklich helfen tat es nicht. Der Hüne merkte es und zog es daher lieber vor, sich in sein Zimmer zurück zuziehen. Wenn es nötig sein würde, würde er sich alleine auf den Weg machen, um Aramis zusuchen. So blieben D’Artagnan und Athos alleine zurück. Lange Zeit hielten beide das Schweigen, jedoch der Gascogner unterbrach es. „Was ist wirklich passiert, Athos? Ich sehe deutlich, dass mehr geschehen sein muss, als du wirklich sagtest.“ Prüfend sah der Angesprochene ihn an. „Wie kommst du zu dieser Annahme?“ „Ich bin nicht blind. Zudem muss etwas vorgefallen sein, wenn du ins stumpfe Schweigen verfällst.“ „Du müsstest mich eigentlich kennen, dass ich kein Freund großer Worte bin.“ „Das ist mir bewusst, Athos. Aber dennoch sehe ich es dir deutlich an.“ Kurz stoppte D’Artagnan und sah ihn an. Dann erhob er sich und stellte sein Glas ab. „Aber wenn du nicht reden willst, zwinge ich dich nicht dazu. Ich hätte gerne mit Aramis gesprochen. Vielleicht hätte man erfahren können, was geschehen ist. Jedenfalls hoffe ich so, dass es ihr gut geht und sie weiß, was sie tut.“ D’Artagnan hatte den letzten Satz mit bedacht ausgesprochen. Er hatte eine Vermutung und wollte nun sehen, ob sich diese bestätigte. Und das tat sie, kaum das seine Worte seine Lippen verlassen hatten. Athos Augen hatten sich leicht geweitet. Er alles hatte deutlich verstanden. „Du weißt es?“ „Was weiß ich, Athos?“, stellte D’Artagnan seine Gegenfrage. „Du kennst Aramis Geheimnis?“ „Ich weiß nicht, wovon du sprichst, mein Freund.“ Athos erhob sich und trat zu ihm. Prüfend sah er ihn dabei genau an. „Mach mir nichts vor, D’Artagnan. Du weißt es. Sonst hättest du gerade nicht von Aramis in anderer Person gesprochen. Dir ist bekannt, dass sie eine Frau ist.“ Nun hatte der junge Gascogner seine Bestätigung und daher nickte er bei Athos Worten. „Ja, ich weiß es. Es war Zufall, dass ich es herausfand.“ „Und wie?“ D’Artagnan bot ihm Platz an und ließ sich dann ebenfalls nieder. Ruhig begann er dann zu erzählen, wie es dazu gekommen war, dass er Aramis wahre Identität kannte. Als er endete sah er zu Athos. „Und was ist nun bei dir geschehen? Soweit ich Aramis kenne, hätte sie niemals etwas gesagt.“ „Das ist auch wahr und es war ihr auch nicht Recht, dass ich es herausfand. Aber es ist nun einmal so und ich muss lernen damit umzugehen.“ „Umzugehen? Was sagst du da, Athos. Wieso umgehen? Sie ist und bleibt Aramis.“ „Denkst du das wirklich, D’Artagnan? Ist dir nicht bewusst, dass sie uns Jahrelang belogen hat? Und erst Recht, was ihr widerfahren hätte können und noch immer kann? Wenn jemand anders hinter ihr Geheimnis kommt und sie verrät? Ist dir das vollkommen klar?“ Athos hatte ihn die ganze Zeit direkt angesehen. Und seine sonst ruhige Stimme hatte etwas an Intensität zugenommen, als er sprach. D’Artagnan merkte es, aber zuckte nicht mit der Wimper. „Ich bin mir sicher, dass ihr das vollkommen bewusst ist, aber sollte man ihr das dennoch in Schuld geben? Nachdem was wir alle zusammen durch gestanden haben? Wir sind doch Freunde. Und diesen verzeiht man. Sie hat uns keinen Schaden zugefügt. Eher das Gegenteil ist der Fall. Sie hat sich immer für uns eingesetzt“, widersprach er Athos. Dieser seufzte und leerte dann sein Glas mit einem Zug. „Ich weiß, D’Artagnan. Aber was sollen wir tun?“ „Berichte was passiert ist, Arthos.“ Der Dunkelhaarige sah ihn lang an, dann begann er ihm zu erzählen, wie er Aramis ’gefunden’ hatte. Er erzählte ebenfalls von dem Unfall und wie er so hinter ihr Geheimnis gekommen war. Jedoch teilte er dem Gascogner nicht mit, was er wirklich tief in sich fühlte. Das brauchte er auch nicht. D’Artagnan war mit der Zeit ein guter Beobachter geworden und er sah Athos seine Gefühle an. Jedoch hielt er es für besser, darüber zu schweigen und ihm nur ruhig zuzuhören. „Ich hätte niemals gedacht, dass Aramis eine Frau ist. Gewiss gab es Anzeichen, aber sie hat mit uns gekämpft und hat mit uns gefeiert. Nur… was sollen wir jetzt tun? Ich habe ihr versprochen euch nichts zu sagen. Dass du es bereits wusstest, war mir nicht bekannt. Vor allem, wie halten wir ihn auf? Er wird sie suchen wollen.“ „Ich verstehe dich, Athos. Glaube mir. Ich würde sie ebenfalls suchen wollen, aber nicht, damit sie redet. Sondern ich mache mir wirklich Sorgen. Gewiss, sie kann sich verteidigen, aber in ihrem momentanen Zustand… Ich bin mir nicht im Klaren, ob sie alles bewältigen wird können.“ „Das denke ich auch. Aber ich habe noch nie so eine Furcht gesehen, wie bei ihr. Ich konnte sie nicht aufhalten. Es hätte keinen Sinn gemacht, sie einfach in ein Zimmer einzusperren. Ich hätte das nicht über Herz bringen können.“ Bei seinem letzten Satz war Athos leiser geworden, aber dennoch hatte D’Artagnan ihn genau verstanden. Er zauberte sogar ein leichtes Lächeln auf seine Lippen. „Du hältst viel von ihr, nicht wahr?“ Athos sah auf und nickte bestätigend. Das Lächeln blieb in D’Artagnans Gesicht, als er es sah. „Aramis ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit.“ „Das ist sie wirklich.“, bestätigte Athos nickend. „Ich bin noch niemals jemanden begegnet, der auf einer Seite so tapfer und kühn und auf der anderen Seite so einfühlsam ist. Sie ist wirklich etwas ganz besonderes.“ Athos wurde deutlich, dass D’Artagnan wirklich erwachsen geworden war und er mit ihm reden konnte. Nur etwas zögern tat er dennoch. Über Dinge, die ihn persönlich direkt trafen, redete er normalerweise mit Niemandem. Aber Athos spürte ganz genau, dass er mit dem Gascogner reden konnte, ohne Angst haben zu müssen, dass er es jedem x-beliebigen auf die Nase bannt. Natürlich konnte Athos auch Porthos vertrauen, den er länger als D’Artagnan kannte. Aber dennoch war es anders. „Ich gebe dir vollkommen Recht, Athos. Vor allem wie sie sich dazu entwickelt hat. Nach dem tragischen Tod ihres Verlobten…“ D’Artagnan beobachtete seinen Freund genau, als er dies sagte. Dieser seufzte nur leicht und ließ anschließend seinen Kopf leicht hängen. „Es ist nicht leicht damit zu Leben. Ich weiß selber, wie das ist. Die Trauer kann einen innerlich auffressen.“ „Da stimme ich dir zu. Aber hast du in ihren Augen welche gesehen?“, versuchte der Gascogner ihn aus der Reserve zu locken. Es entstand wieder ein Schweigen zwischen den Beiden, was nur von dem leisen Knacken des Holzes im Kamin hervorgerufen wurde. „Wenn ich ehrlich bin… nein, das habe ich nicht.“ „Mir geht es genauso. Ich glaube, ihr ist klar geworden, dass sie ihm nicht auf ewig nachtrauern kann. Gewiss hätte ihr Verlobter das auch nicht gewollt. Wenn man jemanden aus tiefstem Herzen liebt, wünscht man ihm nur das Beste und das Glück und die Freude wieder Einzug in das Leben hält.“ D’Artagnan griff wieder nach seinem Glas. „Ist dir eigentlich aufgefallen, wie sie sich in den letzten Wochen verändert hat?“ „Ja, das ist mir nicht entgangen. Sie wirkte sehr in sich gekehrt und unkonzentriert.“ „Ich habe dieselbe Beobachtung gemacht. Warum sie sich nur so verhielt?“, sprach D’Artagnan dann absichtlich zu sich selber. „Wenn ich das nur wüsste. Sie war verschlossen wie eine Auster.“ „Findest du?“ Athos überlegte kurz und nickte dann bestätigend. „Ich finde nicht. Für mich ist Aramis wie ein offenes Buch.“ „Wie meinst du das, D’Artagnan?“ „Überlege doch bitte, Athos. Wie muss sie sich fühlen als Frau unter uns Männern. Sie darf keine Gefühle zeigen, muss darauf achten, was sie sagte, wie sie handelt…“ Nachdenklich sah Athos den jungen Gascogner an. „Sie muss sich sehr einsam gefühlt haben. Nach außen etwas spielen und aufrecht erhalten und dafür seine Gefühle und alles, was einen ausmacht, hinter einer Uniform verstecken… das ist ein Martyrium.“ „Das sehe ich genauso. Also verstehst du, was ich meine?“ „Ich glaube ja. Mir wird langsam einiges etwas klarer. Aber ich frage mich, warum ist sie bei uns geblieben? Ich mein, ich habe vom Kapitän erfahren, warum sie zu uns gekommen ist und das ihre Aufgabe so gesehen erfüllt hat.“ „Es gibt nur zwei Möglichkeiten meiner Meinung nach.“ „Und die wären?“ „Na ja, das Erste was mir einfällt, sie kann nicht zurück in ihr altes Leben. Es verändert Menschen, wenn man nicht so sein kann, wie man wirklich ist. Oder sie hat einen anderen Grund, dass sie uns nicht verlassen wollte.“ „Das erste klingt für mich plausibel. Aber welchen anderen Grund meinst du genau?“ Nun sah D’Artagnan ihn direkt und unvermittelt an. „Das sie wegen einem von uns nicht gehen wollte.“ „Einem von uns?“ D’Artagnan nickte und sah in dennoch weiterhin direkt an. „Ich habe bemerkt, dass du sie in letzter Zeit oft beobachtet hast. Da ist dir nichts aufgefallen? Hast du keinen ihrer sehnsüchtigen Blicke gesehen oder gar gespürt?“ Athos Blick richtete sich nach innen, während er die vergangene Zeit Revue passieren lief. Es war wie ein Film, der vor seinem inneren Auge ablief. Dabei entdeckte er wirklichen Stellen, wo er bemerkt hatte, dass Aramis ihn geradezu schüchtern ansah, aber ihren Blick jedes Mal rasch abwandte. Athos wurde sich immer mehr solcher Situationen bewusst. D’Artagnan beobachtete ihn dabei. Währenddessen leerte er sein Glas, um sich kurz darauf zu erheben. „Ich werde mich nun zurückziehen. Daher wünsche ich dir eine gute Nacht. Auf das der morgige Tag Klarheit bringen wird.“ Mit diesen Worten und vor allem der Betonung auf ’Klarheit’, ließ er einen nachdenklichen Athos zurück. Dieser saß noch eine Weile allein vor dem Kamin, bis er sich auf einmal erhob und sein Pferd satteln ließ. Er brauchte Gewissheit. Daher teilte er seinen Dienern nur mit, dass er dringend fort müsste, um einige Dinge zu klären. Dies sollten sie den Gästen am nächsten Morgen mitteilen und das er bald wieder zurück sein würde. Damit verließ er das Anwesen. Dass es noch immer stark regnete und er nach kurzer Zeit bis auf die Haut nass war, registrierte Athos nicht. Seine Gedanken waren bei Aramis, für dies nun galt gefunden zu werden. //Ich muss wissen, was sie fühlt. Ob sie genauso denkt, wie ich.// D’Artagnan hatte die übereilte Abreise Athos von seinem Fenster mit einem Lächeln verfolgt. //Du wirst sie finden, Athos. Da bin ich mir sicher.// Mit diesem Gedanken ließ D’Artagnan sich auf seinem Bett nieder, wo er kurze Zeit später einschlief. Kapitel 7: Gesucht und gefunden ------------------------------- Athos ritt, als wäre der Teufel höchst persönlich hinter ihm her. Er gönnte sich, wie auch seinem Pferd, keine Pause. Das Dorf, welches Aramis zuvor durchquert hatte, beachtete er nicht weiter. Er ahnte, dass sein Ziel nicht hier war. Seine Gedanken rasten. Wie weit konnte Aramis geritten sein? Und vor allem, in welche Richtung? Daher hoffte er, dass er Glück haben würde und schlug, an der nächsten Gabelung, den Weg in Richtung Westen ein. Athos hoffte, dass sie das Schema, welches sie schon bei der Abreise aus Paris benutzt und er mittlerweile erkannt hatte, nun wieder gewählt hatte. Und Fortuna war ihm hold. Er ritt an den Feldern vorbei, die auch Aramis passiert hatte. Jedoch war weit und breit nichts zu sehen. Als er fast in der Nähe des Heuschobers war, bemerkte er, dass sein Pferd nicht mehr konnte. Ob er wollte oder nicht, musste er eine Rast einlegen, wenn er sein Tier nicht zu Schande reiten wollte. Er suchte Schutz unter einer großen Eiche. Aber dennoch spürte er, wie das Wasser ihm den Rücken hinunterlief. Langsam sickerte die Kälte durch seine nasse Kleidung. So zog er seine Jacke fester um seinen Körper. Sein Blick schweifte umher und stockte je, als er meinte, ein leichtes Licht gesehen zu haben. Er hoffte, dass er dort eine trockene Unterkunft finden würde. So griff er nach den Zügeln seines Pferdes und ging mit diesem langsam auf der kleine Schein zu. Doch bevor er es erreichte, war es verschwunden. Sein Weg stoppte und er versuchte sich in der Dunkelheit zu orientieren. Da er nichts anderes tun konnte, setzte er langsam seinen eingeschlagenen Weg fort. So entdeckte er kurz darauf den verfallenen Schober. Er war froh, dass er scheinbar eine Möglichkeit zur Übernachtung bekommen hatte. Athos öffnete die Tür und trat mit seinem Pferd ein. Doch bevor er die Tür wieder schloss, stoppte er und seine Augen verengten sich. Er roch frisches Wachs und auch ein leises Gewieher entging ihm nicht. Sein Pferd reagierte darauf und antwortete. Daher trat Athos langsam näher, als er auf einmal eine bekannte Stimme hörte. „Wer ist da?“, kam es mit fester und klarer Stimme Athos Anspannung fiel von ihm ab. Er hatte sie gefunden. „Ich bin es..., Athos.“ „Athos? Aber… aber… was machst du hier?“, erwiderte sie nun etwas verunsichert. „Ich habe dich gesucht.“ Kurz herrschte nun Stille zwischen den Beiden. „Hast du meinen Brief gelesen?“ „Ja, das habe ich“, war die kurze Antwort, die er darauf erhielt. „Ich gebe zu, ich war wirklich durcheinander. Aber ich hatte heute ein Gespräch, was mich nachdenken ließ.“ „Ein Gespräch?“ Er nickte leicht zur Antwort. Aramis Gedanken rasten. Doch dann rief ihre Vernunft sie zur Ordnung. „Verzeih, du musst vollkommen durchnässt sein. Ich gebe dir eben ein paar Decken.“ „Schon in Ordnung.“ „Nein, es ist besser. Sonst wirst du nachher noch krank.“ Athos lächelte bei ihrer Beharrlichkeit leicht und ließ sie gewähren. So konnte er hören, wie etwas Stroh raschelte und kurz darauf eine Kerze entflammt wurde. Etwas benötigten seine Augen, um sich an das Licht zu gewöhnen. Doch dann sah er sie deutlich, wie sie ein paar Decken zusammen suchte und damit auf ihn zutrat. Seine Augen funkelten, was Aramis selber auf das Flackern der Kerze zurückführte. Ihr Herz schlug in seiner Nähe so unsagbar schnell und sie befürchtete, dass er es hören könnte. Aber Athos ging es kaum anders. Er wagte kaum zu Atmen, als sie ihm eine der Decke über die Schultern legte. Jedoch waren seine Sinne soweit geschärft, dass er das Zittern ihrer Finger spürte. „Ist dir kalt?“, fragte er in sanftem Tonfall. Deutlich spürte er, wie ihre Finger stoppten und sich dann rasch zurückzogen. „Ich wollte dich nicht erschrecken. Es tut mir leid.“ Wieder trat Stille ein. „Nein, das hast du nicht. Daher muss ich dir nichts verzeihen.“ Leicht drehte Athos sich nun in ihre Richtung und beobachtete sie, wie sie langsam zu ihrer Lagerstatt ging. „Wieso bist du mir gefolgt?“ „Einmal, weil ich verhindern wollte, dass Porthos dich in die Finger bekommt und weil ich mit dir reden wollte.“ „Porthos? Ist er hier? Mit mir reden?“ „Ja, zu Beidem. Nun er und D’Artagnan sind vor ein paar Stunden angekommen. Aber sie sind auf meinem Anwesen. Sie wissen nicht, dass ich hier bin. D’Artagnan könnte es vielleicht ahnen.“ Aramis sah zu ihm hoch, dann rückte sie etwas zur Seite, damit er sich niederlassen konnte. „Er hat sich entwickelt in den letzten Jahren.“ „Da gebe ich dir Recht. Das hat er wirklich. Ich hatte ein sehr langes Gespräch mit ihm vorhin. Und seine Worte ließen mich nachdenklich werden.“ Vorsichtig drehte sie ihren Kopf in seine Richtung und sah zu ihm. „Ich habe versucht zu verstehen, wieso du dich zu diesem Leben entschieden hast. Zu einem wirklichen Ergebnis bin ich nicht gekommen. Aber sei dir gewiss, ich werde dich nicht unter Druck setzen, damit du redest. Ich überlasse dir die Entscheidung.“ „Ich danke dir. Aber ich glaube, ich versuche es dir zu erklären. Dir ist bestimmt bekannt, welche meine Beweggründe waren, warum ich nach Paris und zu den Musketieren kam.“ Um ihre Worte nicht zu unterbrechen, nickte er nur zur Antwort. Sie sah es und versuchte dann die passenden Worte zu finden. Es fiel ihr sichtbar nicht leicht. So stoppten ihre Worte. Geduldig wartete Athos, als aber nichts kam, sprach er weiter. „Es muss schrecklich sein, sich immer so einsam zu fühlen. Mit niemanden reden zu können…“ Sein Anstoß war ihr eine Hilfe, um weiter zusprechen. „Es ist nicht leicht. Man lernt damit zu leben. Angenehm ist es nicht immer. Aber in den letzten Jahren habe ich gelernt, dass es von Vorteil sein kann, für einen Mann gehalten zu werden.“ „Aber was ist mit dir? Deinem eigentlichen ich?“ „Du meinst Renée? Sie gibt es seit Francois Tod nicht mehr. Sie ist mit ihm gestorben und Aramis erwachte zum Leben. Es ist für mich alltäglich geworden.“ „Und was ist mit deinen Gefühlen? Du kannst nicht offen dazu stehen, ohne das man dein wahres Ich entlarvt.“ „Gefühle? Welche Gefühle, Athos? Diese habe ich längst verloren.“ „Warum tust du das?“, unterbrach er ihre Worte. „Warum tue ich was?“ „Mich und vor allem dich zu belügen.“ „Das tue ich gar nicht!“ „Und ob du das tust. Aber ich will mich nicht mit dir streiten.“ Athos versuchte mit seiner Stimme wieder ruhig zu werden. Daher atmete er ein paar Mal tief durch und sah dabei auf seine Hände. „Ich meine es nicht böse, aber wenn du so gefühllos bist, wie du gerade sagtest, warum hast du geweint, als ich dich zur Rede stellte? Zeugt das nicht von Gefühlen? Warum habe ich immer in deinen Augen einen so melancholischen Blick gesehen? Wenn keine Gefühle da wären, dürfte dies gewiss nicht sein. Oder siehst du das anders?“ Bei seinen letzten Worten, drehte er seinen Kopf in ihre Richtung, um sie direkt anzusehen. Beschämt senkte Aramis bei seinen Worten ihren Kopf. „Es tut mir leid, Athos. Das wollte ich gewiss nicht. Aber es kann ab und zu helfen.“ „Helfen in dem man sich selber belügt? Wir haben doch immer miteinander reden können. Wir vertrauten uns. Gewiss, dein Geheimnis hat schon seine Spuren hinterlassen, aber schätzt du mich so negativ ein, dass ich dir dafür den Kopf abgerissen hätte? Natürlich war ich auf einer Seite enttäuscht, aber auf der anderen auch froh.“ „Froh? Wie darf ich das verstehen?“, unterbrach nun Aramis seine Worte und sah fragend dabei zu ihm. Nun war es an Athos beschämt seinen Blick abzuwenden. Auch ihm fiel es nicht leicht zu reden. Erst Recht, weil es sein Innerstes betraf. „Wir kennen uns jetzt schon so viele Jahre. Du warst seit Anfang an etwas besonders für mich. Auch wenn ich es mir nie erklären konnte. Während der ganzen Zeit habe ich dich beobachtet. Warum? Zuerst, um deine Fortschritte zu verfolgen. Aber ich bemerkte rasch, dass du schnell gelernt hast und du diese Aufsicht nicht mehr benötigtest. Jedoch abstellen konnte ich es nicht ganz. Ich habe immer etwas Besonderes gesehen. Nicht in dem Musketier, sondern in dem Menschen Aramis.“ Überrascht von seinen Worten sah sie ihn weiterhin direkt an. Dabei schluckte sie unmerklich. Dieser seufzte kurz und fuhr sich mit den Fingern dabei durch sein feuchtes Haar. „Wie soll ich dich jetzt eigentlich nennen? Weiter Aramis? Oder lieber Renée?“ „Sag ruhig Aramis. Mein Leben als Renée habe ich hinter mir gelassen. Und das ist seit Mansons Tod der Fall.“ „Bist du dir wirklich sicher?“ „Ja, Athos. Das bin ich.“ Athos nickte leicht zur Bestätigung. „Weißt du, ich habe dich auch beobachtet. Ich sah zu dir auf und war stolz, als wir Freunde wurden. Ich fühlte mich in deiner Gegenwart niemals alleine. Du strahltest immer soviel Ruhe und Geborgenheit aus. Egal in welcher Situation wir uns befanden. Doch es gab Momente, wo ich den Eindruck erhielt, dass du dich von mir distanziertest. Du suchtest gezielt den Kontakt zu verschiedenen Frauen. Und ich… ich…“ Nun geriet Aramis ins Stocken und sah mit leicht glühenden Wangen auf ihre mittlerweile klammen Hände. „Als du was?“, fragte Athos vorsichtig und so leise, dass man es kaum hören konnte. „Ich… ich bekam Angst. Angst, dich für immer zu verlieren.“ Athos konnte einen leichten Anflug von Tränen in ihrer Stimme ausmachen und er haderte kurz mit sich. Doch dann rutschte er etwas näher zu ihr und legte zaghaft seinen Arm um ihre schmalen Schultern. Vorsicht und geradezu zärtlich zog er sie dann an sich. Dabei spürte er, wie sie sich kurz versteifte, sich aber kurz darauf fallen ließ und sich an ihn schmiegte. Leicht lehnte er dann seinen Kopf an den ihren und seine Hände glitt etwas an ihrem Arm auf und ab. „Ich habe es getan, weil ich blind war. Eigentlich hätte ich merken müssen, dass du eine Frau bist. Aber ich tat es nicht. Dennoch suchte ich oft indirekt deine Nähe. Mir wurde es von Mal zu Mal mehr bewusst. Und dies erschrak mich sehr. Niemals war mir so etwas geschehen. Und ich nahm Abstand, um die Situationen zu verdauen und zu verarbeiten. Ich wollte dir gewiss damit kein Kummer bereiten. Es ist hart, wenn man mit niemanden darüber reden kann und ich habe unsere Gespräche vermisst. Ich selber habe dieser Erfahrung das ein oder andere Mal durchlebt.“ Athos spürte, während er sprach, dass Aramis zuzittern begonnen hatte. Ohne zu zögern, legte er seine Decke mit um sie. Es dauerte bis das Zittern abebbte und dann gänzlich stoppte. Währenddessen sprach er weiter zu ihr. „Ich verstehe nicht, warum immer erst etwas geschehen muss, damit man anfängt darüber nach zudenken. Es ist nicht immer alles so selbstverständlich, wie es den Anschein macht. Das ist mir wieder einmal bewusst geworden.“ Während er sprach, strich er Aramis weiter sanft über den Arm. „Weißt du, nach der Zeit mit Mylady, wollte ich nichts mehr mit Frauen direkt zu haben. Sie hatte mich tief verletzt, da ich glaubte sie innig zu lieben. Ich wollte auch niemanden mehr vertrauen. Daher entschied ich mich, dass der Graf de la Fère sterben sollte. Ich hielt es für besser. Als sie dann wieder auftauchte, kamen die ganzen Gefühle wieder in mir zum Vorschein. Aber mit der Zeit wurde mir klar, dass sie nicht mehr die von früher waren. Es tat mir auf einer Seite um sie leid, aber auf der anderen? Ich weiß es nicht. Aber es interessiert mich auch nicht wirklich. Mein Interesse gilt einer anderen Person.“ Kurz stoppte Athos und sah auf den blonden Haarschopf Aramis. Auch wenn es ihm schwer fiel, musste er es endlich sagen. „Dieses Interesse galt dir, Aramis. Es ist mehr als nur Freundschaft, was ich für dich empfinde. Mein Herz schlägt schneller, wenn ich dich nur in der Ferne sehe. Es macht Purzelbäume, wenn du lächelst. Und es ist schwer, wenn ich Tränen in deinen Augen sehe. Verstehst du, Aramis, was ich damit zum Ausdruck bringen will? Schon länger gehört mein Herz dir. Ich…“ Athos stoppte, als er spürte, wie Aramis Körper sich etwas mehr an ihn schmiegte. Seine Wangen nahmen etwas an Farbe zu und sein Herz schlug zum Zerbersten schnell. Jedoch war da auch noch etwas anderes. Aramis Körper rutschte langsam an seiner Seite hinab. So bemerkte Athos lächelnd, dass Aramis eingeschlafen war. Vorsichtig legte er sie auf ihr Nachtlager und beobachtete ihr ebenes Gesicht im Schein der Kerze. Sanft strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, was ein Lächeln auf ihre Lippen zauberte. Sanft deckte er sie zu und beugte sich dann über sie, um ihr einen zarten Kuss auf die Stirn zu hauchen. //Ach, Aramis…//, dachte er bei sich und legte sich zu ihr. Kurz zögerte er, doch dann legte er seinen Arm um ihre zierliche Taille. Anschließend schloss er seine Augen und folgte Aramis in die Traumwelt. So eine innige Zweisamkeit hatten beide noch nie gekannt. Im Schlaf kuschelte sich Aramis dicht an ihn und auch Athos drückte sie zärtlich an sich. Seit langer Zeit schliefen beide ruhig und wurden von keinen Alpträumen geplagt. Keiner von beiden bemerkte, wie die Nacht verstrich und diese auch die Wolken und somit den Regen mit sich nahm. Früh am Morgen begannen draußen die ersten Vögel zuzwitschern, welche Aramis sanft aus ihrem Schlaf weckten. Als sie sich erhoben wollte, bemerkte sie den Arm, der um sie geschlungen war. Kurz versteifte sie sich, als sie sah, zu wem dieser Arm gehörte. Doch als sie Athos Lächeln sah, entspannte sie sich wieder. So drehte seinen Armen, um ihn genauer zu betrachten. Daher bemerkte sie nun den leichten Schweißfilm, der sich auf Athos Stirn gebildet hatte. Sanft wollte sie ihm diesen fortwischen, doch dabei spürte sie, wie seine Stirn geradezu glühte. Ihre Augen weiteten sich, als ihr bewusst wurde, dass er in seinen nassen Sachen geschlafen hatte und somit erkrankt war. Vorsichtig schüttelte sie ihn an seinen Schultern und sprach dabei seinen Namen, aber wirklich reagieren tat Athos darauf nicht. So befreite sich Aramis mit sanfter Gewalt aus seinen Armen, um zu den Pferden zu gehen und diese fertig zu machen. Ihr war bewusst, dass Athos Gesundheitszustand sich an diesem Ort nur verschlechtern würde und er auf dem schnellsten Weg zurück auf sein Anwesen musste. Als die Pferde fertig und ihre Sachen verstaut waren, versuchte sie Athos hoch zuhiefen, was doch ein ziemlich heikles Unterfangen für sie war, wie sich herausstellte. Athos hatte ein ziemliches Gewicht, welches sie auf den Rücken seines Pferdes befördern musste. Aber die Sorge und die Angst um ihn, verlieh ihr die Kraft dazu. So waren sie kurze Zeit später auf dem Weg zu Athos Anwesen. Es war viele Stunden von ihnen entfernt und Aramis hoffte und betete darum, dass Athos solange durchhalten würde. Während Aramis mit Athos im Schlepp sich auf dem Rückweg befand, tat Porthos seiner Unmut freie Luft. „Was soll das heißen, der Graf musste kurzfristig außer Haus? Wo ist er hin?“, polterte seine Stimme durch das herrschaftliche Haus. „Aber, Porthos. Sie können doch nichts dafür. Er wird gewiss seine Gründe dafür gehabt haben. Lass uns auf ihn warten. Er wird uns gewiss mitteilen, was ihn dazu veranlasste“, versuchte D’Artagnan seinen Freund zu besänftigen. „Du hast gut Reden, D’Artagnan. Was macht dich da so sicher?“ „Wir sind Freunde und Athos würde bestimmt nicht einfach verschwinden. Erst Recht nicht, wenn er allen sagt, dass er bald wieder hier ist und man uns das ausrichten sollte.“ Porthos grummelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. „Gut, dann lass uns Frühstücken. Ich habe einen Bärenhunger.“ D’Artagnan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, so kannte er seinen Freund. Es dauerte auch nicht lange, bis der Tisch reichlich gedeckt war und Porthos daran seinen Hunger stillte. Und dies dauerte eine ganze Weile. Erst kurz nachdem er sich gesättigt nach hinten lehnte, wurde es draußen auf einmal unruhig. Porthos und D’Artagnan sahen sich überrascht an, dann jedoch erhoben sie sich und traten hinaus. So sahen sie, wie Athos Diener zur großen Haustür eilten. Von dort hörten die beiden Musketiere eine bekannte Stimme. „Aramis!“, sprachen die beiden im Chor. Dann nahmen sie die Beine unter die Arme und folgten den Dienern nach draußen. Dort sahen sie eine aufgelöste Aramis und einen im Sattel hängenden Athos. Ohne zu zögern rannten sie zu den beiden. „Was ist geschehen, Aramis?“, fragte D’Artagnan sie. „Athos ist krank. Wir müssen einen Arzt holen“, erwiderte sie und beobachtete dabei, wie Porthos Athos aus seinem Sattel hob und dann dafür Sorge trug, dass sein Freund ins Haus gebracht wurde. D’Artagnan nickte und wies einen Burschen an, einen Arzt zu holen. Dann half er Aramis von ihrem Pferd. Deutlich stand ihr die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben. So half der junge Gascogner ihr ins Haus. Es dauerte nicht lange, bis der Arzt eintraf. Nun hieß es für alle warten. Kapitel 8: Eine wichtige Entscheidung ------------------------------------- Aramis war nicht von Athos Seite zu bringen. Sie gab sich die Schuld, dass Athos wegen ihr erkrankt war. Natürlich waren D’Artagnan und Porthos ebenfalls besorgt, um den gemeinsamen Freund, aber sie konnten Aramis nicht davon abhalten bei Athos zu bleiben. Erst der Arzt, der etwas später auf dem Anwesen eintraf, schaffte es, dass sie das Zimmer wenigstens für ein paar Minuten verließ. D’Artagnan, der gerade in Richtung des Salons gehen wollte, wo Porthos sich aufhielt, entdeckte sie, wie sie vor Athos Zimmer auf- und abtigerte. Etwas beobachtete er sie, bis er sich entschloss sich zu ihr zugesellen. „Aramis?“, sprach er sie vorsichtig an und konnte so in ihre traurigen Augen sehen, die feucht schimmerten. D’Artagnan zögerte nicht, trat daher dicht zu ihr und nahm sie sanft in den Arm. So spürte er, wie sie sich zuerst versteifte und nach einigen Minuten sich entspannte und in seinen Armen anfing zu zittern. Ihr Gesicht vergrub sie an seiner Schulter und ein leises Schluchzen drang zu seinem Ohr durch. Etwas unbeholfen strich er ihr über den Rücken. „Shht… Aramis. Athos wird wieder gesund. Mach dir keine Sorgen. Der Arzt ist doch bei ihm“, versuchte er sie mit Worten zu trösten. „Warum ist er mir nur nachgeritten? Nur wegen mir ist er überhaupt krank.“ „Sag doch nicht so etwas.“ „Es ist die Wahrheit, D’Artagnan.“ Während der Gascogner versuchte Aramis davon zu überzeugen, dass sie ohne Schuld in sich trug, war Porthos ungeduldig geworden. So trat er hinaus und sah seine Freunde in einer innigen Umarmung. Seine Brauen wanderten nach oben. Für ihn sah das mehr, als nur einer freundlichen Geste aus. Er räusperte sich kurz und sah, wie die beiden leicht auseinander wichen. „Es ist ja schön zu sehen, dass ihr beiden ein Herz und eine Seele seid, aber könnt ihr mich einmal aufklären? Ich will nun endlich wissen, was passiert ist, sprach er ruhig, jedoch mit einem bestimmten Unterton. Dabei sah er zu seinen Freunden herüber und bemerkte, dass Aramis sich verstohlen über die Augen wischte. „Du weinst, Aramis? Warum? Ist etwas mit Athos?“ D’Artagnan sah von Porthos zu Aramis zurück. Da er dichter zu dieser stand, konnte er deutlich den Schmerz in ihren Augen sehen. Daher trat er auf sie zu, jedoch sie wich nach hinten aus. „Bitte, D’Artagnan… sag es ihm ruhig… Aber ich kann nicht. Es tut mir leid.“ Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und lief in ihr Gästezimmer. Die Tür flog krachend ins Schloss und die beiden Musketiere konnten deutlich hören, wie ein Schlüssel sich im Schloss drehte. D’Artagnan seufzte leise und schüttelte dabei seinen Kopf. Porthos hingegen verstand die Situation überhaupt nicht. Er verlangte nun nach Antworten und diese wollte er nun von dem jungen Gascogner erhalten. Und er machte mehr als eindeutig klar, dass er keine Einwände oder irgendwelche Ausreden dulden würde. D’Artagnan seufzte abermals, aber ihm war klar, dass sein Freund ein Anrecht auf diese Information hatte. So bat er ihn in den Salon und bei dem einen oder anderem guten Glas Wein versuchte er Porthos die Gesamtsituation so schonend wie möglich beizubringen. Und wirklich leicht fiel ihm dieses nicht. Zudem wurde seine Erzählung immer wieder von Fragen unterbrochen, was es nicht wirklich leichter machte. Jedoch als Porthos erfuhr, dass Aramis eine Frau war, kehrte Stille ein. Mit geweiteten Augen und geöffnetem Mund, sah er D’Artagnan an. Es schienen etliche Minuten zu verstreichen bis Porthos seinen Mund für einen Moment schloss. Dann schüttelte er seinen Kopf und leerte anschließend sein Glas in einem Zug. Dabei beobachtete ihn sein junger Freund ganz genau, jedoch konnte er sich aus Porthos Verhalten keinen Reim machen. So blieb es ruhig im Salon, bis Porthos auf einmal auflachte und sich dabei den Bauch hielt. Die Braue des Gascogners wanderte nach oben. „Was ist so lustig, Porthos?“, versuchte er nun herauszufinden. Sein Freund brauchte einige Moment und ein weiteres Glas Wein, bis er D’Artagnans Frage beantworten konnte. „Ich lache über unsere eigene Blindheit. Da war die ganze Zeit eine Frau unter uns und niemand hat es wirklich gemerkt.“ Nun lachte auch der junge Gascogner. „Da gebe ich dir Recht, mein Freund. Vor allem Kämpfen kann sie wie ein Mann.“ Sein gemütliches Gegenüber nickte bestätigend. „Und sie trank und feierte mit uns. Niemals hätte ich gedacht, dass eine Frau so etwas kann.“ „Auch da stimme ich dir zu, Porthos. Aber sag, bist du nicht böse?“ „Böse? Nun…“, nachdenklich rieb er sich das Kinn. „Böse nicht direkt. Etwas enttäuscht, aber ich würde gerne wissen, was sie nun tun will. Ich bin der Meinung, dass sie mit uns nach Paris zurückkehrt. Wir werden alle mit dem Kapitän sprechen. Er darf sie nicht gehen lassen und ihr Geheimnis ist bei uns sicher.“ „Ich weiß, Porthos. Aber du weißt in welcher Gefahr sie dennoch steht, wenn jemand es herausfindet.“ „Das ist mir bekannt. Jedoch was will sie tun?“ „Wenn ich das nur wüsste...“, erwiderte D’Artagnan mit einem tiefen Seufzen. Währenddessen hatte sich Aramis beruhigt und daher bekam sie mit, wie der Arzt Athos Zimmer verließ. Rasch war sie zu ihm getreten und hatte sich nach der Gesundheit Athos erkundigt. Dieser teilte ihr mit, dass Athos sich eine Lungenentzündung zugezogen hatte. Er würde viel Ruhe brauchen. Er selber hätte ihn vorerst zur Ader gelassen und ihm später noch ein Fiebersenkendes Mittel verabreicht. So verabschiedete er sich von Aramis und verließ kurz darauf das Anwesen. Die junge Frau hatte ihm hinterher gesehen, dann trat sie in Athos Zimmer. Dieser schlief noch tief und fest. Aber es war kein ruhiger Schlaf. Sein Haar klebte an seiner Stirn und sein Kopf wand sich in seinen Kissen. Seine ausgedorrten Lippen waren geöffnet und seine Augen schienen unter seinen Lidern zu rotierten. Aramis sah alles ganz deutlich und es ließ ihr Herz zusammen ziehen. Langsam trat sie zu ihm, so entdeckte sie, dass das Tuch, welches seine Stirn kühlen sollte, verrutscht war. Da ergriff Aramis dieses und wusch es in einer Schüssel mit frischem Wasser aus. Anschließend setzte sie sich vorsichtig auf die Bettkante und legte das feuchte Stoffstück auf Athos Stirn. Aber lange ruhte es nicht an dieser Stelle. Wieder drehte sich sein Kopf zur Seite. Ein paar kehlige Laute verließen seine Lippen, aber es war nichts Verständliches. Aramis besorgter Blick blieb. Abermals ergriff sie das Tuch und versuchte dieses auf Athos Stirn zu platzieren. Aber auch dies blieb ohne Erfolg. Seufzend legte sie es auf den Rand der Wasserschüssel und beobachtete Athos. Sie machte sich große Sorgen um ihn. Ihr Herz war wie zugeschnürt. Wie lange sie stumm bei ihm saß, wusste Aramis nicht. Nur dass sie irgendwann angefangen hatte, leise mit Athos zu sprechen. Es war nichts Spezielles. Zum größten Teil ging es um gemeinsame Erinnerungen. Je mehr sie ihm erzählte, desto ruhiger schien Athos zu werden. Zuerst bemerkte Aramis dies nicht, jedoch als es ihr wirklich bewusst wurde, achtete sie mehr auf das, was und vor allem wie sie es sagte. Dabei legte sie ihm wieder das Tuch auf die Stirn. Und nun blieb es dort auch liegen. Auch Athos Atmung wurde langsam ruhiger. Innerlich ließ Aramis dies aufatmen. „Warum musstest du mir nur folgen, Athos?“ Das war eine der Fragen, die Aramis Lippen wieder und wieder verließ. Aber eine Antwort darauf erhielt sie nicht. Während sie unbewegt auf der Bettkante saß, machten sich ihre Gedanken selbstständig. Für sich traf sie einen Entschluss, den sie so bald wie möglich in die Tat umsetzten wollte und auch musste. Die Zeit am Krankenbett hat ihren Blick klar werden lassen. Vor ihr hatte sich ein neuer Weg aufgetan, dies war ihr nun mehr den je bewusst. Bis weit nach Mitternacht verbrachte Aramis an Athos Seite. Erst als sie erneut kurz eingenickt und sie daraus wieder erwachte, ließ sie erheben. Kurz sah sie noch zu Athos, dann beugte sie sich zu ihm und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Stirn. Dabei konnte sie deutlich spüren, dass seine Stirn nicht mehr so heiß wie zuvor war. Dies ließ sie leicht lächeln. Dann wusch sie das Tuch aus und legte es ihm wieder auf die Stirn. Anschließend ging sie in ihr Zimmer herüber. Jedoch begab sie sich dort nicht sofort zur Nachtruhe. Sie ließ sich an einem Tisch nieder, ergriff Papier und Feder und verfasste einen kurzen Brief an Athos und einen an D’Artagnan und Porthos. Danach legte sie sich hin, um ein paar Stunden Schlaf zu finden. Früh am nächsten Morgen, als die ersten Vögel zu zwitschern begannen, erwachte sie. Rasch machte sie sich Abreisefertig. Im Haus waren die ersten Bediensteten erwacht, denen gab sie ihre Briefe mit der Bitte sie ihrem Herren und den Freunden zu übergeben. Anschließend sattelte sie ihr Pferd und verließ kurz darauf, das Anwesen in gestrecktem Galopp. Porthos und D’Artagnan hatten noch eine ganze Weile am Vorabend zusammen gesessen und waren daher spät ins Bett gekommen. Trotz des wenigen Schlafes erwachte D’Artagnan. Nach dem er etwas munterer war und sich angezogen hatte, führte sein Weg ihn hinunter in Richtung des Salons. Dort kam ihm ein Diener entgegen und überreichte ihm ein Schreiben. Überrascht sah der Gascogner ihn an, dann dankte er ihm und ging mit dem Brief in den Raum. Dort ließ er sich nieder und öffnete den Brief. Es waren nicht viele Zeilen, aber dafür waren diese klar formuliert. Meine Freunde Porthos und D’Artagnan, wenn ihr diese Zeilen von mir lest, werde ich schon fort sein. Macht euch keine Sorgen um mich. In der vergangenen Nacht sind mir ein paar Dinge klar geworden. Ich bitte euch inständig, folgt mir nicht. Es wird sich bald alles klären. Daher bitte glaubt und vertraut mir. Nur noch dieses eine Mal. Dafür danke ich euch vielmals. Zudem achtet bitte auf Athos bis er wieder vollständig gesund wird. Wir werden uns bald alle wieder sehen. Eure Aramis Nachdem D’Artagnan zu Ende gelesen hatte, lehnte er sich zurück und beobachtete durch das nahe Fenster, wie draußen die Sonne immer weiter am Firmament empor stieg. //Es freut mich, dass du endlich einen Weg gefunden hast. Ich hoffe, dass sich für dich alles zum Besten wenden wird. Gewiss, wir werden uns bald wieder sehen. Ich vertraue dir!// Stunden später, nachdem Porthos sich erhoben hatte, bekam auch er das Schreiben zu Gesicht. Überrascht überflog er die Zeilen und sah anschließend fragend zu seinem Freund. „Ich vertraue ihr. Sie wird wissen was sie tut.“ Nachdenklich rieb Porthos sich das Kinn, dann nickte er bedächtig. „Du hast Rech, D’Artagnan. Aber sag, wie geht es Athos? Hast du heute schon nach ihm gesehen?“ „Ja, ich war vorhin bei ihm. Die Temperatur scheint etwas gesunken zu sein. In ein paar Tagen wird er wieder der Alte sein.“ „Das hoffe ich. Danach sollten wir auch mit ihm Reden. Vor allem was seinen Rücktritt betrifft.“ „Er wird gewiss seine Gründe haben. Aber lass ihn erst einmal wieder vollkommen genesen. Dann wird er es uns bestimmt erklären können.“ „Hoffen wir es.“ „Sei zuversichtlich. Aber nun, wie wäre es mit einem Frühstück?“ Bei diesem Wort begannen Porthos Augen zu leuchten. „Das ist eine sehr gute Idee.“ D’Artagnan grinste und kurz darauf saßen sie zusammen bei einem deftigen Frühstück. Die Tage vergingen wie im Fluge und Athos erholte sich stetig. Kaum, dass das Fieber verschwunden und er wieder klar im Kopf war, hatte auch er das Schreiben erhalten, welches D’Artagnan ihm übergeben hatte. Nachdenklich sah er von diesem auf und bat dann darum, etwas allein gelassen zu werden. Kaum, dass man seinen Wunsch erfüllt hatte, klopfte es an seiner Tür. Es war der Diener und überreichte ihm das Schreiben Aramis. Kurz war Athos überrascht, jedoch fiel ihm dabei ein, dass das andere Schreiben an D’Artagnan und Porthos gerichtet wesen war. So nickte er seinem Bediensteten kurz zu. Dann öffnete er rasch den Brief und begann zu lesen. Lieber Athos, ich hoffe, dass du wieder gesund bist, wenn du nun diese Zeilen liest. Bitte verzeihe mir. Es war meine Schuld, dass du krank wurdest. Wie du gewiss nun weißt, bin ich seit ein paar Tagen fort. Wie auch Porthos und D’Artagnan, bitte ich dich darum, mir nicht zu folgen. Ich bin mir einigen Dingen bewusst geworden und ich muss diesem Weg, der sich nun vor mir auftut, folgen. Sei dir bitte gewiss, sobald ich einige Dinge geregelt habe, werde ich mich sofort bei dir, wie auch bei den Anderen melden. Bitte habe Geduld. Das ist der Wunsch den ich habe. Vertraue mir, dann wirst du bald alles erfahren. In Liebe Aramis Ruhig nahm Athos Wort für Wort in sich auf. Dann fiel sein Blick hinaus auf die sonnenbestrahlte Weide vor seinen Fenstern. //Ich hoffe, du weißt was du tust. Im Geiste und auch im Herzen bin ich bei dir. Ich hoffe inständig, dass du dies weißt.// Leise seufzte er. Dann schloss er seine Augen und mit seinen Gedanken bei Aramis, schlief er wieder ein. Es war spürbar, dass er noch nicht wieder ganz gesund war. Das würde noch ein paar Tage dauern und dies auch nur, wenn er sich strickt an die Anweisungen seines Arztes halten würde. Auch wenn es ihm schwer fiel, tat er das, was man ihm sagte. Seine einzige Ablenkung waren seine Freunde, die es sich nicht nehmen ließen, bei ihm zu bleiben. Sie hatten Kapitän Treville ein kurzes Schreiben zukommen lassen, in dem sie ihm mitteilten, dass sie noch etwas bei Athos bleiben würden. Eigentlich rechneten sie damit, dass ihr Vorgesetzter sie nach Paris zurück beordern würden, aber dies war nicht der Fall. Er schickte ihnen einen Boten, der ihnen mitteilte, dass es zurzeit friedlich in der Landeshauptstadt wäre und sie daher einige freie Tage haben würden. So konnten sie die Tage ‚genießen’. Jedoch war jeder für sich in Gedanken bei Aramis. Es war schon eine Weile her, seitdem sie aufgebrochen war und noch immer hatten sie nichts von ihr gehört. Natürlich fragten sie sich alle, was geschehen war. Aber sie erhielten keine Antworten, auf ihre nicht offen ausgesprochenen Fragen. So wurden aus Tage Wochen. Porthos und D’Artagnan hatten versucht Athos dazu zu bewegen wieder mit nach Paris zukommen, aber dieser hatte immer wieder abgelehnt. Er nannte auch keinen wirklichen Grund, warum er das Leben als Musketier beenden wollte. Nur, dass seine Vergangenheit ihn eingeholt habe und er sich dieser nun stellen wollte. Porthos hatte es mit der Weile aufgegeben den Freund zu überreden. D’Artagnan hingegen führte oft lange Gespräche mit ihm. Dabei kamen sie, ohne es immer wirklich zu wollen, auf Aramis zusprechen. Dabei konnte der Gascogner immer deutlicher heraushören, was sein Freund Athos wirklich für sie empfand, ohne dass er es direkt aussprach. D’Artagnan betete gerade darum, endlich etwas von Aramis zuhören, damit Athos und sie sich endlich aussprechen konnten. Aber die Zeit verging ohne Änderungen. Am Tage, an dem Porthos und D’Artagnan aufbrechen wollten, traf ein Bote auf dem Anwesen ein. Er überreichte den dreien, ohne viele Worte zu machen, eine Einladung. In dieser stand, dass sie sich in einer Woche auf einem Anwesen in der Normandie einfinden sollten. Mehr erfuhren sie nicht. Erst waren die drei etwas unentschlossen. Doch D’Artagnan war der Meinung, dass es nicht schaden würde, dieser Einladung zu folgen. Nur so würden sie in Erfahrung bringen können, was es mit dieser Einladung auf sich hatte. So verschoben der Gascogner und auch Porthos ihre Abreise. Zwei Tage später machten sie sich auf den Weg in Richtung Küste. Die Reise verlief ohne Vorfälle und sie kamen gut voran. Pünktlich erreichten sie das Anwesen, welches in der Einladung ihnen genannt worden war. In einigen Zügen erinnerte es an das Athos Anwesen, aber es war bedeutend älter, was man an der restlichen Bauweisen erkennen konnte. Der Vorhof wurde von einem kleinen Brunnen geziert und man konnte schon einen kleinen Eindruck von dem erlangen, was noch auf sie warten würde. Vor dem Hauptportal stiegen sie ab und kaum das ihre Füße den Boden berührt hatten, traten zwei Stallburschen aus den nahen Stallungen zu ihnen, um die Pferde zu versorgen. Während die drei Freunde den Knappen hinterher sahen, öffnete sich die große schwere Eingangstür und ein Diener trat einige Schritte heraus. Da man ihm keine Aufmerksamkeit schenkte, räusperte er sich dezent. So wanderte der Blick der drei in dessen Richtung. „Meine Herren, darf ich bitten? Sie werden erwartet“, brachte er näselnd hervor und ließ sie eintreten. Nachdem man Athos, Porthos und D’Artagnan ihre Mäntel und Hütte abgelegt hatten, wurden sie in Richtung des Wintergartens geführt. Dabei passierten sie eine einladende Freitreppe. Sie waren fast an dieser vorbei gegangen, als sie auf einmal eine, ihnen wohlbekannte, Stimme vernahmen. „Es freut mich, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid“, kam es von oberhalb der Treppe. Die drei Männer waren prompt stehen geblieben und sahen nun in die Richtung, woher die Worte gekommen waren. Dort konnten sie eine Gestalt sehen, die langsam und geschmeidig die Stufen auf sie hinab schritt. Jede Bewegung gleichmäßig und grazil. Die drei Männer konnten sich kaum an dieser Gestalt satt sehen. Ihre Augen waren geweitet und ihre Münder geöffnet. Ein leises und zartes Lachen war zu vernehmen. „Ihr schaut mich an, als wäre ich ein Geist“, kam es freundlich und ohne spöttisch zu klingen. Erst dies, ließ die drei aus ihrer Starre erwachen. Kapitel 9: Freunde für immer ---------------------------- D’Artagnan lächelte bei ihren Worten. „Du hast uns ganz schön hinters Licht geführt“, kommentierte Porthos, der sich kaum an ihr satt sehen konnte. „Das war nicht meine Absicht. Aber ich denke, du weißt ebenfalls meine Beweggründe“, erwiderte Aramis direkt. Während sie sprach, schritt sie die letzten Stufen hinab auf die Freunde zu. „Wie sollen wir dich nun eigentlich nennen?“, fragte der Gascogner. „Aramis?“ „Ich würde sagen, darüber reden wir bei einer Tasse Tee im Salon“, antwortete die Blonde lächelnd. „Außer ich soll mich für Porthos einmal im Kreis drehen“, fügte sie hinzu. Dieser wurde prompt verlegen und rieb sich seinen Hinterkopf. „Verzeih, das wollte ich nicht. Nur du… du siehst so anders aus.“ Athos schüttelte schmunzelnd seinen Kopf. Auch er hatte den Blick kaum abwenden können, doch er hatte es nicht so offensichtlich getan, wie sein Freund, den er nun langsam vorwärts schob. „Du hast die Dame gehört, Porthos. Wir werden gewiss bald mehr erfahren.“ Aramis nickte und schritt den dreien voran in den besagten Raum. Auch hier konnte man sehen, das Geld scheinbar keine Frage war. Die Möbel waren bequem und die Aussicht auf den Park war einmalig. Mit einer fließenden Bewegung ließ sie sich nieder und wartete, dass ihre Freunde sich ebenfalls niederließen. „Nun möchte ich deine Frage beantworten. Dazu muss ich jedoch etwas ausholen, damit ihr das warum versteht.“ Kurz blickte sie in die Runde, bevor sie ihren Rock glatt strich. „Um klar zu stellen, Aramis gibt es nicht mehr. Er starb als sein Auftrag erfüllt war. Nur was blieb zurück? Ihr würdet gewiss sagen Renée d’Herblay. Ja und nein. Eigentlich gab es sie nicht mehr, als Aramis erschien. Als mein Verlobter starb, tat auch sie es. Zudem wollte meine Familie mich damals an einen anderen vermählen, was ich einfach nicht konnte.“ Sie sah in die Runde. Ihre Freunde schwiegen. Porthos hatte zwar seinen Mund geöffnet, äußerte sich jedoch nicht. Nach einem aufmunternden, kaum zu erkennenden Nicken, sprach sie weiter. „Damals dachte ich nur an Rache. Was danach kommen würde… darüber verschwendete ich keinerlei Gedanken. Ich verdrängte es einfach, bis es nicht mehr ging. Mir wurde erneut bewusst, wie sehr ich euch, die ich meine Freunde nannte, über all die Jahre hinweg belogen hatte. Ihr vertrautet mir, ohne zu wissen, wer wirklich vor euch stand. Wie oft ich mich euch offenbaren wollte, kann ich unlängst nicht mehr sagen. Das Schlimme ist, das ich euer vollkommenes Vertrauen besaß und es euch nicht wiedergeben konnte. Gewiss konnte ich mich auf euch in jeder Situation vollkommen verlassen, doch den letzten Schritt, mich euch zu offenbaren, konnte ich nicht. Dafür war ich viel zu schwach…“ „Das warst du nicht“, unterbrach D’Artagnan sie. „Und ich denke Athos und Porthos stimmen mir zu, dass du niemals feige warst. Du hast immer gekämpft und ich kenne keine andere Frau, die dies alles auf sich genommen hätte.“ Die Blonde lächelte den Gascogner an. „Ich danke dir. Aber dennoch war Angst da. Vergiss bitte nicht, was mir geblüht hätte, wenn jemand herausgefunden hätte, dass ich kein Mann bin“, erwiderte sie nun. „Und was gedenkst du nun zu tun?“, wollte Porthos von ihr wissen. „Dies wollte ich eigentlich erklären, wenn ihr mich nicht unterbrochen hättet, mein lieber Porthos“, entgegnete sie kokett. „Durch Athos erhielt ich einen Brief. Mein einziger lebender Verwandter war verstorben Ich hatte nie das Beste Verhältnis zu ihm, dennoch war er ein Familienmitglied. Ich erhielt sein Testament, in dem er mir dies alles hier vermachte, da er keine Kinder gehabt hatte. Im ersten Augenblick, war es ehrlich gesagt etwas zu viel. In den vergangenen Jahren hatte ich nur das Notwendigste und dies reichte mir. Doch zugleich sehe ich es als Lösung in der Not. Ich kann nicht auf ewig einfach durchs Land reisen. Daher lass ich mich hier nieder und trete mein Erbe an. Auch wenn ich damals verschwand, hat mein Onkel nur eine Vermisstenmeldung herausgegeben und mich nicht für Tod erklären lassen. Ich werde hier bleiben, auch wenn ich die Zeit mit euch niemals vergessen werde“, endete sie nun. „Du wirst nie wieder zurückkommen?“ „Nicht als Aramis, Porthos. Jedoch steht jedem von euch mein Haus jederzeit offen“, antwortete sie ihrem dicken Freund. „Wir sind doch ein Team“, versuchte er es jedoch noch einmal halbherzig. „Das waren wir und wir können Freunde bleiben. Meine Aufgabe ist erfüllt und eine Neue stellt sich mir nun.“ Dagegen konnte er nichts mehr erwidern. D’Artagnan konnte es verstehen, auch wenn er Porthos rechtgeben musste. Nun würde alles anders werden. Aber dies war der Lauf der Dinge. Gemeinsam verbrachten sie noch einige Stunden, bevor die beiden sich zur Ruhe begaben. Sie mussten am nächsten Morgen nach Paris aufbrechen. Zu lang waren sie nun schon fort. Daher blieben die letzten beiden noch im Salon bei einem guten Glas Wein zurück. Es herrschte Stille zwischen ihnen. Diese war nicht unangenehm oder gar erdrückend. Eher das Gegenteil. „Du hast recht gehabt, Athos…“ „Olivier“, korrigierte sie der Schwarzhaarige, was sie mit einem leicht überraschten Blick und einem Nicken hinnahm. „Die Zeit hat mich eingeholt.“ „Ich stimme dir zu, Aramis…“ „Renée“, war es nun an ihr, ihm ins Wort zu fallen, wofür sie ein Schmunzeln erntete. „Und wie hast du dir deine Zukunft nun vorgestellt?“, wollte er von ihr wissen. „Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung. Sehr lange bin ich noch nicht hier und ich habe mir nur einen kleinen Überblick verschaffen können. Das wird Zeit in Anspruch nehmen und dann werde ich weitersehen.“ „Ich verstehe. Wenn du Hilfe benötigst, lass es mich bitte wissen.“ „Danke für dein Angebot, aber ich werde es schon irgendwie meistern.“ Erneut schmunzelte er. „Immer noch dein ungebrochener Kampfeswille, mein Freund“, äußerte er und bekam dafür ein melodisches Lachen zur Antwort. „Ich kann wohl nicht aus meiner Haut.“ Dies ließ auch ihr Gegenüber lachen. „Weißt du eigentlich, wenn du hättest heiraten sollen?“, fragte er auf einmal, nachdem sie sich beruhigt hatten. „Nein“, war die kurze Antwort. „Ich verstehe. Wirst du nun jemals einen Gemahl suchen?“ Mit solch einer Frage hätte sie nun rechnen müssen, doch dies aus dem Mund des Mannes, den sie seit Jahren liebte, nahm ihr kurzzeitig den Wind aus den Segeln. „Ich denke nicht. Die ganzen Jahre bin ich gut allein zu Recht gekommen, warum sollte ich dies nun ändern?“ „Ich verstehe“, äußerte Athos erneut, nachdem er sein Glas geleert hatte. Dann erhob er sich in einer fließenden Bewegung. Ruhig überbrückte er die kurze Distanz zwischen ihnen und ergriff ihre Hand. Sanft führte er sie zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss hinauf, ohne dabei den Blick von ihren Augen, die sich unlängst geweitet hatte, zu lösen. Dabei entging ihm auch nicht die aufsteigende Röte, die ihre blassen Wangen für sich gefangen nahmen. „Wenn ich gewusst hätte, was meine mögliche Verlobte für eine bezaubernde Frau mit einer besonderen Persönlichkeit ist, hätte ich nach der Meldung über ihr Verschwinden mich auf den Weg gemacht“, äußerte er geheimnisvoll. „Ich wünsche dir eine gute Nacht, Renée“, sprach er, nachdem er noch einen Kuss auf ihre zarte Hand gehaucht hatte. Anschließend erhob er sich und ließ die junge Frau allein mit ihren Gedanken und dem rasenden Herz zurück. Hatte sie ihn richtig verstanden? Oder spielte ihr Gehör einen Streich? Kurz schüttelte sie ihren Kopf. Es musste so sein! Sie war damals geflohen, als sie von der neuen Verlobung hörte und als sie nach Paris kam, war Athos schon lange Musketier. Aber wie sollte sie seine Worte sonst deuten? Es verwirrte die Blonde zusehends. Unsanft stellte sie ihr Glas auf den Tisch und erhob sich. Die Müdigkeit, die sich langsam in ihr hochgeschlichen hatte, war unlängst verschwunden. Zu sehr geisterten seine Worte durch ihren Kopf. Unruhig tigerte sie im Salon auf und nieder. Man konnte nur das leise Knistern des Feuers im Kamin und das Rascheln ihres Kleides hören. „Verdammt…“, murmelte sie nicht gerade damenhaft und stampfte unsanft auf den Boden. Dass man sie dabei beobachtete, bemerkte sie nicht. Erst als ein leises Lachen an ihr Ohr drang, stoppte sie. „D’Artagnan“, entfleuchte es ihren Lippen. „Wolltest… solltest du nicht längst schlafen? Ihr wolltet doch früh los?“ Der Gascogner, der am Türrahmen gelehnt hatte, richtete sich schmunzelnd auf. „Eigentlich ja. Ich wollte mir nur noch etwas zu trinken holen, als ich hier noch Licht sah“, erklärte er ihr. „Was bringt dich so durcheinander?“, fragte er sie direkt. Er sah, wie sie ihm den Rücken zudrehte, damit er ihre aufsteigende Röte, die sie im Augenblick verfluchte, nicht bemerkte. „Es ist nichts. Geh wieder schlafen.“ „Bitte, Renée. Wir sind doch Freunde. Wenn du möchtest, wird nichts diesen Raum verlassen und habe ich dich je belogen?“, äußerte er, während er den Salon betrat und die Tür zurückschob. Ganz ins Schloss schob er sie mit Absicht nicht, damit ein gewisser Mann, den er auf dem dunklen Flur entdeckt, ihn aber nicht angesprochen hatte, lauschen konnte. „Ich bin nur verwirrt“, gestand sie nach einer Weile, nachdem sie ein tiefes Seufzen von sich gegeben hatte. „Kann ich dir helfen?“, fragte sie ihr Freund. Erneut erhielt er ein Seufzen als Antwort. Sie wusste, wenn sie sich nicht ihm anvertrauen konnte, wem dann? So begann sie leise zu berichten, was vorgefallen war. D’Artagnan lauschte ihr ruhig, ohne sie zu unterbrechen. „Das Beste wäre, wenn du ihn darauf ansprichst“, schlug er ihr vor. „Das kann ich nicht!“ „Und warum? Was hast du zu verlieren? Du magst ihn, nicht wahr?“ Er sah, wie ihre zuvor noch gestraften Schultern etwas nach vorne sackten, bevor sie leicht nickte. „Ja, mehr als das“, murmelte sie kaum verständlich. Während sie diese wenigen Worte äußerte, bemerkte D’Artagnan, wie die Tür sich leise hinter ihm öffnete. Schmunzelnd machte er kehrt und trat mit einem aufmunternden Nicken an ihm vorbei, bevor er das Paar alleine zurückließ. „Ist das wahr?“, hörte sie auf einmal eine andere Stimme, als sie erwartet hatte. Sofort drehte sie sich um ihre eigene Achse, während ihr Kleid und ihr Haar elegant mitschwangen. „Ol… Olivier“, brachte sie hervor. „Ja, ich bin es“, äußerte dieser ruhig, was er auch ausstrahlte. Wie es dabei tief in ihm aussah, zeigte er nicht. Erneut entstand Stille zwischen ihnen, während sie nur Blicke austauschten. Jeder hörte das Rauschen des eigenen Blutes in den Ohren. Niemand schien in diesem Augenblick über den eigenen Schatten springen zu können, bis jeder von ihnen einen Schritt vor trat. „Olivier…“ „Renée…“, sprachen sie dabei zeitgleich. Sofort stoppten sie. „Verzeih, fang du an“, äußerten sie anschließend im Chor. Verlegen rieb er sich nun den Hinterkopf, während sie gen Boden blickte. „Tut mir leid, wenn ich dich verwirrt habe“, äußerte der Schwarzhaarige nach einigen Augenblicken des Überlebens. „Es… es muss dir nicht leid tun“, unterbrach sie ihn rasch. „Aber… beantworte mir bitte eine Frage. Wie hast du dies gemeint?“ Unbewusst hielt sie ihre Luft an, während sie auf seine Antwort wartete. „Ich habe es gesagt, wie es ist“, erwiderte er und blickte in ihr fragendes Gesicht. „Auch wenn ich schon lange dem Musketierchor angehöre, habe ich immer ein Gehör für die Angelegenheit meiner Vergangenheit gehabt. Nur im Hintergrund und selber halbherzig, wie ich zugeben muss. Daher wurde mir auch die Bitte deines Onkels zugetragen. Als du nach Paris kamst, war ich einen Tag zuvor zurückgekehrt. Offiziell war ich auf Urlaub gewesen, jedoch hatte ich mein Landgut besucht und dort den Wunsch Gehör geschenkt. Nachdem was alles geschehen war, habe ich nicht einmal daran gedacht, mich wieder zu vermählen. Erst recht als ich hörte, dass meine angedachte Verlobte geflohen sei. Ehrlich gesagt war ich nicht im Geringsten traurig darüber. Ich hatte mich entschieden und daher kam es mir sehr gelegen. Über damals habe ich nicht weiter mehr nachgedacht, doch seit ich deinen wahren Namen kenne, habe ich, bitte verzeih, Nachforschungen betrieben. Daher meine Worte vorhin.“ Mit immer größer werdenden Augen hatte sie ihm gelauscht. Leise entwich dabei die Luft aus ihren Lungen. Damit hatte sie wahrlich nicht gerechnet. Zugleich war sie froh, dass er so ehrlich mit ihr sprach. Dennoch war sie etwas verunsichert. Ein Gefühl, was ihr ganz und gar nicht behagte. Jedoch wagte sie nicht, das Wort an ihn zu ergreifen. Selten war sie um ein Wort verlegen, doch die momentane Situation, änderte dies. Da sie nichts sagte, atmete er tief durch und trat einige weitere Schritte auf sie zu, bis er dicht vor ihr stand. „Wie ich schon sagte, wenn ich gewusst hätte, dass es sich um dich handelt, hätte ich dich gesucht und würde es auch heute noch tun.“ Während er dies sagte, musste sie zu ihm hochsehen, dabei wurde ihr bewusst, wie dicht er doch vor ihr stand. Unmerklich schluckte sie dabei. Ohne es wirklich zu bemerken, strich er ihr über die Wange. Unterdessen näherte sich sein Gesicht dem ihren. Nur Millimeter trennten sie voneinander. Doch diese kleine Distanz überbrückte er und versiegelte ihre sanft geschwungenen Lippen mit den seinen. Es war ein vorsichtiger, zugleich auch zärtlicher und vielsagender Kuss, den er ihr gab und den sie ohne zu zögern erwiderte. Dieses Lippenbekenntnis würden beide niemals in ihrem Leben mehr vergessen. So standen die beiden eng umschlungen, vor dem mittlerweile erloschenen Kamin, ohne auf diesen oder die Umgebung zu achten. Nachdem er sich von ihr löste, lehnte er seine Stirn an die ihre. „Ich bin froh, dass es keine Geheimnisse mehr zwischen uns gibt“, raunte er. „Und das du die bist, die du bist.“ Kaum merklich nickte Renée bei seinen Worten und kuschelte sich etwas mehr an ihn. „Mir geht es genauso, Olivier“, antwortete sie. „Ich liebe dich“, sprach er lächelnd, bevor er sie erneut küsste und sie ihm damit eine Antwort schuldig blieb. Aber ihre Lippen taten dies umso mehr. Sanft und bestimmt drückte er seine Liebste an sich, die sich an seinen Körper anschmiegte, als wäre er dafür gemacht worden. Doch langsam musste er sich lösen, ob er wollte oder nicht. Schwer atmend sahen sie sich tief in die Augen. „Ich liebe dich auch“, erwiderte die Blonde nun mit einem leicht verklärten und verträumten Blick. Dafür gab er ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor er vor ihr auf die Knie ging und ihre Hände dabei ergriff. „Es ist mir bewusst, dass dies nun sehr rasch kommt, aber würdest du meine Frau werden wollen?“ Ihr Blick wurde wieder klar und war für einen Augenblick geschockt, sodass sie keinen Ton hervorbrachte. Doch dann räusperte sie sich und begann zu sprechen, wobei sie ihrer Stimme kaum traute. „Oh Olivier…“, begann sie rau. „Es ist wahrlich sehr schnell, aber… ja, ich will“, endete sie und schenkte ihm ein Lächeln. Deutlich sah man in seinen Augen, wie ein Stein von seinem Herzen zu fallen schien, als er ihre erlösenden Worte vernahm. Sofort erhob er sich, schloss sie in seine Arme und küsste sie ungeduldig. „Du machst mich unsagbar glücklich“, sprach er währenddessen. „Und du mich“, stimmte sie ihm zu. Stunden später, als die Sonne schon ein gutes Stück über dem Horizont stand, hatten sich Porthos und D’Artagnan hatten sich in der Eingangshalle eingefunden, um in den nächsten Minuten nach Paris aufzubrechen. Sie hatten keinen von ihren Freunden bis dato gesehen und fragten sich nun, ob sie nicht erscheinen würde, um sie zu verabschieden. Jedenfalls Porthos tat dies, während sein Freund innerlich grinste. Er hoffte, dass dies nun ein gutes Zeichen war. „Guten Morgen ihr zwei“, kam auf einmal eine vertraute Stimme von den Stufen, die in das obere Geschoss führten. Sofort richteten sich zwei paar Augen dorthin. „Verzeiht, dass wir euch haben warten lassen“, erwiderte Renée und lief vor Olivier die Stufen hinab. „Ihr seid ja rechtzeitig hier“, sprach der Gascogner rasch, bevor sein dicker Freund etwas sagen konnte. „Wann werden wir uns wiedersehen?“ Die beiden zuletzt eingetroffenen sahen sich kurz an, bevor sie ihm zunickte. „Ich hoffe doch sehr bald“, sprach daher der Schwarzhaarige zu seinen Freunden. „Nun, wir werden einige Tage unterwegs sein“, erwiderte Porthos. „und Treville wird uns bestimmt so schnell nicht mehr gehen lassen“, fügte er noch hinzu. „Da wäre ich mir nicht so sicher, alter Freund.“ „Was meinst du damit?“, wollte er von ihm wissen. „Das ich in gut zwei Monaten gedenke mich zu vermählen.“ „Was? Wenn?“, brachte sein Gegenüber heraus. „Mach doch die Augen auf, Porthos“, mischte sich D’Artagnan mit ein und knuffte den Hünen freundschaftlich mit dem Ellenbogen in die Seite. Fragend blickte dieser ihn nun an und sah, wie der Gascogner mit seinem Kopf in Richtung Treppe wies. Was Porthos nun sah, ließ ihm unvorteilhaft den Unterkiefer herunterklappen. Athos oder Olivier, wie er sich nun nennen ließ, hatte seinen Arm um die Blondine gelegt. „Herzlichen Glückwunsch ihr beiden“, brach D’Artagnan das Eis und trat auf das Paar zu. „Vielen Dank“, äußerte Renée. „Ich hoffe, wenn wir uns wiedersehen, das Constance dich begleiten wird.“ „Da bin ich mir sicher, dass sie es wird“, stimmte er ihr lächelnd zu. „Vielleicht schneidert ihr Vater dein Brautkleid.“ Kurz tauschte das Paar erneut Blicke aus. „Das wäre eine wundervolle Idee, aber wir haben so viel noch zu planen, das ich es nicht schaffen werde nach Paris dafür zu reisen.“ „Ich werde mit ihm reden“, äußerte er und zwinkerte ihr aufmunternd zu. „Aber nun sollten wir wirklich aufbrechen, wenn wir heute noch ein gutes Stück schaffen wollen. Komm Porthos“, sprach er zu seinem Freund, der stumm nickte. Das Paar geleitete sie noch zur Tür und sah ihnen nach, als sie hoch zu Ross das Grundstück verließen. „Wir werden immer Freunde bleiben, nicht wahr?“, wisperte Renée, als sie die zwei in Ferne verschwinden sah. „Ja, das werden wir bleiben. Für immer.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)