Flucht in den Abgrund von Aosagibi (wenn dich ein Dorf in die Verzweiflung treibt...) ================================================================================ Kapitel 12: Zusammenbruch ------------------------- Entschuldigt! >_<" Es tut mir so leid. Ich hab mal wieder viel zu lange gebraucht. Aber da das Niveau einigermaßen gleichbleibend sein soll, musste ich lange dran arbeiten... Hoffentlich hat sich das lange warten für euch gelohnt... ^___^ Viel Spaß beim Lesen. Steine, verfaulte Tomaten und Rosen findet ihr am Ausgang.^^ +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Ein Mädchen brachte mir Frühstück ins Zimmer, für das ich zwar dankte, aber es nicht anrührte. Mir war schlecht und ich fühlte mich wie Dreck, der es nicht wert war, dass sich andere um ihn kümmern. Das schlechte Gewissen nagte an mir, ich wurde es einfach nicht los, was ich auch versuchte. Weit und breit war keiner der Akatsukis zu hören und ich stand auf, um ins Bad zu gehen. Ich war schon länger wach, hatte regungslos dagelegen, mich unter der Decke verkrochen, damit sie nicht mehr von mir sehen konnte. Sicherlich wären die roten Hautstellen und Narben aufgefallen. Zudem lag ich beinahe nackt in meinem Bett, was wohl Itachi zuzuschreiben war. Wenn er vorgehabt hätte, mich mit nasser Kleidung hinzulegen, hätte er mich auch gleich draußen übernachten lassen können. Ich gönnte mir eine Dusche, die ich dringend nötig hatte. Besonders die Arme musste ich so gut wie möglich reinigen, damit keine Spuren blieben. Man sagt zwar, man kann seinen eigenen Geruch nicht wahrnehmen, aber ich selbst fand, dass mein Körper stank, nach Sinnlosigkeit und Bedeutungslosigkeit, nach Menschen, die ich nie wieder sehen wollte. Ihr Geruch haftete an mir, ich wurde ihn einfach nicht los. Als hätte er sich in meine Haut eingebrannt und hinterließ einen ekelerregenden Geschmack auf meinen Lippen, als das Wasser über mein Gesicht lief. Aber da war noch ein anderer Duft, ein süßlich-bitterer Geschmack, eine Erinnerung. Wann würde ich endlich von dir loskommen? Die Gefühle, die in mir hochkamen, wann immer ich an dich dachte, verschwanden immer mehr und machten einer dumpfen Stille Platz. Eine Leere, die ich nicht füllen wollte. Womit auch? Mit falschen Hoffnungen? Ich schwor mir jede Minuten meines Daseins, dass ich mich nie wieder verlieben, nie wieder das durchleiden würde. Lieber wollte ich sterben, wenn es so weit war. Wie lange das noch dauern würde, war auch ungewiss, solange mir keiner sagte, ob die Akatsukis nun nur Kyubi oder auch mich brauchten. Aber welchen Unterschied machte das schon? Vom Monster zum Werkzeug, es hatte doch keine Bedeutung mehr, was genau ich war. Ich war kein Mensch und doch konnte ich nicht sagen, was genau ich war. Mein Leben hatte nicht seinen Sinn verloren – den hatte es nie gehabt. Träumen hinterherzulaufen und zu hoffen, dass das Unmögliche wahr würde, war eine dumme und naive Angewohnheit der Leute. Den Traum, selbst einmal Hokage zu werden, hatte ich feierlich zu Grabe getragen und ausreichend in schlaflosen Nächten beweint. Kurz nach Sasukes Rückkehr hatte ich bereits aufgegeben. Ob ich jetzt lebte, weil ich noch nicht loslassen konnte oder weil ich es nicht selbst beenden durfte, machte keinen Unterschied. Wenn einem egal geworden ist, was man tut, sollte man aufhören. In meinem Fall hieß das: Es war mir einerlei, ob ich lebte oder nicht, so wie es andere nie interessiert hatte. Warum noch so tun, als würde ich daran hängen? Nein, mein Leben hatte nicht seinen Sinn verloren. Ich hatte nur die ewig erfolglose Suche nach ihm aufgegeben. „Wer hat dir erlaubt, das Bett zu verlassen?“, fuhr mich eine Stimme scharf an, als ich das Badezimmer nur spärlich bekleidet verließ. Im Gegensatz zu der vergangenen Nacht konnte ich meine Gefühle nicht verheimlichen und zuckte ertappt zusammen. An den Türrahmen gelehnt stand Itachi und musterte mich mit schmalen Augen. „Antworte, wenn ich dich was frage“, zischte er, als ich ihn nur erschrocken ansah. Mit festen Schritten kam er näher, schubste mich an die Wand und baute sich bedrohlich vor mir auf. Mein Zittern schien er noch nicht einmal zu bemerken. „Du sollst mir antworten! Was hast du im Bad gemacht?“ Das Rot seiner Augen zog mich in seinen Bann, Angst und Faszination rangen miteinander. Ich wollte mich nicht fürchten, aber das Gefühl wurde immer stärker, je länger ich in seine Augen sah. „Naruto!“ Itachi sprach laut und drohend, während ich ihn nur vor Angst zitternd anstarren konnte. Ich wollte mich bewegen, ihm ausweichen, einen Fluchtweg suchen, aber mein Körper rührte sich einfach nicht. „Hör auf, Itachi. Siehst du nicht, dass er Angst hat?“, mischte sich Deidara, der gerade gekommen war, ein. Der Uchiha wendete sich mit einem hasserfüllten Blick ihm zu und ich rutschte erleichtert an der Wand runter. „Er soll lernen zu gehorchen, wenn ihm etwas befohlen wird. Wenn er es so nicht lernt, werde ich auch zu anderen Mitteln greifen.“ „Du übertreibst maßlos. Wenn du ihn so bedrängst, kannst du auch nicht erwarten, dass er reagiert. Sieh dir ihn doch mal an! Warum bist du so wütend? Der Junge war duschen, mehr nicht. Das solltest du übrigens auch tun“, fügte er hinzu und ließ sich von Itachi nicht beeindrucken. Ich war ihm unendlich dankbar, dass er mich aus dieser Situation gerettet hatte. Mein Herz schlug noch immer schnell. „Dann gibt es ja auch nichts, was er vor mir verheimlichen muss“, fauchte der Schwarzhaarige und ging auf ihn zu. Deidara zuckte noch nicht einmal mit den Wimpern, als er an ihm vorbei aus dem Zimmer ging. Vielleicht hatte ich mich verhört, aber ich glaubte, dass er ihm noch etwas zugeflüstert hatte, ehe er sich nach einem kurzen Blick zurück aus dem Raum entfernte. „Er stinkt nach Blut...“ Deidara half mir wieder auf die Beine, die so sehr zitterten, dass er mich fast tragen musste, um mich wieder ins Bett zu schaffen. Es war warm und bequem, aber genau deswegen fühlte ich mich unwohl darin. Ein einfacher Platz auf dem Boden wäre mir tausendmal lieber gewesen als das. Ich hatte es nicht verdient, die ganzen Vorzüge. Ein Verräter wie ich sollte sich im Wald in Höhlen und Bäumen verstecken und jeden Tag um sein Leben fürchten. „Er ist ja weg, shhh, ganz ruhig, un. Kein Grund zu weinen“, flüsterte Deidara und zog mich vorsichtig in seine Arme. Vielleicht war es wirklich kein Grund, aber die Tränen hörten nicht auf zu fließen. Ich konnte nicht verstehen, warum er zuerst so nett gewesen war und jetzt wieder so beängstigend. Womit hatte ich das verdient? „He, nun hör schon auf, un. Ich hab doch keine Ahnung, was ich machen soll, wenn du weinst, un“, sagte er sanft und kraulte mich beruhigend im Nacken, darauf bedacht, meine Ohren nicht zu berühren. „Ihr hasst mich, weil ich ein Monster bin, oder?“, schluchzte ich. „Er hasst mich...“ Ich verstand zwar nicht, warum es mir so wichtig war, aber allein der Gedanke, dass er mich verachtete, bereitete mir Schmerzen. Nach allem, was ich bisher erlebt hatte, glaubte ich, es sei deshalb, weil er der einzige zu sein schien, der mich verstehen konnte. „Niemand hasst dich, un. Und du bist auch kein Monster“, meinte Deidara entrüstet und ließ mich los. Ich wartete auf verachtende Worte oder Schläge, aber sie blieben aus. Stattdessen hielt er mir seine Hände hin. Zwei Münder grinsten mir entgegen. „Im Vergleich zu dem hier sind deine Ohren doch ganz süß und normal, oder?“, lächelte der dritte in seinem Gesicht. „Sü-süß?“, brachte ich in einem heftigen Schluckauf hervor. Trotzdem musste ich auch ein wenig lächeln. „Hör mir mal zu, Naruto. Ich weiß zwar nicht, was Itachi für dich empfindet, aber eins kann ich dir mit Sicherheit sagen: Hass ist es auf keinen Fall, un. Du weißt nicht, was er alles getan hat, um dich sicher hierher zu bringen, hm.“ Ich schnaubte verächtlich. Wer hatte denn gesagt, dass ich überhaupt hier sein wollte? Vielleicht wäre ich ja im Wald glücklicher gewesen. Deidara schien von meinen Gedanken nichts zu bemerken oder er überging es einfach, denn er ging nicht auf meine Reaktion ein. „Naruto, vielleicht mag es nicht so aussehen, aber ihm...“ „Ich muss mit dir sprechen, kommst du raus?“, fragte Itachi kalt von der Tür aus, trat nicht näher. Er hatte die Nase kraus gezogen als würde es drin stinken. Wut stieg in mir auf. „Bleib hier, Naruto. Bin gleich wieder da, un.“ Deidara folgte Itachi nach draußen. So angestrengt ich auch lauschte, konnte ich sie nicht hören. Vielleicht hatten sie aber auch ein Jutsu angewendet, das mein unbefugtes Zuhören verhinderte. Reglos daliegend wartete ich auf seine Rückkehr. Mein Blick fiel auf das unangetastete Frühstück, aber mir war so schlecht, dass ich noch nicht einmal an Essen denken konnte. Wie lange hatte ich schon nichts mehr in den Magen bekommen? Tage, Wochen? Wie lange war ich bewusstlos gewesen? Noch immer war ich so müde, dass ich mich verzweifelt nach Schlaf sehnte. Auf der anderen Seite wollte ich wissen, wovon sie sprachen. Worum ging es, dass sie unbedingt nach draußen mussten? Wahrscheinlich eine interne Angelegenheit, von der ich nichts erfahren durfte, etwas von den Akatsuki. Was sollte aus mir werden? Ein Mitglied? Ein weiteres, unbeachtetes Opfer unter vielen? Zu müde, um noch weiter nachdenken zu können, fielen meine Augen zu und ich öffnete sie nicht vor Anbruch des nächsten Tages. Es änderte sich nichts. Itachi kam nicht mehr in mein Zimmer, wenn ich wach war. Ob er während der Nacht mich besuchte, wusste ich nicht. Ich schlief wie ein Toter, bekam nichts mehr um mich herum mit. Selbst meine ungewöhnlich guten Ohren halfen nicht, woher die Erschöpfung kam, ahnte ich nach einiger Zeit. Mein Appetit war nicht zurückgekehrt. Der Geruch von Essen weckte Übelkeit in mir, ich umging es so gut wie möglich. Leider versuchten mich die Ärzte zum Essen zu überreden. Sinnlos verschwendete Zeit, die ich, wenn ich nach draußen dürfte, mit Besserem hätte verbringen können. Doch sie ließen mich nicht aus dem Raum, nur in das Badezimmer konnte ich. Deidara kam immer zu den gleichen Zeiten, brachte bald kleine Geschichten von anderen Ländern, die er bereist hatte, bald ein Geduldsspiel für mich mit. Mit jedem Tag wurde ich erschöpfter, mein Hunger schwand weiter. Ich musste essen, wenn ich weiterleben wollte, zugleich konnte ich es aber auch nicht. Die wenigen Brocken Nahrung, die ich zu mir genommen hatte, spuckte ich nach kurzen Kauen wieder aus. Sie schmeckten zwar gut, aber mein Magen rebellierte heftig. Nach weiteren hoffnungslosen Versuchen gab ich es auf. „Du solltest mehr zu dir nehmen, bevor du nur noch aus Haut und Knochen bestehst“, kommentierte der Blonde, als er mir nach einigen Tagen mal wieder den Morgenbesuch abstattete. Es entlockte mir nur ein schwaches Lächeln, aber etwas sagen konnte ich auch nicht, was sollte er schon dagegen tun? Die Ärzte befahlen den Krankenschwestern nur, mir die zubereiteten Speisen zu bringen, was ich damit tat, war meine Sache. „Hm...“, brummte ich nur abwesend und sah aus dem Fenster. Es regnete, wieder. Wenn sich das Wetter nicht bis zum Abend ändern würde, könnte ich rausgehen. Es war so verlockend, wie die Tropfen auf den Boden trommelten. Zwar war es fast ständig bewölkt, aber oft wartete ich vergebens oder er ließ gegen Nachmittag schon nach. „Schmeckt dir das Essen nicht, un?“ „Hm?“, schreckte ich aus meinen Gedanken auf. Deidara schüttelte den Kopf und seufzte leise. „Wenn dir das Essen hier nicht schmeckt, kann ich dir auch was mitbringen“, bot er an, aber ich konnte nur ablehnen. „Nein, kein Problem. Es schmeckt mir, wirklich.“ Ich versuchte, seinen misstrauischen Blick zu ignorieren, aber das schlechte Gewissen kam wieder hoch, mit ihm der Magensaft. „Tut... tut mir leid, ich muss kurz ins Bad“, brachte ich mit Mühe und Not heraus. Er sprang auf, um den Weg freizumachen. Eilig schwang ich die Füße aus dem Bett und stand auf. Es war schon so lange her, dass ich etwas gegessen hatte. Erfolgreich unterdrückte ich den Würgreiz, bis zur Toilette würde es noch gehen. Leider hatte ich die Rechnung nicht mit meinem geschwächten Körper gemacht. Nach dem zweiten Schritt gaben meine viel zu schmalen Beine unter dem geringen Gewicht nach und ich taumelte, stürzte. Was dann mit mir geschah, bekam ich nicht mehr mit, denn es wurde dunkel und still. „Darf ich jetzt zu ihm, un?“ Von irgendwoher klang ein gleichmäßigen Piepen. Meine Versuch, mich aufzurichten oder wenigstens einen Arm zu bewegen, schlugen fehl. Alles schmerzte und war unglaublich anstrengend. Ich kniff die Augen zusammen, als ein Stich durch meinen Oberkörper fuhr. Es fühlte sich wie ein Band an, das um meiner Brust lag und diese abschnürte. „Naruto, bist du wach, un?“, fragte eine bekannte Stimme vorsichtig neben mir. Gequält öffnete ich die Augen und sah ihn an. Er wirkte zerzaust, kein wie sonst übliches Lächeln auf den Lippen, vielmehr schien es so, als hätte er gerade einen Schock hinter sich. Sein Oberarm, den ich durch das, dem Wetter eher unangepasste, ärmellose Shirt sehen konnte, wies mehrere sichelmondförmige, rote Flecken auf. Da ich nicht sprechen konnte, nickte ich nur. Deidara schien nervös zu sein, zitterte auch ein wenig. „Warum hast du nicht gesagt, dass du gar nichts gegessen hast?“, fragte er nach einer langen Stille. „Ich weiß es nicht“, krächzte ich wahrheitsgemäß. Mein Hals fühlte sich wie Sandpapier an. Wenigstens hatte ich genug getrunken. „Dir dürfte es schon bald besser gehen, un“, murmelte er und erhob sich von seinem Stuhl neben meinem Bett. Als er sich von mir abwenden und gehen wollte, streckte ich mit aller verbleibenden Kraft den Arm aus und hielt ihn am Shirt fest. „Dein Arm...?“, fragte ich mit heiserer Stimme und hustete. Der ausgestreckte Arm fiel kraftlos auf das Bett zurück. Auch Deidara kehrte zu seinem Platz zurück. „Itachi“, flüsterte er. Ich sah ihn verständnislos an. Was hatte das mit ihm zu tun? „Er kam her, nachdem du zusammengebrochen bist, un. Ich dachte ehrlich, er bringt mich um. Nicht, dass er laut geworden wäre, aber dieser Blick in seinen Augen, un. Es war grauenvoll, so lange hier warten zu müssen, geschlagene vier Stunden. Er hat mich schon nach fünf Minuten wieder hier rein geschickt. Wenn ich ehrlich bin, un, will ich nicht wissen, was er mit mir angestellt hätte, wenn ich nicht gegangen wäre...“, erklärte er leise. Warum tat Itachi so etwas? Ich war noch immer der Meinung, dass er mich hasste. „Er kommt bald wieder und ich habe keine Nerven dazu, ihm noch einmal zu begegnen, un. Bis morgen“, verabschiedete er sich. „Deidara...?“, krächzte ich noch, aber er war schon weg. So konnte ich nicht mehr sagen, was mir auf dem Herzen lag. Die Nachmittagssonne verschwand langsam am Horizont und ich war wieder allein. Wie ich schon erwartet hatte, kam mit der Dämmerung auch der Regen zurück. Zuerst nur vereinzelte Tropfen, die auf dem Fensterbrett tanzten. Ich lauschte mit geschlossenen Augen ihrem Lied, Sehnsucht zerrte an mir. Der unbestimmte Wunsch, jetzt nicht alleine zu sein, jemanden bei mir zu haben, der mich verstand und akzeptierte. Nach einer Weile wurden die Regentropfen größer, die Geräusche lauter, gleich einem Schauspiel, in dem sich ein Unheil zusammenbraute. Das erste Donnergrollen aus der Ferne. Blitze zuckten am Himmel, erhellten den Raum für einen kurzen Augenblick. Das gleißende Licht fiel auf eine schemenhafte Gestalt am anderen Ende des Raumes. Unwillkürlich schreckte ich zurück, als ich sie sah. „Wie ich sehe, geht es dir wieder besser“, stellte Itachi kühl fest. Die gleiche Furcht wie schon einmal ergriff mich. Seine Art, wie er mit mir sprach und mich ansah, machte mir Angst, Todesangst. Der Hass in den Augen der Dorfbewohner war nichts dagegen. Ein Schauer schüttelte meine Arme, ich starrte ihn erschrocken an. „Du hast noch immer Angst vor mir“, flüsterte er und trat näher. „So sehr, dass es dir die Sprache verschlägt?“ Langsam und vorsichtig ließ er sich auf dem Stuhl nieder, wo noch vor wenigen Stunden Deidara über mich gewacht hatte. Seine roten Augen zogen mich in ihren Bann, wieder kamen all diese widersprüchlichen Gefühle in mir hoch. Geborgenheit? Sehnsucht? „Ich will wissen, warum du seit Tagen nichts mehr gegessen hast. Sag es mir... bitte...“, verlangte er, das letzte Wort nur noch gewispert, als würde es ihm schwer fallen. „Ich weiß es ni...“ „Doch. Es gibt einen Grund. Nenn ihn mir!“ Ich schwieg ihn an, auch wenn das vermutlich wieder zu einer Strafe führte. Egal, was jetzt geschehen würde, ich würde nicht weinen oder schreien. Er seufzte tief und ich wagte einen weiteren Blick in seine Richtung. Zu meiner Überraschung hatte er seine Augen geschlossen und atmete ruhig. Vielleicht hatte ich Deidara mehr zu verdanken, als ich gedacht hatte. „So kommen wir auch nicht weiter. Hier.“ Itachi beugte sich zu mir und reichte mir eine Box. Unsicher öffnete ich sie und warf einen verwunderten und unsicherenBlick zu ihm hin, den er leicht amüsiert erwidert. „Irgendetwas musste du ja schließlich essen. Da ja keiner weiß, was du magst, hab ich das einfach mal so gerichtet.“ „Frittierten Tofu? Was ist das daneben?“, fragte ich schüchtern, jederzeit wieder auf einen Wutausbruch wartend. Dieser blieb glücklicherweise aus. Stattdessen schien es fast so, als würde er sich über mein Interesse freuen. „Omelette. Das sind Reisbällchen und noch etwas Gemüse.“ „Etwas“ war schön ausgedrückt. Wahrscheinlich hätte man mit dem Inhalt der Box noch zwei weitere Personen satt bekommen. Aus einer kleinen Tasche zog er zwei Etuis, in denen sich Essstäbchen versteckten. Der Uchiha reichte mir ein Paar, das ich zu halten versuchte. „Lass das, bevor du noch was auf den Boden wirfst“, befahl er und nahm sie mir wieder ab. Geschickt fischte er kleine Stücke aus dem Behältnis und hielt sie mir hin. „Ich vergifte dich nicht.“ „Wie...?“ „Mund auf“, sagte er und klang sanfter als vorher. Widerwillig ließ ich es zu, dass er mir ein Stück Omelette in den Mund schob. „Wie man kaut, weißt du doch noch, oder?“ Die bissige Antwort verkniff ich mir, wer weiß, wie er reagieren würde. Stumm schluckte ich und bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte er schon Tofu zwischen den Stäbchen. Stumm aß ich alles, was er mir anbot, und stellte fest, dass es noch nicht einmal so schlecht schmeckte. Nach der langen Zeit des unfreiwilligen Fastens kam es mir wie ein Festessen vor. Erst, als die Box fast leer und ich satt war, legte er mein Paar Stäbchen beiseite und nahm sich das zweite. Fasziniert sah ich ihm zu, während er die Reste leerte. Würde er jetzt wieder gehen? „Wenn du müde bist, kannst du ruhig schlafen, ich will dich nicht davon abhalten. Es ist schon nach Mitternacht“, informierte er mich. „Ich bleibe noch da.“ Itachi kontrollierte also, ob ich die Nahrung wieder erbrechen würde. Seltsamerweise blieb der Würgreiz aus, ich schlief friedlich ein. Noch immer tobte draußen das Gewitter, aber ich ignorierte es gekonnt. Vielleicht würde der Morgen auch eine neue Chance mit sich bringen. Ein neues Leben. Itachi saß noch an meinem Bett, als ich die Augen aufschlug. Irgendwie war mir klar, dass er sich nicht vom Fleck gerührt hatte. Er schien zwar wach, aber seine Augen machten den Eindruck, als hätte er mich die gesamte verbliebene Nacht lang beobachtet. Sein Blick war in die Ferne gerichtet, als würde er an etwas denken, das lange her war. Die Eleganz seiner feinen Gesichtszüge schillerte in Licht der aufgehenden Sonne. Mir fiel auf, dass sich etwas um meine rechte Hand gewickelt hatte. Doch ein verstohlener Blick bewies mir, dass ich mich geirrt hatte. Es waren die Finger einer seiner Hände, die meine gefangen hielten. Der Daumen strich sanft über meinen Handrücken und diese einfach Geste genügte, um ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit in mir auszulösen. Ich wusste nicht mehr, was ich darüber denken oder fühlen sollte. Was war geschehen, dass er sich so um mich kümmerte? Sicher hatte es mit dem zu tun, was mir Deidara hatte sagen wollen, bevor er uns gestört hatte. Hatte er mitbekommen, worüber wir geredet hatte und absichtlich unterbrochen? Die Wärme löste sich und aus den Augenwinkel sah ich, wie Itachi aufstand und seinen Mantel gerade strich. Ich schloss schnell die Augen, damit er nicht bemerkte, dass ich schon wach war. Was würde er tun? Wie zu erwarten war, verschwand er so plötzlich, wie er gekommen war. Draußen auf den Gängen waren die ersten Gespräche zu hören, geschäftiges Treiben füllte die Luft und ließ einen vergessen, wo ich eigentlich war. Meine Haut brannte an den Stellen, die er berührt hatte. Auch wenn andere ihn für einen Mörder hielten, für mich war er ein Engel, der sich gutmütig und großzügig um mich kümmerte. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Schon einmal hatte ich einen Menschen ins Unglück gestürzt... und genau in diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass ich wieder dabei war. Woran lag es, dass er mir so viel bedeutete? Weil er ihm so ähnelte? Weil er mit nur einem Wort meine Seele zerbrechen oder retten konnte? Ebenso wenig verstand ich, warum das so war. Nichts machte mir mehr Angst als Ablehnung zu erfahren. Deidara hatte mir bewiesen, dass er mich nicht von sich stoßen würde. Was wollte ich noch? Ich konnte nicht verlangen, dass mich jeder mochte. Monster sind nicht dafür da, dass sie von anderen geachtet und geschätzt werden. Die Leute brauchen einen Feind, eine Person, die sie hassen können, sonst geht ihre Gesellschaft zugrunde. Sie würden sich gegenseitig wie tollwütige Hunde zerfleischen. Und deshalb wurden Dinge wie ich geboren, geschaffen, um ihnen zu dienen. Mehr war nicht meine Bestimmung. Jetzt, wo er so gut zu mir gewesen war, fühlte ich mich schmutzig. Ich hatte ihn mit diesem Dreck belastet. Nein, ich war die Last, der Fehler, der an anderen haftete. Niemand würde je glücklich werden können, solange ich noch existierte. Doch aufhören konnte ich auch nicht. „Guten Morgen, un“, tönte eine Stimme fröhlich von der Tür. Deidara kam gut gelaunt pfeifend zu mir und wollte sich hinsetzen, als er die leere Box auf dem Tischchen sah. „Was ist denn das, un?“ Ich war um eine Antwort verlegen. Was sollte ich auch sagen? „Mir hätte noch nicht einmal Sasori no danna etwas zu essen gebracht“, schmollte er und verschränkte die Arme. Im nächsten Moment lachte er aber auch schon wieder munter. Zugegebenermaßen verwirrt starrte ich ihn an. „Kann Itachi-san gut kochen, un?“ „Ähem, i-ich... also... ja, schon...“, stammelte ich verlegen. „Du hast es also gegessen, un“, seufzte er erleichtert. Erst jetzt verstand ich, worauf er hinaus gewollt hatte. Es war eine unverfängliche Art gewesen, mich über meinen aktuellen Ernährungszustand auszufragen. „Deidara, was ich noch sagen wollte...“, begann ich eingeschüchtert. Seinen Blick wagte ich nicht zu entgegnen, zu schuldig fühlte ich mich. „Ich fress’ dich schon nicht, un. Sprich dich aus, ich hör dir zu.“ „Ich... wollte dir danken... und...“, Tränen stiegen in meine Augen, „es tut mir so unendlich leid“, schluchzte ich und versuchte, mir das salzige Wasser von den Wangen zu wischen. „Womit hab ich mir das verdient, un? Hey, komm schon. Ich wiederhole es nicht noch mal, un: Ich weiß nicht, was ich mit weinenden Menschen anfangen soll, un...“ „Da-danke wegen der Sache mit I-itachi“, schniefte ich. „Keine Ursache... Naruto, da ist doch noch mehr, oder? Was liegt dir auf dem Herzen?“ Seine sanfte, einfühlsame Stimme sorgte aber nur dafür, dass ich noch mehr weinen musste. Die klaffende Wunde in meiner Brust pochte mit jedem Herzschlag mit Schmerz. Nicht die Fleischwunden, sondern die in meiner Seele. Er hatte das Recht zu wissen, was in mir vorging, nach dem, was er für mich auf sich genommen hatte... „Es ist nichts, Deidara. Aber die Wunde an meinem Oberschenkel tut immer noch weh“, log ich ihn an und hasste mich dafür. Sein überraschter und besorgter Blick, als er einen Arzt holen ging, schürte mein schlechtes Gewissen. Eine Untersuchung war das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, ließ es aber geduldig über mich ergehen. Der Mediziner meinte, es könnte sich entzündet haben, aber die Verletzung reagierte nicht auf das angewendete Jutsu, sodass er auf ein Problem mit den Nerven schloss. Er diskutierte mit dem Nuke-nin auf dem Flur, ehe er zurückkam. Eine Flüssigkeit wurde mit einer Spritze in den letzten Schlauch an meinem Arm eingeflößt und der Schmerz wurde taub. Es dauerte nicht lange, bis ich dem schläfrigen Gefühl nachgab und die Augen schloss. „Mir gefällt es nicht, dass sie dich so mit Schmerzmittel vollpumpen“, riss mich eine Stimme aus dem Schlaf. Zu meinem Bedauern musste ich feststellen, dass es schon Abend war. Regentropfen trommelten leise am Fenster, wie üblich. In einem entfernten Eck des Zimmers stand Itachi und beobachtete mich. Beinahe schon mechanisch wischte ich mir über die Wangen und die Tränen fort. „Ich bin auch nicht glücklich darüber“, krächzte ich. Raschelnd trat er näher. „Warum lässt du es dann zu?“, fragte er kühl und jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich hatte so sehr gehofft, ich hätte diese Angst überwunden, aber sie war wieder da. „Hunger?“ Ich schüttelte den Kopf als Antwort. Mein Blick wanderte sehnsüchtig nach draußen. Seine Augen folgten meinen und am Rande meines Sichtfeldes nahm ich Bewegungen in seinen Gesichtszügen wahr. Schweigend hob er mich aus dem Bett. Die Kanülen an meinem Arm war ich endlich los, sodass sie nicht störten. Itachi setzte mich an der Bettkante ab und suchte in dem kleinen Schrank nach passender Kleindung. Auch während ich mich anzog, wechselten wir keine Worte. Als jedes Kleidungsstück an seinem Platz war, nahm er mich auf den Rücken und schritt aus dem Zimmer. Den Weg entlang, den ich beim letzten Mal genommen hatte, hoch zum Dach. Seine Hände lagen in meinen Kniekehlen, um mir mehr Halt zu geben, und ich krallte meine Finger in seinen Mantel. Mühelos, als würde er nicht mein Gewicht auch noch tragen, sprang er die letzten Treppenstufen hoch. Leichter Wind strich durch mein Haar, als wir ins Freie kamen. Itachi ging ein Stück nach vorne, sodass kleine Tropfen auf uns fielen. Seiner angespannten Haltung nach mochte er es gar nicht und ich fragte mich unwillkürlich, warum er es überhaupt tat. „Nass genug geworden? Dieses Wetter ist schrecklich“, murmelte er und wendete seinen Kopf leicht zu mir. Noch immer trug er mich, obwohl ich auch sicher alleine stehen konnte. „Bin ich nicht zu schwer?“, fragte ich leise. Ihn schien es zu amüsieren, denn sein Brustkorb vibrierte leicht, wie immer, wenn man lacht. „Ganz im Gegenteil... du solltest wirklich mehr essen“, seufzte er. „Oh...“, war das Einzige, was ich dazu zu sagen hatte. Was war er für mich? Wie stand er zu mir? Immer wieder gingen mir diese Fragen durch den Kopf. Sie kreisten und ich hörte ihnen unbeholfen zu. Das Schweigen zwischen uns trug auch nicht dazu bei, dass sie verschwanden. Vielleicht sah ich in Itachi auch nur einen Ersatz für seinen Bruder, den ich nicht haben konnte. Aber noch nie hatte mir Sasuke in meinem alten Leben so viel Angst eingejagt... „Gehen wir ins Trockene“, schlug mein Träger vor und setzte sich in Bewegung. Protestieren war zwecklos. Erst, als wir unter dem kleinen Dachvorsprung angekommen waren, zog er mich vorsichtig nach vorne und setzte mich auf das warme Abluftrohr. „Hör auf, so freundlich zu sein“, entfuhr es mir gepresst, als er eine Decke um mich legte. Er hielt in der Bewegung inne, scheinbar vor unterdrückter Wut zitternd. „Was meinst du damit?“, knurrte er mich an, seine Hand packte grob meine Schulter. Pfeifend zog ich Luft ein, beherrschte mich dann aber. „Du tust mir weh“, murmelte ich leise. Sofort ließ er mich los. „Bei so viel Schmerzmittel solltest du doch gar nichts mehr merken“, sagte er kühl. „D-das meinte ich nicht!“, flüsterte ich und presste eine Hand auf meine schmerzende Brust. Mit jedem Schlag breitete es sich aus, erreichte schließlich meinen Kopf. Ich musste die Augen schließen, als meine Sicht verschwamm und mir schwindelig wurde. Wenn ich nicht gesessen wäre, wäre ich vermutlich gefallen. Im nächsten Moment fühlte ich Hände, die mich wieder in eine aufrechte Position brachten. „Wie geht es dir?“, fragte Itachi ohne Gefühl in seiner Stimme. „Es geht so“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Ich bring dich wieder rein.“ „Nein, lass gut sein...“, brummte ich und zog die Decke enger um mich. Schwankend stand ich auf und ging einige Schritte, ehe ich, wie erwartet, auf den Boden sank. Zufrieden seufzend schloss ich die Augen und wendete mein Gesicht dem weinenden Himmel zu. „Bist du denn nur glücklich, wenn du leiden und büßen kannst?“ Verwirrt sah ich Itachi an, der neben mir in die Hocke ging. „Du musst nicht den Märtyrer spielen, wir wissen auch so, dass es dir leid tut“, sagte er und hob mich hoch. Mich zu wehren traute ich mich nicht. Sein Ton verbot jegliche Widerworte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)