Echte Kerle von moko-chan (Dean+Sammy) ================================================================================ Kapitel 58: Die Hoffnung stirbt zuletzt --------------------------------------- „Sind das jetzt endlich alle?“ Jo sah Bobby fragend an und der ließ seinen Blick langsam und gründlich durch Nigels unbeleuchtetes Büro schweifen, bevor er nickte. „Ja, lass uns verschwinden.“ Sie nickten sich zu, griffen sich die vier Müllbeutel, die so weit es ihre Reißfestigkeit zuließ, mit Kinderbüchern gefüllt waren und sahen zu, dass sie Land gewannen. Sie erreichten Bobbys Truck unbehelligt, luden die Müllbeutel auf den Rücksitz und stiegen ein, um zurück zum Motel zu fahren, wo zahlreiche Kräuter und ein spezieller Exorzismus-Ritus darauf warteten, Sam und Dean sowie allen anderen Unschuldigen, die Nigel und Orpheus in die Fänge geraten waren, aus den Büchern heraus zu helfen. Die Fahrt zum Motel verlief schweigend, sowohl Jo als auch Bobby hingen ihren eigenen Gedanken nach und es war erst, nachdem Bobby den alten Ford neben Deans Impala geparkt hatte, dass er wieder das Wort an Jo richtete: „Du solltest dich darauf einstellen, dass einige der Leute in den Büchern möglicher Weise nicht mehr am Leben sein werden, Jo – wenn wir Pech haben, werden wir eine ganze Menge Leichen verschwinden lassen müssen, wenn wir mit dem Ritual fertig sind.“ Jo schluckte trocken und nickte, bevor sie aus dem Ford stieg und Bobby dabei half, die Mülltüten in ihr Motelzimmer zu tragen. Bobby hatte ihr erzählt, dass bei seinem letzten denkwürdigen Zusammentreffen mit Orpheus nur die Wenigsten die literarischen Abenteuer überlebt hatten, in die sie so unfreiwillig verwickelt worden waren – Orpheus hatte allerdings auch eine ganz andere Art Literatur als Spielwiese für seine Opfer als Nigel bevorzugt und sie hoffte, dass Bobby ausnahmsweise mal nicht Recht behalten würde und nicht nur Sam und Dean sondern auch alle anderen wohlauf waren. Jo schloss die Tür ihres Motelzimmers hinter sich ab – McClane schlief in seliger Unkenntnis ihrer Rückkehr in Bobbys Motelzimmer – und half Bobby dann dabei, die Möbel an die Wände zu rücken, damit sie genügend Platz für das Ritual hatten. Jo beobachtete Bobby dabei, wie der einen Haufen Kräuter ziemlich genau in der Mitte des Zimmers auf einer gelben Dekoschale aufschichtete und zog ihre fein geschnittenen Brauen zusammen. „Du bist sicher, dass du es hier drin machen willst?“, fragte sie vorsichtig und Bobby nickte grimmig. „Draußen regnet es zu stark und wir brauchen einen möglichst dichten Rauch für das Ritual… je dichter der Rauch desto stärker und sicherer das Portal…“, erklärte er geduldig und Jo hatte unwillkürlich einen silbrig-blauen Strudel, der mittig zwischen Decke und Fußboden in der Luft schwebte, vor Augen und musste sich schwer ein höchst unangebrachtes Grinsen verkneifen. Bobby war mit dem Aufschichten seines Kräuterhaufens derweil scheinbar soweit zufrieden, er stand auf, fummelte eine Packung Streichhölzer aus seiner Hosentasche und steckte die Kräuter dann umsichtig in Brand. Es dauerte ein wenig, dann war das kleine Zimmer von so dichtem Rauch erfüllt, dass man kaum noch die Hand vor Augen sehen konnte. Jo wollte lieber nicht wissen, was der arme Steve davon halten würde, dass sie seine Räumlichkeiten dauerhaft derart geruchsbelasteten und versuchte, Bobby in dem Nebel im Auge zu behalten, der gerade willkürlich ein Buch – Alice im Wunderland – aus einer der Plastiktüten hervor gezogen hatte, damit nun zu dem blökernden Kräuterhaufen ging und das lateinische Ritual vorzutragen begann, das er zu Jos grenzenloser Bewunderung auswendig beherrschte. Ablesen hätte er es unter diesen undurchsichtigen Umständen aber vermutlich ohnehin nicht gekonnt. Jo versuchte, ihren Atem möglichst flach zu halten und das Husten zu unterdrücken, das hartnäckig in den Tiefen ihrer Kehle lauerte. Ihre Augen fingen von all dem Rauch an zu tränen und sie konnte gar nicht begreifen, wie Bobbys Stimme so vergleichsweise klar und unbeeindruckt bleiben konnte. Sie zuckte zusammen, als plötzlich ein beinahe schon lächerlich anmutendes ‚Plopp’ ertönte und wie aus dem Nichts eine reichlich verstörte junge Frau vor ihr stand. „Bring sie raus…“, wies Bobby Jo ruhig an, während er sich das nächste Buch holte und das Ritual von vorn begann. Das würde zweifellos eine lange Nacht werden. Dean spürte erneut die Panik wie ein hartnäckiges Insekt seinen Verstand hinauf krabbeln und kämpfte mit aller Macht dagegen an. Er durfte jetzt nicht in Panik geraten, er musste sich verdammt noch mal konzentrieren und um Sammy kümmern! Dean legte seine Hand erneut auf Sams glühende Stirn und drückte kurz die Augen zu, bevor er eine der Wasserflaschen von seinem Gürtel löste, die er in Bree hatte mitgehen lassen und die dank seiner und Sams Rationalisierungskünsten noch bis zum Rand mit Wasser aus dem Anduin gefüllt war, riss den ohnehin nur noch kläglichen Rest seines weißen Shirts in Fetzen, tränkte einen davon mit dem Wasser und wischte Sam die Stirn ab. Dann drehte er Sam vorsichtig auf den Bauch, löste den Druckverband, der bereits jetzt völlig blutgetränkt war und wusch Sams Wunden so lange aus, bis jeder einzelne der ehemals weißen Stoffstreifen dunkel vor Blut war und Dean aus seinem Umhang einen neuen Druckverband für Sam machte. Sam stöhnte leise, als Dean ihn wieder auf den Rücken drehte, um den hoffentlich blutstillenden Druck auf seine Wunde noch weiter zu erhöhen und Dean beugte sich wieder über ihn, lauschte seinem grässlich flachen Atem und wischte sich die blutverschmierten Hände an seinen Jeans ab, bevor er Sam das verschwitzte Haar aus der Stirn strich. „Komm schon Sammy… mach mir jetzt nicht schlapp…“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und schluckte ein paar lästige Tränen hinunter. Dean fühlte sich so schrecklich hilflos, dass er am liebsten geschrieen hätte. Sam gab einen gequälten Laut von sich, bewegte die Augen hinter seinen geschlossenen Lidern und wachte doch nicht auf und Dean biss die Zähne noch ein wenig fester zusammen. Wenn nicht bald ein Wunder geschah, dann war Sam so gut wie tot und es brachte nicht das Geringste, zu versuchen, sich etwas Gegenteiliges einzureden. Sam hatte entsetzlich viel Blut verloren, Gift in unbekannter Dosierung strömte durch seinen geschwächten Körper, er hatte Fieber und egal, wie trainiert und stark Sam auch sein mochte, er konnte das unmöglich überleben – nicht unter diesen Umständen. In diesem Wald, abgeschnitten von jeglicher Zivilisation hatte Dean keine Chance, ihn angemessen zu versorgen, er wagte es ja nicht einmal, ihn für nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, aus Angst, sich zu verirren und nicht wieder zu ihm zurück zu finden. „Sammy…“ Dean bemerkte nicht einmal, wie er Sams Namen flüsterte, bevor er sein Gesicht hinter seinen Händen verbarg und verzweifelt die Augen zukniff. Wozu sollte er die Panik und die Tränen noch länger zurück halten, wenn es ohnehin nichts mehr gab, was er noch tun konnte? Dean wünschte nur, es wäre nicht hier, nicht jetzt und nicht so passiert, er wünschte sich, dass er Sam wenigstens noch hätte sagen können, wie viel er ihm wirklich bedeutete, wie sehr er auf ihn angewiesen war, dass er nur ein halber Mensch sein würde, ohne ihn an seiner Seite und dass ein Leben ohne ihn- Dean unterdrückte ein Schluchzen und riss sich mit aller Macht zusammen, schlug die Augen wieder auf und wischte sich die Tränen von den Wangen. Was veranstaltete er hier eigentlich? Er konnte doch jetzt nicht so einfach aufgeben! So lange Sam am Leben war, so lange er atmete, gab es Hoffnung – im Notfall gab es sogar noch Hoffnung über den Tod hinaus. Dean drückte einen sanften Kuss auf Sams heiße Stirn, dann tränkte er den verbliebenen sauberen Fetzen seines Shirts mit Wasser und drapierte ihn sanft über sie. „Du kommst wieder in Ordnung, hast du mich verstanden?“, murmelte er mit erstickter, aber zu allem entschlossener Stimme, dann kniete er sich neben Sam auf den Waldboden, nahm sein Messer an sich und begann seine stille Wache. Bobby nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche, genoss das angenehm kühle Nass an seinen überstrapazierten Stimmbändern und ignorierte den beißenden Rauch in seinen Augen, während er sich von Jo das nächste Buch reichen ließ. Die Nacht neigte sich ihrem Ende zu, er war müde, seine Stimme war heiser vom pausenlosen Rezitieren des Ritus, er hatte inzwischen mehr als zwei Dutzend Menschen aus allen denkbaren Märchen und Kindergeschichten befreit – unter den Büchern waren zu seiner grenzenlosen Frustration verdammt viele Blindgänger gewesen – und wenn einige von ihnen auch zum Teil schwer verletzt waren, so waren sie doch zumindest alle noch am Leben. Es war Jos Aufgabe, die Geretteten so weit es ging zu beruhigen und zu bitten, so schnell wie möglich das nächste Krankenhaus aufzusuchen, wenn das nötig war und sie nahm sich im Stillen vor, Nigel und Orpheus auf keinen Fall ungeschoren davon kommen zu lassen. Sie würde tun, was auch immer nötig war, um sicher zu stellen, dass diese Zwei nie wieder die Chance bekommen würden, auch nur minimalen Schaden anzurichten. Jo hörte zum wohl hundertsten Male in dieser Nacht Bobbys raue Stimme die immer gleichen lateinischen Worte sprechen, es machte zum wohl hundertsten Male in dieser Nacht auf lächerliche Art und Weise ‚Plopp’ und sie stand einem weiteren verstörten Menschen gegenüber, der in diesem Fall über und über mit Kratzwunden übersäht war. Jo musste nicht einen einzigen Blick auf den Titel des Märchenbuches werfen, das Bobby jetzt beiseite legte, um zu wissen, dass er ‚Dornröschen’ lauten würde. Sie führte den zerkratzten jungen Mann wie so viele Andere vor ihm aus dem Motelzimmer, übergab ihn der Gruppe der übrigen Geretteten, auf dem Parkplatz vor dem Motel, die dort begonnen hatten, sich gegenseitig zu beruhigen und wenn nötig Seelsorge zu betreiben und ging zu Bobby zurück. „Die Sonne geht schon auf…“, informierte sie ihn schwach und er nickte automatisch, ohne wirklich zugehört zu haben und griff nach dem letzen Buch. Selbst durch all den Rauch, der noch immer wie eine erdrückende Wolke über dem ganzen Raum hing, konnte Jo ihm die Besorgnis darüber ansehen, dass Sam und Dean bisher nicht unter den Geretteten gewesen waren. Dieses letzte Buch symbolisierte die letzte leise Hoffnung, die ihnen geblieben war und Jo wollte lieber nicht darüber nachdenken, was sie tun sollten, wenn Sam und Dean nicht zwischen den Deckeln dieses literarischen Meisterwerkes gefangen waren. Bobby würde eine Niederlage nicht akzeptieren, er würde nicht so einfach aufgeben wollen und sie glaubte, sich selbst gut genug zu kennen, um zu wissen, dass es ihr genau so gehen würde. Sie mussten die Beiden einfach retten. Jo stellte sich neben Bobby, warf einen Blick auf das Buch in seiner Hand und runzelte die Stirn, als sie den Titel las. Wenn Dean und Sam wirklich in „Peter Pan“ festsaßen, dann konnten sie von Glück reden, da wieder heil heraus zu kommen. Sie hatte das Buch als kleines Mädchen und noch einmal im Alter von etwa 16 Jahren gelesen und während sie als Kind begeistert und hingerissen gewesen war, hatte sie beim zweiten Lesen die ausschweifende Zurschaustellung von Krieg, Kampf und Gewalt beinahe entsetzt. Es war sicherlich nicht schwer, in diesem Buch zwischen die Fronten zu geraten und entweder den verlorenen Jungen in ihrer Abscheu für alle Erwachsenen oder aber den Klingen der Piraten auf dem ansehnlich arrangierten Schlachtfeld, das Nimmerland darstellte, zum Opfer zu fallen. Jo ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, sich in Geduld zu üben, während Bobby ein letztes Mal die inzwischen so vertrauten Worte sprach – Jo wusste, dass sie diesen Ritus nie vergessen würde, selbst wenn sie alt und senil werden sollte – und schloss kurz die Augen, dann erklang das leise ‚Plopp’, das wie die Dutzenden Male zuvor den erfolgreichen Exorzismus des Buches verkündete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)