Die Rose des Lichts von Maruya ================================================================================ Kapitel 1: Abschied ------------------- Kumiko konnte das nicht länger mitanhören. In ihr brannte Zorn und Trauer. Wie konnten diese Leute es wagen?! Ihre Eltern hatten ihr Leben in diesem Kampf verloren, um die Dorfbewohner zu schützen! Ihre Eltern waren... Nur mit Mühe konnte sie sich losreißen, ohne in das Gasthaus zu stürmen und irgendetwas oder irgendjemanden zu verletzen. Als sie sich rennend von diesem Dorf Richtung Osten entfernte, bildeten sich Tränen in ihren Augen und ihr Gesicht war schmerzverzerrt. Sie lief eine ganze Weile, die Umrisse des Dorfes wichen erst ein paar Bäumen, bis diese sich häuften und sie sich in einem Wald befand. Hier und da schreckten ein paar Tiere hoch, als die Engelsfrau an ihnen vorbei lief. Um sie herum hatte sich eine Art weißer Schein gebildet, der um sie herfegte wie Flammen eines Feuers. Aus der Ferne sah sie wahrscheinlich sehr bedrohlich und gefährlich aus. Auf einmal blieb sie wie angewurzelt stehen, denn sie war an einen Felsvorsprung gekommen. Sie starrte mit traurigem Blick nach unten auf die Trümmer eines Dorfes, die Trümmer ihres Dorfes... Kumiko spürte einen Hass in sich aufkommen und fasste sich an ihren Kopf. Nein, sie würde nicht nachgeben, sie würde es schaffen! Sie durfte sich nicht so gehen lassen! Schon während sie tief einatmete, beruhigte sie sich etwas. Es war einfach schrecklich, was mit ihrem Dorf passiert war und ganz besonders das, was ihren Eltern zugestoßen war. Es war jetzt kein Hass mehr, der sie erfüllte, dafür aber tiefe Trauer. Sie konnte es immer noch nicht fassen, was in dieser Nacht passiert war. Obwohl sie so gekämpft hatte, hatte sie ihre Eltern nicht retten können. Mit melanconischem Blick suchte sie sich einen steinigen Weg hinunter ins Tal, in dieses verlassene Schlachtfeld. Viele düstere Gedanken gingen ihr durch den Kopf, doch sie versuchte sich nicht zu sehr von ihnen mitreißen zu lassen, denn sie wollte jetzt stark sein und das beenden, was ihre Eltern angefangen hatten... wofür sie gestorben waren... Sie wollte diesem Kampf zwischen Engel und Dämonen ein Ende setzen. Ein für alle Mal. Im Schutt angekommen verfolgte sie zielsicher einen ganz bestimmten Weg, sie wollte sich nur von einer Sache verabschieden, bevor sie sich auf ihren beschwerlichen Weg machte. Sie kam an zerstörten Häusern und abgeknickten Bäumen vorbei. Ein sehr verzierter Brunnen, der in der Mitte eines Platzes stand war entzwei geschalgen, ein glatter Schnitt hatte ihn geteilt, doch sie achtete auf all die Zerstörung nicht. Schwere Gesteinsbrocken lagen auf Kumikos Weg, doch sie umging sie alle ohne Mühe. Ihr Blick war immer noch traurig und etwas leer, dennoch ging sie immer weiter. Endlich blieb sie stehen, denn sie hatte ihr Ziel erreicht. Wenn man nur einen flüchtigen Blick auf dieses Anwesen geworfen hätte, hätte man wahrscheinlich angenommen, es sei nur ein Haufen Schutt. Kumiko ging weiter in den ehemaligen Garten und näherte sich ihrem „Zuhause“. Die meisten Pflanzen in diesem Garten waren von Felsen zerdrückt worden, nur eine Stelle schien unversehrt geblieben zu sein. Dieser Ort war etwas weiter vom Gebäude entfernt, so dass die Trümmer des Hauses nicht so weit vorgedrungen waren. Die Engelsfrau ging bedächtig zu besagter Stelle heran und langsam erkannte man, dass dort ein Grabstein aus dem selben Material befand, aus dem auch die Häuser bestanden, stand. Sie kniete sich vor diesen und starrte auf die Inschrift. Noch bevor ihre Eltern starben, hatten sie sich gewünscht, dass diese Worte auf dem Grabstein eingraviert werden sollten. Hatten sie etwas geahnt? Wussten sie, dass bald soetwas passieren würde? Aber warum hatten sie Kumiko dann nicht einbezogen und ihr ihre Befürchtungen mitgeteilt? Rein, seiest du, dass das Gute auflebe, bringst etwas das nicht einmal Gott erahnen kann Was bedeutete das? Wer war dieses du?! Und warum hatten ihre Eltern, diese Textzeile ausgesucht, die sie nun auf ewig begleitete? Kumiko senkte den Blick und eine Träne fiel zu Boden. Sie schaute zur Seite und erblickte eine weiße Lilie, die Lieblingsblume ihrer Mutter. Unwillkürlich musste sie lächeln. Irgendwie gab ihr dieser Anblick wieder etwas Kraft. Sie ging hinüber und umschloss die weiße Blüte sanft mit ihren Händen. „Blüe, und erfülle diesen Ort wieder mit etwas Freude“ flüsterte sie und stand dann auf. Ein Windstoß wehte ihr eine Strähne ihres hellblonden Haares ins Gesicht. Sie fuhr sich durchs Haar, um wieder freie Sicht zu erlangen, und spähte hinüber zu dem verwüsteten Gebäude, welches achtzehn Jahre lang ihr Zuhause gewesen war. Betreten konnte man es nicht mehr, alle Mauern waren eingefallen. Von all den Häusern des Dorfes war es am meisten beschädigt worden. Das war auch der Grund, warum alle anderen Engel der Überzeugung waren, die Dämonen wären wegen Kumikos Familie gekommen. Sie konnten ja nicht wissen, wie Recht sie hatten. Wie schrecklich diese Nacht gewesen war, und was sie aus Kumiko gemacht hatte... Doch Kumiko wollte sich nicht erinnern, sie durfte nicht zurückschauen, sondern musste sich tapfer ihrer selbst erwählten Zukunft stellen. Es würde nicht leicht werden, aber sie würde es schaffen und sich allein durchschlagen. Es würde ihr irgendwie schon gelingen. Kämpfen war ihr nicht fremd, schon früh hatten ihre Eltern es sie gelehrt. Ob sie wohl schon damals etwas geahnt hatten? Bei einem weiterem Blick auf die Grabstätte ihrer Eltern griff sie an ihren Anhänger, das einzige, was ihr von ihren Eltern geblieben war. Er fühlte sich stets warm und freundlich an, so als wäre er von Leben erfüllt und nicht nur bloß ein einfaches Schmuckstück. Kumiko hatte „Iris“ wie der Anhänger hieß von ihrer Mutter geerbt. Er war von Generation zu Generation weitergegeben worden, und wechselte mit seinem Besitzer auch immer seine Farbe. In ihrer Erinnerung sah Kumiko den Anhänger als weißen Stein, der um den Hals ihrer Mutter hing. Doch bei Kumiko selbst hatte er eine tiefblaue Farbe angenommen. Die Besitzer dieses Schmuckstückes gaben ihm immer einen Beinahmen, der die Farbe erwähnte, die er bei dem jeweiligen Besitzer angenommen hatte. Ihre Mutter hatte ihm also den Beinamen White gegeben und nun hatte Kumiko „Iris“ mit dem Wort Blue versehen. Blue Iris.... Niemand wusste, warum er seine Farbe änderte oder nach welchen Kriterien er dies tat. Es gabt keine schriftlichen Aufzeichnungen über ihn, seine Geschichte wurde nur müdlich von Generation zu Generation weitergegeben... Damals an ihrem 13. Geburstag, als sie ihre Ausbildung im Kampf und in der Magie abegschlossen hatte, wurde ihr „Blue Iris“ übergeben und seine Geschichte war ihr erzählt worden. „Geschichte“ konnte man diese ansammlung von Informationen eigentlich nicht nennen, denn es war nicht viel, was man über den Edelstein wusste. Sie hatte nur erfahren, dass er von den Urahnen des Kyoshiro Clans, welche einer der ersten 12 Engelsfamilien angehörten, den sogenannten Yorai, geschaffen wurde. Außerdem sollte er seinem Besitzer diente. Wie er seinem Besitzer allerdings diente war unklar. Desweiteren konnte dieser Stein nur von Mitgliedern ihrer Familie getragen werden und er könnte nicht mit Gewalt geraubt werden. Das war dann aber auch alles, was Kumiko über Blue Iris wusste. Sie konnte auch niemanden mehr nach ihn befragen, denn sie war das letzte überlebende Mitglied ihrer Sippe. Sie ließ Blue Iris wieder los und ging noch einmal zu dem Grab ihrer Eltern, kniete sich nieder und faltete ihre Hände. „Ich werde nun gehen, aber ich komme wieder, sobald ich euer Werk vollenden konnte... ich komme wieder“ flüsterte sie und öffnete ihre Augen wieder, die sie wie zum Gebet geschlossen hatte. Nun erhob sie sich und ging von diesem Grundstück. Noch ein letztes Mal blickte sie zurück und verneigte sich leicht, um sich endgültig abzuwenden. Wieder überquerte sie dieses Schlachtfeld und musste des Öfteren große Schritte tun, um Felsbrocken oder Trümmer zu überwinden. Sie kam an Häusern ihrer Freunde und Bekannten vorbei. Von ihnen wollte Kumiko sich allerdings nicht verabschieden, denn sie wusste, dass sie versuchen würden sie aufzuhalten, oder darum bitten würden sie begleiten zu dürfen. Die Engelsfrau hatte aber den Entschluss gefasst, dass es besser war, wenn sie allein ging. Ihre Freunde waren alle nicht für den Kampf ausgebildet, sie hätte zu große Angst um sie auf dieser Reise, denn eines war klar, an Kämpfen mit Dämonen war nicht vorbeizukommen. "Ich werde zurückkomen und dann werde ich es ihnen erklären" dachte sie bei sich und beruhigte damit ihren Schmerz etwas, sie alle hinter sich zu lassen. In diese Gedanken vertieft, war sie ans Ende der Trümmer gelangt, heraus aus ihrem ehemaligen Heimatdorf. Sie schaute zurück, wandte ihren Blick aber gleich darauf in die Sterne, die hier im Reich des Himmels jede Nacht sichtbar waren. Schon immer hatten sie auf Kumiko eine unglaublische Anziehungskraft ausgeübt. Sie fazinierten sie einfach. „Nun, wohin wird mich mein Weg wohl führen?“ fragte sie in die Sterne hinein. Wer weiß, vielleicht waren ihre Eltern dort oben und schauten nun auf sie herunter? Schließlich wusste niemand wo sich der Himmel für verstorbene Engel genau befand. Dieser Gedanke gab ihr Kraft und das Gefühl nicht allein zu sein. Ihr Gesichtsausdruck wirkte nun entschlossener und sie ging mit festen Schritten weiter Richtung Osten. Das Dorf Mirage war ihr nächstes Ziel... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)