Hunger von taiyo83 ================================================================================ Kapitel 1: Fragen ----------------- Teil 1 – Fragen Alles war so wie immer, und doch verhielt sich Zorro heute anders als sonst. Er tat etwas, was er sonst nie tat und vor allem heftig geleugnet hätte, wenn ihn jemand darauf angesprochen hätte. Er beobachtete, und zwar nicht wahllos irgendwen, denn er hatte immer ein waches Auge auf seine Nakama, sondern jemand bestimmtes. Während er einen Teil seiner Aufmerksamkeit darauf verwendete, seinen Teller und die ihm zugeteilte Portion vor den gierigen Klauen seines Kapitäns zu schützen, konzentrierte der andere Teil sich auf die Person, die ihm den Teller soeben vor die Nase gesetzt hatte. Tiefgrüne Augen beobachteten, wie die blonde schlanke Gestalt jedem anderen am Tisch einen Teller reichte und, bei der Frauenquote der Besatzung angelangt, sich mal wieder vor Entzücken überschlug. Die Reaktion der Damen war die Übliche – ein amüsiertes Lächeln von Seite der Archäologin und ein genervtes Schnauben à la „Reg dich ab und sabber mir nicht die Schulter nass!“ aus dem Mund der Navigatorin. ‚Manche lernen es nie…’ zuckte es flüchtig durch Zorros Kopf. Der Koch gehörte definitiv dazu. Ein wenig enttäuscht – es hielt sich in Grenzen, war er die harschen Abfuhren seiner geliebten Nami doch längst gewohnt – lehnte der Blonde nun in der Tür, die aus der Kombüse hinaus an Deck führte und rauchte vor sich hin. Zorro runzelte kaum merklich die Stirn, während er sich eine Gabel voll Nudelauflauf in den Mund schob. Und wieder machte ihm diese eine Frage zu schaffen, die er sich in letzte Zeit schon sooft gestellt hatte, auf die er aber nie eine Antwort gefunden hatte. Warum aß Sanji so gut wie nie etwas? Warum gab er jedem aus seiner Crew reichlich zu Essen, wann immer dieser auch nur das kleinste Anzeichen von Hunger zeigte, und schien dabei zu vergessen, sich selbst etwas zu nehmen? Egal ob Frühstück, Abendessen, Tee oder sonstigen Gelegenheiten, bei denen gegessen wurde – und das waren einige, immerhin hatten sie Ruffy als Kapitän – es lief jedes Mal nach dem gleichen Muster ab: Jeder bekam zu Essen, und Sanji stand dabei und sah zu. Zorro konnte sich das nicht erklären. Irgendwann bekam jeder doch mal Hunger! Jeder – außer ihrem Koch. Die verschiedensten, teilweise abenteuerlichen Theorien hatte er schon aufgestellt, was diesem nicht existenten Bedürfnis nach Nahrung wohl zu Grunde liegen könnte, und alle hatte er sie wieder verworfen. Und mit der Frage, warum der Smutje nie aß, kam zwangsläufig noch die nächste Frage, auf die Zorro ebenfalls keine Antwort hatte: Wie machte er das, oder besser: Wie konnte er das so lange aushalten? Es war nicht so, dass man dem Blonden nicht ansah, dass er kaum aß, schließlich war er mit Abstand der dünnste an Bord; eine Tatsache, die ihm jedes Mal aufs Neue auffiel, wenn sie irgendwo an einem Strand waren. Sanji war sogar zierlicher als Nami. Aber wer so wenig Nährstoffe zu sich nahm, musste doch früher oder später Probleme kriegen! Zorro war vielleicht kein Arzt, aber er wusste zumindest, dass er am Tag eine bestimmte Menge Essen benötigte, um überhaupt leben zu können. Und auch wenn Sanji deutlich weniger brauchte als er, weil er kleiner und zierlicher war – von Luft und Liebe war noch niemand satt geworden. So wenig, wie der aß, dürfte er doch gar nicht mehr aufrecht stehen können… Langsam und möglichst unauffällig glitten Zorros Augen über die schmale Statur des Koches. Wenn man ihrem Arzt glauben durfte, so war der Kochlöffel gesund und fit. Und Zorro glaubte Chopper, und er glaubte den Tritten, die ihm Sanji bei jedem ihrer kleinen ausgearteten Wortgefechte verpasste. Da steckte Power dahinter, die nur ein gesunder Körper aufbringen konnte. Was also war des Rätsels Lösung? Wie war es möglich, so gut wie nichts zu essen und trotzdem körperlich auf der Höhe zu sein? Er wusste es einfach nicht. Namis Stimme, in der Besorgnis mitschwang, riss Zorro aus seinen Gedanken in die Gegenwart zurück. „Sanji, ist alles in Ordnung? Hast du Bauchschmerzen?“ fragte die rothaarige junge Frau gerade. 5 weitere Augenpaare wanderten schlagartig zu dem blonden Smutje hinüber, der so erschrocken zusammenzuckte, als wäre er bei irgendetwas Verbotenem erwischt worden und würde nun eine Strafe erwarten. „N-nein…wie kommst du darauf? Mir geht es bestens, Namilein!“ wehrte er schnell ab, während eine leichte Röte über sein Gesicht zog. Eindeutig Verlegenheitsröte, die Nami und auch Zorro nicht entging. „Und warum reibst du dir dann den Bauch und bist so blassgrün im Gesicht? Hast du dir den Magen verdorben?“ bohrte die Navigatorin weiter, woraufhin die Röte deutlich an Tiefe gewann. Eine kleine Schweißperle rann dem Blonden die Stirn hinab, über die Wange und tropfte schließlich auf das blaue Nadelstreifenhemd. Fast hätte Zorro höhnisch gelacht. Um sich den Magen zu verderben musste man immerhin mal was essen, was der Koch ja nie tat. Und doch – so wie Sanji dreinschaute, hätte man es fast glauben können… „So ein Blödsinn. Der sieht immer so käsig aus, schon vergessen? Wenn du so besorgt bist, schieb ihm mal ein anständiges Steak in den Schnabel Wetten, es geht ihm schlagartig besser?“ brummte der Schwertkämpfer. ‚Und wenn’s keiner von euch macht, stopf ich es ihm halt persönlich rein.’ fügte er im Stillen hinzu. Allein schon der Gedanke, wie er den Smutje zwangsernähren würde, malte ihm ein überaus fieses Grinsen ins Gesicht. Das könnte in der Tat unterhaltsam werden… Aber soweit sollte es nicht kommen. Ruffy sprang noch fast im selben Moment auf, ein großes Stück Fleisch in der Hand, und streckte seinen Arm bis unter die Nase des Koches. „Na los, hau rein! Zorro hat recht, du musst nur was essen, dann bist du wieder gesund!“ krähte er vergnügt, wedelte dabei auffordernd mit dem leicht blutig gebratenen Steak herum. Sanji wich angewidert einen Schritt zurück und wandte den Kopf ab. „Lass den Scheiß, ich hab keinen Hunger!“ murrte er und warf seinem Kapitän einen finsteren Blick zu. Chopper stand auf, räusperte sich und trat auf Sanji zu, der den kleinen Elch unsicher ansah. So wie der ihn wieder anguckte, schwante dem Koch Böses. „Am besten du kommst gleich mit, ich habe eine tolle Arznei gegen Bauchweh!“ Bingo! Sanji wurde schlagartig wieder blass und spürte allein beim Gedanken an die ach-so-tolle Arznei einen Würgereiz in der Kehle, gegen den auch ein tiefer Zug an seiner Zigarette nichts ausrichten konnte. Das Grauen stand ihm bevor, wenn er sich nicht schnell aus der Affäre ziehen konnte! Doch aus seinen Fluchtplänen wurde nichts. Nami legte die Zeitung zusammen und besiegelte sein Schicksal mit den Worten: „Eine gute Idee, Chopper! Sanji, geh mit ihm mit, wir übernehmen das Geschirr. – Zorro, Lysopp, ans Spülbecken. Sofort.“ kommandierte sie, bevor sie Chopper noch ein strahlendes Lächeln schenkte. „Sorg dafür, dass Sanji die Medizin auch brav schluckt, hörst du?“ – „Aye aye!“ Fröhlich packte der kleine Elch den Koch an der Hand und zerrte ihn aus der Kombüse hinaus. Sanjis Gesicht sprach ganze Bildbände – es stand ihm quasi auf die Stirn geschrieben, was er sich nicht getraute, auszusprechen: Dass Nami grausam war und er seine Seele verkauft hätte, wenn ihm diese Tortur doch erspart geblieben wäre. „Zorro, du träumst ja schon wieder in der Gegend herum. Marsch ans Spülbecken, die Teller waschen sich nicht von alleine.“ Knurrend erhob sich der Schwertkämpfer, innerlich eine wahre Schimpftirade auf die Navigatorin loslassend. Wer war doch gleich ihr Kapitän??? Ein Blick in die eiskalten Augen, die nur dann leuchteten, wenn irgendwo die Aussicht auf Kohle bestand, und Zorro fiel es wieder ein. Nicht der Gummispinner, sondern die geldgeile Zicke. Wieso bloß verdrängte er das immer wieder? Seufzend trat der Grünhaarige neben Lysopp und nahm den ersten gespülten Teller entgegen, um ihn abzutrocknen. Dabei drifteten seine Gedanken zum wiederholten Male an diesem Tag Sanjiwärts, was nicht gerade dazu beitrug, seine Laune zu heben. Wieso machte er sich so viele Sorgen um den Blödmann? An und für sich konnte es ihm ja egal sein, ob und wann und wie viel oder wie wenig der Koch aß, solange er immer einsatzfähig war, wenn sie ihn brauchten. Davon abgesehen war er ein guter Ausgleich für ihren verfressenen Kapitän, der locker für ihn mitspachtelte. „Du, Nami – warum muss ich nicht spülen?“ Große runde Augen schauten naiv zu der Navigatorin hinüber, die nur auf diese Frage gewartet zu haben schien. „Weil ich mit dir noch ein Hühnchen zu rupfen habe, Ruffy!“ Zwei schnelle Schritte, und es machte laut und deutlich KLONK! Namis Eisenfaust hatte mal wieder unerbittlich zugeschlagen und ihr Ziel auch nicht verfehlt. Im Nu wuchs eine dicke Beule am Hinterhaupt des Gummijungen, der nun beleidigt die Unterlippe vorschob. „Was hab ich denn jetzt wieder gemacht?!“ jammerte er verständnislos. Nami funkelte ihn böse an. „Wegen dir müssen wir heute schon wieder einkaufen gehen! Du hast mal wieder unsere Vorräte leer gefressen, DAS hast du gemacht!“ – „Hab ich nicht!“ verteidigte Ruffy sich schmollend. „Das ist nicht wahr, Nami!“ – „Wie kommt es dann“, fauchte die Rothaarige, „dass wir gestern noch einen vollen Kühlschrank hatten und Sanji mir heute Morgen mitteilt, dass wir einkaufen müssen?! Kannst du mir das erklären?!“ Mit zusammengezogenen Brauen und vorgeschobener Unterlippe dachte Ruffy nach. „Vielleicht hatte jemand anderes Hunger. Ich war es jedenfalls nicht.“ murrte er sichtlich gekränkt. Stöhnend griff Nami sich an die Stirn und schüttelte den Kopf. „Mit dir zu diskutieren bringt wirklich nichts. Aber denk mal drüber nach, ob es fair ist, dass wir hungern müssen, weil du dich nicht am Riemen reißen kannst!“ Mit dieser letzten Bemerkung ließ sie Ruffy mitten in der Kombüse stehen und trat hinaus an Deck, wo sie kurze Zeit darauf in ihrem Liegestuhl saß und sich in der Sonne räkelte. „Ich war’s echt nicht!“ beschwerte Ruffy sich aufgebracht. „Warum glaubt sie mir denn nicht?“ – „Na weil du es immer bist!“ antwortete Lysopp ihm, ohne sich umzudrehen, über die Schulter. „Außerdem geht ihr heißgeliebtes Geld fast komplett dafür drauf, dass wir Vorräte kaufen. Ich glaube, wenn du nicht der Kapitän wärst, hätte sie dich längst abgesägt.“ „Nami ist unfair und gemein!“ Grummelnd ließ sich der Kapitän auf einen der freien Sitze fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. Nachdenklich polierte Zorro den Teller, den ihm Lysopp gereicht hatte. Es stimmte schon, Ruffy war in 200% der Fälle dafür verantwortlich, wenn morgens ihre Vorräte geschrumpft waren – aber so hartnäckig leugnete er es nie. Und wenn Ruffy darauf schwor, dass er es nicht gewesen war, so glaubte er ihm das. Ihr Kapitän schwindelte zwar ab und zu, und das so lausig, dass ihn jeder durchschauen konnte, aber richtig dreist lügen tat er niemals. Dafür war Ruffy einfach ein viel zu anständiger Mensch… „Wow, Zorro, in dem Teller kann man sich ja echt spiegeln!“ entfuhr es Lysopp angesichts des blank polierten Tellers in der Hand seines Spülkumpanen. Zorro zuckte zusammen und schüttelte den Kopf. Wie er heute herumträumte war ja direkt eine Schande für jeden anständigen Schwertkämpfer! Erst der Koch, und jetzt die Sache mit den Vorräten… was kam als nächstes? „Ich geh mich ne Runde aufs Ohr hauen.“ Zorro streckte sich, wobei sein Nacken ein lautes Knacken erzeugte, das Lysopp durch Mark und Bein ging, und schlenderte gemächlich hinaus. Ein kleines Nickerchen würde ihm gut tun und vor allem diese ganzen blöden Gedanken um einen gewissen Blondschopf ausblenden, über den er nur ungern nachgrübeln wollte. Mit vor den Mund geschlagener Hand stolperte Sanji in Richtung Reling und lehnte sich dagegen. Er hatte ja schon einiges von Choppers Wundermitteln über sich ergehen lassen müssen, aber das Bauchwehzeugs war wirklich der Gipfel des wortwörtlich schlechten Geschmacks. Auch wenn er die Erfahrung noch nicht gemacht hatte, in etwa so stellte Sanji es sich vor, die Analdrüsen eines Stinktiers zu essen. Allein der Geruch hatte ihn schon fast umgehauen, und was danach gekommen war, war nicht viel besser gewesen. Urgs… er brauchte jetzt ganz dringend eine Kippe. Schnaufend blickte der Blonde dem Rauch nach, der sich in den wolkenlosen Himmel kringelte, während die Übelkeit langsam aber sicher den Pegel vor der Vergiftung durch Doktor Chopper erreichte. Blieb nur zu hoffen, dass die Arznei auch wirkte und er nicht umsonst gelitten hatte. Mit einem leisen Stöhnen rieb Sanji sich über die Magengegend, die sich deutlich tastbar unter seinem Hemd vorwölbte. Hätte Chopper ihn untersucht, hätte er es mit Sicherheit bemerkt und unangenehme Fragen gestellt, die Sanji ihm nicht hätte beantworten können… oder wollen… Vielleicht wäre es ja das Beste, wenn alles heraus käme. Sanji hatte die Erfahrung gemacht, dass viele Dinge, über die er sich den Kopf zerbrochen hatte, nur halb so schlimm waren, wenn seine Nakama erst einmal bescheid wussten. Wenn er nicht höllisch aufpasste, würden sie sowieso dahinter kommen, ob er es wollte oder nicht. Nami und sogar der Marimo hatten ihm ja ganz schön zugesetzt beim Essen. Und so wie er Robin kannte, hatte die auch schon was bemerkt. Aber diese Sache… seufzend schüttelte der Koch den Kopf und schnippte seine Zigarette über Bord, nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand, vor allem Namilein, es nicht sah. Er wusste, dass die anderen verständnisvoll waren – aber es gab Dinge, die einfach zu verrückt waren. Denn genau das würde passieren, sie würden ihn für verrückt halten. Und das wollte Sanji unter allen Umständen vermeiden. Erleichtert stellte er fest, dass das unangenehme Spannungsgefühl in seinem Bauch nachließ. Das kam ihm gerade Recht, dann konnte er sich schon mal an die Vorbereitung fürs Abendessen machen, die immer etwas länger dauerten, ohne beim bloßen Anblick der Zutaten zu würgen. Man konnte ja über Choppers Medizin sagen, was man wollte, aber sie half manchmal wahre Wunder! Als der Koch in Richtung Kombüse schlenderte, folgten ihm ein Paar halb geschlossene grüne Augen von unterhalb des Mastes. ‚So schlecht kann es dem Trottel ja nicht gehen, wenn der schon wieder munter am Paffen ist’, dachte Zorro und rieb sich den Nacken. Wie er diese lästigen Gedanken – Gedanken, nicht Sorgen, denn Zorro sorgte sich nicht um Sanji, schon allein aus Prinzip – doch hasste! Er hatte über Wichtigeres zu grübeln als über das seltsame Verhalten des Kochtopfes. Irgendjemand hatte sich an ihren Vorräten zu schaffen gemacht, und das ohne, dass einer von ihnen etwas bemerkt hatte. ‚Ein blinder Passagier?’ dachte Zorro, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Der hätte nicht nur unsichtbar sein, sondern auch genau wissen müssen, wo die Riesenmausefalle lag und wie sie zu umgehen war. Außerdem gab es auf der Flying Lamb nicht gerade viele Plätze, wo sich eine Person lange verstecken konnte, ohne entdeckt zu werden. Sie hatten ja noch nicht mal Mäuse an Bord. Bis auf eine große, ziemlich verpeilte, die einen Strohhut trug. ‚Vielleicht war es ja doch Ruffy…könnte doch sein, dass er schlafwandelt und nicht mitkriegt, was er macht. Zuzutrauen wär es ihm ja.’ sinnierte der Schwertkämpfer weiter. ‚Und das müsste doch rauszukriegen sein.’ Zorro stand auf, streckte sich nochmals und ging zum vorderen Kanonendeck, wo er seine Gewichte verstaut hatte, damit Nami ihm nicht ständig vorhielt, er würde seinen „Kram“ überall herumliegen lassen. Er hatte soeben einen Plan geschmiedet, wie er Ruffy überwachen konnte, falls dieser tatsächlich nachts im Schlaf herumgeisterte – und das ganz ohne, dass ihr Kapitän etwas davon merkte. Beim Abendessen war Zorro immer noch so auf sein Vorhaben konzentriert, dass ihm zunächst gar nicht auffiel, wie Sanji zum dritten Mal an diesem Tag seinen Nakama zu Essen vorsetzte, sich aber nicht an der Mahlzeit beteiligte. Robin jedoch entging es nicht. Nachdenklich sah sie den Blonden an, während ihr Blick einen seltsamen Ausdruck annahm. Langsam ließ die dunkelhaarige Frau ihre Gabel sinken und stützte das Kinn auf die Hand, ohne Sanji dabei aus den Augen zu lassen. Chopper, der neben ihr saß und bis eben mit Ruffy um seinen Fisch gekämpft (und verloren) hatte, bemerkte das und stieß sie vorsichtig an. „Robin, hast du keinen Hunger mehr?“ fragte er besorgt. „Ist dir auch schlecht? Vielleicht ist es ja ein Virus…“ Robin lächelte den kleinen Elch an, dem die Besorgnis deutlich im Gesicht stand, und entgegnete: „Mir geht es sehr gut, mach dir keine Sorgen, Herr Doktor. Ich melde mich schon, wenn mir etwa fehlt.“ Sanji stand, nachdem er dem Wortwechsel zugehört hatte, innerhalb von Sekunden neben Robin, um ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. „Robinchen, meine Schöne, möchtest du etwas anderes? Egal was es ist, für dich würde ich alles tun! Ich liege dir zu Füßen…“ – „Geht es deinem Magen immer noch nicht besser?“ unterbrach die Frau den Redefluss des Koches mit sanfter Stimme. Ihre Augen jedoch blickten Sanji so forschend an, dass dieser einen Schritt zurückwich und unter dem alles durchdringenden Blick förmlich in sich zusammensank. „N-nein…ich meine…mir geht es gut…wie kommst du darauf?“ stotterte er, vermied es dabei jedoch, Robin direkt anzusehen. Die Archäologin hob die Augenbrauen ein Stück an. „Ich dachte, dir wäre vielleicht noch übel, weil du wieder nichts gegessen hast.“ Sanji fuhr sich durch die Haare und gab sich Mühe, seiner Stimme einen festen und unbekümmerten Klang zu geben, als er antwortete: „Ich will nur noch nichts überstürzen, das ist alles. Mir geht es wirklich schon viel besser als heute Mittag! Mach dir also nicht zu viele Sorgen um mich, mein Engel!“ Zorro sah mit einem amüsierten Grinsen auf dem Gesicht zu den beiden hinüber. „Es würde dir doch sicher noch besser gehen, wenn Chopper dir noch mal von seiner Medizin geben würde, meinst du nicht?“ schlug er vor. Sanji ballte die Hände zu Fäusten und fixierte den Schwertkämpfer mit finsterem Blick. So ein hinterhältiges Aas! Der ließ auch keine Gelegenheit aus, um ihm eine rein zu würgen! Aber nicht mit ihm! „Seit wann haben Kugelalgen medizinische Fachkenntnisse? Zum letzten Mal, mir geht es bestens!“ zischte er in Richtung seines Nemesis. Chopper sah in die Runde. „Am besten wäre, ich würde euch allen etwas geben, falls es doch ein Magen-Darm-Virus ist, dann wird keiner krank…“ Ein einheitliches „NICHT NÖTIG!!!“ schallte ihm aus 5 Kehlen entgegen, während Robin nur verschmitzt lächelte. „Ich glaube, du machst dir wirklich viel zu viele Sorgen.“ meinte sie und fuhr Chopper sanft durch das dichte Fell. Der kleine Elch räkelte sich wohlig unter dieser Berührung und vergaß darüber direkt, dass seine Arznei gerade schnöde verschmäht worden war. Robin hatte soooo zarte Hände… Dankbar blickte Nami ihre Freundin an, bevor sie sich erhob. „Also schön, da Sanji wieder fit ist, kann er die Nachtwache übernehmen.“ – „Für dich immer, Namilein!“ schwärmte der Koch wie auf Kommando. Das Strahlen auf seinem Gesicht verschwand jedoch sofort, als die Navigatorin hinzufügte: „Und pass auf, dass Ruffy nicht wieder unseren Kühlschrank leer räumt, verstanden?“ Der Angesprochene war nur noch zu einem schwachen Nicken fähig, sein Gesicht schon wieder von einem leuchtenden Rot überzogen. „Wie oft muss ich es noch sagen! Ich war es nicht!“ fuhr Ruffy auf. „Ja ja. Du bist dran mit Spülen, Chopper kann dir helfen. Und macht nicht so viele Teller kaputt. – Robin, kommst du mit raus?“ wandte sich Nami an die Archäologin. Die Dunkelhaarige erhob sich ebenfalls von der Tafel und folgte der Navigatorin ein paar Schritte, nicht ohne Sanji ein letztes Mal nachdenklich zu mustern. Der Koch bekam davon allerdings nichts mit, da er Zorro gerade nötigte, seinen Brokkoli aufzuessen, wovon der Schwertkämpfer alles andere als begeistert war. Es würde nicht mehr lange dauern, bis eine hand- und fußfeste Klopperei ausbrach, bei der nichts und niemand in unmittelbarer Nähe sicher war. „Komm schnell, bevor wir noch was abkriegen.“ Lysopp nahm Robin an der Hand und zerrte sie hektisch nach draußen. Der Schütze wusste, dass er im Gegensatz zu Ruffy und Chopper wohl die geringsten Chancen hatte, im Extremfall ungeschoren davon zu kommen. Da suchte er lieber sein Heil in der Flucht. Gedankenverloren ließ Robin sich mitziehen, ohne einen Protest zu äußern. Irgendetwas stimmte da ganz und gar nicht, und so wie sie sich selbst einschätzte, würde es ihr keine Ruhe lassen, bis sie es herausgefunden hatte. Geduldig lag Zorro in seiner Hängematte und wartete, bis er anhand der tiefen und gleichmäßigen Atemzüge seiner Nakama hörte, dass diese eingeschlafen waren. Nach nicht mal 10 Minuten war es soweit – nun war der Moment gekommen, seinen genialen Plan umzusetzen. Lautlos glitt der Schwertkämpfer aus seiner Hängematte und schlich zu Ruffy hinüber. Der Kapitän lag alle Viere von sich gestreckt da und schnarchte munter vor sich hin. Zorro schüttelte den Kopf. Man hätte das Schiff rund um Ruffy abreißen und wegtragen können, und der hätte immer noch gepennt! Ganz vorsichtig entnahm der Grünhaarige seiner Haramaki einen dünnen Faden, an dessen Ende sich eine Schlinge befand, und legte diese um den Zeh des Gummijungen. Dann kletterte er in seine Schlafgelegenheit zurück und befestigte das andere Ende des Fadens an seinem Finger. Zufrieden schloss Zorro die Augen und entspannte sich. Wenn Ruffy tatsächlich schlafwandelte, würde er das nun auf jeden Fall mitkriegen. Wenn er es nicht tat, die Vorräte aber trotzdem weniger wurden, war ihr Kapitän entlastet und jemand anderes schuldig. Oder er musste seine Theorie vom blinden Passagier doch noch mal überdenken… Sanji saß im Ausguck und rauchte vor sich hin. Er wollte die Augen nicht schließen; zu groß war die Angst vor dem, was er dann sehen und spüren würde, und vor allem vor dem, was nach dem Aufwachen passieren würde… Davon abgesehen war er überzeugt, heute Nacht auch gar keinen Schlaf finden zu können. Das schlechte Gewissen Ruffy gegenüber machte ihm schwer zu schaffen. Dazu kamen Robins Worte und ihre alles durchdringenden Augen, die ihm mehr und mehr zusetzten. Wusste Robin etwas? Und wenn ja, wie viel wusste sie? Oder vermutete sie nur, und er spielte sich ihr praktisch in die Hand…? Erschöpft von so vielen Fragen schloss der Smutje die Augen und lehnte den Kopf zurück. Was sollte er bloß machen? So weitermachen wie bisher und seine Nakama belügen? Oder ihnen alles erklären und riskieren, dass sie ihn für total verrückt hielten? Nami war schon lange eingeschlafen, doch Robin saß noch immer im schmalen Lichtkegel der Schreibtischlampe und las in ihrem Buch. Es war fast Mitternacht, und das ganze Schiff war still. Leise, um die Navigatorin nicht zu wecken, schlug Robin die nächste Seite auf. Sie hatte Zeit, sie konnte warten. Mit einem Mal drangen Schritte an ihr Ohr – oder besser gesagt, an das Ohr, dass sie an der Außenwand der Kajüte angebracht hatte. Die Schritte waren leise, aber sehr hastig, als wäre die Person, zu der sie gehörten, in großer Eile. Robin legte ihr Buch beiseite, schloss die Augen und konzentrierte sich. Zuerst ließ sie ein Auge am Mast wachsen, direkt oberhalb des Krähennestes, um zu sehen, ob Sanji wach war oder schlief. Dann, als ihr Verdacht bestätigt worden war, nahm sich die Archäologin die Kombüse vor. Auch dort wuchs ein Auge aus der Wand hinter dem Weinregal und beobachtete das Geschehen gut geschützt durch die Flaschen hindurch. Eine ganze Weile sah Robin zu, was sich in der Küche abspielte. Dann öffnete sie die Augen. Fast hatte sie sich so etwas gedacht, und für diesen Fall auch einen Plan gemacht. Ein letztes Mal konzentrierte sich die Frau, diesmal auf das Schlafgemach der Jungs. Ihr Kapitän war für diese Aufgabe wahrscheinlich der Richtige. Was seine Crew betraf, wies Ruffy einfach das größte Einfühlungsvermögen auf, und Robin hoffte, dass er auch dieses Mal den richtigen Riecher beweisen würde. Doch dazu musste sie ihn erst einmal wach kriegen. Aus der Wand oberhalb von Ruffys Hängematte wuchs eine Reihe langer schlanker Arme, von denen der letzte den Stoff der Unterlage packte und ihn mit einem Ruck zur Seite zog. Es gab einen dumpfen Knall, als der Gummijunge auf dem Boden aufschlug, doch das gewünschte Ergebnis erzielte die Aktion nicht. Ruffy schlief tief und fest weiter und träumte von riesigen Fleischbergen, während ihm die Sabber aus dem Mundwinkel tropfte. Dafür wurde allerdings jemand anderes wach. Zorro hob ruckartig den Kopf, als er den Zug an seinem Finger spürte. Ein rascher Seitenblick, und der Schwertkämpfer verzog enttäuscht und sichtlich verschlafen das Gesicht. Der Spinner war nur aus der Hängematte geplumpst – da hatte er sich wohl zu früh gefreut. Mit einem leisen Brummen fuhr Zorro mit der Hand durch seine grünen Haare, während sich ein nur allzu menschliches Bedürfnis bei ihm bemerkbar machte. Seufzend schwang der Schwertkämpfer sich zu Boden und stapfte Richtung Mast. Wenn er schon mal wach war, konnte er auch auf Klo gehen. Die frische Nachtluft, die ihm entgegen schlug, als er die Luke öffnete, belebte Zorros noch schlaftrunkenen Verstand schlagartig. Für einen Moment ließ der Grünhaarige seine Augen über das Deck wandern, bevor er hinaus kletterte und ein paar Schritte tat. Und dann hörte er es: Zwar nur leise und gedämpft durch Tür und Wände, aber für seine gute Ohren deutlich zu erkennen: Das Geklapper von Geschirr. Jetzt war auch der letzte Rest Müdigkeit verflogen. Mit schnellen und möglichst leisen Schritten schlich der Schwertkämpfer die Treppe zur Kombüse hoch, ehe er auf halber Strecke in hielt. Und wenn es nur Sanji war, dem es im Ausguck zu langweilig geworden war, und der sich die zeit nun mit Kochen vertrieb? Wäre ja nicht das Erste mal gewesen, dass sowas passierte. Er selbst trainierte ja auch oft genug, wenn er Nachtwache hatte… Zorro wollte sich gerade wieder abwenden, als ihm auffiel, dass in der Kombüse kein Licht brannte. Und der Koch machte immer Licht, wenn er nachts noch neue Rezepte ausprobierte! Mit einem Satz drehte der Grünhaarige sich wieder um und legte die letzten Meter bis zur Kombüsentür zurück. Ein letzter tiefer Atemzug, eine letzte Vergewisserung, dass seine Schwerte griffbereit waren, und Zorro stieß die Tür auf. Es dauerte einen Moment, bis sich seine Augen an die Dunkelheit in der Kombüse gewöhnt hatten. Doch was Zorro dann sah, ließ ihn erst einmal daran zweifeln, ob er nicht doch noch in seiner Koje lag und träumte. Ende Teil 1 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)