Divine Justice von MajinMina (Göttliche Gerechtigkeit) ================================================================================ Kapitel 19: Kapitel 19 ---------------------- Hallo ^^ Zu beginn gleich eine Entschuldiung: mein Ursprünglicher Plan, diese FF nach 20 Kapiteln abzuschließen, hat sich in Rauch aufgelöst. Es werden wohl doch noch ein paar mehr - ansonsten werden entweder die Kapitel zu lang oder die Story zu verkürzt. Sorrrrry -_- In diesem Kapitel kommne übrings auch diejeinigen ins Spiel, auf die einige von euch lange genug gewartet haben *gg*: b]Die Shinsengumi!!Sie werden von nun an eine größere Rolle spielen, hehe *händereib* Wer den ersten OVA kennt, wird eine Szenen wiedererkennen... LG -- Divine Justice Kapitel 19 - Blut und Rache -- Zwei Männer standen in dem vom Abendrot in bunten Farben gemalten Garten und warteten. Der schlanke, großgewachsene Mann war noch jung und streute gedankenverloren einige Brocken Brot in den Fischsteich. Hinter ihm stand sein treuester Leibwächter, ein Koloss von einem Mann, immer angespannt, die Augen auf der Tür. Endlich öffnete sie sich, ein Diener trat heraus und verkündete die Ankunft von den zwei bereits erwarteten Männern. Kurz darauf kamen die beiden aus der Eingangshalle hinaus in den Garten. Katsura löste seine Augen vom Fischteich. „Es ist schon eine Weile her, Himur- oh!“ Katsura Kogoros Augen weiteten sich erstaunt, als er das Gesicht seines jungen Hitokiri sah. „Es war also endlich jemand gut genug, um dich mit dem Schwert zu zeichnen?“ Kenshin sah zu Boden, der noch frische Schnitt auf seiner Backe brannte heiß wie die Schamesröte, die ihm plötzlich ins Gesicht stieg. „Ich war nicht aufmerksam genug.“ Er senkte seinen Kopf noch ein bisschen weiter, bis er ganz unter einem roten Haarvorhang verschwunden war. „Izuka-san, wer war es?“ fragte Katsura, seinen Blick auf den schnurrbärtigen Mann gerichtet, der hinter Kenshin den Garten betreten hatte. „Der Leibwächter von Jubei Shigekura der Kyoto Shoshidai, erst seit ein paar Monaten in Kyoto.“ Izuka lächelte schief und zog die Augenbrauen hoch. „ Natürlich ist er jetzt tot.“ Katsura nickte stumm. „Kenshin?“ fragte er plötzlich. „Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung?“ Der Angesprochene sah seinen Anführer mit unbewegter Miene an und antwortete mit flacher Stimme. „Hai, Katsura-san, es geht gut. Die Aufträge werden ordnungsgemäß erledigt.“ Seitens Katsura, Katagai und Izuka entstand verblüfftes Schweigen. „Himura,“ nuschelte Izuka in seinen Ärmel, „Katsura hat etwas anderes gemeint...“ Verständnislos starrte Kenshin durch ihn hindurch. Katsura räusperte sich und sah wieder hinab auf die bewegte Oberfläche seines Fischteiches. In den sich kräuselnden Wellen spiegelte sich sein jugendliches aber besorgtes Gesicht verzerrt wieder, zusammen mit den kräftigen Farben, in denen der Abendhimmel gemalt war. Der Anführer der Patrioten aus Choshuu griff in sein Schälchen voller Brotkrummen und seufze. Im Augenwinkel sah er Kenshin stehen und bewegungslos auf weitere Befehle warten. Er hatte befürchtet, ja Takasugi hatte ihn sogar gewarnt, dass es früher oder später so weit kommen würde – doch er hatte nicht erwartet, dass das Licht in Kenshins Augen so schnell sterben würde. Und doch: Himura war nur vollständig in die Rolle geschlüpft, die er ihm geschaffen hatte. Die Tage des Schwertkämpfers Katsura Kogoro waren vorbei. Himura war jetzt sein persönliches, gezogenes Schwert, und seine scharf geschliffene Klinge brachte göttliche Gerechtigkeit – besser, als er es sich je hätte träumen lassen. Und doch... jedes Schwert braucht ab und zu etwas Pflege... vor allem, wenn es so scharfgeschliffen ist, wie Himura. „Ist etwas nicht in Ordnung?“ fragte Kenshin, den Katsuras besorgter Gesichtsausdruck beunruhigte. „Nein, eigentlich das Gegenteil.“ Katsura straffte seine Schultern und lächelte Kenshin freundlich an. „Heute Abend habe ich endlich ein Treffen mit Toshimaro-san und Miyabe-san. Das ist ein großer Schritt nach vorne. Wichtige Punkte unserer Clan-Politik werden besprochen. Es wird Zeit, dass wir nicht mehr in chaotischen Einzelgruppen agieren, sondern uns unter einem Ziel vereinigen und konkrete Pläne machen.“ „Ich soll euer Leibwächter sein?“ Kenshins Frage war mehr eine Feststellung. Schon vor Wochen, als sein Ruf sich unter denn Patrioten verbreitet hatte, waren seine Dienste als Leibwächter von einigen Kommandanten angefordert worden. Solche Aufträge waren zwar ungewöhnlich für einen Hitokiri, aber eine nicht unwillkommene Abwechslung. Kenshin hatte inzwischen schon drei Mal den Versammlungsraum von Katsura und den anderen Anführern der Ishin Shishi bei geheimen Beratungsgesprächen bewacht. Seltsam, aber die Männer fühlten sich trotz seines Rufes in seiner Anwesenheit sicher – immerhin war er als Hitokiri schon über vier Monate hinweg noch nicht einmal ernsthaft verletzt worden. Vor ihm hatte das noch keiner geschafft. Vor ihm war noch niemand so erfolgreich gewesen... „Nein, Himura,“ sprach Katsura weiter und riss damit Kenshin aus seinen Gedanken, „ich möchte, dass du mich als mein Berater begleitest.“ „Oh!“ rutschte es Izuka heraus und er sah neidisch auf den kleineren Rotschopf herab. „Was für eine Ehre. Dein Name könnte in die Geschichte einge-...“ „Danke,“ flüsterte Kenshin tonlos, „aber ich muss ablehnen. Ich bin euer Hitokiri. Einen anderen Dienst kann ich nicht leisten. Wenn es sonst nichts weiter für mich gibt, entschuldigt mich bitte.“ Das Gespräch war für ihn beendet. Mit einer hastigen Verbeugung drehte er sich um und war schon aus der Tür verschwunden. Entgeistert schauten ihm die anderen drei Männer hinterher. Katagai war der erste, der sich wieder fasste. „Hey, warte!“ rief er empört und auch Izuka gab ein missbilligendes Grunzen von sich. „Sumimasen,“ murmelte er dann Katsura entschuldigend zu und eilte ebenfalls davon, dem rothaarigen Hitokiri hinterher. „Was für ein Benehmen!“ polterte Katagai, „wie kann er eure Freundlichkeit nur so respektlos erwidern?! Von jedem anderen Mann könntet ihr für solch ein Verhalten den Tod fordern!“ Doch Katsura hatte sich schon längst wieder dem Teich zugewandt und lächelte traurig die bewegte Wasseroberfläche an. Langsam ließ er die restlichen Brotkrummen hineinrieseln und es plätscherte laut, als die Karpfen begierig danach schnappten. „Er war nicht immer so,“ begann Katsura nach einigen Minuten seinem Leibwächter zu erklären. „Er hat sich sehr verändert. Als ich ihn kennen lernte...“ Seine Stimme verlor sich. Katagai wartete geduldig, dass sein Herr weitersprach, doch Katsuras Gesicht war nun verschlossen und er hüllte sich in düsteres Schweigen, während die Sonne hinter der Villa sank. -- „Oi, Himura, warte doch!“ Izuka hastete hinter der rothaarigen Jungen her, der mit schnellen Schritten zurück zum Kohagiya ging. „Warte! Lass uns was trinken gehen!“ Doch Kenshin blieb nicht stehen, statt dessen verschwand er in der Menge, so dass Izuka nach einigen Minuten schulterzuckend die Suche nach ihm aufgeben musste. Kenshin wollte jetzt mit niemandem etwas trinken gehen. Er wollte in sein Zimmer und alleine sein. Innerhalb von Minuten hatte er im Abendrot die Herberge über die Dächer erreicht und war durch das Fenster gleich in den ersten Stock gesprungen. So konnte er es vermeiden, allzu vielen lästigen Menschen zu begegnen. Auch wenn - selbst in der Einsamkeit seines Zimmers - sein Gesicht nichts an Emotionen preisgab, so verriet doch seine leicht zitternde Hand, die sein Schwert zog und begann, es sorgfältig zu reinigen, dass er aufgewühlt war. „Berater?!“ dachte er und schnaufte innerlich. „Was bildet sich Katsura eigentlich ein? Leibwächter hätte ich ja noch verstanden, aber Berater? Wie kann ich der Revolution helfen, wenn ich nur herumsitze? Ich hab doch von Politik keine Ahnung...“ Langsam ließ Kenshin das Tuch mit dem feinen Schleifsand seine Schwertschneide hinauf und hinabgleiten. „Hat mir Katsura keine wichtigeren Aufträge zu übergeben?“ murrte er, während seine geübten Hände wie von Selbst das Schwert pflegten. Er war unruhig. Er hatte erwartet, einen schwarzen Umschlag von Katsura zu bekommen – nicht das dämliches Angebot, ein Berater zu sein. „Sicherlich gibt es heute Abend auch irgendwo ein Treffen von unseren Feinden,“ überlegte er wütend, während er mit wütendem Eifer dazu überging, die Klinge zu polieren. „Sie schmieden Pläne gegen uns, während ich hier herumsitze. Ich sollte unterwegs sein und sie beseitigen.“ Im rötlichen Dämmerlicht der untergehenden Sonne betrachtete er sein Spiegelbild in der frisch polierten, glänzenden Klinge. Blut glitzerte in dem Schnitt auf seiner Wange. -- Kenshin musste nicht lange warten. Ein schwarzer Umschlag fand bereits am nächsten Nachmittag den Weg in seine Hände. Die vertraute Routine begann erneut. Wie üblich führte Kenshin den Auftrag gleich in der Nacht aus. Es war nichts besonderes, nicht einmal nennenswert, nur ein einzelner Mann. Er lauerte ihn in seinem Badehaus auf und tötete ihn mit einem Aufwärtsschlag. Sein Opfer fiel nach hinten in einen Stapel voller Wassereimer. Sofort ergoss sich die Flüssigkeit über den Steinboden. Verwirrt sah Kenshin in seinem Spiegelbild im Wasser, dass seine Wunde schon wieder blutete, bevor sich sein gesamtes Gesicht rot färbte. Er starrte in das gefärbte Wasser und fragte sich, wer wohl die Person war, die zurückstarrte. Seit er diesen Mann getötet hatte... Seit er diesen brennenden Schnitt auf seiner Wange spürte... hatten die Erinnerungen begonnen, wieder zu ihm zurück zu kehren. Er sehnte sich danach, mit jemandem zu sprechen, einfach nur zu reden. Doch Yoshida war jetzt weit weg und Kenshin brachte es einfach nicht über sich, einen Brief zu schreiben. Katsura konnte er nicht mit seinen persönlichen Gefühlen belästigen, er hatte wichtigeres zu tun. In Gegenwart von Izuka fühlte er sich zu unwohl und so nett Uchida ihn auch manchmal ansprach, seit der Sache mit Daisuke und Buntaro hatte Kenshin sich entschlossen, mit niemandem mehr Freundschaft zu schließen. Es gab keinen Menschen im Kohagiya, dem er sich hätte anvertrauen können und wollen. Es sei denn Okami... doch auch sie sah ihn immer öfter mehr mit strengen als mit gutmütigen Augen an. Und der Gedanke, mit seinem Shishou Kontakt aufzunehmen... sooft ihm dieser Gedanke auch in letzter Zeit kam und so verführerisch er auch war – Sekunden später verwarf er ihn gleich wieder. Sich Menschen im Kohagiya zu öffnen war leichtsinnig, aber zu Hiko Seijuro zurückzukehren wäre glatter Selbstmord. Nie würde ihm sein Meister seine Taten vergeben. Kenshin löste seine Augen von der blutigen Pfütze und verließ schnell und geräuschlos das Anwesen. Izuka kam ihm mit einer Laterne entgegen um seine Arbeit zu begutachten und den Zettel mit der Aufschrift „Tenchu“ zu platzieren, doch nichts von dem schwachen Licht, was die Strasse erhellte, spiegelte sich in Kenshins leblosen Blick wieder. „Hey,“ meinte Izuka leise, während der Hitokiri an ihm vorüberlief, „du blutest.“ Als ob er nichts gesagt hätte, lief der Kenshin einfach weiter. Izuka legte die Stirn in Falten, während er ihm noch kurz hinterher sah. In dieser Nacht suchten ihn nicht die zerfleischten Körper seiner Feinde heim. In dieser Nacht sah Kenshin in seinen Träumen den weißen Mantel seines Meisters, der im Wind flatterte. Und er hörte seine eigene Stimme, die immer wieder verzweifelt „Shishou!“ rief, während die mächtige Gestalt ihm den Rücken kehrte und am Horizont immer kleiner wurde. Die nächsten Wochen schlief er so gut wie gar nicht. Doch das machte alles nur noch schlimmer. Jetzt begann er bereits am Tag, die Stimme seines Meisters zu hören. Ob er etwas aß, jemanden tötete oder sich danach wusch, immer begleitete ihn diese tiefe Stimme. „Mörder,“ wisperte sie, immer und immer wieder, ein beständiges Murmeln in seinem Kopf. „Mörder.“ Kenshin ignorierte diese Stimme, versuchte, alles zu ignorieren – auch den Gedanken, dass er jetzt vielleicht wirklich an den Grenzen dessen angelangt war, was er ertragen konnte. -- Eine warme Brise durchströmte am Tag des Setsubun-Festes die Stadt und viele Menschen waren auf den Beinen. Wie ein Geist war auch Kenshin unter ihnen, unauffällig aber doch alles beobachtend. Tagsüber ließ er sich oft von der Menge durch die Strassen treiben und mit dem Hut, das sein auffälliges Haar verdeckte, war er so gut wie unsichtbar. So konnte er seine Feinde schon zeitig auskundschaften, manchmal sogar schon im Hellen in einer Seitengasse zuschlagen – Nie wurde er bemerkt, immer war er sofort wieder ein unscheinbarer Teil der Menschenmenge. So auch an diesem Tag. Er war unterwegs, um seine neue Hakama abzuholen, die aus einem leichteren Stoff gewoben war als die des Winters. Auf dem Weg durch einen der Haupteinkaufsstrassen spürte Kenshin plötzlich in seinem Rücken eine so starke Präsenz, dass er fast zusammenzuckte. Was waren das für Kämpfer, die sich ihm näherten? Es mussten mindestens 10 oder 15 sein. War er entdeckt worden? Eilig duckte sich Kenshin in einen nahen Hauseingang, Hakama vergessen, Hand Millimeter vom Schwertgriff entfernt. Das Gedrängel auf der Strasse löste sich rasch auf, denn alle machten Platz für die herannahenden Männer. Kenshin sah ihre grün-türkisen Mäntel schon von weitem aufleuchten. „Shinsengumi,“ zischte jemand neben ihm. Kenshins Augen verengten sich, während er sich vergewisserte, dass seine Ki nichts von seiner plötzlichen Mordlust verriet und sein Schwert locker in der Scheide saß. Natürlich hätte er sich gleich denken können, dass diese Ansammlung von starken Kis nur die Shinsengumi sein konnten. Er beobachtete, wie die Kämpfer, die man auch die „Wölfe von Mibu“ nannte, an ihm vorüberzogen. Sie waren die Erzfeinde der Ishin Shishi. Gegründet mit dem einen Zweck: den Shogun und Kyoto vor der Rebellion der kaisertreuen Patrioten zu beschützen. Die Gruppe eilte vorüber, ins Gespräch vertieft. Nur ein Mann mit ziemlich schmalen Augen und langem schwarzen Haar, von dem ihm zwei widerspenstige Strähnen ins Gesicht hingen, fasste die Menschen am Strassenrand, unter ihnen Kenshin, kurz ins Auge. Sofort trat Kenshin einen weiteren Schritt zurück ins Dunkel des Hauses. Dieser Kämpfer gerade eben schien seine Anwesenheit irgendwie bemerkt zu haben. Zufall? Oder hatte dieser Mann ein äußerst feines Gespür? Kenshin war sich sicher, dass er diesem Shinsengumi-Anführer wohl früher oder später noch im Kampf begegnen würde. Etwas in ihm konnte es kaum erwarten, seine Kräfte mit dem Erzfeind zu messen – vielleicht sogar mit einem ebenbürtigen Gegner? Als die Bedrohung vorüber und in eine andere Seitengasse eingebogen war, strömten die Menschen wieder zurück auf die Strasse wie ein aufgescheuchter Ameisenhaufen. Kenshin merke, dass auch er den Atem angehalten hatte, versuchte, sich zu entspannen und mischte sich unter die Menschen. Er ließ sich von ihnen zum verabredeten Treffpunkt, einem Gemüsestand, treiben. Dort verharrte er regungslos wie das Gemüse und lauschte dem Durcheinanderplappern der Einkaufenden, die über die Shinsengumi diskutierten. Öfters als Bewunderung war Verachtung in den Stimmen zu hören. Die Shinsengumi waren berüchtigt. Als Elite-Kampfeinheit des Shoguns waren sie in großer Zahl nach Kyoto beordert worden, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Das taten sie auch, ohne Rücksicht auf Verluste. Ihr Motto lautete: Erst töten, dann fragen. Aku Soku Zan! Nicht selten kamen auch Unschuldige, die nur zur falschen Zeit am falschen Ort unterwegs waren, unter ihren Schwertern zu Fall. „Sieh sie dir an,“ sprach plötzlich Izuka, der von irgendwo her neben Kenshin am verabredeten Treffpunkt aufgetaucht war. „Laufen die Strasse runter, als ob sie der Shogun persönlich wären. Tss...“ Izuka spuckte verächtlich aus. Dann kramte er in seiner Tasche. „Heute Nacht.“ Kenshin spürte das vertraute Gewicht eines schwarzen Umschlags, den Izuka ihm in den Ärmel gleiten ließ. Langsam nickte er, seine kalten, blauen Augen zusammengekniffen und immer noch auf die Shinsengumi in der Ferne gerichtet. Er konnte sie nicht mehr sehen, aber ihre Präsenz war noch immer fühlbar. „Riechst du das auch?“ fragte Izuka neben ihm unvermittelt. „Scheint von diesem Mädchen zu kommen.“ Er deutete mit seinem schlechtrasierten Kinn in Richtung der anderen Straßenseite. Kenshin riss seine Gedanken von den Shinsengumi los und sah herüber zu einem Mädchen in einem weißen Kimono. Etwas in seinen Augen entspannte sich. „Hakubaiko.“ Das Wort war ausgesprochen, ehe er es seiner Zunge hatte verbieten können. Neben ihm kicherte Izuka überrascht. „Mit so was kennst du dich aus? Ich dachte, du bist nicht so der Typ für Frauen.“ Kenshin überhörte die Beleidigung. Er wusste, was die Männer über ihn tuschelten... Über sein offensichtlich etwas weibliches Aussehen und sein scheinbares Desinteresse an Frauen... Nur, weil es für ihn in seiner Position unmöglich, ja undenkbar war, ein normales Mädchen kennen zu lernen. Wann auch – während eines Mord-Auftrags?! Nur weil er keine Lust verspürte, von dem Geld, was er für das Töten bekam, im Gion-Viertel ein Mädchen zu kaufen? Wie konnte er auch? Bei jedem Mädchen, das mit zwanghaft verführerischem Lächeln hinter den Holzgittern auf Kunden wartete, sah er die Gesichter von Akane, Kasumi und Sakura... die Mädchen, die sich für ihn geopfert hatten, als die Banditen sie überfallen hatten. Wenn sie nicht dort auf dem Feld verblutet wären, dann wären sie in Kyoto an ein Bordell verkauft worden. Neben ihm ging Izuka lachend davon. Kenshin schüttelte schnell diese Erinnerungen ab. Er wusste nicht, warum er diesen Duft kannte, doch er erinnerte ihn an irgendwas lange vergangenes. Ganz dunkel meinte er vor seinem inneren Auge Pflaumenbäume zu sehen, unter denen er als Kind immer gespielt hatte, während seine Eltern auf dem Feld waren. Sein Blick schweifte wieder zu der Stelle, von der dieser Duft gekommen war – doch das Mädchen war verschwunden. Er blieb kurz stehen und atmete nochmals tief ein, aber ihr Duft war verschwunden oder wurde von dem Geruch des Gemüses neben ihm überdeckt. Ihr Gesicht jedoch stand ihm noch vor seinem inneren Auge. Sie war sehr hübsch gewesen... zart und rein... „Was denke ich mir bloß,“ schimpfte Kenshin mit sich selbst und packte unterstützend nach seinem Daisho. Er spürte die Rillen des Griffes unter seinen Fingern. Nie würde er mit diesen blutigen Händen jemand so reines wie dieses Mädchen berühren. Zeit, sich auf seinen nächsten Auftrag zu konzentrieren – nicht auf unwichtige Erinnerungen oder Frauen. Doch dieser Duft... warum nur fühlte er sich auf einmal so... warum fühlte er überhaupt?! Kenshin stürmte in die erste Kneipe, die am frühen Nachmittag natürlich noch leer war. Die Wirtin schenkte ihm zwar einen kritischen Blick, sah aber dann seine Schwerter und schenkte ihm ohne Fragen den gewünschten Sake aus. Er hob das Schälchen an die Lippen und kostete die Flüssigkeit, die lauwarm seinen Hals hinabrann. „Bitter...“ In der Flüssigkeit sah er sein blaues Auge und den roten Strich der immer wieder blutenden Narbe auf seiner linken Wange. Warum nur? Warum und woher kamen plötzlich wieder die ganzen Erinnerungen zu ihm zurück, die er doch so hartnäckig hatte verdrängen und vergessen wollen? Sake... im Geiste hörte er die Stimme von Hiko Seijuro. „Wenn dir der Sake bitter schmeckt, dann ist das ein Zeichen, dass etwas in dir nicht stimmt.“ Fast hätte Kenshin laut in sein Schälchen hineingelacht. Das etwas in ihm nicht stimmte, war noch untertrieben, dachte er sarkastisch.. „In“ ihm sah es aus wie auf einem chaotischen Schlachtfeld. „Eines Tages,“ hörte er wieder die tiefe Stimme seinen Shishous, „wirst du lernen, wie man Sake trinkt. Und wir werden gemeinsam den Geschmack genießen.“ Kenshin trank das Schälchen in einem Zug leer. Diese Worte seines Meisters würden nie mehr Realität werden, dafür hatte er selbst gesorgt. Es ging ihm nicht um Genuss, es ging ihm um Betäubung. Innerhalb kurzer Zeit hatte Kenshin die erste Flasche in sich hineingeschüttet. Er spürte die vertraute Wärme langsam in seinen Fußspitzen kribbeln. Noch ein paar Schälchen mehr und er wurde ruhiger. Seine Konzentration blieb scharf wie eh und je, aber die Erinnerungen und Stimmen, die ihn nun schon jede Stunde des Tages verfolgten, wurden schwächer, verschwammen zu einem hintergründigen Murmeln, etwas, dass man ignorieren konnte. Als die Nacht hereinbrach und die Kneipe sich füllte, saß Kenshin immer noch auf seinem Platz. Drei leere Flaschen hatte er im Laufe der Stunden getrunken. Jetzt erst fühlte er sich imstande, das, was in dem schwarzen Umschlag in seiner Tasche geschrieben stand, auch in die Tat umzusetzen. Sein Körper fühlte sich angenehm taub und leer an und er empfand nichts als er seine Hände wieder der Gewalt des Hitokiris übergab. Langsam stand er auf, bezahlte und steckte seine Schwerter in den Obi. Und wieder einmal tranken die Gassen frisches Blut. -- Nervös rieb Hioshi Shideki seine feuchten Handflächen aneinander. Als er endlich Schritte hörte, die sich seiner Tür näherten, schmierte er schnell den Schweiß seiner Unsicherheit an seine hellen Hakama. Sekunden später streckte er eine zwar noch zittrige, aber immerhin trockene Hand aus, um den eingetretenen Mann zu empfangen. „Hajimemashite, Hajime-san,“ begrüßte Hioshi den dunkelhaarigen Samurai ordnungsgemäß und verbeugte sich. „Nennt mich Saito, Hioshi-san,“ brummelte der Anführer der dritten Einheit der Shinsengumi und erwiderte die Verbeugung. „Wir sind beide auf der selben Stufe, was unseren Rang als Kommandeure angeht.“ „Arigatou, Saito-san.” Hioshi lächelte etwas verzerrt. „Wir unterscheiden uns nur in der Hinsicht, dass eure Einheit noch lebt und meine, bis auf mich selbst und zwei weitere Männer, ausgelöscht wurde.“ Saitos ohnehin schon düsteres Gesicht verdunkelte sich bei diesen Worten und mit einem ernsten Kopfnicken bedeutete er dem Unterkommandanten der Mimiwarigumi, neben ihm am Boden Platz zu nehmen. „Ihr kommt gleich zur Sache,“ begann Saito. „Das ist gut. Ich habe euren Bericht gelesen und habe einige Fragen.“ Hisohi nickte. „Soweit es mir möglich ist, will ich versuchen, alle Fragen ausreichend zu beantworten. Ich bin dankbar, dass sich überhaupt ein Kommandant der Shinsengumi bereiterklärt hat, mit mir-...“ „Kein Wort davon,“ unterbrach ihn Saito barsch. „Mimiwarigumi und Shinsengumi arbeiten nicht offiziell zusammen.“ Hioshi zog überrascht die Augenbrauen nach oben. „Natürlich weiß Kondo-san Bescheid,“ erklärte daraufhin Saito ungeduldig, während er mit seiner linken Hand in einem seiner Ärmel nach etwas suchte. „Kondo-san hat bereits mit eurem Anführer Tsukayama-san ausgehandelt, dass diese Attentäter-Geschichte nun dem Zuständigkeitsbereich der Shinsengumi übergeben wird. Eure Aufgabe besteht lediglich darin, uns Informationen zu übergeben...“ Er hielt kurz inne und sein Gesicht hellte sich auf, als er das, was er da in seinem Ärmel gesucht hatte, ans Tageslicht förderte. „Informationen über...“ Saitos Augen glitzerten rötlich im Schein des Streichholzes, mit dem er die Zigarette zwischen seinen Lippen entzündete. „...Battousai.“ Saito ließ den Namen ebenso genüsslich über seine Lippen strömen wie den silbrigen Rauch des Tabaks. Hioshi bekam eine Gänsehaut. Hier vor ihm saß ein Wolf, der die Witterung aufgenommen hatte. „So war das aber nicht ausgemacht, Saito-san,“ protestierte er halbherzig, von den hellbraunen Augen seines Gegenübers eingeschüchtert. Saito Hajime war nicht nur als Anführer der dritten Einheit der Shinsengumi bekannt und gefürchtet. Er war ein hervorragender Schwertkämpfer, berüchtigt für die kompromisslose Durchsetzung des Mottos: Aku Soku Zan! Und seinen dünnen Geduldsfaden. Hioshi schluckte. „Ich meine nur...“ „Ich verstehe eure Gefühle,“ schnitt ihm Saito das Wort ab und nahm erneut einen tiefen Zug. „Ihr wollt euch persönlich beteiligen. Eure gefallenen Kameraden rächen.“ „Hai!“ rief Hioshi laut, Zurückhaltung vergessen. Der Schmerz über all die Toten, die er in der schmutzigen Shinsakusen-Gasse hatte liegen sehen, die Grausamkeit der Tat... Er wollte Rache! Seine Stimme war nun ruhiger, aber bebte vor unterschwelligem Zorn. „Ich will dabei sein, wenn Hitokiri Battousai der Kopf abgeschlagen wird!“ Saito zog eine Augenbraue nach oben. Es war offensichtlich, dass Hioshi gerne selbst derjenige sein würde, der diesen Schwertstreich ausführte. „Es handelt sich also wirklich nur um eine Person? Ein einzelner Hitokiri ist für all diese Attentate verantwortlich? Kaum vorstellbar...“ Seine Stimme verlor sich und seine Augen starrten an Hioshi vorbei. „...Was für ein Schwertkämpfer muss dieser Hitokiri sein...“ Hioshi gefiel das merkwürdige Glitzern in Saitos Augen nicht, dass mehr an Kampfeslust als an Pflichtgefühl erinnerte. „Hai,“ antwortete er und begann, seinen schriftlichen Bericht, den er den Shinsengumi schon vor einigen Tagen überreicht hatte, mündlich in kurzen Worten zu wiederholen. „Eine Gruppe von Unterhändlern aus Aizu, die Aizu Munaishidai, hatten Verbindung zu uns aufgenommen. Ihr Anführer, Shinzo, war ein alter Freund von mir. Er schrieb mir per Eilpost, dass einer der Ishin Shishi, den er schon seit längerer Zeit unter Druck setzte, bereit war, einen wirklich dicken Fisch ans Messer zu liefern. Sein Name war, glaube ich, Daisuke...“ „Und dieser Ishin Shishi,“ hackte Saito nach, „gehörte zu dem engsten Kreis um Katsura Kogoro persönlich?“ „Wir nehmen es an.“ Hioshi zuckte mit den Schultern. „Shinzo schrieb nur, dass dieser dicke Fisch vermutlich der persönliche Hitokiri von Katsura Kogoro sei, verantwortlich für mehr als dreißig Attentate seit Ende Oktober...“ Der Mimiwarigumi-Hauptmann unterbrach sich und hustete, weil Saito ihm den Rauch seiner Zigarette direkt ins Gesicht geblasen hatte. „Oktober,“ murmelte er kaum hörbar und sah Hioshi direkt an. „Jetzt ist Februar. Er muss inzwischen an die hundert umgebracht haben.“ Beide Männer starrten einen Moment lang schweigend vor sich auf den Fußboden und ließen die Zahlen in sich einsickern. „Jedenfalls,“ fuhr Hioshi nach einiger Zeit mit rauer Stimme fort, „schrieb Shinzo noch, dass man diesen Hitokiri wohl unter den Ishin Shishi als Battousai bezeichnete.“ „Battousai...“ Wieder vermischte sich Saitos Stimme mit süßlichem Tabakgeruch. „Ein Name, der viel verspricht.“ „Und hält,“ ergänzte Hioshi missmutig. „Als ich bei Shinzo ankam, waren bereits alle tot, auch die Männer, die ich vorrausgeschickt hatte. Es waren dreizehn Menschen. Davon acht von mir persönlich ausgebildet. Jeder von ihnen war einer der Besten ihres Dojos.“ Unbeeindruckt schnipste Saito seinen Zigarettenstummel in den schon überquellenden Aschenbecher. „Weitere Anhaltspunkte? Ist Hitokiri Battousai wirklich der Attentäter im Dienste Katsura Kogoros? Oder einfach nur ein Wahnsinniger, der die Leute in Angst und Schrecken versetzt? Wie ich hörte, glauben sogar eure eigenen Männer, Hioshi-san, dass Battousai kein Mensch sondern ein Dämon ist.“ Hioshis Knöchel wurden weiß, als er seine Schwertscheide am Boden vor sich umklammerte. „Und wer mag es ihnen übel nehmen?“ rief er gereizt. „Ich will ja den Teufel nicht an die Wand malen, aber wenn das so weitergeht...“ „Fakten!“ herrschte ihn Saito aufgebracht an. „Ich will keinen Aberglauben, ich will Fakten!“ Hioshi sammelte sich einen Moment lang.. „Wir haben keinerlei Beweise,“ presste er dann schließlich zwischen seinen Lippen hervor. „Nichts, was diesen Vorfall mit den Ishin Shishi in Verbindung bringen könnte. Nur einen Haufen Toter und einen Keller voller Blut.“ „Der Verräter?“ fragte Saito ungeduldig weiter. „Vermutlich tot.“ Hioshi lockerte seine Finger. „Einige Strassen weiter wurde die Leiche eines Mannes gefunden, der in den Farben der Ishin Shishi gekleidet war. Er war auf die selbe Art und Weise getötet worden wie einer meiner Männer.“ „Wie?“ „Battoujutsu.“ Hioshi schluckte. „Er war so gut wie zerteilt.“ Saito schüttelte den Kopf und stand auf. „Ich fasse unsere Spekulationen zusammen: Die vielen Attentate, die das Bakufu seit den letzten Monaten so erzittern lassen, werden alle von einem Mann ausgeführt. Sein Deckname ist Hitokiri Battousai. Sein Motiv ist Tenchuu, die göttliche Gerechtigkeit. Sein Auftraggeber ist vermutlich Katsura Kogoro, Samurai aus Choshuu, ehemaliges Mitglied im kaiserlichen Rat, letztes Jahr ausgestoßen und in den Wiederstand abgetaucht. Anführer der Choshuu Ishin Shishi.“ Unruhig befingerte Saito seine zwei Schwerter. „Bevor wir irgendetwas unternehmen, muss ich deine Informationen noch bestätigen lassen. Denn auch das Bakufu hat seine Informanten bei den Ishin. Natürlich sind diese weitaus professioneller. Sie würden sich nie in Aussicht auf schnellen Gewinn so dumm verhalten und sich einbilden, einen gefährlichen Hitokiri allein einfangen zu können.“ Hioshi überhörte die unterschwellige Kritik. „Wir?“ fragte er statt dessen nach, erstaunt. Saitos schmale Augen wurden noch schmäler und sein Mund verzog sich zu so etwas wie einem gruseligen Lächeln. „Ja, uns. Ihr seid ein Kommandant und erfahrener Schwertkämpfer. Ich hätte nichts dagegen, wenn ihr euch mit den noch verbliebenen Männern eurer Einheit mit meiner Einheit zusammentut.“ Hioshis Augen leuchteten auf. „Saito-san, natürlich-...“ Saito hob den Zeigefinger. „Eine Bedingung: Die alleinige Befehlsgewalt bei diesem Unterfangen habe natürlich ich.“ Hioshi legte die Stirn kurz in Falten, nickte dann aber entschlossen und stand auf. „Abgemacht.“ Hioshi hatte sich gerade zum Gehen gewandt, als ihn Saitos Stimme ihn noch einmal zurückrief. „Hioshi-san?“ Er drehte sich um. Saitos Augen glühten unheimlich in dem schlecht beleuchteten Zimmer. Er hatte sich eine weitere Zigarette angezündet. „Hai?“ „Ich habe eine Bitte an euch.“ Hioshi inhalierte den süßlichen Tabakgeruch. „Sprecht.“ Saito drehte sich langsam zum verdunkelten Fenster um. „Einige der Mimiwarigumi werden doch auch bei Shinobi ausgebildet, oder nicht?“ Hioshi kniff die Augen zusammen. „Ja,“ antwortete er vorsichtig. „Einige Techniken der Ninja sind uns vertraut.“ „Ich habe gehört, ihr habt persönlichen Kontakt zu den... O-Niwabanshu?“ Hioshi blieb die Luft weg. Woher wusste Saito davon? Diese Bekanntschaft war ein Geheimnis, dass er wie seinen Augapfel hütete. Seine Verbindung zu diesen Ninja war streng geheim. Sie standen im alleinigen Auftrag der Tokugawa-Familie, des Shoguns persönlich. Saito drehte sich ruckartig um und starrte mit seinen hellbraunen Augen Hioshi an. Der Wolf hatte einen Plan gefasst. „Ich möchte, dass ihr euren alten Freund kontaktiert. Er soll euch seinen besten Attentäter zur Verfügung stellen. Alle weiteren Informationen besorge ich“. Der Shinsengumi-Anführer machte eine abwinkende Handbewegung. „Ihr könnte jetzt gehen, Hioshi-san.“ Wie zurückgestoßen taumelte Hioshi aus dem Zimmer. Hatte in Saito Hajime gerade dazu beauftragt, einen inoffiziellen Auftragskiller anzuheuern? Gegen einen ebenso inoffiziellen anderen Auftragskiller der Gegenseite? Noch dazu aus dem Clan der besten Ninja des Landes, einzig und allein dem Befehl des Shoguns persönlich unterstellt? Von Schweiß durchnässt eilte Hioshi zurück zu seinem Hauptquartier. Solche abgebrühten Methoden war er nicht gewohnt. Saito war wirklich ein Wolf... er hatte Blut geleckt und wollte die Beute in seine Fänge bekommen. Aber warum nur dazu einen Attentäter? Noch dazu einen Ninja? Warum erledigte Saito das nicht selbst? Viele Fragen kreisten in Hioshis Kopf, während er hastig eine kurze Notiz an das Bein einer Brieftaube band und den Vogel fliegen ließ. -- Wenn es überhaupt noch möglich war, dann schaffte es Kenshin, sich während des anbrechenden Frühlings noch zu steigern. Seine üblichen Eingangsworte, die Verkündung der göttlichen Gerechtigkeit, die Worte, dass er keinen persönlichen Groll gegen seine Opfer hegte – all das war überflüssig geworden. Er tötete jetzt so schnell, dass niemand mehr die Gelegenheit hatte, sich mit ihm ein (Wort-)Gefecht zu liefern. Bis auf den kleinen Augenblick, in dem Blutgeruch die Nachtluft schwängerte, blieben seine Feinde nur Namen in einem Umschlag. Er sah nicht in die Gesichter der Getöteten, blieb nicht einmal lange genug, um ihre Körper zu Boden fallen zu hören. Sie waren Namen, nur bedeutungslose Namen. Sie waren nicht real. Von der Brücke tropfte das Blut, die drei Männer, die er heute getötet hatte. Der volle Mond sah noch hin aber Kenshin nicht. Die Bäume begannen, grün zu werden und er lief am Rand des großen Kanals entlang schon wieder zurück zur Herberge. Kenshin wusste, dass er nicht lange die Einsamkeit seines kleinen Spaziergangs würde genießen können – der ihn immer verfolgende, schnurrbärtige Mann würde ihn sicher, nachdem er seine Arbeit begutachtet hatte, verfolgen und einholen. Minuten später geschah genau das. Schnelle Schritte, ein kurzer Ruf und Izuka schritt neben ihm das Wasser entlang. Kenshin hätte leicht verschwinden können, doch immerhin war Izuka sein Vorgesetzter... „Du bist gut,“ begann der Mann, diesmal ohne schiefes Grinsen sondern mit ungewohnt ernstem Gesicht, „aber in letzter Zeit bist du einfach unglaublich.“ „Was meinst du,“ fragte Kenshin, ohne seine Schritte zu verlangsamen. „Du gibst ihnen nicht einmal mehr die Gelegenheit zum Schreien. Du bist so schnell, dass man zweifelt, ob das noch natürlich ist. Du BIST wirklich Battousai.“ Kenshin lief ausdruckslos neben ihm her. Die Hand hielt er auf seine Wange gedrückt. Die Narbe war heute verheilt, doch gerade eben, in dem Moment, in dem er wieder getötet hatte, war sie erneut aufgerissen und blutete wieder heftig. Irritiert löste er seine Hand von der Wunde und schaute auf den dünnen, roten Strich in seiner Handfläche. Izuka trat mit ernstem Blick neben ihn. „Bist du abergläubisch?“ Langsam lösten sich Kenshins Augen von seiner Handfläche und fokusierten Izuka mit einem stechenden Blick. Doch dieser ließ sich nicht verunsichern. „Nun, man erzählt sich, dass eine Wunde, die durch großen Hass verursacht wurde, solange nicht verheilen kann, bis der Hass getilgt ist.“ Izuka zuckte mit den Schultern. „Es blutet solange weiter, bis derjenige, der sie verursacht hat, gerächt worden ist.“ „Gerächt?“ Kenshin schaute wieder zurück auf seine Hand. Das helle Mondlicht ließ sein Gesicht blass und ungesund erscheinen und enthüllte auch das Entsetzten, dass auf einmal in seinen Augen geschrieben stand. „Es ist nur ein Aberglaube.“ Izuka lächelte schief. „Natürlich.“ Kenshins Stimme war nur ein Flüstern, während er ins Leere starrte und versuchte, seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen. Er bemerkte gar nicht, wie Izuka sich mit schiefem Grinsen von ihm verabschiedete um etwas trinken zu gehen. Er stand nur da und spürte, wie sein warmes Blut ihm den Hals hinab rann. In dieser Nacht suchten ihn die Albträume heftiger als jemals zu vor heim. Als er nach wenigen Stunden schweißgebadet hochschrecke, die Hände fast schmerzhaft um das Schwert gekrampft, wusste er, dass er geschrieen hatte. Und dem salzigen Geschmack nach auch geweint. Er drückte seine Augen zu und rieb sich mit beiden Händen über die Schläfen, ein Versuch, die schrecklichen Bilder zu verscheuchen. Doch immer wieder sah er das verzerrte Gesicht des Mannes vor sich, der ihm diese blutende Narbe zugefügt hatte. Sah ihn sterbend am Boden liegen, nach etwas Unsichtbarem greifen... und etwas flüstern... „Rache...“ Kenshins Augen sprangen auf und sein Herz klopfte plötzlich schneller. Es war, als ob er plötzlich von Feinden umringt wäre, die ihn jeden Moment angreifen könnten. Er atmete tief ein und aus, versuchte sich zu beruhigen, vergewisserte sich, dass alles im Kohagiya so war, wie es sein musste... Und doch wurde er das Gefühl nicht los, dass irgendwo etwas Bedrohliches lauerte, regungslos und geduldig, bereit für den richtigen Augenblick. Wie als Bestätigung begann plötzlich aus seiner Wunde auf der Wange heftig Blut zu pulsieren. „Es blutet solange weiter, bis derjenige, der sie verursacht hat, gerächt worden ist.“ Kenshin schüttelte heftig den Kopf. „Es ist nur ein Aberglaube,“ murmelte er in sein leeres Zimmer. -- Nächstes Kapitel: Kenshin trifft erneut auf das Mädchen, das nach Hakubaikou riecht - allerdings läuft einiges anders, als er es sich vorgestellt hat... Wörter: Hajimemashite – Freut mich, sie zum ersten Mal kennen zu lernen Kyoto Shoshidai – Mitglieder des Gerichtshofs von Kyoto Takasugi Shinsaku – Anführer der Kihei-Tai, die Armee, die die Provinz Choshuu gegen das Shogunat aufstellt. Sumimasen – Entschuldigung Shinsengumi, Mimiwarigumi – Dem Bakufu unterstehende Spezialeinheiten. Aizu Munashidai – Einheit aus Aizu, die in Kyoto für das Shogunat kämpfte. Kondo Isami – oberster Anführer der Shinsengumi Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)