Methadon von Tattoo (Kyo x Kaoru x Ryo) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- ~2~ "Er hat WAS???" "Du hast es doch gehört." "Ja, aber das heißt noch lange nicht, dass ich es auch glauben kann!!" "Dann noch mal für dich zum mitschreiben: Er hat Schluss gemacht." "Aber... aber... du ohne Kyo, das wäre wie... wie Sushi ohne Reis!! Wie Misosuppe ohne Miso, wie Taiyaki ohne Füllung, wie-" "Es reicht, Totchi! Denkst du, dass du es damit besser machst?" unterbrach Die das entsetzte Kreischen ihres Bassisten, dessen Vorliebe für Vergleiche mit Gerichten mal wieder durchgekommen war, und schaute Kaoru dann mitleidig an. Der Leader saß neben ihm auf der Couch, war wie die anderen noch ganz verschwitzt von ihrem eben beendeten letzten Konzert der Tour, und bemühte sich darum, einen möglichst gelassenen Eindruck zu machen – was aber nur so lange funktionierte, bis der andere Gitarrist einen Arm um ihn legte und näher zu sich zog. Weinen konnte er nicht, weder jetzt noch während der letzten zwei Tage, denn dazu war er noch zu betäubt und obendrein verbot es ihm sein Stolz. Aber der lähmende Schmerz war da und fraß sich wie ein Parasit unaufhaltsam durch sein Inneres, und Kaoru gönnte sich einen Moment der Schwäche, indem er etwas in sich zusammensackte und seinen Kopf gegen Die's Schulter lehnte. Dieser strich ihm tröstend über den Arm. "Erzählst du uns, was Kyo gesagt hat, oder willst du lieber nicht darüber sprechen?" Auf die zögerlich gestellte Frage antwortete Kaoru zunächst nicht, stattdessen wanderte sein Blick langsam zu den Gesichtern seiner beiden anderen Bandkollegen, die ihnen gegenübersaßen. Toshiya, das emotionalste Mitglied Dir en grey's, war offensichtlich noch immer zutiefst schockiert über die Neuigkeit, und auch Shinya, der seine wahren Gefühle meist hinter einer ausdruckslosen Miene verbarg, starrte ihn fassungslos an. Immerhin waren Kyo und Kaoru bereits vor acht Jahren zusammengekommen, als sie noch unter dem Bandnamen La:Sadie's gespielt hatten, und es war kaum vorstellbar, dass sie nach so langer Zeit plötzlich nicht mehr Tisch und Bett teilen würden. Es war fast so, als ginge eine Ära zu Ende. Ganz ähnlich sah das auch Kaoru, und als ein leichtes Stupsen von Die's Hand ihn daran erinnerte, dass er diesem noch nicht geantwortet hatte, schloss er die Augen und schüttelte den Kopf. Er wollte nicht erzählen, was genau an diesem Tag gesagt worden war, konnte aber nicht verhindern, dass die Erinnerung daran ihn wieder einholte und unter sich begrub. ~flashback~ "Ich muss mit dir reden." Kyo's Blick war ernst, zu ernst für Kaoru's Geschmack, also stellte der Gitarrist seine Kaffeetasse ab und sah seinen Freund aufmerksam an, und das zum ersten Mal seit langer Zeit. 'Wie ironisch...' dachte Kyo in diesem Moment bitter, ließ sich dadurch aber nicht von seiner Entscheidung abbringen, hier und jetzt für klare Verhältnisse zu sorgen. Denn das war schon längst überfällig. "Du wirst bestimmt ziemlich überrascht sein, weil ich glaube, dass du dich vor der Realität und unseren Problemen verschließt, aber es geht leider nicht anders." Wie zu erwarten gewesen war, hatte Kaoru nicht die geringste Ahnung, wovon der Jüngere da sprach, das verriet sein irritierter Blick mehr als deutlich. Kyo seufzte innerlich, fühlte sich aber gleichzeitig in seiner Vermutung bestätigt, weshalb ihm die nächsten Worte nun auch nicht mehr ganz so schwer fielen. "Ich habe lange genug den Mund gehalten, aber es kann so einfach nicht mehr weitergehen. Ich will, dass wir uns trennen, Kaoru." Die absolute Stille, die daraufhin eintrat, war beängstigend. Kaoru hielt, ohne es zu merken, den Atem an, versuchte sich einzureden, dass er sich verhört hatte, und schüttelte ungläubig den Kopf. "Das... das hast du doch nicht wirklich gerade gesagt, nicht wahr?" Seine Hoffnung wurde allerdings sofort von Kyo zerstört, dessen Blick sich nicht verändert hatte. "Doch, ich habe es gesagt, und ich meine es auch so. Es ist aus." "Ja aber warum denn??" rief der Ältere da aufgebracht und starrte seinen Gegenüber mit weit aufgerissenen Augen an. "Ich versteh nur Bahnhof!! Was ist denn los?? Und welche Probleme sollen wir deiner Meinung nach haben?? Kannst du vielleicht mal Klartext reden??" Und obwohl Kyo sich vorgenommen hatte, ganz ruhig zu bleiben, so war er doch auch nur ein Mensch und – angesichts Kaoru's Blindheit und Ignoranz - zudem noch verletzt, weshalb sein Temperament nun ebenfalls etwas mit ihm durchging. "Ich... Ach Kao, sieh's endlich ein! Bei uns ist total die Luft raus, und das nicht erst seit gestern! Wir leben doch nur noch aus Gewohnheit zusammen, oder eher nebeneinander her, und wenigstens hat einer von uns den Mut, das mal laut auszusprechen! Denn so stelle ich mir keine Beziehung vor, du etwa?" Perplex blinzelte Kaoru ihn bei diesen Worten an, er konnte dem Sänger offenbar nicht ganz folgen. "Wie... wie kommst du darauf, dass bei uns die Luft raus ist?" Kyo widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen und sich mit der flachen Hand gegen die Stirn zu schlagen, und zwang sich stattdessen mit erstaunlicher Willensstärke wieder zu der Ruhe, die ihm kurz aus den Fingern geglitten war. "Der beste Beweis ist ja wohl der gestrige Tag, obwohl das leider bei weitem nicht der einzige ist. Denk mal drüber nach. Wir sind nach fünf Wochen endlich wieder hier, verbringen aber den Tag und die Nacht wie ein altes Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat. Wie oft hast du mich gestern wirklich angesehen, hm? Wie oft hast du darüber nachgedacht, was wir in den nächsten Wochen zusammen unternehmen könnten? Und wie oft hast du dich darüber gefreut, dass wir endlich wieder Zeit füreinander haben? Ich reiß mich wirklich nicht um die Rolle der nörgelnden Ehefrau, aber ich hab doch Recht, oder kannst du das Gegenteil behaupten?" "Also ist das Problem, dass du dich vernachlässigt fühlst?!" schlussfolgerte Kaoru da etwas überstürzt und beschwor erneut Kyo's Zorn herauf. "Was heißt denn hier FÜHLST? Ich WERDE vernachlässigt, und zwar weil du kein Interesse mehr an mir hast! Oder hast du gestern auch nur ein einziges Mal an Sex gedacht? Wir haben vor sieben Wochen das letzte Mal miteinander geschlafen, Kao, das sind fast zwei Monate! Und komm mir jetzt bloß nicht mit Sprüchen wie 'Ich mach es wieder gut und verspreche, jede Nacht mit dir zu schlafen', ich will nicht Sex haben um ruhig gestellt zu werden oder weil es wieder mal an der Zeit ist, sondern weil mein Partner mich wirklich begehrt!" Der Sänger hielt kurz inne um sich wieder zu beruhigen und seinen Freund über die eben gesagten Worte nachdenken zu lassen, dann fuhr er fort - und holte zum weitaus größeren Schlag aus. "Aber nein, das ist nicht das Problem, jedenfalls nicht das einzige. Du solltest besser zuhören, denn ich habe von Problemen gesprochen. Umgekehrt ist es nämlich genauso, und das hat mir diese Tour nur noch bestätigt. Wir hatten während der ganzen fünf Wochen überhaupt keine Gelegenheit, mal ungestört ein bisschen Zeit miteinander zu verbringen, aber das hat mir gar nichts ausgemacht. Verstehst du, was ich sage? Ich habe es nicht vermisst, mit dir zusammen zu sein! Und ich finde, das sagt ziemlich viel über unsere Beziehung aus." Gekränkt sah der Gitarrist den Jüngeren an, blickte dann hinunter auf seine ineinander verschränkten Hände und erwiderte leise "Nein, das sagt nur etwas über deine Gefühle für mich aus. Mit meinen Gefühlen für dich hat es rein gar nichts zu tun, die haben sich nämlich nicht verändert." "Dir das weiter einzureden ändert nichts an den Tatsachen, Kao. Wir haben das, was wir früher einmal füreinander empfanden, verloren. Und ich will mich, im Gegensatz zu dir, nicht verzweifelt an die Vergangenheit klammern. Die Zeit mit dir war sehr schön, und ich zähle sie auf jeden Fall zu der besten meines Lebens, aber jetzt ist sie vorbei. Je eher du das begreifst, desto besser ist es für dich, für mich, und auch für die Band." Kyo wusste, dass seine Worte hart und ziemlich gefühllos waren, aber die Situation ließ leider kein anderes Verhalten zu. Er musste Kaoru unmissverständlich klarmachen, dass er von seiner Entscheidung nicht abzubringen war, sonst würde der Gitarrist sich weiterhin Hoffnungen machen, und das wollte Kyo auf keinen Fall. Er liebte diesen Mann, mit dem er so viele Jahre zusammen gewesen war, zwar noch immer, aber eben nicht mehr so leidenschaftlich und bedingungslos wie damals. Ein Zustand, den zu verschweigen er nicht länger ertrug. Und der Sänger war felsenfest davon überzeugt, dass Kaoru, auch wenn er es abstritt, tief in seinem Inneren genauso oder zumindest ähnlich empfand. ~end flashback~ "Hat er dir denn wenigstens gesagt, warum er sich trennen will? Hat er etwa einen anderen?" Toshiya's Worte rissen den Gitarristen unvermittelt aus seinen trüben Gedanken und er blinzelte den Größeren irritiert an. "Was?" Geduldig wiederholte dieser seine Fragen und Kaoru nickte als Antwort auf die erste, was die anderen aber falsch deuteten. "Echt, er hat schon einen neuen?? Das kann ja wohl nicht wahr sein!! Weißt du auch, wen??" rief Toshiya empört und verwirrte seinen Leader damit erneut. "Wie? Was... Ach so, nein, das meinte ich damit nicht. Er hat nichts von einem anderen erzählt, und ich glaube auch nicht, dass es da jemanden gibt. Aber er hat mir seine Gründe genannt, und ich kann sie inzwischen auch nachvollziehen. Ich bin kein Opfer, eigentlich trage ich sogar die Hauptschuld an allem, also seid bitte nicht abweisend zu ihm. Er hat richtig gehandelt." Diese Einsicht hatte Kaoru viel Zeit und Mühe gekostet, und es nun laut auszusprechen fiel ihm ebenfalls nicht leicht, aber was sollte er denn sonst tun? Gegenargumente zu Kyo's Anschuldigungen waren ihm keine eingefallen, auch wenn er verzweifelt danach gesucht hatte, also war der Jüngere eindeutig im Recht. Und Kaoru musste seine Entscheidung akzeptieren, ob es ihm nun gefiel oder nicht. Und natürlich gefiel es ihm überhaupt nicht. Auch die anderen schienen von der Vorstellung, dass ihr Leader und Kyo von jetzt an nur noch Freunde waren, nicht besonders angetan, und tauschten fragende Blicke aus. Bis Shinya sich schließlich räusperte. "Und wo wohnt er jetzt?" Da starrte Kaoru mit gemischten Gefühlen auf den Boden und murmelte "Natürlich bei-" "Ich wohne bei Gara." Toshiya und Shinya drehten sich überrascht um, Die und Kaoru sahen auf. Mit langsamen Schritten schlenderte Kyo auf sie zu und ließ sich neben Kaoru auf der Couch nieder. Er war sofort nach ihrem Auftritt ans Telefon gerufen worden und kam deshalb erst jetzt – mit einem Handtuch über den schweißnassen Schultern - zu seinen Bandkollegen in die Garderobe. "Aber nur vorübergehend, ich suche mir bald etwas eigenes." fügte er seiner Antwort noch hinzu und sah Kaoru dann prüfend an. "Ich dachte wir hatten ausgemacht, es ihnen gemeinsam zu sagen." Darauf reagierte sein Ex-Freund zunächst nur mit einem Schulterzucken, er hatte keine Lust, sich zu rechtfertigen. Als Kyo's Blick aber immer eindringlicher wurde, gab er schließlich nach. "Was hätte ich denn machen sollen? Die hat mich gleich nach der Show gefragt, warum ich so deprimiert aussehe und ob was passiert sei, da konnte ich ihn ja wohl schlecht anlügen." Das war zwar eine eher schwache Begründung, denn Kaoru hätte in dieser Situation einfach sagen können, dass er darauf antworten würde, sobald Kyo auch anwesend war, aber der Sänger wollte keine Diskussion anfangen und beließ es bei einem Nicken. Während er nach seiner Phillip Morris Schachtel auf dem Tisch griff und sich anschließend eine Zigarette zwischen die Lippen schob und anzündete, waren die ganze Zeit drei Augenpaare auf ihn gerichtet, und dessen war er sich auch sehr wohl bewusst. Es war immerhin nicht gerade eine unbedeutende Kleinigkeit, die seine Bandmitglieder eben erfahren hatten, daher konnte er ihre Verwirrung gut verstehen. Aber sie würden sich daran gewöhnen... Toshiya war der erste, der nach einer Weile die Stille durchbrach. "Warum habt ihr uns das nicht schon gestern gesagt, sondern einen auf heile Welt gemacht?" schmollte der Bassist und sah plötzlich richtig beleidigt aus. Er war manchmal nicht unbedingt der Hellste, sonst hätte er sich diese Frage auch ganz leicht selbst beantworten können. Kaoru übernahm es, seinem Kollegen auf die Sprünge zu helfen. "Weil wir nicht wollten, dass unsere Neuigkeit euch von den beiden letzten Auftritten ablenkt. Wir hielten es einfach für klüger, zu warten bis die Tour vorbei ist, verstehst du?" Toshiya nickte langsam, sah aber trotzdem nicht viel glücklicher aus. "Ihr seid echt gute Schauspieler, habt euch gestern wirklich gar nichts anmerken lassen. Und heute auch kaum, bis auf Kao..." Er nahm Kyo und Kaoru ihr Schweigen offensichtlich noch immer etwas übel. "Lass gut sein, Totchi, es ist schließlich ganz allein ihre Sache, ob und wann sie uns davon erzählen." versuchte Die den Bassisten zu besänftigen, dann wandte er sich mit unsicherem Blick an Kyo. "Und das ist jetzt wirklich endgültig? Ich meine, ist es ausgeschlossen dass ihr wieder zusammen kommt, oder ist das hier eher so eine Art Auszeit?" Kaoru presste die Lippen aufeinander. Wenn es nach ihm ginge, dann wäre die zweite Variante der Fall, aber er wusste ja, dass Kyo das etwas anders sah. Dieser fuhr sich mit einer Hand durch die verschwitzten Haare, die beim gestrigen Konzert noch blond, heute dagegen schwarz gefärbt waren, und schüttelte den Kopf. "Nein, keine Auszeit. Ich-" Abrupt hielt er inne und sah von Die zu Kaoru, der noch immer an der Schulter des anderen Gitarristen lehnte. "Hast du ihnen erzählt, warum ich..." "Nein, ich habe nur gesagt, dass du deine guten Gründe hast, mehr nicht." beantwortete Kaoru die unvollständige Frage seines Ex-Freundes und richtete sich wieder etwas auf. Sein Blick veränderte sich dabei, der Moment der Schwäche war vorüber. "So, und jetzt wird es langsam Zeit, zu duschen und unseren Kram zu packen, wir haben hier lange genug rumgehockt." sprach der Leader und sah dann schmunzelnd in die Runde. "Oder habt ihr etwa keine Lust auf die After Show Party?" Shinya hob bei diesen unerwarteten Worten eine Augenbraue, sagte aber weiterhin nichts, das übernahm Die zwei Sekunden später für den Drummer. "Naja... wir eigentlich schon, aber bist du denn in der Stimmung für eine Party?" Da erschien ein Grinsen auf Kaoru's Gesicht, das nicht ganz so ungezwungen war wie es aussah. "Was, bloß weil ich nach acht Jahren plötzlich wieder Single bin? Ich hatte eigentlich nicht vor, mich deshalb für den Rest meines Lebens irgendwo zu verkriechen und in Selbstmitleid zu zerfließen, dafür bin ich mit meinen 30 Jahren auch noch viel zu jung! Life goes on, oder wie das heißt." Dass seine vier Kollegen diesen unbeschwerten Worten Glauben schenkten, konnte er nur hoffen, aber ihren skeptischen Blicken nach zu urteilen waren ihm seine Überzeugungsversuche anscheinend nicht so richtig geglückt. Kaoru verdrehte die Augen. "Jetzt kuckt nicht so, und wagt es ja nicht, mich in Zukunft mit Samthandschuhen anzufassen. Wir werden uns alle ganz schnell daran gewöhnt haben, und Kyo und ich sind immer noch sehr gute Freunde. Hab ich Recht?" fragte er an den Sänger gewandt und dieser nickte, wobei ein kleines Lächeln seine Mundwinkel noch oben zog. Kaoru nickte ebenfalls, stand dann wortlos auf und ging zur Tür der Garderobe. Dort angekommen drehte er sich mit einem Ruck um und warf den übrigen Mitgliedern Dir en grey's einen bitterbösen Blick zu, den sie nur allzu gut kannten. "Und jetzt macht mal ein bisschen Betrieb, sonst trete ich euch in eure faulen Ärsche." Noch ein schnelles Zwinkern, dann war der Leader um die Ecke verschwunden, und nach einem kurzen Schweigen machten sich auch die anderen auf den Weg zu den Duschräumen. **** Zwei Stunden später war Kaoru zu der Überzeugung gelangt, dass seine optimistischen Worte nicht viel mehr als heiße Luft gewesen waren, mit denen er sogar sich selbst kurzzeitig hatte täuschen können. Davon war nun allerdings nichts mehr übrig. Die After Show Party war in vollem Gange, alle Gäste amüsierten sich prächtig, und er war mitten unter ihnen und wünschte sich so weit weg wie möglich. Zwei Tage hatten ihm anscheinend doch nicht gereicht, um sich mit der neuen Situation abzufinden, auch wenn er sich alle Mühe gab, seinen Frust hinter einem falschen Lächeln zu verstecken. Kyo hatte mehr Zeit gehabt, sich an den Gedanken zu gewöhnen, und das merkte man auch; der Sänger plauderte angeregt mit befreundeten Musikern anderer Bands, trank, lachte und hatte ganz offensichtlich Spaß. Es war eigentlich alles wie immer, nur dass er nicht ständig neben Kaoru saß und ihm ab und zu einen Kuss stahl oder dem Gitarristen auf andere Art und Weise besondere Aufmerksamkeit schenkte. Aber Kyo ignorierte ihn nicht und ging ihm auch nicht aus dem Weg, sprach ganz ungezwungen mit Kaoru, prostete ihm zu und verhielt sich auch sonst vollkommen natürlich. Als würde ihm die Trennung gar nichts ausmachen. Dieser Gedanke wurde für Kaoru mit der Zeit immer unerträglicher, und gerade als er sich sicher war, dass der Abend auf keinen Fall noch beschissener werden konnte, tauchte ein verspäteter Gast auf und erhöhte die schlechte Laune des Gitarristen noch um ein Vielfaches. "Sorry, dass ich erst jetzt komme! Es gab einen kleinen Notfall und wir mussten deswegen alle länger als geplant im Studio bleiben." entschuldigte Gara sich mit dem Blick eines Unschuldslämmchens - wobei Kaoru fast die Galle hochkam - und setzte sich neben Kyo an ihren Tisch. Eigentlich waren es vier Tische, die man zusammengeschoben hatte damit mehr Leute daran Platz fanden, und es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Zur Zeit wurden sie von Kaoru, Kyo, Die, Daisuke von Kagerou und einigen enger befreundeten Roadies besetzt. Und nun eben auch von Gara, sehr zum Leidwesen eines gewissen Gitarristen. "Was war das denn für ein Notfall?" hakte Kyo sofort neugierig nach, während er eine Bierflasche vor seinen Freund und derzeitigen Mitbewohner auf den Tisch stellte. Aber der Sänger von Merry winkte mit einem kleinen Grinsen ab. "Ach, das war nicht weiter wild, erzähl ich dir später." 'Ja, später, wenn ihr zuhause seid.' fügte Kaoru noch in Gedanken hinzu und richtete seine Augen dann schnell auf das Glas Sake vor sich, damit niemandem sein mordlüsterner Blick auffiel. Da war sie wieder. Seine alte, verhasste Bekannte, die er vor fast acht Jahren kennengelernt und nach mehreren Wochen erfolgreich wieder abgeschüttelt hatte, feierte seit zwei Tagen ihr großes Comeback. Ihr Name: Eifersucht. Es war nicht einmal so, dass Kaoru Gara nicht leiden konnte, der Sänger war ihm durchaus sympathisch und eine äußerst angenehme Gesellschaft, aber das schreckte Madame Eifersucht nicht ab. Im Gegenteil, Gara war das gefundenes Fressen für sie, denn auch Kyo hatte sich dessen einnehmender Persönlichkeit nicht entziehen können und war schon seit der Zeit, als Gara noch als Roadie bei La:Sadie's geschuftet hatte, sehr gut mit ihm befreundet. Zu gut, wie Kaoru damals fand, aber Kyo hatte ihn nach etlichen unschönen Szenen und Streitgesprächen schließlich doch davon überzeugen können, dass zwischen ihm und Gara nichts lief. Aber damals war Kyo in einer Beziehung gewesen, jetzt konnte er wieder tun und lassen, was er wollte, und außerdem wohnte er bei dem anderen Sänger... schlief mit ihm unter einem Dach... vielleicht sogar im selben Zimmer... im selben Bett... Bilder von Kyo und Gara, sich in den Armen liegend und leidenschaftlich küssend, tauchten erst verschwommen, dann immer klarer in Kaoru's Vorstellung auf, quälten den Gitarristen und ließen ihn nicht mehr los, bis plötzlich jemand vor seinem Gesicht mit den Fingern schnippte und ihn schlagartig zurück in die Realität beförderte. Erleichtert blickte Kaoru auf und in das Gesicht seines Erlösers, der aber, wie er feststellen musste, gleichzeitig sein schlimmster Alptraum war. Es fiel Kaoru alles andere als leicht, Gara's Lächeln zu erwidern. "Ich hab mich schon gefragt, ob du mich den ganzen Abend ignorieren willst." meinte dieser und nahm einen Schluck von seinem Bier, ließ den Gitarristen dabei aber nicht aus den Augen. Kaoru warf einen flüchtigen Blick auf Kyo, der sich gerade mit Daisuke über irgendetwas köstlich amüsierte, sah dann zurück zu Gara und erwiderte "Ich war nur gerade in Gedanken." "Ich verstehe..." kam die sanfte Antwort des Sängers, der Kaoru's Blick gefolgt war, und er lehnte sich vor und sah den Älteren eindringlich an. "Aber glaub mir, du machst dir mal wieder viel zu viele Gedanken... genau wie früher..." Natürlich wusste Kaoru, worauf Gara anspielte, und er zuckte mit den Schultern und meinte betont gleichgültig, dass er jetzt sowieso nicht mehr das Recht dazu hatte. Sein Gegenüber starrte ihn noch einen Moment wortlos an, dann nickte er kurz und sein Blick wurde nachdenklich. "Das stimmt zwar, aber... Also ich möchte damit nicht respektlos klingen, Kaoru, wirklich nicht... aber nicht das Recht zu haben, etwas zu tun, hält die Menschen oft nicht davon ab, es trotzdem zu tun..." Gerade als Kaoru etwas auf diese vorsichtig geäußerten Worte erwidern wollte, ließ sich jemand nicht unbedingt leise und unauffällig direkt neben ihm auf einen Stuhl fallen und zog die Aufmerksamkeit der beiden auf sich. Besagter Störenfried stellte sich nämlich als ziemlich aufgekratzter Toshiya heraus, der Gara erst einmal freudig begrüßte und dann grinsend erzählte, dass er bis vor einer Minute mit einer unbekannten Schönheit getanzt hatte. "Und warum bringst du sie nicht her?" fragte Kaoru, der sehr froh über die plötzliche Unterbrechung durch den Bassisten war, woraufhin dessen Grinsen noch breiter wurde. "Sie sagt nur schnell ihren Freundinnen Bescheid, dass die heute ohne sie heimfahren werden. Ich bin auch nur hier, um mich zu verabschieden und euch noch einen schönen Abend zu wünschen." Er zwinkerte vielsagend und nun mussten auch Gara und Kaoru grinsen. "Ich nehme mal an, dass unser Abend nicht ganz so schön werden wird wie deiner, aber trotzdem danke." meinte Kaoru und stieß mit seinem Glas leicht gegen die Bierflasche in Toshiya's Hand. Auch Gara prostete dem Bassisten schmunzelnd zu, der seine Flasche in wenigen Zügen leerte und sich danach auch von den anderen, darunter Kyo und Daisuke, verabschiedete. Kaoru sah Toshiya noch so lange hinterher, bis dieser mit seiner neusten Eroberung den Klub verlassen hatte, dann wanderte sein Blick erneut zu Kyo, was dieser allerdings nicht bemerkte, da Gara gerade seine ungeteilte Aufmerksamkeit genoss. Die Laune des Gitarristen sank sofort wieder in den Keller, und ein leises Seufzen entwich seiner Kehle, um im Lärm aus Musik, Gesprächen und Gelächter unterzugehen. Lange betrachtete Kaoru das markante Gesicht seines Ex-Freundes, dann glitt sein Blick langsam über Kyo's Hals und die vertrauten Hände, mit denen der Jüngere sein Kinn stützte, hinunter zu dessen ärmellosen Shirt, das zwar die tätowierten Arme preisgab, den durchtrainierten Oberkörper des Sängers aber leider verbarg. Und Kaoru konnte sich in diesem Moment absolut nicht vorstellen, jemals mit einem anderen als Kyo einen schönen Abend zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)