Chihiros zweite Reise von Limikkin (Rückkehr nach Aburaya) ================================================================================ Kapitel 3: Ein Wiedersehen -------------------------- Als die kleine Dreiergruppe sich daran gemacht hatte, die Treppe hinaufzusteigen, hatte nur Kuroi ahnen können, WIE lange und beschwerlich der Aufstieg werden könnte, doch er schwieg. Minutenlang kletterten sie vorsichtig die morsch gewordenen Holzstufen hinauf, die man etwa einen Meter über den Felsen angebracht hatte, doch als sie diesen Teil endlich hinter sich gelassen hatten, konnten sie noch lange nicht aufatmen. Die Stufen die jetzt folgten, waren zwar intakt, doch zum Übel aller mit nassem Moos und Flechten übersät. „Mensch, Kuroi, hätten wir nicht doch besser den Zug genommen?“ Hei schien sichtlich enttäuscht, als er begann, gegen das Moos zu kämpfen. Er zog ein mürrisches Gesicht. „Du weißt ganz genau, dass wir nicht auffallen dürfen!“ Kurois Gesicht zeigte keine Wirkung, als er fortfuhr: „Und außerdem wird es ab dem nächsten Abschnitt der Treppe besser.“ Diese Worte brachten seinen kleinen Begleiter wieder zum Schweigen. „Stein!“ Heis Ausruf ließ Chihiro, die hinter ihm ging, zusammenzucken. Ihr Kumpel hatte kurz an ihrem gemeinsamen Führer Kuroi vorbei geschaut und war von der Entdeckung sehr begeistert. „Da oben geht die Treppe in Stein weiter, heißt das, es wird einfacher für uns?“ Kuroi nickte, trat auf die erste steinerne Stufe und drehte sich mit feierlich erhobenen Armen zu ihnen um. „Ab hier, meine Lieben, beginnt der insgesamt einfachste Teil eurer Reise!“ Hei und Chihiro schluckten, bevor sie sich daran machten, die restliche Treppe hochzusteigen. Das dies der einfachste Teil werden sollte, hatten sie eigentlich nicht erwartet und es flößte ihnen Angst vor der weiteren Reise ein. Sie hatten den Ausgang der Treppe jetzt fast erreicht. Noch zehn Meter trennten sie von dem Punkt, an dem die Felswände und die Felsendecke zurückgingen und der strahlend blaue Himmel zum Vorschein kam. Begeistert traten Hei und Chihiro an Kuroi vorbei auf eine kleine Wiesenfläche hinaus, die von blühenden Hecken umzäunt war. Chihiro drehte sich zu der Treppe um und blickte überrascht auf eine menschengroße Katzenstatue, deren Pfote wie zum Gruß erhoben war und so aussah, als könnte sie sich des nachts geringfügig bewegen. „In dieser Statue versteckt befindet sich der Eingang zum Tunnel“, erklärte Kuroi der verwirrten Chihiro und schob gleich noch ein paar Informationen nach: „Die Katze und die Wand haben denselben Effekt. Wenn man von der Oberfläche hinab in den Tunnel will, stürzt man in die Finsternis und beim umgekehrten Weg steht man plötzlich einer Treppe gegenüber! All dies bewirkt die schwarze Magie im Tunnel.“ Er lächelte sanft und legte Chihiro eine Hand auf die Schulter. „Aber für dich habe ich etwas, das viel interessanter ist!“ Kuroi führte seine zwei Schützlinge durch ein wahres Labyrinth an Hecken aller Art. Viele Sorten hatten Chihiro und Hei noch nie gesehen und so kamen sie aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das einzige, das Chihiro ablenkte, war ihre Furcht vor Yubaba und so blickte sie immer wieder zurück zu dem Badehaus, dass weit hinter ihnen herrisch in den Himmel ragte. Zu Chihiros Glück entfernten sie sich von diesem Ort der Betriebsamkeit, der tagsüber ziemlich ausgestorben wirkte. Das Mädchen war noch völlig in ihren Erinnerungen versunken, als plötzlich die Hecken und Büsche wichen und einer großen, umzäunten Wiese Platz machten. Genau im Zentrum der Wiese stand ein altes Bauernhaus, das scheinbar völlig neu renoviert worden war. „Willkommen daheim“, meinte Kuroi mit einem schelmischen Grinsen und öffnete das Holzgatter. Keine Sekunde später war er von Tieren aller Art umringt, die ihn stürmisch begrüßten und die beiden Fremden misstrauisch begutachteten. Hei und Chihiro starrten sich verdutzt an. Von der Ruhe des Heckenlabyrinths ohne Übergang in mit dem erhöhten Geräuschpegel dieses Mini-Zoos konfrontiert zu werden, schockierte sie. All dem setzte dann allerdings ein langer, bläulicher-silberner Drache die Krone auf, als er sich aus heiterem Himmel direkt vor Chihiro niederließ und ihr in die Augen sah. Die Welt schien zu verstummen. Die Zeit stand still. Minutenlang blickten sich die beiden an, beobachtet von Hei, Kuroi und den Tieren. Chihiro versank in den Augen ihres Gegenübers. Der Drache versank in ihren Augen. Sie durchlebten jeden Moment, den sie zusammen durchgestanden hatten. Außerdem schien es, als würden sie sich zugleich alles erzählen, was seit ihrer Trennung passiert war. Hei wollte etwas sagen, um das Schweigen zu durchdringen, als sich Chihiro aus ihrer Starre löste und sich dem Drachen um den langen Hals warf. „Kohaku!“ Ihre Stimme schallte über die Wiese, dann ließ sich die tiefe Stimme des Drachen vernehmen. „Chihiro!“ Vor Hei spielte sich ein Schauspiel ab, das er niemals wieder würde vergessen können: die Verwandlung des Drachen in seine menschliche Gestalt. Die Luft begann zu flimmern und zu surren. In den Hecken sangen Vögel, von denen man vorher keinen Ton gehört hatte und auf der Wiese erhob sich ein lautes Konzert der Grillen. Auf einmal ging vom Inneren des Drachen ein Leuchten aus, das die Schuppen vom Körper löste und zu Boden fallen ließ, wo sie in viele kleine Einzelteile zerfielen und vom Winde weggetragen wurden. Überall glitzerte es. Dann schrumpfte die imposante Gestalt des Drachen und zurück blieb ein Junge, der Erhabenheit und Würde ausstrahlte. Seine dunklen Augen leuchteten mit einem fast unnatürliche Glanz und sein pechschwarzes Haar reichte ihm bis unter die Schulterblätter. Er hatte sich einen silbernen Kimono angelegt, der seinen Körper umfloß wie Wasser. Da Chihiro ihn noch immer umarmte, fiel Hei sofort auf, dass der Junge einen ganzen Kopf größer war als das Mädchen. Der Drachenjunge, der als Kohaku angesprochen worden war, packte Chihiro jetzt sanft an der Hüfte und hob sie hoch. „Ich habe dich vermisst!“ Das Innere des kleinen Bauernhauses war behaglich eingerichtet und trotz Renovierung auf alt getrimmt. Der Eingangsbereich wirkte dunkel, da es dort keine Fenster gab und nur ein magisches Licht den Raum erhellte. Von dem Raum aus konnte man die Küche und das Wohnzimmer betreten oder über eine kleine Treppe mit weinrotem Teppich in den ersten Stock gelangen. Kuroi führte seine Gäste ins Wohnzimmer, wo eine großes Sofa sowie eine Eckbank mit Tisch stand. Kohaku verschwand in der Küche, die eine Verbindung mit dem Wohnzimmer aufwies und kam mit Getränken zurück. Wasser und heißen Tee konnte er anbieten. „Schön habt ihr es hier“,staunte Chihiro, als sie sich auf der Eckbank niederließ und den Raum betrachtete. Durch ein Fenster konnte man in einen kleinen Hinterhof blicken, den man von der Vorderseite des Hauses nicht sehen konnte. Darin befanden sich ein paar Hühner, die auf dem Boden nach Essen suchten. Mittlerweile hatten sich auch die anderen zu Chihiro gesetzt und jeder hatte sich etwas zu Trinken genommen. Hei lächelte verträumt. „Hier könnte ich bleiben. Alles wirkt so idyllisch und ruhig.“ Er seufzte. „Wenn nur Sakura hier wäre!“ Chihiro legte ihm einen Arm über die Schulter, um ihn zu trösten. „Mit Kohaku an unserer Seite werden wir es sicher schaffen, sie zu finden!“ Kohaku nickte ihr von der anderen Seite des Tisches zu, während er bedächtig an seinem Tee nippte. Seine Augen blitzten im hellen Licht der Mittagssonne, die zum Fenster herein schien. „Wir werden sie ganz sicher finden! Kuroi hat mich nicht umsonst in den magischen Künsten unterwiesen...Was er ,nebenbei bemerkt, viel besser macht als eine gewisse Yubaba!“ Er grinste und ließ seine Zähne sehen, die von einem erstaunlich reinen weiß waren. „Apropos..was macht die alte Hexe eigentlich?“, fragte Chihiro interessiert. Kuroi antwortete anstelle von Kohaku. „Ihr Badehaus läuft noch genauso gut wie früher und sie schikaniert auch immer noch ihre Angestellten. Geldgierig ist sie auch noch...aber mittlerweile widmet sie sich wenigstens besser ihrem Sohn. Seit er gehen kann und einen eigenen Willen entwickelt hat, sieht man ihn immer öfter außerhalb des Hauses seiner Mutter!“ Chihiro lächelte, da sie diese Nachricht erfreute. „Ich wüsste schon zu gerne, wer sein Vater ist!“ Kohaku lachte. „Das werden wir wohl niemals erfahren!“ Hei schwieg. Innerlich wünschte er sich, er könnte mitsprechen und sich mit den drei amüsieren. Es tat ihm im Herzen weh, dass es an Chihiro eine Seite gab, die er und Sakura nicht kannten. Diese Seite wollte er jetzt kennenlernen. Er wandte sich an die beiden magischen Wesen. „Was macht man eigentlich so beruflich, wenn man hier lebt?“ Kohaku und Kuroi wandten ihre Gesichter einander zu und nickten. „Wir werden es dir gerne erzählen...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)