Gegen alle Konventionen von Satnel ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Titel: Gegen alle Konventionen Teil: 1/ (?) Autor: Satnel Email: Hanaru@sms.at Genre: original, shonen ai, romantik Disclaimer: Wenn es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Orten oder Ereignissen gibt, ist das reiner Zufall und nicht beabsichtigt. „Nein!“ Hilflos, sah der braunhaarige Junge auf die aufgebrachte Menge. Seine blauen Augen sahen sich hilfesuchend um, doch keiner der Leute machte Anstalten auch nur auf ihn zu reagieren. Sie alle sahen ihn zwar neugierig an und betrachteten ihn wie ein seltenes Tier, doch helfen würde ihm keiner von ihnen. Sie alle dachten doch, dass er keinen freien Willen hatte, dass er vom Teufel manipuliert wurde. Doch das stimmte nicht, er war noch nie so klar bei Verstand gewesen, wie in der letzten Zeit. Selbst wenn er vom Teufel kontrolliert wurde, was machte das schon, schließlich verdankte er ihm dann die schönsten Momente seines Lebens. Verzweifelt versuchte er sich loszureißen. „Haltet ihn gut fest. Er darf sich nicht befreien.“ Verletzt sah der Junge zu seinem Vater, der gerade diesen Befehl gegeben hatte. Sein Vater, der Dorfvorsteher, der gerade dabei war sein Leben zu zerstören. Flehend versuchte er noch einmal das drohende Unheil abzuwenden. „Vater bitte. Tu das nicht… es ist Unrecht was du hier machst. Ihn trifft keine Schuld, nur mich!“ Sein Vater fuhr wütend zu ihm herum. „Sei still Andre! Aus dir spricht der Teufel, aber keine Angst, das wird nicht mehr lange der Fall sein.“ Andre zuckte unter den strengen Worten seines Vater zusammen, doch irgendetwas musste er doch machen, sonst …. Sein Blick richtete sich auf den Scheiterhaufen in der Mitte des Dorfplatzes. Nein, daran wollte er nicht denken. Der Dorfpriester trat zu seinem Vater. „Wir sollten anfangen, bevor noch mehr Leute vom Teufel besessen werden. Außerdem werden wir so die Seuche los.“ „Seid ihr euch da sicher?“ Fragend sah sein Vater den Dorfpriester an. „Bestimmt. Es ist Gottes Wille.“ Rasch bekreuzigte sich der Priester. „Nein, er lügt! Bitte, Julian ist kein schlechter Mensch.“ Tränen rannen über die Wangen des Jungen, während er noch immer versuchte sich loszureißen. „Fangt an.“ Einen mitfühlenden Blick auf seinen Sohn werfend, gab er zwei Wachen ein Zeichen. Diese verschwanden im Gefängnis, vor dem sie bis eben Wache gehalten hatten. Als sie wieder herauskamen, befand sich zwischen ihnen ein schwarzhaariger Junge. Grob hatten sie ihn an den Armen gepackt und zerrten ihn auf den Scheiterhaufen zu. Weitere Wachen versuchten die aufgebrachte Menge zurückzuhalten, was gar nicht so leicht war. Andre konnte nicht glauben, dass diese Menschen, seine Nachbarn und Freunde zu solchem Hass fähig waren. Trotzdem hatten sie sich innerhalb eines Augenblicks in einen grölenden und kreischenden Mob verwandelt. Sie warfen mit verfaulten Lebensmitteln und Dreck nach dem Jungen zwischen den Wachen. Natürlich nur dann, wenn sie nicht gerade dabei waren ihn zu beschimpfen. Worte wie Hexer oder Teufel waren da noch die Harmlosesten. Andre zerriss es fast das Herz, ihn da zwischen den Wachen zu sehen. Immer näher kamen sie dem Scheiterhaufen und obwohl er wusste, dass er ihm nicht helfen konnte, egal was er machte, durfte er es nicht so einfach hinnehmen. „Julian! Nein!“ Es war unmöglich, dass er ihn gehört hatte, aber in genau diesem Moment hob Julian den Blick und sah ihn an. Ein liebevolles Lächeln legte sich auf seine Lippen und der Blick seiner grünen Augen bohrte sich in den seinen. Ein Gefühl tiefer Zuneigung erfüllte Andre und die Erinnerungen an ihre erste Zeit kamen hoch. Vor einem Jahr, als er gerade seinen fünfzehnten Geburtstag hinter sich hatte, zog eine neue Familie in ihr Dorf. Sie bestand nur aus einer Frau mit ihrem Sohn. Andre hatte sie nie gesehen und auch die anderen Dorfbewohner mieden die Hütte im Wald, in der sie sich angesiedelt hatten. Es ging das Gerücht um, dass die Frau eine Hexe wäre und der Sohn das Kind eines Hexers. Man sprach nicht viel über sie und kam nicht in ihre Nähe, zumindest nicht öffentlich. „Du traust dich doch nicht.“ Vier Jugendliche saßen am Ufer eines Flusses und warfen Steine hinein. „Natürlich trau ich mich.“ Der Jüngste von Ihnen, ein gerade mal zehnjähriger, blonder Junge, stand hinter ihnen und stemmte die Arme in die Hüfte. „Das glaub ich dir nicht, außerdem bist du sowieso noch viel zu klein für die Mutprobe.“ Ein rothaariger Junge nahm einen weiteren Stein vom Boden auf und warf ihn in den Fluss. „Das bin ich nicht!“ Wütend stampfte der Blondhaarige mit einem Fuß auf. „Lass ihn doch Ken. Wenn er unbedingt will, abbringen können wir ihn sowieso nicht davon.“ Nachdenklich musterte der Rothaarige den Jungen und wand sich dann zu dem, der soeben gesprochen hatte. „Wahrscheinlich hast du Recht Andre.“ „Hat er nicht. Meine Mutter versohlt mir den Hintern, wenn Sam was passiert.“ Entschlossen sah der Letzte unter ihnen, ein ebenfalls blonder Junge, den Jüngsten an. „Man hat es nicht leicht als großer Bruder, was?“ Ken schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Aber ich will die Mutprobe machen.“ Sam schniefte und Tränen rannen über seine Wangen. „Hey, nicht doch.“ Andre stand auf und legte Sam eine Hand auf die Schulter. „Weißt du was, ich helfe dir bei deiner Mutprobe. Das geht doch sicher.“ Er sah seine Freunde beschwörend an. Wenn Sam einmal anfing zu weinen, dann hörte er so schnell nicht mehr auf. Warum Ken die Sache mit der Mutprobe überhaupt zur Sprache gebracht hatte, wusste er sowieso nicht. Wahrscheinlich sowieso nur um Sam zu ärgern. „Von mir aus.“ Überrascht sahen die Drei zu dem bis jetzt schweigenden Jungen. „Lasst ihn doch, wenn Andre dabei ist passiert wenigstens nichts Schlimmes.“ Freudig schrie Sam auf und umarmte den Schwarzhaarigen stürmisch. „Danke Aaron.“ Damit war es schon so gut wie beschlossene Sache. Obwohl Ken sich oft als Anführer der Gruppe aufspielte, hatte Aaron bei allem das letzte Wort. Was er sagte galt, schließlich hatte er schon oft bewiesen, dass er das Zeug zum Anführer hatte. Wehmütig betrachtete Andre Aaron, der sich gerade mit Sam balgte. Das war bestimmt der Sohn, den sein Vater sich wünschte. Verantwortungsbewusst, beliebt und immer in der Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Alles Eigenschaften, die ihm laut den Aussagen seines Vaters fehlten. Nachdenklich legte Ken den Kopf schief. „Was wäre denn eine würdige Aufgabe für euch Zwei? Ich weiß. Ihr werdet zum Hexenhaus gehen und als Beweis dafür, dass ihr dort wart werdet ihr eines ihrer Mittelchen stehlen.“ „Zum Hexenhaus! Spinnst du?“ Jack, Sams Bruder, funkelte Ken wütend an. „Das ist viel zu gefährlich, egal wie alt er ist. Zum Schluss verflucht sie ihn noch und wenn nicht sie, dann ihr dämonischer Sohn.“ „Ich mach es.“ Trotzig starrte Sam seinen Bruder an. „Das wirst du sicher nicht!“ „Doch!“ Sam stampfte abermals mit dem Fuß auf den Boden auf. Schweigend sah Andre dem Streit, der sich gerade zwischen den beiden Geschwistern entwickelte, zu. Das war jedes Mal das Gleiche, so dass er es gar nicht mehr richtig wahrnahm. Viel mehr beschäftigte ihn im Moment die Mutprobe, die Ken ihm gestellt hatte. Denn es war eine Mutprobe für ihn, Sam war nur ein perfekter Vorwand dafür. Das Hexenhaus war eine Hütte im Wald, wo eine Frau mit ihrem Sohn wohnte. Schon seit sie hierher gezogen war, ging das Gerücht um, das sie eine Hexe war. Angeblich praktizierte sie schwarze Magie und ihr Sohn war das Kind eines schwarzen Magiers. Obwohl Andre nicht viel auf solche Gerüchte gab, beunruhigten sie ihn schon ein bisschen. „Selbst wenn sie keine Hexe ist, weißt du nicht, wie Diebe bestraft werden? Ich würde meinem Bruder nur ungern am Pranger sehen.“ Ken lachte belustigt. „Glaubst du wirklich, sie lässt Sam an den Pranger stellen? Ihr glaubt doch keiner.“ „Ich werde auf jeden Fall gehen. Jetzt sofort.“ Damit wand sich Sam um und stürmte in den Wald hinein. „Super. Vielen Dank auch.“ Andre starrte seine Freunde wütend an und lief Sam nach. Auch wenn Sam nicht sein Bruder war, mochte er ihn, wie wenn es sein eigener wäre. „Sam! Warte doch, ich will dir nur helfen!“ Wenn der Blondhaarige seine Rufe hörte, reagierte er nicht darauf. Fluchend beschleunigte er sein Tempo, etwas das er bestimmt nicht lange durchhalten würde, aber er musste den Jüngeren erreichen, bevor er etwas Unüberlegtes machte. Trotz seiner Anstrengungen erreichte er ihn erst, als dieser langsamer wurde. Schnell atmend blieb er neben ihm stehen und versuchte seine Atmung zu normalisieren. Sam hingegen ging langsam weiter, seine Umgebung unbehaglich musternd. „Wir sind hier doch richtig, oder?“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Andre sah fragend auf und nahm seine Umgebung zum ersten Mal richtig wahr. Ohne es zu bemerken, war er in die Nähe des Hauses gekommen. „Ja, sind wir.“ Seine Stimme war ebenso leise wie Sams. Sam sah über einen Busch und zuckte erschrocken zurück. Verschreckt kauerte er sich hinter den Busch. „Da ist sie.“ Andre kam vorsichtig zu ihm, darauf achtend, ja in Bodennähe und lautlos zu sein. Vorsichtig lugte er über den Busch. Dort stand die Hütte, seine beiden Bewohner waren gerade dabei einen Trog voller Wäsche Richtung Fluss zu schleppen. Komisch, sie sahen eigentlich gar nicht so außergewöhnlich aus. Eher, wie jeder andere Dorfbewohner. Andre sah ihnen nach, bis er sie nicht mehr erkennen konnte. Sacht stieß er Sam an. „Es geht jetzt. Wir haben sogar großes Glück.“ Sam sah ihn verängstigt an. „Kannst du nicht …?“ In seinen blauen Augen glimmte ein Funken Hoffnung auf. Seufzend nickte Andre. Es war ihm sowieso lieber, wenn Sam hier blieb und sich nicht in Gefahr begab. Jack würde ihm wer weiß was antun, wenn Sam etwas passierte. „Na gut. Du bleibst hier und rührst dich nicht von der Stelle. Wenn sie zurückkommen, gibst du mir ein Zeichen und haust danach ab. Verstanden?“ Sam nickte zögernd. „Ja.“ Zufrieden über die Antwort des Jüngeren, schlich sich Andre zum Haus. Vielleicht waren die zwei keine Hexer, doch er wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Ihm war nicht wirklich wohl dabei, egal ob es das Haus einer Hexe war oder nicht, er tat hier etwas Unrechtes und Gott würde das sicher nicht gutheißen. Immer wieder warf er einen Blick zurück, so als wolle er sich versichern, dass Sam auch bestimmt Wache hielt. Nicht, das er ihm im Ernstfall wirklich helfen konnte, doch es war beruhigend zu wissen, das er nicht alleine war. Endlich erreichte er die Hütte und drückte sich gegen die Häuserwand. Er fühlte sich wie ein Dieb und im Grunde war er ja auch einer. Vorsichtig spähte er durch eines der Fenster, doch viel gab es nicht zu sehen. Es sah eigentlich wie ein ganz normaler Wohnraum aus. Ein Tisch, zwei Stühle, eine Feuerstelle in der noch Reste vom letzten Feuer glimmten, Regale in denen sich Gebrauchsgegenstände türmten und zwei Türen, die zu anderen Räumen führten. Eigentlich nicht anders als bei ihm daheim, außer das es bei ihnen etwas sauberer und teurer aussah. Sich nun deutlich beeilend, trat er zur Haustür, schob sie auf und schlüpfte in Innere. Dort verharrte er einen Moment unschlüssig. Wo sollte er jetzt eines ihrer Mittelchen finden? Wer weiß, vielleicht benutzte sie ja gar keine Mixturen sondern nur Zaubersprüche, was sollte er dann mitnehmen? Er wusste genau, dass Ken höchstwahrscheinlich nichts anderes gelten lassen würde. Rasch durchsuchte er die einzelnen Regale, doch alles was er fand, waren Lebensmittel und einige Kräuter. Das dauerte jetzt eindeutig schon zulange. Auch wenn es nach einer ganzen Menge Wäsche ausgesehen hatte, die die Hexe und ihr Sohn zum Fluss geschleppt hatten, würde es nicht mehr lange dauern, bis sie zurückkamen. Vielleicht fand er ja in einem anderen Raum etwas. Ein Blick hinter eine der Türen, zeigte allerdings nur einen spartanisch aussehenden Schlafraum. Im hinteren Teil des Raumes stand eine Leiter, die wahrscheinlich zum Dachboden führte. Allerdings verspürte Andre keine Lust, auch diesen zu erkunden. Fragend sah er zu der zweiten Tür und zuckte die Schultern. Jetzt war es auch schon egal, eine Sünde hatte er schon begangen, verschlimmern konnte er es jetzt auch nicht mehr. Die zweite Tür aufschiebend, betrachtete er den Raum der dahinter lag. Also stimmten die Gerüchte doch. Denn das, was Andre hier sah, kam den Beschreibungen einer Hexenküche am nächsten. In der Mitte des Raumes hing, über einer weiteren Feuerstelle, ein großer Kessel. An der linken und rechten Seite standen Tische, auf denen allerlei Kräuter und Pflanzen lagen. Was ihn allerdings am meisten interessierte, war das Regal, das auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes war. Dort standen verschiedene Bücher und jede Menge Phiolen, die wahrscheinlich die Zaubertränke enthielten. Rasch durchquerte er den Raum und öffnete eine der Phiolen. Kritisch roch er daran. Wenn er schon etwas stahl, dann wollte er auch sicher sein, dass es nicht irgendein Öl oder Saft war. Dafür lohnte sich diese ganze Aktion nicht. „Darf man fragen, was du hier machst?“ Erschrocken fuhr Andre herum, die Phiole entglitt seinen Fingern und zerschellte am Boden. In der Tür stand ein Junge, dem Aussehen nach nicht viel älter als er selbst. Seine schwarzen Haare waren, ebenso wie seine Kleidung feucht und er sah aus, als hätte er mit seinen Sachen ein Bad genommen. Trotzdem minderte das in keinster Weise die Angst, die in Andre aufstieg, als er den Jungen sah. Er schluckte kurz. „Nichts.“ Warum klang seine Stimme auf einmal wie die eines kleinen Mädchens? Sein Vater würde ihn schlagen, wenn er ihn jetzt sehen könnte. Er konnte dessen herablassende Worte schon jetzt in seinem Kopf hören. „Das sieht man.“ Der Junge kam langsam auf ihn zu. „Für mich siehst du aus wie ein Dieb.“ Nachdenklich betrachtete er Andre. Unwillkürlich wich Andre zurück. Der Junge flösste ihm Angst ein. Er konnte den Grund dafür nicht genau benennen, aber was immer es war, es verfehlte seine Wirkung auf ihn nicht. „Ich habe nichts gestohlen.“ „Noch nicht.“ Der Schwarzhaarige nickte bestätigend. „Ich kenne dich, du bist der Sohn des Dorfvorstehers.“ Andre erbleichte. Wenn er ihn kannte, dann wusste er auch seinen Namen. Das bedeutete, dass er ihn verfluchen konnte, wenn er wollte. „Demnach kannst du kein Dieb sein. Allerdings bringt mich das dann wieder zu der Frage, was du hier machst.“ Er warf der zerbrochenen Phiole einen kurzen Blick zu, bevor er wieder Andre anblickte. „Willst du es mir beantworten?“ Er konnte ihm doch nicht sagen, dass er wegen einer Mutprobe hier war. Das war kindisch und vor diesem Jungen wollte er sich auf keinen Fall blamieren. Er wollte sich vor niemanden blamieren. Trotzdem hatte er jetzt ein anderes Problem, als seine Würde. Angestrengt dachte er darüber nach, was er sagen konnte, damit es glaubwürdig klang. Da er keine Antwort bekam, sprach der Junge einfach weiter. „Lass mich raten. Wahrscheinlich war es pure Neugier.“ Lächelnd schüttelte der Junge den Kopf. „Du und die Dorfbewohner sind schon komisch. Einerseits habt ihr Angst vor uns, andererseits scheinen wir euch zu faszinieren.“ Er seufzte tief. „Willst du mir nicht wenigstens einmal deinen Namen sagen?“ „Warum?“ Andre wollte ihm nicht seinen Namen sagen, damit gab er ihm Macht über sich. Zumindest, wenn er den Geschichten der Alten Glauben schenkte. Der unbekannte Junge lächelte dämonisch. „Damit ich dich verfluchen kann.“ Als er Andres verängstigtes Gesicht sah, lachte er schallend los. „Natürlich, weil ich dich kennen lernen will.“ „Mich kennen lernen?“ Ungläubig sah Andre den Anderen an. Warum sollte der Junge ihn kennen lernen wollen? War er nicht der Sohn der Hexe? Demnach müsste er ihm gegenüber doch feindlich eingestellt sein. Bestätigend nickte sein Gegenüber. „Was spricht dagegen? Es verirren sich nicht viele Jugendliche hierher, ich nutze nur die Gelegenheit.“ Sein Lächeln zeigte deutlich, das er ganz genau den Grund wusste, warum alle ihre Hütte mieden. „Außerdem kannst du dann vor allen angeben, dass du mit dem Hexensohn gesprochen hast.“ Na ja, ob er damit angeben konnte, würde sich noch zeigen, schließlich war er noch nicht daheim. Selbst wenn er heimkam, wenn sein Vater jemals mitbekam wo er heute war, hing sein Leben an einem seidenen Faden. Er war ja schon wütend, weil er statt zu studieren, lieber mit seinen Freunden spielte. Was hatte er schon zu verlieren, wenn er dem Anderen seinen Namen sagte. Sein Leben war doch sowieso schon fremdbestimmt, also konnte der Hexensohn ruhig seinen Namen und damit auch die Macht über ihn bekommen. „Mein Name ist Andre.“ „Na bitte. Und hat es wehgetan? Mein Name ist übrigens Julian.“ Er lächelte ihn freundlich an. Andre schüttelte verlegen den Kopf. Julian war eigentlich gar kein so ungewöhnlicher Name, eher ziemlich normal. Er hatte etwas ungewöhnliches erwartet, irgendetwas nicht so alltägliches. Das Lächeln auf Julians Lippen wurde spöttisch. „Was? Bist du enttäuscht, dass es so ein einfacher Name ist? Wer weiß, vielleicht ist es auch nur Tarnung um unser dämonisches Wesen zu verbergen.“ Er lies seine Worte einen Moment wirken, bevor er belustigt den Kopf schüttelte. „Man ihr Dorfbewohner seid wirklich leichtgläubig. Na komm, aus Mutters Kräuterzimmer. Den Dreck mach ich nachher weg.“ Er deutete auf die Scherben zu Andres Füßen. Erst jetzt wurde sich Andre, des Schadens bewusst, das Glas war bestimmt nicht billig gewesen. Glas war nie billig. „Verzeih, deswegen.“ Julian winkte nur ab. „Ist nicht schlimm. Es war kein wichtiges Mittel. Meine Mutter kann jederzeit ein neues machen.“ „Mittel?“ War darin wirklich eines ihrer Zauberelixiere enthalten gewesen? Dann hatte er doch das Richtige in der Hand gehabt. Zögernd folgte Andre dem Jungen aus dem Raum. Julian verwirrte ihn, er war ganz anders, als er es gehört hatte. Ständig sagte er Sachen, die die Gerüchte über ihn bestätigten, nur um einen Moment später darüber zu lachen. Machten ihm die Gerüchte über ihn und seine Mutter gar nichts aus? Also er könnte nicht damit leben, wenn ihn alle verteufelten und mieden. Er hasste es, alleine zu sein. Doch Julian schien das alles eher zu belustigen und deswegen faszinierte er ihn. „Ja, es war nichts weltbewegendes, nur ein Mittel gegen Übelkeit.“ Julian machte nur eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. „Aha.“ Andre fasste seinen ganzen Mut zusammen, um ihn einfach nach dem Grund für sein Verhalten zu fragen. „Warum machst du so leichtfertig Scherze über die Gerüchte, die um euch kursieren? Damit bestätigst du das Gerede der Leute nur.“ Andre konnte es nicht verstehen. Er war darauf erzogen worden, auf die Reaktionen und Worte der Anderen zu hören, um sofort regieren zu können. Für ihn war die Meinung der anderen Dorfbewohner sehr wichtig. Vor allem im Bezug auf ihn. Kritik an ihm, nahm er sich sehr zu Herzen und versuchte den Ansprüchen der Anderen gerecht zu werden. „Weil ich nicht glaube, das die Gerüchte aufhören würden, wenn wir uns verändern. Wir wurden schon immer beschimpft, das war dort wo wir herkommen nicht anders. Es ist nun einmal so, dass wir uns sehr gut mit Pflanzen auskennen. Dieses Wissen nicht zu nützen, wäre blöd und unverantwortlich. Denn egal wie sehr man uns auch verfluchen mag, wenn es eine Krankheit gibt, braucht man meistens unsere Mittel.“ Lächelnd sah er zu Andre. „Allerdings scheinst du auch nicht viel auf die Gerüchte zu geben, immerhin bist du noch hier. Vielleicht bist du anders als die Anderen.“ Dieses scheinbar belanglose Kommentar erschreckte Andre. „Ich bin sicher nicht anders. Es ist spät, ich muss gehen.“ Seine Worte waren leise, kaum hörbar. Rasch wand er sich zur Tür um und floh regelrecht aus der Hütte. Schwach hörte er Julians Stimme hinter sich, doch reagierte er nicht darauf. Unbewusst den Weg zum Dorf einschlagend, rannte Andre durch den Wald. Nach einiger Zeit erreichte er die Hauptstraße, die sich durch den Wald zog und ihr Dorf mit einem der Nachbardörfer verband. Es war Frühling, so dass zur Zeit nicht viele Händler unterwegs waren. Meistens kamen sie im Sommer oder Herbst, wenn die Ernte eingebracht war, da es dann etwas zum tauschen gab. Schnaufend blieb er stehen und versuchte wieder zu Atem zu kommen. In seinem Kopf schwirrten noch immer die Worte des Anderen herum. Er war nicht anders als die Anderen, er durfte nicht anders sein. Es war seine Aufgabe so normal wie möglich zu sein, damit die anderen Dorfbewohner in akzeptierten und als zukünftiges Oberhaupt annahmen. Etwas ruhiger geworden, folgte er der Straße Richtung Dorf. Vielleicht traf er ja einen der Bauern, der ihn begleitete. Allein kamen ihm die Wege so lang vor. Doch bevor er noch eines der Felder erreichte, sah er schon vier vertraute Gestalten auf sich zukommen. Als er ihn erkannte, schrie Sam freudig auf und kam zu ihm gelaufen. Andre lächelte leicht und breitete die Arme aus, um ihn zu umarmen. Das war etwas worauf man sich bei dem Jungen immer verlassen konnte. Noch bevor er ihn richtig erreicht hatte, sprudelten die Worte nur so aus dem Jüngeren. „Es tut mir leid Andre. So leid, wirklich.“ Sich heftig in Andres Arme werfend, fing er an zu weinen. „Ich wollte dich nicht zurücklassen, aber ich hatte Angst. Warum hast du nicht auf mein Zeichen reagiert? Es tut mir so leid.“ „Sch.“ Beruhigend strich Andre ihm über den Kopf. „Es ist nicht deine Schuld.“ „Genau, Schuld hat nur dieser Blödmann hier.“ Jack schlug Ken auf den Hinterkopf. „Au! Sag mal spinnst du?“ Ken rieb sich die Stelle, an der Jack ihn getroffen hatte. „Aaron hat auch zugestimmt, aber ihn schlägst du nicht.“ Jack verschränkte die Arme vor der Brust und sah Ken wütend an. „Ja, weil er nicht mit dieser hirnverbrannten Idee angefangen hat. Andre hätte wer weiß was passieren können.“ Die beiden Streithähne nicht beachtend, kam Aaron zu ihm und musterte ihn kritisch. „Ist wirklich alles okay?“ Andre nickte nur stumm. Unter Aarons Blick fühlte er sich etwas unwohl. „Es ist nichts passiert wirklich.“ Er lächelte schwach und versuchte sich sanft aus Sams Umarmung zu befreien. „Gott sei Dank, ist dir nichts passiert. Sam ist heulend zu uns gekommen, da mussten wir natürlich einmal nachsehen.“ Jack grinste frech, doch merkte man ihm seine Erleichterung deutlich an. Überrascht sah Andre auf Sam hinunter. „Das hast du gemacht? Danke.“ Aaron sah stirnrunzelnd zur Sonne. „Wir sollten schön langsam zurück, sonst bekommt ihr wieder Ärger.“ Pflichtschuldig nickten alle zustimmend. Jeder von ihnen hatte noch Pflichten, die er erfüllen musste. Sam und Jack mussten sicher noch etwas auf dem Hof arbeiten, Ken noch die Pferde versorgen, die im Stall seines Vaters untergebracht waren und er noch einige Gesetze lernen. Aaron hatte keinerlei Pflichten zumindest keine, die er nicht schon erfüllt hätte. Er war von ihnen immer als Erster damit fertig. „Also dann. Aaron hat Recht, wenn ich mich noch mehr verspäte, wird mein Vater wieder wütend.“ Sam sanft von sich lösend, winkte Andre seinen Freunden noch einmal zu und lief dann den restlichen Weg zum Dorf. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Titel: Gegen alle Konventionen Teil: 2/(?) Autor: Satnel Email: Hanaru@sms.at Genre: original, shonen ai, romantik Disclaimer: Wenn es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Orten oder Ereignissen gibt, ist das reiner Zufall und nicht beabsichtigt. Müde streifte Andre durch die Wälder. Eigentlich müsste er in seinem Zimmer irgendwelche Texte wälzen, doch dazu hatte er überhaupt keine Lust. Wenn sein Vater mitbekam, dass er sich wieder herum trieb, anstatt zu lernen würde es wieder Schläge geben. Doch Andre war sich sicher, dass sein Rücken nicht noch mehr schmerzen konnte, als er es jetzt schon tat. Dabei wusste er nicht einmal, was er gestern falsch gemacht hatte. Im Grunde war es auch egal, wenn sein Vater glaubte, dass er sich nicht genug anstrengte, schlug er ihn. Da tat es nichts zur Sache, was wieder falsch gewesen war. So war es schon immer gewesen. Seufzend lehnte sich Andre gegen einen der Baumstämme, darauf achtend, keine schmerzende Stelle zu berühren. Ob er seine Mutter auch geschlagen hatte? Andre wusste es nicht, da sie bei seiner Geburt gestorben war, doch dieser Gedanke war unwahrscheinlich. Sein Vater war nicht gewalttätig, zumindest nicht Anderen gegenüber. Ein leises Summen lies ihn aufhorchen. Es war ungewöhnlich hier jemanden zu treffen, vor allem zu dieser Jahreszeit. Es war weder Jagdsaison, noch gab es irgendwelche Früchte, die reif waren. Wer also ging freiwillig in den Wald, der nicht alleine sein wollte? Etwas, das dieser Jemand nicht sein wollte, dafür war sein Summen viel zu fröhlich. Als das Geräusch näher kam, wich Andre hinter einige Büsche in seiner Umgebung zurück. Trotzdem war er neugierig und beobachtete die Umgebung aufmerksam. Einige Momente später trat Julian aus dem Dicklicht heraus. Summend ging er zu einer Stelle, einige Meter von seiner Position entfernt. Dort kniete sich der Junge hin und begann, irgendwelche Kräuter zu pflücken, welche konnte Andre nicht bestimmen. Seine Großmutter hatte versucht, ihm die geläufigsten Kräuter zu erklären, doch Andre war schon immer der Meinung gewesen, das dafür eher Mädchen zuständig waren. Etwas wobei ihm sein Vater zugestimmt hatte. Seit ihrem ersten Zusammentreffen war schon fast eine Woche vergangen, seitdem hatte er öfter an ihn gedacht. Natürlich nur, weil er Angst hatte nun doch verflucht zu sein, doch nichts war passiert. Vielleicht war er wirklich kein Hexer, oder das gehörte alles zu seinem Plan um sein Vertrauen zu erschleichen. Nun, er wollte es nicht unbedingt herausfinden. Langsam wich er zurück, darauf bedacht, von dem Anderen nicht gesehen zu werden. Ein Unterfangen, das bei diesem Dicklicht fast undurchführbar war. Andre schaffte es trotzdem einigermaßen, bis er mit seinem Fuß auf einen kleinen Steinhaufen stieg. Mit einem Geräusch, das in Andres Ohren wie ein Erdrutsch klang, rollten die Steine über den Boden. Julian drehte sich überrascht um und musterte das Gebüsch durchdringend. Andre wagte es nicht zu atmen. Vielleicht glaubte Julian ja, dass der Auslöser für dieses Geräusch ein Tier gewesen war. Doch dieser stand auf und ging, so als hätte er nichts zu befürchten, geradewegs auf ihn zu. Hastig wich Andre auf Händen und Füßen vor dem Anderen zurück. Die Geräusche, die dabei entstanden konnte nun wirklich kein Tier mehr erzeugen. Das schien auch Julian zu bemerken, weswegen er stehen blieb und misstrauisch auf das Gebüsch sah. „Ist da wer? Wenn ja, sollte er sich lieber zeigen, bevor ich etwas mache, das ich später bereuen könnte.“ Was meinte er bloß damit? Er hatte doch gesagt, dass er und seine Mutter keine Hexer waren, also würde er ihn wohl kaum verhexen können. Obwohl, wenn Andre so zurückdachte, hatte Julian das nicht wirklich so gesagt. Bis jetzt war er sich eigentlich noch nicht sicher, was von ihrem letzten Gespräch wahr und was gelogen war. Es war wohl das sicherste, wenn er jetzt nachgab. Mühsam richtete er sich auf, die Zähne zusammenbeißend, als einige Äste über seinen Rücken strichen. „Ich bin es nur.“ Überrascht sah Julian ihn an, bevor er belustigt zu grinsen anfing. „Schon wieder du. Andre stimmts? Sag mal spionierst du mir nach?“ Er wand sich wieder um und ging zu seinem Korb zurück, wo er seelenruhig weiter seine Kräuter zusammensuchte. „Nein, natürlich nicht.“ Ungeschickt kämpfte sich Andre aus dem Gebüsch hervor. Innerlich verfluchte er die ganzen kleinen Äste, die ihm zuvor zwar einen guten Schutz geboten hatten, ihn aber nun deutlich behinderten. Als er sich darin versteckt hatte, waren sie ihm nicht so dicht vorgekommen. Sich den Staub abklopfend, sah er wieder zu Julian. Dieser war inzwischen aufgestanden und hatte den Korb wieder aufgenommen. „Wirklich nicht?“ Er lächelte nun wissend, mit einigen Schritten überwand er den Abstand zwischen ihnen und stand nun direkt vor Andre. Seine grünen Augen blickten ihn eindringlich an. „Das bringt mich natürlich zu der Frage, was du dann hier tust.“ Unbehaglich sah Andre den Jungen vor sich an. Dessen Nähe war ihm irgendwie unangenehm, nicht weil er ihn nicht mochte. Sondern eher, weil er ihn nicht einschätzen konnte. Andre wusste nicht, wann Julian etwas ernst meinte und wann nicht. Vor allem seinen Blick gerade konnte er nicht einordnen, was wollte er von ihm? „Ich wollte nur alleine sein. Sonst nichts.“ Julian hingegen sah ihn nur stumm an und hob eine Hand, die er Richtung Andres Kopf bewegte. Überrascht und etwas ängstlich wich Andre zurück. Bis jetzt hatten sie sich noch nicht berührt und ehrlich gesagt war dem Braunhaarigen bei dieser Vorstellung auch nicht wohl. Doch Julian berührte nur seine Haare und als er die Hand wieder zurückzog, hielt der darin einen Ast, der sich anscheinend in Andres Haaren verfangen hatte. Sein Lächeln hatte nun etwas spöttisches. „Sehr mutig von dir. Schließlich weiß man ja nie, wer oder was sich in den Wäldern herumtreibt.“ Sich wieder von Andre abwendend, folgte er einem, scheinbar nur für ihn sichtbaren Weg, in den Wald hinein. Das durfte doch nicht wahr sein, warum war Julian immer der Sieger bei ihren Wortgefechten? Automatisch folgte Andre dem Schwarzhaarigen, seine Furcht vor ihm dabei ganz vergessend. „So wie Hexern?“ Seine Stimme hatte einen deutlich provozierenden Klang. Julian zuckte nur beiläufig mit den Schultern. „So wie Hexern, ja.“ Amüsiert warf er einen Blick über die Schulter zu ihm zurück. „Wieso rennst du mir eigentlich nach? Hast du nicht Angst vor mir?“ „Sollte ich? Laut dir seid ihr ja keine Hexer, sondern nur normale Menschen.“ Er versuchte seine Stimme so entschlossen wie möglich klingen zu lassen. Andre hatte zwar Angst vor Julian und seiner Mutter, doch das würde er dem Anderen gegenüber niemals zugeben. „Da hast du was falsch verstanden. Ich habe zwar gesagt, wir sind keine Hexer, doch ich habe nie behauptet, dass wir normal sind.“ Auf Julians Lippen lag ein gefährliches Grinsen. Abrupt blieb Andre stehen. Was sollte diese Anspielung schon wieder? Waren sie nun normale Menschen, oder standen sie mit irgendwelchen dunklen Mächten in Verbindung? Warum konnte Julian sich nicht klar ausdrücken. Es würde ihn interessieren, ob er immer so war oder nur fremden Menschen gegenüber. „Wie meinst du das?“ „So wie ich es sage.“ Julian blieb stehen und wand sich nun vollends zu ihm um. Sein Gesicht hatte einen ungewöhnlich ernsten Ausdruck angenommen. „Wir sind nicht so wie ihr, also in euren Augen nicht normal. Wir wollen uns nicht an Regeln und Normen binden, also sind wir für euch böse. Doch was für euch am Schlimmsten ist, dass wir über besonderes Wissen und Verständnis für die Natur verfügen, dessen Ursprung ihr nicht verstehen könnt und deswegen habt ihr Angst vor uns.“ Andre wollte schon automatisch widersprechen, bevor er einmal darüber nachdachte. Er konnte nicht für die anderen Dorfbewohner sprechen, doch hatte er nicht aus genau diesen Gründen die Hütte und deren Bewohner gemieden? „Du musst nicht antworten. Ich kann die Antwort auf deinem Gesicht lesen.“ Julian schüttelte traurig den Kopf. „Wahrscheinlich würde ich an deiner Stelle genauso denken.“ Er bedachte Andre mit einem enttäuschten Blick. „Ich dachte du wärst anders, aber scheinbar liegt dir viel zu viel daran, wie alle Anderen zu sein.“ „Natürlich liegt mir viel daran. Was bringt es mir, wenn ich anders bin und von allen gemieden, ja sogar verteufelt werde?“ Andre erstaunte es selbst, wie vehement er dieses Argument hervorbrachte. Warum nur ärgerte es ihn so, wenn Julian meinte, dass er wie alle Anderen war? Ihm konnte es doch egal sein, was ein Ausgestoßener von ihm hielt wichtig war nur, was seine Freunde von ihm hielten. „Was bringt es dir wie sie zu sein?“ Ruhig sah ihm Julian in die Augen. In seiner Stimme war keine Emotion zu erkennen, es war nur eine sachlich gestellte Frage. Im ersten Moment fehlten Andre wirklich die Worte. Darüber hatte er eigentlich noch nie ernsthaft nachgedacht. Es gab viele Gründe warum er wie die Anderen sein musste, doch welchen Nutzen zog er daraus? Alle Argumente, die er kannte kamen ihm mit einemmal so sinnlos vor. Jeder seiner Gründe förderte eine neue Frage zu Tage, deren Antwort nur noch mehr Fragen aufwarf. Hilflos versuchte er trotzdem darauf zu antworten. „Weil … weil … ich…“ Resigniert schüttelte er den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Andres Stimme klang traurig, ja sogar verzweifelt. Julian nickte verstehend. „Das dachte ich mir. Lass mich dir eine andere Frage stellen. Warum läufst du mir nach, wo ich doch deine ganze Welt ins wanken bringe?“ Diese Frage war einfacher zu beantworten. „Weil ….“ Andre stockte abermals. Ja warum eigentlich? Er konnte ja schlecht zugeben, das Julian ihn faszinierte oder zumindest das wofür er stand. Dieser Junge ihm gegenüber war das genaue Gegenteil von ihm und das zog ihn an. Im Gegensatz zu ihm, dem braven, folgsamen Jungen, der unbedingt dazugehören wollte, schien ihm die Meinung der Anderen egal zu sein. Julian war das, was er nie sein würde. „Na gut.“ Julian wand sich um und setzte seinen Weg fort. Andre sah ihm erschrocken nach. So wollte er diese Begegnung nicht enden lassen, das kam ihm so falsch vor. Es war doch egal wie lächerlich dieser Grund war, Hauptsache Julian redete wieder mit ihm. „Weil du mein genaues Gegenteil bist! Und weil du mich deswegen faszinierst.“ Den ersten Satz hatte noch geschrieen, damit Julian ihn ja auch hörte, während er den zweiten Satz wieder in normaler Lautstärke gesagt hatte. Bei seinem rufen war Julian stehen geblieben, doch er drehte sich nicht um. Stattdessen machte er Anstalten weiterzugehen. Enttäuscht sah Andre ihn an. Anscheinend war das der falsche Grund gewesen und er hatte sich unnötig blamiert. Nach wie Schritten blieb Julian wieder stehen und drehte sich zu ihm um. „Was stehst du dort wie angewurzelt? Komm schon mit.“ Erfreut nickend folgte er Julian lächelnd. Die Hütte sah noch genauso aus wie beim ersten Mal. Nur das diesmal eine Frau am Herd stand und in einem Kessel, der über dem Feuer hängte umrührte. Julian ging unbekümmert zum Tisch und stellte dort seinen Korb ab. Andre hingegen blieb wie erstarrt in der Tür stehen. Das war bestimmt Julians Mutter, die Hexe. Warum hatte nur keinen Gedanken daran verschwendet, dass er sie hier treffen konnte. Schließlich war Julian ihn Sohn. Julians Mutter hingegen sah ihn nur stirnrunzelnd an. „Besuch?“ „Ja. Das ist Andre. Ich hab ihn im Wald getroffen, er war es auch der letztens hier war.“ Julian sah bei diesen Worten seine Mutter nicht an, sondern Andre, dem er ein belustigtes Lächeln schenkte. „Leider glaubt er das Gerede der Dorfbewohner.“ „Ach so.“ Die Frau legte den Kochlöffel zur Seite und musterte Andre aufmerksam. Andre fühlte sich unbehaglich unter diesem Blick, es war genau wie das erste Mal bei Julian. Er fühlte sich irgendwie durchleuchtet, so als könnte sie all seine schmutzigen Geheimnisse aufdecken. Mal davon abgesehen, dass es da nicht viel aufzudecken gab. Nach einigen Augenblicken, die Andre wie Stunden vorgekommen waren, lächelte sie und kam auf ihn zu. „Nun ich kann mit ruhigen Gewissen sagen, dass es nur Gerüchte sind. Zumindest hab ich hier noch nie jemanden auf einem Besen reiten sehen. Oder Julian?“ Julian grinste. „Ich auch nicht. Du benutzt ihn sowieso nur, wenn du hinter mir her bist.“ Sie wand sich zu ihrem Sohn um. „Mit Recht.“ Freundlich lächelnd streckte sie Andre eine Hand hin. Sie überließ ihm die Entscheidung, ob er sie ergriff. „Mein Name ist Elizabeth.“ Unsicher die ihm hingestreckte Hand betrachtend, gab sich Andre schließlich einen Ruck und ergriff sie zögernd. „Ich bin Andre.“ „Das sagte ich doch schon.“ Julian schüttelte nachsichtig den Kopf und begann seinen Korb auszuräumen. „Entschuldige bitte meinen Sohn. Ich war bei seiner Erziehung anscheinend etwas zu nachlässig.“ Sie lies Andres Hand los und ging wieder zum Herd. „Ich weiß gar nicht von wem du diese Charaktereigenschaften hast.“ Liebevoll lächelnd sah Julian seine Mutter an. „Nur von dir liebste Mutter. Nur von dir.“ Verwundert betrachtete Andre diese Szenerie. Das unterschied sich sehr von dem was er von Zuhause kannte. Es war so lebhaft und ihr Umgang untereinander war so unbeschwert. Hätte er seinem Vater so frech geantwortet, hätte er schon wieder Schläge kassiert, um ihm Manieren beizubringen. „Nun bleib nicht so unschlüssig in der Tür stehen. Hier frisst dich schon keiner.“ Julian war unbemerkt neben ihn getreten und legte ihm eine Hand auf den Rücken um ihn ins Haus zu führen. Andre verbiss sich einen Schmerzensschrei, als Julian seinen Rücken berührte, doch konnte er ein Zusammenzucken nicht verhindern. Seit seinem Zusammentreffen mit Julian hatte er seine Schmerzen total vergessen, dafür kamen sie ihm jetzt nur allzu deutlich wieder zu Bewusstsein. Dieses Zusammenzucken war Julian natürlich nicht entgangen. Misstrauisch betrachtete er Andre. „Was ist los?“ „Nichts.“ Er ging einige Schritte ins Haus hinein um vor der Berührung des Schwarzhaarigen zu flüchten, ebenso wie vor seinem Blick. „Komm mit.“ Julian ergriff seine Hand und zog ihn einfach mit sich. „Ich muss kurz etwas mit ihm bereden. Wir sind gleich wieder da.“ Seine Mutter nickte nur. Julian zog ihn in das Schlafzimmer. Vor der Leiter blieb er stehen und deutete hinauf. „Rauf.“ Der Ton seiner Stimme lies keinen Widerspruch zu. Von der ganzen Situation noch immer überrascht, tat Andre was Julian ihm sagte. Oben sah er sich aufmerksam um. Anscheinend war das Julians Raum. Es war zwar ein Dachboden und die ganze linke Hälfte war voller Strohballen, doch auf der rechten Seite stand ein nicht sehr stabil wirkendes Bett und eine Truhe. Neben dem Bett lag noch ein Korb, doch bevor Andre sich nach seinem Inhalt umsehen konnte, war Julian ebenfalls oben angekommen. Ohne Vorwarnung trat er hinter Andre und zog sein Hemd in die Höhe, so das er seinen Rücken betrachten konnte. Entsetzt und wütend machte sich Andre von ihm los. „Was soll das?“ Er funkelte den Anderen wütend an. Ruhig erwiderte Julian seinen Blick. „Also das nennst du nichts? Was ist passiert?“ „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“ Andre richtete seine Kleidung wieder. Seufzend deutete Julian auf das Bett. „Zieh dein Hemd aus und leg dich aufs Bett.“ Mit diesen Worten ging er zu dem Korb neben dem Bett und kramte darin herum. „Warum?“ Julian seufzte leicht genervt. „Weil ich dich sonst nicht verarzten kann.“ „Verarzten?“ Doch wohl nicht mit einem seiner Mittel? Wer wusste schon was da drinnen war. Sein Gegenüber schien seine Zweifel zu merken, denn er drehte sich zu ihm um. Spöttisch grinste er ihn an. „Keine Sorge, ich werde dich schon nicht in einen Frosch verwandeln.“ Beleidigt, wegen Julians spöttischer Bemerkung, zog sich Andre das Hemd aus und legte sich bäuchlings auf das Bett. Julian zündete eine Kerze an, denn auch wenn durch verschiedenen Ritzen Licht hereinfiel, war es nicht gerade viel. „Wow, das sieht ja noch ärger aus als ich vermutet habe.“ Die Kerze auf einen Pfosten des Bettes stellend, betrachtete er sich Andres Rücken. „Na ja, zum Glück habe ich etwas das bestens dafür geeignet ist.“ Eine kleine Schale mit einem undefinierbaren Inhalt neben Andres Körper stellend, setzte er sich auf den Rand des Bettes neben ihn. Andre sah argwöhnisch auf die Schale. Der Inhalt roch eigenartig. Nicht gerade unangenehm, doch er konnte den Geruch nirgendwo einordnen. „Es könnte jetzt etwas wehtun.“ Julian nahm etwas von dem zähflüssigen Inhalt der Schale auf die Finger und fing an Andres Rücken damit einzureiben. Andre biss die Zähne zusammen, doch seltsamerweise verschwand der Schmerz bald und machte einer wohligen Taubheit Platz. Der Geruch des Mittels wirkte auch sehr beruhigend, so das er zufrieden die Augen schloss. „Das Mittel könnte dich etwas müde machen, doch das ist nur gut so. Dadurch kann dein Körper besser arbeiten.“ Andre nahm Julians Erklärungen nur mehr am Rande wahr. Viel eher interessierten ihn Julians sanfte Hände auf seinen Rücken und die wohlige Mattheit, die von seinem Körper Besitz ergriff. Langsam, nur ganz langsam, nahm er wahr, dass er sanft ins Land der Träume hinab glitt. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Titel: Gegen alle Konventionen Teil: 3/(?) Autor: Satnel Genre: original, shonen ai, romantik Disclaimer: Wenn es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Orten oder Ereignissen gibt, ist das reiner Zufall und nicht beabsichtigt. „Andre! Andre!“ Von der lauten, sehr vertrauten Stimme aufgehalten, wand Andre sich um und sah sich suchend nach dem Besitzer der Stimme um. Ken kam auf ihn zugelaufen. Als er ihn endlich eingeholt hatte, blieb er keuchend stehen. „Sag mal träumst du? Ich renn dir jetzt schon gute fünf Minuten nach.“ „Wirklich?“ Komisch, dass war Andre gar nicht aufgefallen, in nächster Zeit würde er vorsichtiger sein müssen. „Was ist denn los?“ „Nichts, wir sorgen uns nur um dich. Du hast dich schon so lange nicht mehr bei uns blicken lassen.“ Ken musterte ihn eindringlich. Rasch beeilte sich Andre den Kopf zu schütteln. „Es ist nichts. Tut mir leid, dass ich mich schon so lange nicht mehr habe blicken lassen. Ich hol das nach, versprochen.“ Es stimmte, seit einigen Wochen verbrachte er viel mehr Zeit bei Julian und seiner Mutter. Seine Freunde hatte er dabei ziemlich vernachlässigt. Doch er fühlte sich bei den Beiden einfach viel zu wohl. Sie gaben ihm ein Gefühl von familiärer Geborgenheit, dass er nicht einmal in seinem eigenen Heim spürte. „Wirklich?“ Ken legte den Kopf leicht schief. „Ich meine wir verstehen es, wenn du wegen deinem Unterricht nicht kommen kannst. Doch wir wären schon beruhigt, wenn du ab und zu ein Lebenszeichen von dir geben würdest.“ „Ja, ich komme bald wieder. Wirklich.“ Andre wusste, dass er nicht zuviel Zeit im Wald verbringen durfte, sonst wurden die anderen Dorfbewohner, die ihm nahe standen so wie Ken, eben misstrauisch. „Ich muss nur etwas erledigen, doch wenn ich wieder Zeit habe, dann komme ich.“ „Soll ich dir helfen? Dann geht es sicher schneller.“ Fragend sah Kein seinen Freund an. Andre schüttelte den Kopf „Das ist nicht nötig, aber danke. Ich muss nur etwas aus dem Wald besorgen, dass schaffe ich schon alleine. Immerhin bin ich ja kein kleines Kind mehr.“ Sein Freund sah ihn abschätzend an. „Na da bin ich mir nicht so sicher, aber du musst es ja wissen.“ Ken wand sich um und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Obwohl ich ja glaube, dass es eher ein Mädchen ist, dass du nun aufsuchst.“ „Idiot.“ Andre gab dem Anderen einen leichten Stoß, so das dieser ein paar Schritte vorstolperte. „Na ja wenn es soweit ist, kannst du sie mir ja einmal vorstellen.“ Ken grinste auch wenn er einen Moment später zusammenzuckte als sein Name lautstark hinter ihnen gerufen wurden. „Ups mein Vater. Ich muss dann mal wieder arbeiten. Man sieht sich.“ Andre noch einmal zuwinkend, lief er den Weg, den er gekommen war wieder zurück. Andre schüttelte den Kopf und beschleunigte seinen Schritte nur noch mehr. Jetzt musste er nicht auch noch seinem Vater in die Arme laufen, dass wäre es mit seinem Ausflug gewesen. Außerdem war sein Rücken gerade erst wieder verheilt. Wenn seine Freunde glaubten, dass er ein Mädchen traf war das nur gut. Selbst wenn sein Vater davon Wind bekam würde er wohl eher stolz als sauer auf ihn sein. Zumindest solange er kein uneheliches Kind zeugte. Doch diese Gefahr bestand ja nicht. Er traf ja kein Mädchen sondern Julian und die Chance, dass mit ihm etwas in dieser Hinsicht geschah war unvorstellbar. Schon alleine die Vorstellung war blasphemisch. Diese Woche würde er noch beichten gehen müssen. Er warf noch einen Blick hinter sich, um sich davon zu überzeugen das ihm niemand folgte. Dann schlug er den Weg in den Wald ein. Inzwischen wusste er schon welchen Weg er einschlagen musste, um am schnellsten Julians Heim zu erreichen. Wobei schnell auch nicht stimmte, da er die Wege der Jäger eher mied um nicht gesehen zu werden. Das fehlte ihm noch, das ein Dorfbewohner seinem Vater erzählte wo er sich herumtrieb, wenn er eigentlich lernen sollte. Doch auch wenn es gefährlich war, nahm Andre das gerne auf sich immerhin war er ja auch vorsichtig genug. Als er bei dem Haus ankam, sah er das Rauch aus dem Schornstein aufstieg, also war jemand da. Mit der Hoffnung, das es Julian war ging Andre zu der Eingangstür. Ihm bot sich eine schon bekannte Szene. Elizabeth stand am Herd und rührte eine Flüssigkeit um, die sich zweifellos in dem Kessel befand. So als hätte sie seine Anwesenheit gespürt, wand sie sich um und lächelte. „Andre. Ich habe dich erwartet. Wenn du Julian suchst, er ist am Fluss.“ „Danke.“ Scheu erwiderte Andre ihr Lächeln. Auch wenn er sich inzwischen an Julians Gesellschaft gewöhnt hatte, so nicht an die seiner Mutter. Noch immer überkam ihn in ihrer Nähe ein seltsames Gefühl. Es war keine Angst oder Abscheu, nur das Gefühl das etwas fehlte. Sie kam ihm wie ein Wesen aus einer anderen Welt vor und das war sie ja auch. Julian und sie kamen aus einer anderen Welt als der Andre bekannten. Alles was sie machten, was sie sagten, ja sogar ihre Denkweise war ihm unbekannt. Die Dorfbewohner sagten nicht umsonst, das sie nicht normal waren. Nicht so wie alle Anderen, nicht wie sie. Andre folgte dem Pfad, der zum Fluss führte. Es war nicht das erste Mal, das er ihm folgte. Julian hatte ihn schon einmal dorthin mitgenommen und auch ohne ihn war er kaum zu übersehen. Auch wenn ihn nur die zwei Bewohner des Hauses nutzten, sah man schon einen kleinen, niedergetrampelten Pfad. Schon bald hörte er das Rauschen des Flusses und auch durch das Dicklicht konnte er immer wieder einen Blick darauf erhaschen. Weit konnte es also nicht mehr sein. Als wäre dieser Gedanke der Auslöser dafür gewesen, teilten sich die Büsche vor ihm und Andre konnte den Fluss erkennen. Ebenso wie Julian. Dieser stand mit entblößten Oberkörper im etwas tieferen Wasser des Flusses und blickte konzentriert auf die Wasseroberfläche. Er schien Andre nicht zu bemerken, oder schenkte ihm einfach nur keine Beachtung. Andre bemerkte einen Korb voll Wäsche am Ufer. Ein Stück Seife lag achtlos daneben. Die Wäsche war noch trocken, also hatte er seine Aufgabe noch nicht erledigt. Auch wenn es ihn verwunderte das Julian solche Arbeiten verrichtete, das war etwas das Mädchen machten. Plötzlich kam Bewegung in den Anderen. Seine Hand durchbrach die Wasseroberfläche und er schien irgendetwas zu packen. Mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck richtete Julian sich wieder auf. Zwischen seinen Fingern bewegte sich etwas kleines, schwarzes. Mit seiner Beute kehrte er wieder zum Ufer zurück. Als der Schwarzhaarige näher kam, erkannte Andre was dieser in der Hand hielt. Es war ein Flusskrebs, zwar noch sehr jung doch eindeutig ein Flusskrebs. Genau solche, die auch er mit seinen Freunden aus dem Fluss fischte. Julian ging zu einem Holzgefäß und hob den Deckel etwas an. Durch den kleinen Spalt, der sich dadurch bildete, beförderte er den Krebs hinein. Erst dann wand er seine Aufmerksamkeit auf Andre. „Du bist wieder gekommen.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Andre nickte und ging zu ihm. Neben dem Holzgefäß kniete er sich hin und hob den Deckel leicht hoch. Nun der Krebs eben war nicht sein erster Fang gewesen. Entweder war er schon sehr lange hier, oder er stellte sich beim Fangen geschickter an als seine Freunde und er. „Erstaunt es dich?“ Julian lächelte bei dieser Frage. „Nicht wirklich. Menschen werden immer von dem angezogen, das sie sonst öffentlich verteufeln.“ Er sprach immer so von Anderen als wären die Menschen eine Rasse, zu der er nicht gehörte. Vielleicht meinte er aber auch nur ihren Menschenschlag, alles andere wäre Unsinn. Zumindest konnte Andre mit diesem Gedanken beruhigter leben. Ansonsten konnte Julian nur noch ein Dämon sein und das konnte Andre immer weniger glauben. Er war zwar etwas seltsam, doch nicht böse. „Ich habe euch nie verteufelt.“ „Doch denen geglaubt, die es getan haben.“ Ein wissender Ausdruck lag in den grünen Augen des Anderen. Wer machte das nicht? Alle redeten über ihn und seine Mutter, es ging gar nicht das Gerede zu überhören. Und es gab keinen Grund, den anderen Dorfbewohnern nicht zu glauben. Selbst wenn alles nur Geschichten waren, so mussten sie doch ein Körnchen Wahrheit beinhalten. Allerdings legte Andre keinen Wert darauf herauszufinden was davon wahr war. Man konnte viel beruhigter leben, wenn man nicht alles wusste. Julian schien sein Schweigen als Antwort zu deuten. Er beugte sich etwas nach hinten und hob Andres Hemd etwas an. Der Jüngere zuckte zurück. „Lass das.“ So etwas gehörte sich nicht, einfach ohne Erlaubnis den Körperteil eines Anderen zu entblößen. Vielleicht hatte Julian keine Manieren, doch ihm war das unangenehm. „Ich will mir nur deine Wunden ansehen.“ Ein spöttisches Lächeln legte sich auf Julians Lippen. „Keine Sorge etwas unsittliches liegt mir mehr als nur fern.“ Julians Spott verfehlte seine Wirkung nicht. Mit einem Schnauben wand sich Andre um und präsentierte so seinen Rücken dem Älteren. „Es ist gut verheilt.“ Der Schwarzhaarige hob das Hemd an und besah sich den Rücken. „Ja, das Mittel hat seine Wirkung nicht verfehlt.“ Es stimmte, Dank dem Mittel das Julian ihm gegeben hatte, waren die Wunden wirklich schnell verheilt. Zumindest schneller als sonst. Auch die Schmerzen hatte es ihm genommen und das war es das für Andre zählte. Eine plötzliche Berührung ließ Andre zusammenfahren. Sanft strich Julian mit seinen Fingern über die Narben auf seinem Rücken. Andre schauderte unter dieser Berührung. Sie war ihm nicht unangenehm, doch es fühlte sich seltsam an. Es gehörte sich einfach nicht, so von einem Mann berührt zu werden. „Es war nicht das erste Mal.“ Wie immer stellte Julian keine Frage, sondern erwähnte nur eine Tatsache, „Das reicht.“ Der Jüngere entzog sich einer Berührung und wand sich wieder um. Was erwartete der Ältere von ihm? Nur weil er ihm geholfen hatte, würde er ihm nicht seine Probleme erzählen. Das war unmännlich. Männer wurden selbst mit ihren Problemen fertig und teilten sie nicht jedem mit, so wie die Frauen. Julian sah ihn mit einem undeutbaren Blick an und stand dann wortlos auf. Er ging zu dem Korb und nahm ein Hemd heraus. Damit ging er zum Ufer und begann es zu waschen. Was war das jetzt? Es passte so gar nicht zu Julian, das er nichts sagte. Sonst hatte er auch auf alles eine Erwiderung. Andererseits empfand Andre sein Schweigen aussagekräftiger als jedes Wort. Für ihn fühlte es sich so an, als wäre es eine Art Strafe die der Ältere nutzte. Das war ungerecht, da Andre nichts Falsches gemacht oder gesagt hatte. „Sag doch etwas.“ In seiner Arbeit nicht innehaltend warf Julian ihm einen kurzen Blick zu. Doch es war nur ein kurzer Moment in dem sich ihre Blicketrafen, dann wand der Ältere sich wieder um. „Was soll ich sagen? Du willst nicht reden, also sind weitere Worte überflüssig.“ Das klang so logisch, das Andre nicht wusste was er darauf erwidern sollte. Es stimmte, reden nur um des Redens willen war etwas das nur Frauen machten. Doch er ertrug dieses Schweigen nicht. Er war es gewohnt, das man mit ihm sprach wenn er in Gesellschaft war. Keiner schwieg ihn an so wie Julian, das gab ihm das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben. Der Andere seufzte. „Also gut, wenn es dir so wichtig ist. Willst du mit helfen?“ Mit einem Grinsen hob er das inzwischen durchnässte Hemd hoch. Andre sah ihn zweifelnd an. „Das ist Mädchenarbeit.“ Dadurch ließ sich Julian aber nicht erschüttern. Stattdessen drehte er seinen Kopf zuerst nach rechts und dann nach links. „Nun irgendwie sehe ich hier kein Mädchen. Also bleibt es wohl an uns hängen.“ Damit nahm er seine Arbeit wieder auf. Alles in Andre sträubte sich alleine schon gegen diese Vorstellung. Doch er kam sich so unnütz vor, wenn er untätig daneben stand wenn ein Anderer arbeitete. Aus diesem Grund hob er den Korb hoch und trug ihn näher zum Ufer. Dort kniete er sich neben Julian und nahm das nasse Hemd entgegen, das dieser ihm reichte. Unschlüssig betrachtete er es einen Moment, bevor er das Wasser daraus auswrang. Das war eine völlig neue Erfahrung für ihn, doch sein Vater meinte doch immer, das dies noch keinem geschadet hatte. Es war schon spät, als sie sich auf den Rückweg machten. Der Inhalt des Korbes war doch mehr gewesen, als es den Anschein gehabt hatte. Die Sonne war schon am untergehen, in diesem Moment tauchte die Hütte vor ihnen auf. „Warte.“ Julians Stimme hatte einen befehlenden Unterton bei diesem Wort. Er schloss kurz die Augen und zog sich dann wieder ins Dicklicht zurück. Andre sah ihn verwundert an, folgte dann aber seinem Beispiel. Er fand das Verhalten des Anderen mehr als nur seltsam. Warum gingen sie nicht einfach weiter? Er wollte eine entsprechende Frage stellen, doch noch bevor er den Mund aufmachen konnte, deutete Julian ihm leise zu sein. Unbefriedigt schwieg Andre und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Haus. Es dauerte nicht lange, bis seine Geduld belohnt wurde. Eine Frau verließ das Haus, etwas vor sich hinmurmelnd. Mit einer Hand drückte sie etwas an ihre Brust, mit der anderen bekreuzigte sie sich ständig. Andre kannte diese Frau. Es war die Frau des Metzgers in ihrem Dorf. Andre wollte sich nicht ausmalen was passiert wäre, wenn sie sich getroffen hätten. Doch woher hatte Julian das gewusst? Fragend sah er seinen Begleiter an. Der Ältere zuckte nur mit den Schultern und hob den Korb wieder auf. „Ich dachte, du willst vielleicht nicht gesehen werden.“ Mit diesem Worten setzte er einen Weg wieder fort. Das stimmte, doch beantwortete das nicht seine Frage. Allerdings würde er darauf auch keine Antwort bekommen, wenn er sie nicht stellte. Nur heute schien er immer wieder den richtigen Moment für seine Fragen zu verpassen, da Julian gerade das Haus betrat. Er ging zum Kamin und stellte den Korb daneben ab. „Was wollte sie?“ Seine Mutter zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Das gleiche wie immer.“ Julian schnaubte nur abfällig bei dieser Antwort. „Ich hoffe, sie hat wenigstens dafür bezahlt.“ Elizabeth nickte nur wortlos. Andre stand still daneben und lauschte dem Gespräch. Das waren alles Dinge, die er nicht wissen wollte. Das waren Sachen, die ihn nichts angingen, da sie einfach nicht in seine Welt passten. Er stellte das Holzgefäß mit den Krebsen auf den Tisch. Langsam sollte er sich wieder auf den Heimweg machen. Seinem Vater war seine Abwesenheit sicher schon aufgefallen, also machte es keinen Unterschied mehr ob er sich beeilte oder nicht. Das hieß wohl, das auch der Rest von Julians Medizin zum Einsatz kommen würde. Andre schloss die Augen bei diesem Gedanken. „Ich muss gehen.“ Elizabeth wand sich ihm zu und sah dann aus dem Fenster. „Das stimmt wohl. Julian wird dich bis zum Waldrand begleiten.“ Andre schüttelte den Kopf. „Das ist nicht nötig.“ „Unsinn. Der Wald ist gefährlich bei Nacht. Julian wird dich begleiten.“ Ihre Stimme machte klar, das sie in dieser Sache keinen Widerspruch duldete. Ach und für Julian war das nicht gefährlich? Diese Aussage kränkte Andres Stolz, zumindest das bisschen das er besaß. Auch wenn aus ihren Worten sicher nur die Liebe einer Mutter sprach, beleidigte sie ihn damit indirekt. Denn Julian war nicht sehr viel älter als er selbst. Insgeheim war er jedoch froh nicht alleine gehen zu müssen. Elizabeth hatte Recht, der Wald war gefährlich bei Nacht. Dabei dachte Andre nicht einmal an Banditen sondern an die wilden Tiere. Auch wenn die Gefahr eines Wolfsangriffs derzeit ziemlich gering war. „Dann sollten wir los, bevor es richtig dunkel wird.“ Julian stand schon bei der Tür, einen Stab in der Hand. Es beruhigte ihn, das Julian eine Waffe mitnahm, wenn auch eine ziemlich harmlose. „Ich dachte die Natur ist dein Verbündeter. Wofür brauchst du dann Schutz vor den wilden Tieren?“ Diese Frage stellte Andre in einem spöttischen Ton, warum sollte das nur Julian vorbehalten sein? Als Julian antwortete, war seine Stimme leise. „Der Stab dient nicht zum Schutz vor den Tieren.“ Bei diesen Worten erschauderte Andre. Das hörte sich so ernst an und der Schluss den diese Antwort zuließ war nicht beruhigend. Doch das war sicher wieder einer von Julians Scherzen. Gleich würde er ihn spöttisch lächelnd für seine Leichtgläubigkeit rügen. Abwartend sah er ihn an, doch es kam nichts mehr. Andre fröstelte doch das lag nicht an der Temperatur. „Sonst noch Fragen?“ Julians Blick war auf den Weg vor ihnen gerichtet. Andre schüttelte den Kopf. Ihm war die Lust auf weitere Fragen vergangen. Es war für sein Seelenheil wirklich besser, wenn er nicht alles wusste. Schweigend gingen sie nebeneinander her bis sie denn Rand des Waldes erreichten. „Danke.“ Andre sah Julian bei diesen Worten an. Dieser schüttelte nur den Kopf. „Es gibt nichts zu danken. Ich habe im Wald weitaus weniger zu befürchten als du.“ Andre nickte nur. Damit hatte er wohl Recht. Immerhin kannte sich Julian im Wald besser aus als er. Dort schien er wirklich daheim zu sein und nicht zu Gast so wie die meisten Dorfbewohner. „Wir sehen uns.“ Julian drehte sich um und verschwand im Dicklicht. Andre wand sich um und sah ihm nach, bis er nichts mehr von ihm hören konnte. Seit sie die Frau gesehen hatten, war Julian irgendwie seltsam gewesen. So als hätte sie seine Laune getrübt, vielleicht war das auch so. Seine Worte, sie betreffend waren auch nicht sehr freundlich gewesen. Kopfschüttelnd drehte er sich um und ging in die Richtung des Dorfes. Er wollte es nicht wissen. Das brachte nur Probleme mit sich. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Titel: Gegen alle Konventionen Teil: 4/(?) Autor: Satnel Genre: original, shonen ai, romantik Disclaimer: Wenn es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Orten oder Ereignissen gibt, ist das reiner Zufall und nicht beabsichtigt. „Ist das wirklich in Ordnung?“ Jack sah Andre bei diesen Worten fragend an. „Natürlich. Körperliche Arbeit stählt den Willen, außerdem seid ihr Freunde der Familie.“ Mehr oder weniger zumindest. Für Andre waren Jack und Sam seine Freunde, für seinen Vater nur die Söhne eines Mitglieds des Dorfrates. Allein das war schon ein Grund, warum er ihnen bei ihrer Arbeit helfen durfte. Andre hingegen hatte andere Hintergedanken. Auf diese Art und Weise konnte er die Zweifel seiner Freunde zerstreuen und hatte eine Ausrede wenn er danach wieder verschwand. „Wenn du meinst.“ Mit diesen Worten nahm Jack eine Axt in die Hand. „Normalerweise geht mir ja Sam zur Hand, doch ich habe keine Ahnung wo die kleine Ratte steckt.“ Er wies auf eine Holzstapel. „Wenn du mir die Holzstücke bringst und sie dann an der Wand dort aufstapelst ist mir schon geholfen.“ Andre nickte, das wurde ja einfacher als er gedacht hatte. Sein Vater hatte stets Leute die das für ihn machten, einfach weil sie sich eine Gefälligkeit dafür erhofften. Doch das hörte sich ja gar nicht so schwer an. Er machte sich an die Arbeit und brachte Jack immer die gewünschten Holzstücke. Diese teilte dieser mit der Axt, bevor Andre sie wegräumen konnte. Die Arbeit war anstrengender als er dachte, kein Wunder das sich Sam davor drückte. Zwar schwang Jack die Axt, doch Andre lief die ganze Zeit herum und hob die schweren Holzstücke. Schon nach kürzester Zeit war er schweißgebadet, doch Dank seiner Aktivitäten mit Julian hatte er deutlich mehr Ausdauer als früher. Das musste er sich selbst schon zugestehen. Trotzdem war er bereits müde als Jack die erste Pause einlegte. „Das sieht gut aus. Wenn das so weitergeht, dann sind wir bis zum Abend fertig.“ Bis zum Abend? Entsetzt sah Andre auf den Holzstapel, der einfach nicht kleiner wurde. Sein Blick wanderte weiter zu dem Stapel Holzstücke, die er schon aufgeschichtet hatte. Warum wurde das nicht weniger? Plötzlich kam jemand um die Ecke, vorsichtig sah er über die Schulter bevor er zu ihnen kam. Reumütig sah Sam seinen großen Bruder an. „Darf ich dir helfen?“ „Ach, auf einmal?“ Jack sah seinen Bruder vorwurfsvoll an. „Was bringt dich zu diesem Wandel?“ Sam scharrte mit einem Fuß auf dem Boden, die Hände versteckte er hinter dem Rücken. „Die Hausarbeit mit Mama macht nicht soviel Spaß. Außerdem redet sie die ganze Zeit.“ Der Jüngere verdrehte die Augen. „Wen interessiert schon welches Tier wo an was gestorben ist und wer nun den Schaden hat?“ „Es sind Tiere gestorben?“ Andre sah ihn interessiert an. Es war nichts Schlimmes wenn einmal ein Tier starb, doch Sam sprach gerade in der Mehrzahl. Das war schon etwas beunruhigender. Die Tiere waren immerhin ein wichtiger Bestandteil um durch den Winter zu kommen. Ihr Dorf konnte es sich jetzt nicht leisten einige Tiere zu verlieren, egal welche. Sam zuckte nur mit den Schultern. „Ja. Ein paar Kühe sind gestorben. Nicht viele nur zwei, drei.“ Andre sah Jack an, der seinen Blick erschrocken erwiderte. Sam war noch zu jung um zu wissen was das bedeutete. Doch Kühe starben nicht einfach so, zumindest nicht mehrere auf einmal. Vielleicht einmal eine an Altersschwäche, doch nicht gleich drei. „Jack ich…“ Der Andere winkte nur ab. „Schon gut, geh ruhig. Sam wird mir schon helfen, es ist besser wenn du dich informierst. Es kommt immerhin auch uns zugute.“ Andre nickte und verließ den Hof von seinen Freunden. Ihr Hof lag etwas abgelegen vom Dorf, doch nicht mehr als zehn Minuten Gehzeit entfernt. Auf den Weg ins Dorf überlegte er bereits, wie er seinen Vater darauf ansprechen sollte. Obwohl noch konnte er das ja nicht. Denn dieser dachte sicher, das er sich vor der Arbeit drückte. Selbst wenn Jack und Sam ihn decken würden. Und wenn er ihm glaubte, würde er ihn sowieso nur wieder lernen schicken. Manchmal wusste Andre gar nicht was er noch alles lernen sollte, wenn das so weiterging, war er bald gebildeter als die Gelehrten die manchmal mit den Händlern mitkamen. Kurz entschlossen wand er sich vom Dorf ab und steuerte den Wald an. Wenigstens kurz wollte er Julian besuchen. Es war seltsam, er nutzte fast jede freie Minute um diesen zu sehen. Wenn das für längere Zeit nicht ging, wurde er unruhig, ja richtig nervös und wenn er ihn sah und verlassen musste, dann fühlte er eine seltsame Traurigkeit in sich. Nun, wo er wusste das er ihn sehen konnte, war das das genaue Gegenteil. Er fühlte eine seltsame Vorfreude in sich, wie als kleines Kind kurz vor Weihnachten. Doch Andre konnte sich nicht erklären weshalb das so war. „Hey.“ Die bekannte Stimme ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken. Andre brauchte einen Moment um die Stimme zuzuordnen, bevor er erleichtert seufzte. Beinnahe hatte er gedacht jemand aus dem Dorf hätte ihn entdeckt. Was natürlich leicht hätte sein können, in Gedanken mahnte sich Andre wieder vorsichtiger zu werden. „Wolltest du zu mir?“ Andre wand sich nun zu dem Sprecher um. „Ja wollte ich.“ Julian lächelte zufrieden. In seiner Hand hielt er einen Korb mit Pilzen, die man derzeit fast überall im Wald fand. „Warum?“ Wieso kam immer diese Frage? Es war nicht so das Julian eine Erklärung für sein Auftauchen brauchte, doch es schien ihn immer wieder zu verwundern wenn sie sich trafen. „Brauche ich einen Grund um einen Freund zu besuchen?“ Amüsiert hob Julian eine Augenbraue. „Freund? Seit wann bin ich dein Freund?“ „Wolltest du nicht von Anfang an mein Freund sein? Warum sollte ich dich sonst besuchen?“ Manchmal verstand er diesen Jungen nicht, doch das übte wohl auch diese Faszination auf ihn aus. Eine Faszination, die ihn immer wieder dessen Nähe aufsuchen ließ. „Die Neugier. Etwas Unbekanntes, Unbegreifliches zieht die Menschen seit jeher schon an. Genau das was wir für euch sind. Du bist gerade in der ersten Stufe.“ Julian warf einen Blick auf de Boden und bückte sich nach einen weiterem Pilz. „Erste Stufe?“ Andre sah ihn verwirrt an. Musste er das verstehen? Wahrscheinlich nicht, doch er wollte es verstehen. So konnte er vielleicht Julian leichter verstehen. Dieser lächelte nur undeutbar und kam auf ihn zu. „Zuerst seid ihr neugierig, dann wenn eure Neugier befriedigt ist und ihr wisst was ihr wissen müsst, machen wir euch Angst. Das ist die zweite Stufe, dann kommt die Dritte in der ihr uns verdammt. Das ist die Stufe, in der sich die anderen deiner Leute schon befinden.“ Sollte er widersprechen? Konnte er widersprechen? Alles was Julian sagte stimmte, wie immer. Auch wenn das Meiste das er sagte kein gutes Licht auf die Dorfbewohner warf, so konnte Andre oft nicht widersprechen. Er wusste nicht was in deren Köpfen vorging und wenn man sich ihr Handeln besah, dann konnte Julian sogar Recht haben. „Ich bin gespannt, wann du die nächste Stufe erreichst.“ „Nie. Ich halte nichts davon Menschen ohne Grund zu verteufeln.“ Warum steckte er ihn mit den Anderen in einen Topf? Er war doch nicht wie alle Anderen. Andre stockte bei diesem Gedanken? Moment, was dachte er hier gerade? Sein ganzes Leben war darauf ausgelegt nicht aus der Reihe zu tanzen, in die Vorstellungen der Anderen zu passen. Wieso störte es ihn dann wenn Julian ihn mit gleichen Maß wie alle Anderen maß? Eigentlich sollte ihn das doch freuen. Julian schien von seinen Gedanken nichts mitbekommen, denn er lächelte nur spöttisch. „Was macht dich so sicher das ich ein Mensch bin?“ Andre seufzte, diese Frage kam auch immer wieder. Bei solchen Antworten musste er sich nicht wundern, das ihm alle anderen Menschen aus dem Weg gingen. Demonstrativ hob Andre eines von Julians Hosenbeinen an. „Keine Bocksfüße. Von einem Schwanz ist auch keine Spur zu sehen. Den Korb kann man kaum als Dreizack auslegen und Hörner hast du auch keine.“ Um seine Worte zu unterstreichen griff er bei den letzten Worten in Julians Haar. Dieser sah ihn nur an. „Wirklich.“ Er wirkte erstaunt darüber. „Vielleicht verstehe ich es auch nur sie gut zu verbergen?“ „Weißt du diese Art Andere zu provozieren wird dir keine Freunde einbringen. Vielleicht ist das der Grund warum du keine hast.“ Das musste ihm einmal gesagt werden, glaubte Julian vielleicht das es ihm gefiel? Dadurch fühlte er sich in seiner Gegenwart immer so dumm, nein er fühlte sich in seiner Gegenwart immer unterlegen, das hatte nichts mit dessen Worten zu tun. Nun grinste Schwarzhaarige wieder und ging ein paar Schritte in Richtung seines Heimes. Wie immer wartete er nicht darauf ob Andre ihm folgte. „Ich dachte du bist mein Freund?“ Andre folgte ihm, fast wie ein Hund seinem Herrn. Das war auch schon eine automatische Geste. Sein Stolz war noch nie besonders stark ausgeprägt gewesen, weswegen ihm das nichts ausmachte. „Ich bin gerade ernsthaft dabei das wieder zu überdenken.“ Julian antwortete darauf nichts, weswegen Schweigen zwischen ihnen herrschte. Andre nutzte dieses Schweigen um sich im Wald umzusehen. Man merkte das es Herbst war. Die Bäume warfen bereits ihre Blätter ab, die nicht mehr grün sondern rot und braun waren. Auch die Büsche taten es ihnen gleich, sodass der Waldboden fast vollständig davon bedeckt war. Hier und da sah man Nüsse auf dem Boden liegen und auch Pilze waren zu erkennen. Leider konnte Andre nicht bestimmen welche es waren, ebenso wenig ob sie essbar oder giftig waren. Julian blieb stehen und ging zu einem Baum. Dort stellte er seinen Korb auf den Boden ab und begab sich in eine hockende Position. So begann er einige Nüsse einzusammeln. In Ermangelung einer sinnvollen Tätigkeit, beteiligte sich Andre daran. Wie immer bedankte sich Julian nicht dafür. Das störte ihn nicht sonderlich, doch was ihn störte war der Eindruck das es dem Schwarzhaarigen egal war ob er ihm half oder nicht. Wenigstens ertrug er sein Schweigen nun besser. Vor allem da er wusste, das Julian dies nicht tat um ihn zu bestrafen, er gehörte einfach zu der schweigsamen Sorte. „Kriegst du eigentlich keinen Ärger, wenn du hier bei mir bist?“ Der Ältere richtete sich wieder auf, nahm den Korb und setzte seinen Weg fort. Als ob jemand wusste, bei wem er sich befand und das wusste Julian ganz genau. Er konnte niemanden erzählen das er hier mit dem Hexensohn zusammen war. Das würde keiner akzeptieren, schon gar nicht wollte Andre daran denken was passierte wenn sein Vater davon erfahren würde. „Selbst wenn ist das mein Problem oder?“ Julian zuckte mir den Schultern. „Ich frage nur wegen der Salbe. Meine Vorräte werden über den Winter nämlich knapp, wenn ich sie öfter benötige.“ War das wirklich der einzige Grund? Das es vielleicht wirklich so war, störte es ihn doch ein wenig. Wenn er sich auch nicht erklären konnte weswegen das so war. „Sie glauben, das ich mich mit einem Mädchen treffe.“ Bei diesen Worten blieb Julian stehen und wand sich um. Langsam musterte er Andre, bevor er den Kopf schüttelte. „Wenn sie das wirklich glauben sind sie blinder als ich dachte.“ Was sollte denn das nun wieder bedeuten? Wollte Julian damit etwa andeuten, das er es ihm nicht zutraute eine Freundin zu haben? Das kratzte nun doch an den Resten von Andres noch verbliebenen Stolzes. „Was soll das denn heißen? Würdest du mir das etwa nicht zutrauen?“ Unbeeindruckt von dem was Andre Zorn nannte, sah ihn Julian an. „Ja. Du Andre bist die Unschuld in Person.“ Nun näherte er sich doch dem Jüngeren. Es ging etwas drohendes von Julian aus, das in Andre Fluchtgedanken auslöste. Trotzdem blieb er stehen und lauschte dessen Worten. Er bekam vielleicht nie wieder die Gelegenheit zu erfahren wie der Andere über ihn dachte. Selbst wenn es verletzend war, er wollte es wissen. Mehr als die Meinung der Anderen über ihn, wollte er wissen was dieser von der Gesellschaft Ausgestoßene von ihm hielt. „Jeder der dich sieht weiß es. Vielleicht sehen das aber nur Leute wie ich.“ Nun begann Julian zu grinsen. „Du wüsstest ja nicht einmal was du mit einem Mädchen anstellen solltest.“ Andre spürte wie die Reste seines Stolzes gerade bröckelten, das konnte er nicht zulassen. „Natürlich weiß ich das.“ Nein er wusste es nicht. Natürlich wusste er das man sich küsste, doch nicht was danach kam. Wer hätte ihn auch darüber aufklären sollen? Seine Bücher behandelten solche Sachen nicht und sein Vater würde nie mit ihm über so ein Thema reden. Selbst wenn er wollte könnte er kein uneheliches Kind zeugen, weil er nicht wusste wie es ging. Nun wurde das Lächeln des Älteren deutlich provozierend. „Ach ja? Weißt du wirklich was nach dem küssen kommt? Hast du überhaupt schon einmal jemanden geküsst?“ „Natürlich!“ Sicher hatte er schon jemanden geküsst. Seine Großmutter und als kleines Kind sogar seinen Vater, wenn auch nur ganz selten. Julian hob zweifelnd eine Augenbraue. „Wirklich? So richtig? Ich rede hier nicht von einem Kuss wie du ihn einem deiner Verwandten gibst.“ Als ob er das schon einmal gemacht hatte. Obwohl Andre ihm das durchaus zutraute, deswegen wollte er nicht hinten anstehen. „Ja, sicher was soll diese Frage?“ „Dann kannst du es mir ja beweisen.“ „Wie?“ Andre sah ihn überrascht an. Hatte er sich verhört oder meinte er das ernst? Vor allem wie sollte er es ihm beweisen? „Ja beweise es mir. Wenn du es schon einmal gemacht hast, wirst mich wohl überzeugen können.“ Die Stimme des Anderen klang unbeeindruckt, so als rede er über etwas Alltägliches. „Wie?“ Auch wenn er diese Frage nun wiederholte, so war ihre Aussage eine Andere, da Andre nun deutlich verwirrt klang. Wie sollte er ihm das beweisen? Abermals lächelte Julian ihn spöttisch an. „Na wie wohl? Indem du mich küsst.“ Bei diesem Vorschlag blieb Andre für einen Moment die Luft weg. Das war der unmoralischste Vorschlag den er in seinem bisherigen Leben erhalten hatte. Er konnte doch keinen Jungen küssen, das war verboten. Außerdem musste er sich gar nicht vor Julian beweisen. Andre war aber auch klar, wie ein Rückzieher nun aussehen musste. „Das geht nicht du bist ein Junge, wie ich.“ „Ach wirklich?“ Das Grinsen auf Julians Gesicht wurde nur noch breiter. „Ist mir gar nicht aufgefallen.“ Dann jedoch wurde er etwas ernster, wenn das Grinsen auch nicht ganz verschwand. „Was ist schon dabei? Es ist nur ein Kuss ohne Bedeutung. Du liebst mich nicht und ich dich nicht. Es dient nur als Beweis deines Könnens.“ Seltsamerweise beruhigten Andre die Worte des Älteren nicht, nein sie verletzten ihn. Das Julian so abwertend davon sprach versetzte ihm einen Stich in der Brust. Allerdings wiederholte sich das nicht, weswegen Andre es als Unbedeutend abstempelte. Julian hatte Recht, es war nur eine Berührung der Lippen nichts weiter. „Mach die Augen zu.“ Er würde es sicher nicht durchziehen können, wenn dieser ihn ansah. Andre ertrug seinen Blick ja nicht einmal in einer normalen Situation. Seufzend sah Julian ihn an und sein Blick sprach Bände auch wenn er schwieg. Trotzdem schloss er nach einem kurzen Moment die Augen. Andre atmete noch einmal tief durch. Das war nur eine Berührung von zwei Körperteilen, so als würde er ihm die Hand geben. Nicht mehr. Er beugte sich nach vor und küsste Julian, bevor er sich wieder zurückzog. Es war ein Kuss wie er ihn kannte. So wie er seine Verwandten geküsst hatte. Der Schwarzhaarige wartete noch einen Moment, bevor er vorsichtig ein Auge öffnete. „Wars das?“ „Ja?“ Natürlich war das ein Kuss gewesen was denn sonst? Mehr musste man da ja nicht tun oder? Man merkte das Julian sich beherrschen musste, so amüsiert war er. „Solltest du jemals eine Freundin haben, dann tut sie mir leid. Wirklich, du solltest Erfahrungen sammeln, sonst enttäuscht du deine Ehefrau einmal.“ „Was, warum?“ Was war an seinen Fähigkeiten denn so mangelhaft? Vor allem woher wollte der Andere wissen was er falsch machte? Julian war immerhin nicht viel älter als er und die Frauen rissen sich bei seinem Status sicher nicht um ihn. „Weil das kein Kuss war.“ „Ach ja? Dann mach du es doch besser.“ Über seine eigenen Worte erschrocken, schwieg Andre. Ja war er denn des Teufels? Wie konnte er Julian zu so etwas herausfordern, er wusste doch genau das dieser annehmen würde. Julian zuckte mit den Schultern. „Gerne.“ Damit umfasste er Andres Kinn mit einer Hand. „Allerdings solltest du locker lassen, sonst wird es nichts.“ Warum locker lassen? Was hatte denn das Eine mit dem Anderen zu tun? Andre wollte eine entsprechende Frage stellen, doch in diesem Moment beugte sich der Ältere zu ihm. Allerdings küsste er ihn nicht gleich wie Andre vermutete, sondern sah ihn nur an. Erst nach einigen Sekunden legte er seine Lippen auf die des Jüngeren. Das war anders. Schon jetzt spürte Andre, das dieser Kuss anders war als alle bisherigen. Es war schwer zu beschreiben, da er es nicht ganz verstand, doch er unterschied sich von allen bisherigen in seinem Leben. Es war nicht nur ein Kuss, es war ein Gefühl das in ihm ausgelöst wurde, wenn er es auch nicht benennen konnte. Plötzlich spürte Andre wie eine Zunge über seine Lippen strich. Einem uraltem Instinkt folgend, antwortete Andres Körper auf diese Anfrage und öffnete leicht die Lippen. Mehr brauchte Julian nicht. Überrascht registrierte Andre, wie dessen Zunge in seinen Mund eindrang. Sanft erkundete der Andere seinen Mund. Wie von selbst antwortete er diesem frechen Eindringen und erwiderte dessen Liebkosungen. Es war ein unglaublich intensives Gefühl das Andre nun überkam. Es löste ein unbewusstes Verlangen in ihm aus und oh Gott, es gefiel ihm. Dieser Gedanke wirkte wie ein Guss kalten Wassers. Es durfte ihm nicht gefallen, immerhin war Julian noch immer ein Mann. Dieser Kuss sollte ihn nicht einmal berühren und schon gar nicht gefallen. Mit einer raschen Bewegung stieß er Julian von sich weg. „Ich… ich muss gehen.“ Damit wand er sich um und lief in den Wald, Richtung Dorf. Erst als sein Atem bereits in ein Keuchen überging blieb er stehen um Luft zu holen. Gott, was hatte er gemacht, was hatte er sich dabei nur gedacht? Gar nichts, das war ja das Problem. Er hatte es als nicht schlimm empfunden. Eine Beichte war nun wirklich überfällig. Einen Moment später kam Andre allerdings ein erschreckender Gedanke. Er konnte gar nicht beichten gehen. Denn dann müsste er diese Sünde dem Priester erzählen und Beichtgeheimnis hin oder her, das würde er nicht für sich behalten. Das hieß wohl das er mit dieser Sünde leben musste, zumindest bis er einen fremden Priester fand. Das war ein erschreckender Gedanke. Seine Finger glitten zu seinen Lippen und berührten sie sacht. Als er sich seines Handelns allerdings bewusst wurde, senkte er sie hastig wieder. Nein, das sollte er nicht machen. Es war eine einmalige Verfehlung gewesen und würde sich nicht wiederholen. Dessen war sich Andre sicher. Egal was Julian sich davon erhofft hatte, es würde nicht eintreten. Mit diesem Entschluss schlug Andre den Weg Nachhause ein. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Titel: Gegen alle Konventionen Teil: 5/(?) Autor: Satnel Genre: original, shonen ai, romantik Disclaimer: Wenn es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Orten oder Ereignissen gibt, ist das reiner Zufall und nicht beabsichtigt. Mit einem dumpfen Knall schlug Andre das Buch zu. Sich die Augen reibend, lehnte er sich im Stuhl zurück. Das war so ermüdend, jeden Tag das Gleiche. Er lernte und lernte jeden Tag und doch war es nicht genug, um seinen Vater zu befriedigen, seine Fortschritte waren ihm zu langsam. Mit spitzen Fingern betastete Andre seine rechte Seite, wo noch immer ein riesiger blauer Fleck von seiner letzen Bestrafung zeugte. Doch er konnte seinen Vater ja auch verstehen, er stand im Moment enorm unter Druck. Die Probleme des Dorfes wurden in den letzten Wochen immer dramatischer, wenn Andre im Moment auch nicht wusste wie die Dinge genau standen. Nur das den Kühen, von denen Sam ihm vor einigen Wochen erzählt hatte, eine weitere gefolgt war, was eine Katastrophe war. Diese Tiere würden ihnen fehlen wenn der Winter kam, der schon vor der Tür stand und als wäre das noch nicht genug waren nun auch noch einige Leute erkrankt. Ihr Dorf hatte keinen Arzt, den konnten sie sich nicht leisten und die nächste Stadt war weit entfernt. Es würde Wochen dauern um einen Arzt zu holen, geschweige denn war nicht einmal sicher, ob sich dieser auf die Reise einlassen würde. Das alles machte seinen Vater gereizt und jeder Fehler seinerseits zog Konsequenzen nach sich. Auch die Entschuldigungen seines Vaters machten es nicht besser, da diese erst erfolgten wenn der Schaden bereits angerichtet war. Andre stand auf, verließ sein Zimmer und horchte, ob sein Vater daheim war. Doch kein Geräusch war zu hören, außer in der Küche und das war ein Raum, den sein Vater noch nie betreten hatte. Genau aus diesem Grund hielt er sich gerne dort auf und auch weil er Megan mochte. Er öffnete die Tür zur Küche und sah eine junge Frau, am Tisch stehen und Gemüse schneiden. Megan arbeitete schon bei ihnen, seit sie alt genug dafür war, sie war auch die Einzige, die sein Vater für ihre Dienste bezahlte. Sie hob den Kopf und lächelte, als sie ihn erkannte. „Ach, du bist es, Andre.“ Wer auch sonst? Kein anderer Bewohner dieses Hauses kam hierher, auch er betrat den Raum nur wenn er Holz nachlegte, um das Feuer in Gang zu halten. Unsicher sah er sich um. „Kann ich dir helfen?“ Auch wenn der Gedanke Mädchenarbeit zu machen ihm nicht sonderlich gefiel, im Moment war ihm alles Recht was ihn vom Lernen abhielt. „Ich weiß nicht, Andre.“ Megan sah ihn zweifelnd an. „Dein Vater wird das wohl kaum gut heißen.“ „Das stimmt.“ Andre seufzte tief. Er konnte Megan nichts vormachen, ebenso wie er verbrachte sie viel Zeit in diesem Haus. Außerdem war sie seine einzige Vertrauensperson, ihr erzählte er alles was ihn beschäftigte. Nun ja, fast alles, sein größtes Geheimnis konnte er niemanden verraten und es durfte auch nie jemand herausfinden. „Aber ich bin es leid ständig staubige Bücher zu lesen.“ Megan lächelte etwas unsicher und nahm eine weitere Karotte aus dem Korb, der neben ihr auf der Tischplatte stand. „Dein Vater will doch nur, dass du ein gebildeter Mann wirst.“ Andre presste die Lippen zusammen um die Antwort zu unterdrücken, die so ein Argument eigentlich verdiente. Er kannte diese Reaktion von Megan, wie sollte sie ihn auch verstehen? Sie konnte nicht einmal lesen, was sich für ein Mädchen durchaus gehörte. Darum sah er nicht auf sie herab, immerhin konnten einige seiner Freunde auch nicht mehr als ihren Namen schreiben und das auch nur, weil er es ihnen beigebracht hatte. So war das eben und Andre hielt sich deswegen nicht für etwas Besseres, denn das war er nicht. Megan wand sich um und nahm einen Holzlöffel mit dem sie in dem Kessel über dem Feuer rührte. Kritisch runzelte sie die Stirn, während sie die Konsistenz der Suppe prüfte. „Ich benötige noch etwas Wasser.“ „Ich hole es.“ Erfreut darüber eine Ausflucht zu haben, schnappte sich Andre den Wassereimer, der neben der Tür stand. Megans Protest, dass sie doch noch welches hatte, überhörte er. Vor der Tür sah er sich vorsichtig um, doch sein Vater war nirgendwo zu sehen. Auf dem Weg zum Brunnen kamen ihm einige Leute entgegen, die ihn freundlich grüßten. Natürlich war es hier belebt, immerhin war es das was in größeren Städten wohl Hauptstraße genannt wurde und der Brunnen befand sich am Hauptplatz. Auf dem Weg dorthin kamen Andre doch langsam Zweifel an seinem Handeln. Wenn sein Vater sich irgendwo aufhielt, dann dort und es würde nur Ärger geben wenn sie sich dort trafen. Im schlimmsten Fall würde es auch Konsequenzen für Megan haben und das wollte er auf keinen Fall. Plötzlich stieß er mit einem Mann zusammen, den Andre nach einem kurzen Blick als den Bäcker des Dorfes identifizierte. Auch wenn er nicht daran schuld war, so musste er sich als Jüngerer schon aus Höflichkeit entschuldigen. „Entschuldigung.“ Doch der Mann beachtete ihn nicht, ja er schien nicht einmal den Zusammenstoß bemerkt zu haben. Allerdings hatte er es ziemlich eilig im nächsten Laden zu verschwinden. Verwundert sah ihm Andre nach und bemerkte einige Frauen, die in kleinen Gruppen zusammenstanden und die Köpfe zusammensteckten. Das war ja nichts besonderes, die Frauen tratschten immer, doch ihre Kinder die sonst immer vergnügt miteinander spielten, krallten sich ängstlich an die Röcke ihrer Mütter. Das alles war sehr sonderbar, aber nicht das Einzige das Andre auffiel nun, wo er wusste auf was er achten musste. Es waren nicht nur die Kinder, die verängstigt waren auch die Erwachsenen drängten alle zur Seite, oder beeilten sich den Schutz eines Ladens aufzusuchen. Allerdings erkannte Andre nicht den Auslöser für diese plötzliche Furcht und es gab auch keine Geräusche eines Kampfes vor dem man sich in Sicherheit bringen musste. Erst einige Momente später erkannte Andre vor wem die Menschen flüchteten und unwillkürlich beschleunigte sich sein Herzschlag. Seine Hand krallte sich fester um das Seil des Wassereimers. Julian, ihm gingen die Menschen aus dem Weg und bekreuzigten sich sobald sie dachten das er sie nicht mehr sah. Er trug einen Korb in der Hand und schien das Getümmel um ihn herum nicht mitzubekommen. In seinen grünen Augen jedoch stand das gewohnte spöttische Funkeln, wenn sein Gesichtsausruck auch vollkommen unbewegt war. Vor ihm teilte sich die Menge wie das Meer vor Moses, wenn auch aus vollkommen anderen Gründen. Andre hob die Hand und bewegte sie, ohne es zu bemerken, in Richtung seines Mundes. Jedoch stoppte er in der Bewegung und legte sie stattdessen auf seine Brust. Es war Wochen her, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte und noch immer schaffte es Julians bloßer Anblick ihn wieder so aufzuwühlen, wie an jenem Nachmittag. Dabei hatte er es schon fast geschafft ihn zu vergessen, zumindest das was er ihm angetan hatte. Auch wenn er stur ins Leere sah, blickte Andre plötzlich in Julians grüne Augen. Überrascht schreckte er hoch und wand rasch den Blick ab. Ob er es bemerkt hatte? Es war nicht so das er ihn absichtlich mied, doch er schämte sich. Schämte sich dafür was damals passiert war, was er empfunden hatte. Inzwischen war er sich nicht mehr so sicher, dass Julian an seinen Empfindungen Schuld war, egal ob er ein Hexer war oder nicht. Das wären Tricks die der Schwarzhaarige einfach nicht nötig hatte, die sogar unter seiner Würde waren. Julian gab nichts auf die Meinungen und Gefühle anderer Menschen, weswegen sollte er sich dann die Mühe machen diese zu manipulieren? Nein, es waren ganz alleine seine Gefühle, die ihn verraten hatten. Vor ihm verdichtete sich die Menge wieder und sah Julian feindselig nach. Auch Andre sah ihm nach, wenn auch nachdenklich. Einen Entschluss fassend, winkte er einen kleinen Jungen zu sich und hockte sich lächelnd vor ihm hin. „Würdest du mir einen Gefallen machen, Henry? Megan benötigt noch etwas Wasser, ich kann es ihr aber nicht bringen. Wärst du so nett?“ Der Fünfjährige sah ihn unschuldig an. „Warum?“ Andre lächelte amüsiert und strich dem Jungen übers Haar. „Weil Megan dann sicher ein Stück Zucker für dich hat, wenn du ihr sagst das du mir geholfen hast.“ In dem Moment in dem er den Zucker erwähnte, hellte sich das Gesicht des Jungen auf. „Ich mache es!“ Damit nahm er den Eimer aus Andres Händen und rannte Richtung Brunnen. Einen Moment lang sah Andre ihm noch nach, dann richtete er sich wieder auf. Das war der leichte Teil gewesen, jetzt kam die schwerere Angelegenheit. Andre folgte Julian, jedoch so, das keiner der Dorfbewohner mitbekam wohin er ging. Es sah nicht gut aus, wenn jemand merkte, dass er bewusst dem Hexensohn folgte und das am Ende noch seinem Vater berichtete. Erst als er den Waldrand erreichte, sparte er sich diese Umwege Julian hatte sowieso schon einen viel zu großen Vorsprung. Sich umsehend folgte er dem Weg, den er immer einschlug, wenn er Julian besuchte. Ob er ihn noch einholen konnte, bevor er sein Haus erreichte? Diese Sache wollte er nicht unbedingt vor Elizabeth ansprechen, wenn Julian überhaupt mit ihm sprechen wollte nach seiner Flucht das letzte Mal. Doch wie es schien kam ihm der Zufall zu Hilfe, denn als er einen weiteren Busch zur Seite schob, sah er Julian, der neben einem Baum kniete und etwas einsammelte das Andre von seiner Position aus nicht erkennen konnte. Jetzt wo er ihn erreichte hatte, verließ Andre jedoch der Mut, vor allem wusste er nicht wie er das Gespräch anfangen sollte. „Hallo?“ Er verfluchte sich für seine unsichere Stimme, die diese Begrüßung wie eine Frage klingen ließ. Das ließ ihn natürlich nicht sehr stark erscheinen, aber genau das wollte er doch Julian gegenüber sein. Amüsiert lächelnd hob Julian den Kopf. „Ist das nun eine Frage, oder eine Begrüßung? Nachdem du mir schon die ganze Zeit folgst klingt das etwas seltsam, findest du nicht?“ „Du warst in der Stadt?“ Am Besten fing er mit etwas unverfänglichen an, bevor er dieses bestimmte Thema ansprach, wenn er es überhaupt ansprach. Immerhin gab es nichts darüber zu reden, es ging ihm nur darum wieder mit Julian in Kontakt zu treten. „Muss ich wohl, da du mich gesehen hast. Gewöhnlich schicke ich keine Geister für mich einkaufen.“ „Lass das.“ Andre rieb sich mit der Hand über seinen Unterarm. Er fühlte sich schlecht wenn Julian so über sich selbst sprach. Das erinnerte ihn nur an die Vorwürfe, die er selbst noch vor einiger Zeit gegen ihn gehabt hatte. „Du bist kein Hexer.“ „Was dann? Teufelsbrut, Hexensohn, Ausgeburt der Hölle? Ihr seid so kreativ wenn es darum geht mich zu benennen.“ Julian lächelte nun wieder gewohnt spöttisch, so als würden ihn diese ganzen Ausdrücke nur amüsieren. Andre ballte die Hände zu Fäusten, als der Schwarzhaarige den Nagel auf den Kopf traf. Genau das waren die Ausdrücke, die auch er benutzt hatte, damals als er ihn noch nicht kannte. Ja, er hatte ohne ihn zu kennen über ihn geredet, keine sehr rühmenswerte Tat. „Du bist Julian, mein Freund.“ Mehr gab es nicht zu sagen und doch schien es Julian im ersten Moment zu überraschen. Dann jedoch lächelte er wieder wie zuvor. „Dein Freund. Ich denke nicht, dass man den Blick abwendet wenn man den seines Freundes begegnet.“ „Das war nicht wegen dir.“ Hilflos fuhr sich Andre durchs Haar, sich Julians spöttischen Blick bewusst. Der Ältere schaffte es immer wieder ihn zu verunsichern, er war es so Leid ihm immer wieder zu unterliegen. „Nicht wegen dem was du bist, oder besser darstellen willst. Es war wegen… ich habe mich…“ Er verstummte, da es ihm unmöglich war weiter zusprechen. Sein Blick richtete sich auf den Boden, soviel zu seinen rethorischen Fähigkeiten, die sein Vater immer von ihm verlangte. „Es war wegen dem Kuss, weil du dich geschämt hast.“ Als Julian seinen Satz beendete, sah Andre wieder auf und nickte stumm. „Warum?“ Nun wirkte Julian wirklich irritiert als er sich wieder aufrichtete. „Es war nur ein Test.“ Dieser so ungewohnte Ausdruck auf dem Gesicht des anderen überraschte Andre vollkommen. Es war so ungewohnt ihn einmal verwirrt zu sehen, deswegen dachte er auch gar nicht lange über seine Antwort nach. „Weil es mir gefallen hat.“ Schon im nächsten Moment wurde er sich seiner Worte bewusst und zog überrascht Luft ein. Wie hatte er das aussprechen können? Warum hatte er das Julian gesagt? Ob er jetzt noch flüchten konnte? Doch Julian sah ihn nur gelassen an und lächelte, jedoch nicht spöttisch sondern freundlich. „Oh. Nun wenn es dich beruhigt, mir hat es auch gefallen.“ Und das sagte er so einfach! Verstand er denn nicht was das bedeutete? „Aber das ist eine Sünde!“ Gelassen zuckte der Ältere mit den Schultern. „Und? Wir haben nichts Verwerfliches getan. Es war ein Kuss, nicht mehr als eine Mutprobe und wo steht geschrieben das eine Mutprobe einem nicht gefallen darf?“ Wie er so einfach seine Ängste und Zweifel zerstreute, war erschreckend. Wenn Julian ihm die Dinge so darlegte, erschien es gar nicht mehr so schlimm. Damit konnte er wohl auch einen Mord als harmlose Lappalie darstellen, wenn er wollte. Zumindest er würde ihm glauben. Noch immer zweifelnd, aber schon deutlich beruhigter, kratzte sich Andre am Kopf. „Du hast Recht.“ „Na siehst du. Du hast es selbst gesagt, wir sind Freunde, da ist so etwas gar nicht erwähnenswert.“ Lächelnd nahm Julian seinen Korb wieder auf. „Kommst du?“ „Zu Elizabeth?“ „Lebt noch eine andere Frau mit mir zusammen?“ Spöttisch sah Julian den Jüngeren an. „Sie hat schon geglaubt wir hätten uns gestritten.“ „Dann sollte ich sie wohl besänftigen.“ Lächelnd eilte Andre an Julians Seite und folgte ihm. Zwar hatte er noch immer eine Menge Respekt vor Elizabeth, doch keine Angst mehr so wie zuvor. Immerhin war sie Julians Mutter und als solche konnte sie nicht böse sein. „Ja, sie hat im Moment viel zu tun, da wird es sie beruhigen das wir uns wieder vertragen.“ Julian klang so als wäre er in Gedanken, doch da Andre sein Gesicht nicht erkennen konnte, war er sich da nicht sicher. „Warum?“ Elizabeth kümmerte sich um das Haus, den Garten und die Mixturen, aber sie hatte doch Julian der ihr half. Bis jetzt hatte es nie so gewirkt, als wären sie damit überfordert. „Leute sind erkrankt.“ Das stimmte, aber…. Andre sah überrascht auf, als er verstand was diese Worte bedeuteten. „Sie kommen zu euch?“ „Wohin sollen sie sonst gehen? In so einer Situation bringt es nicht viel wenn sie zu ihrem Gott beten, denn der heilt sie nicht. Aus diesem Grund wenden sie sich an die andere Seite.“ Bei diesen Worten wirkte Julian eher zornig, als belustigt. „Du sollst das lassen.“ Warum fing er schon wieder damit an? Er war nicht böse, oder gar ein Dämon, warum wollte er als solcher gesehen werden? Aufgebracht fuhr Julian herum, seine Augen funkelten wütend. „Warum? Weil sich dein schlechtes Gewissen regt? Vielleicht siehst du mich nun als Freund an, doch vor nicht allzu langer Zeit hast du ebenso über mich gedacht wie sie. Wir sind nun mal nicht wie ihr, wir sind anders. Wir besitzen Wissen, um das ihr uns beneidet, vor dem ihr euch aber auch fürchtet. Die ganze Zeit über verachtet ihr uns. Nur wenn ihr krank seid, wenn es euch schlecht geht, oder wenn ihr etwas wollt, dann duldet ihr uns. Ihr bettelt auf Knien um unsere Hilfe und redet hinter unserem Rücken schlecht über uns. Darüber rege ich mich leider auf, denn ich verachte solche Scheinheiligkeit.“ Andre hatte dem Ganzen schweigend zugehört, denn so wirklich von der Hand weisen konnte er es nicht. Nein, es stimmte sogar, doch in einer Sache irrte sich Julian gewaltig. Er war nicht wie die Anderen, er wollte gar nicht mehr wie sie sein, wenn es hieß, dass er in einen Topf mit ihnen geworfen wurde. Ruhig erwiderte Andre den Blick des Älteren. „Es stimmt, du bist nicht wie wir. Du bist ein Esel. Wir, ihr, unsere, eure, das bist doch du, der eine Grenze zwischen uns zieht. Deine Mutter und du auf der einen, der Rest der Menschheit auf der anderen Seite. Dabei bist du so verbohrt, das du nicht einmal merkst, wenn sich dir jemand nähern will und die Hand entgegenstreckt. Wie der Hund, der nach der Hand beißt, die ihn streicheln will. Ich gehöre zu den Anderen, das stimmt aus diesem Grund kenne ich eure Welt nicht, aber ich will mich euch annähern, ich will mit dir befreundet sein. Einmal habe ich es dir schon gesagt, ich sage es dir noch einmal, ein letztes Mal. Ich bin nicht wie die Anderen, also wirf mich nicht mit ihnen in einen Topf. Schließlich bin ich hier bei dir, nicht bei ihnen.“ „Das stimmt.“ Leicht lächelnd sah Julian auf Andre. Dann hob er fragend eine Augenbraue. „Esel?“ Andre grinste und ging an ihm vorbei, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt. „Ja, ein störrischer und bockiger Esel. Allerdings… riechst du besser.“ „Na danke.“ Julians Stimme klang amüsiert, man merkte dass er Andre das nicht nachtrug. Es freute Andre, dass er wenigstens diese Sache klargestellt hatte. Vielleicht würde sich ihr Verhältnis nun ändern, wenn Julian ihn nicht mehr als Außenseiter sah, sondern als jemanden der auf ihn zukam. Jedenfalls hoffte er das stark, schließlich wollte er Julian nicht als Freund verlieren und auch ihre Gespräche gefielen ihm. Und irgendwann würde er ihm sicher nicht mehr unterliegen, dann waren sie gleichgestellt, das nahm sich Andre vor. Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Titel: Gegen alle Konventionen Teil: 6/ (?) Autor: Satnel Genre: original, shonen ai, romantik Disclaimer: Wenn es Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Orten oder Ereignissen gibt, ist das reiner Zufall und nicht beabsichtigt. „Könntet ihr mir Wasser holen?“ Lächelnd sah Elizabeth zu den beiden Jungen. Andre griff schon nach dem Eimer, doch Julian war schneller und deutete Andre mitzukommen. Da er wusste was das bedeutete, folgte er Julian nach draußen. „Ich frage mich immer wie ihr es merkt, dass jemand kommt?“ „Warum denkst du, dass jemand kommt?“ Julian sah ihn, über seine Schulter blickend, fragend an. „Weil ich erst vor einer halben Stunde Wasser geholt habe und du eben einen halb vollen Eimer spazieren trägst.“ Lächelnd trat Andre neben Julian und warf einen Blick in den Eimer. Wie er es eben geschätzt hatte, war er noch immer gut gefüllt, doch er wusste, dass dies nicht aus Bosheit sondern nur aus Rücksicht um ihn geschah. Allerdings erzielten diese scherzhaften Worte bei Julian nicht den gewünschten Erfolg. Seine Stimme war ernst als er antwortete. „Willst du etwa, dass man dich bei uns sieht? Das würde kein gutes Licht auf dich werfen und auch nicht auf uns.“ „Auf euch?“ Verwirrt sah Andre den Älteren an. Wieso sollte es kein gutes Licht auf sie werfen und seit wann interessierte sich Julian eigentlich dafür was andere von ihnen dachten? Sonst war ihm das egal. In letzter Zeit hatte Andre allerdings immer öfter bemerkt, dass sich Julian veränderte. Er wirkte besorgt und ungeduldig, das war schon bei einem normalen Mann keine gute Mischung. „Warum?“ Andre konnte sich das nicht erklären, schon alleine weil Julian und seine Mutter keinen guten Ruf hatten, der dadurch Schaden erleiden konnte. Julian blieb stehen und drehte sich leicht zu ihm. „Weil du…“ Dann brach er ab und setzte seinen Weg kopfschüttelnd fort. „Lassen wir das.“ Neugierig folgte ihm Andre, in der Hoffnung dass er das Thema doch noch einmal aufgriff. Als jedoch nichts kam, beschloss er Julian den Gefallen zu tun und wechselte das Thema, eine Antwort würde er schon noch bekommen. „Es ist selten, dass sie schon am Tag kommen.“ Damit meinte er die Dorfbewohner, die nun wohl mit Elizabeth verhandelten. Immer mehr suchten die Hilfe der Hexe, wenn auch niemand offen darüber sprach. Je mehr Leute erkrankten, umso mehr flehten um Elizabeths Hilfe, egal wie sehr ihr Dorfpriester das verurteilte. Julian hatte mit seinen Worten schon Recht gehabt, ihre Gebete halfen niemanden gesund zu werden. Auch wenn er gottesfürchtig erzogen worden war, so erhoffte sich Andre nichts von seinen Gebeten. Seit seiner Geburt hatte Gott kein einziges seiner Gebete erhört, weswegen er es nur mehr aus Pflicht tat, nicht aus wahren Glauben. Natürlich gab es Gott, aber er kümmerte sich nicht um seine Schöpfung, oder nur in Ausnahmefällen. „Die Meisten kommen noch immer in der Nacht, weil man sie dann nicht so leicht erkennt. Diese Krankheit ist sehr schlimm und seit es den ersten Todesfall gegeben hat, sind die Leute verängstigt.“ Man sah Julian an, dass auch ihn das nicht so kalt ließ. Auf jeden Fall beunruhigte es ihn, Andre merkte das. Wenn er auch nicht wusste ob es der Todesfall war, der ihm Sorgen bereitete, oder etwas anderes. Andre seufzte tief. „Es gibt einen Namen dafür.“ Julian fuhr zu ihm herum und hob warnend einen Finger. „Sprich es nicht aus. Denk dir den Namen wenn du willst, aber sprich ihn nicht aus. Man muss sein Glück nicht herausfordern, indem man das Böse beschwört.“ Auch wenn er das als übertrieben empfand, so folgte er Julians Anweisung. Sie wussten beide was es war, es gab nur wenige Leute, die diese Krankheit nicht kannten. Nur waren es meist Einzelfälle und selbst diese gab es nur in Städten. Andre versuchte das Ganze mit einem Scherz aufzulockern. „Es ist komisch, dass gerade du Angst vor dem Bösen hast.“ Doch sein sowieso schon unsicheres Lächeln erstarb, als er Julians Blick begegnete. Eigentlich hätte er sich denken können, dass diese Worte mehr als nur unangebracht waren. „Es ist dumm keine Angst davor zu haben.“ Damit war das Thema erledigt und das wusste Andre. Er war Julian sogar dankbar, dass er es mit diesem Kommentar beendet hatte. Es war eine dumme Idee von ihm gewesen. Julian blickte nachdenklich zum Himmel, bevor er sich an das Flussufer kniete, den sie inzwischen erreicht hatten. „Hoffentlich dämmt der Winter diese Krankheit ein.“ „Wird es da nicht nur schlimmer?“ Andre verstand nicht viel von diesen Dingen, doch begünstigten Kälte und Hunger Krankheiten nicht eher? Schon Kälte alleine war für viele Krankheiten verantwortlich, da sollte man doch eher auf Sonne hoffen. Julian schüttelte abermals den Kopf während er den Eimer ausleerte und wieder füllte. Nachdem das erledigt war, stellte er ihn neben sich auf den Boden. „Der Winter könnte eine weitere Ausbreitung verhindern. Das ist jedenfalls meine Hoffnung.“ Andre kniete sich neben den Älteren auf den Boden, auf seinen Lippen lag ein freundliches Lächeln. „Ich hätte nicht gedacht, dass es dich interessiert was aus den Dorfbewohnern wird.“ Julian wandte sich ihm zu, sein Blick war kalt bei seiner Antwort. „Das tut es auch nicht. Mich interessiert weder das Dorf noch die Dorfbewohner, meinetwegen können sie sterben. Aber es beunruhigt mich, was sie vor ihrem Tod noch alles machen können. Sie werden einen Schuldigen suchen und ich hoffe nur, das wir dann schon weit weg sind.“ Bei diesen Worten sah ihn Andre geschockt an. Es war jedoch nicht die Kälte gegenüber den Dorfbewohnern die ihn entsetzte, sondern die Möglichkeit dass Julian von hier fortgehen konnte. Diese Möglichkeit hatte natürlich immer bestanden, schließlich kamen sie nicht von hier und den meisten Leuten wäre es sowieso lieber, wenn sie früher als später gehen würden, aber Andre wollte sich das nicht einmal vorstellen. Nun wo Julian ihn endlich als Freund akzeptierte, wollte er gehen? „Wollt ihr von hier weg?“ Julian sah ihn einige Momente schweigend an, bevor er dann doch den Kopf schüttelte. Ein leises Seufzen begleitete seine Worte. „Geplant haben wir es nicht, doch so etwas kann man auch nicht planen. Man wird oft dazu gezwungen.“ „Ich will nicht das ihr geht.“ Es war seltsam wie offen er diese Worte aussprechen konnte, die doch ziemlich viel von seinen Gefühlen preisgaben. Aber es war die Wahrheit und diese konnte Julian vielleicht dazu bewegen, sich seine Entscheidung zweimal zu überlegen wenn es soweit war. Eigentlich ging es ihm dabei hauptsächlich um Julian, nicht um seine Mutter, doch das eine schloss das Andere mit ein. Eine Hand legte sich auf Andres Wange und er sah überrascht auf, direkt in Julians grüne Augen. Wie so oft war es ihm unmöglich dessen Blick zu deuten und wenn er es machte täuschte er sich bestimmt. Deswegen war er auch bei Julians sanften Blick verunsichert und vorsichtig. Die Hand an seiner Wange war warm und als sie sich streichelnd entfernte, empfand Andre ein leichtes Bedauern. Auch wenn er wusste, dass seine Gefühle nicht richtig waren, so schämte er sich nicht ihretwegen. Bei dem Älteren machten sie sowieso was sie wollten. Abrupt wandte sich Julian von ihm ab und erhob sich, den Eimer in der Hand. „Im Moment ginge es sowieso nicht. Meiner Mutter geht es nicht so gut.“ Das war Andre auch schon aufgefallen, sie wirkte nicht mehr ganz so gesund, doch er dachte das lag an der vielen Arbeit. Elizabeth war bleicher und schien schneller zu ermüden, doch das konnte auch an den vielen nächtlichen Besuchen liegen, von denen Julian ihm erzählte. „Ist sie krank?“ Hastig schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf. „Nein.“ Das ließ Andre einfach so stehen. In den letzten Wochen hatte er diese Antwort zu oft in Verbindung mit dieser Frage gehört, immer in denselben Tonfall, den nun auch Julian benutzte. Meistens war es eine Lüge, doch wer gab schon gerne zu, dass man selbst oder ein Familienangehöriger erkrankt war? Damit machte man sich selbst zum Außenseiter und gleichzeitig Gesprächsthema, beides war nicht unbedingt erstrebenswert. Er erhob sich und folgte Julian, der bereits wieder auf dem Weg zum Haus war. Sie schwiegen bis sie wieder in der Nähe der Hütte waren und Julian eine Hand hob. Andre kannte diese Vorgehensweise bereits, laut Elizabeth diente das nur seiner Sicherheit, wenn er auch nicht wusste wie ihm das helfen sollte. Trotzdem wartete er geduldig, bis Julian wieder zurückkam und ihm deutete das der Besuch bereits gegangen war. Doch die Stimmung war dennoch seltsam seit sie ihr Gespräch beendet hatten, vielleicht war das aber auch nur in seiner Einbildung so. Sein Blick glitt unwillkürlich zum Himmel, es war auch schon spät genug, sein Vater würde sein Fehlen schon bemerkt haben. „Ich bringe dich dann zum Waldrand.“ Julian, der einige Schritte vor ihm ging, hatte sich zwar nicht umgewendet, schien aber dessen Gedanken erraten zu haben. „Danke.“ Irgendwie kam er mit dieser neuen Seite an Julian nicht gut zurecht, da wäre es ihm lieber wenn er wieder so spöttisch wie früher wäre. Wenn er jedoch in dieser Stimmung war, kam es ihm so ernst vor, es war Andre unmöglich das als Scherz abzutun. Und genau das war etwas, das ihm Angst machte. Nur war es nicht nur Julian dessen Laune stetig sank, auch im Dorf bemerkte er diesen Stimmungsumschwung und das lag nicht nur mit dem einbrechenden Winter zusammen. Er hoffte nur, dass sich das bald wieder legte, doch damit das passierte musste wohl erst ein Wunder geschehen. Denn anders würden sie diese Krankheit wohl kaum besiegen können. Mit einem Buch in der Hand ging Andre durch den Flur ihres Hauses. Wieder ein Wälzer weniger, wenn da nur nicht so viele andere wären und sein Vater sorgte stets für Nachschub. Dass es seiner Meinung nach gar nicht nötig wäre, interessierte seinen Vater nicht. Als er an der Tür zum Wohnraum vorbeiging, hörte er eine Stimme und zuckte zusammen. Seit wann war sein Vater wieder hier, eigentlich sollte er irgendwo im Dorf nach dem Rechten sehen, so wie immer. Andre wusste das es nicht richtig war, doch seine Beine stoppten wie von selbst, so gesehen konnte man ihm später nicht einmal die Schuld an seinem Tun geben. Sein Geist wusste, das man seine Eltern nicht belauschte, aber der Körper war schwach und seine Neugier viel zu stark. So stand er im Flur und lauschte den Worten seines Vaters, was nicht schwer war, da weder sein Vater noch dessen Gast sich die Mühe gemacht hatten die Tür ganz zu schließen. „Ich kann das nicht verantworten.“ „Du kannst es auch nicht verantworten, dass noch mehr Seelen dem Teufel anheimfallen.“ Also war ihr Gast der Dorfpriester, Andre hätte es ahnen können. Ihm war zwar nicht bekannt was, aber etwas ärgerte ihren Priester schon seit längerer Zeit. Seine Predigten jeden Sonntag wurden auch immer aggressiver und er verdammte den Teufel öfter als sonst. Natürlich, diese Krankheit setzte ihnen allen zu, doch musste man den Bewohnern dann auch noch ein schlechtes Gewissen machen? Viel eher sollte er doch die Menschen in ihrem Glauben bestärken, sie denken lassen das ihnen Gott helfen würde, nicht das es eine Strafe war. Andres Vater seufzte tief. „Ja schon, aber die Menschen bekommen Hilfe von ihnen. Ich kann ihnen das nicht einfach so nehmen.“ „Sie sind Teufel! Diese Krankheit verdanken wir sicher auch ihnen, es sind Hexer.“ Die Stimme des Priester klang anklagend. Andre jedoch erstarrte an seinem Platz. Erst jetzt wurde ihm klar, von wem der Priester sprach. Er meinte Julian und Elizabeth, daran gab es keinen Zweifel. „Die Schwindsucht verdanken wir sicher nicht ihnen, wenn es so wäre würden sie den Leuten dann sicher nicht helfen. Du verrennst dich da in eine Idee, Josef.“ Normalerweise redete man keinen Priester so an, doch da sich sein Vater und ihr Geistlicher schon seit ihrer Kindheit kannten, hielten sie das nicht immer ein wenn sie sich alleine wähnten. Allerdings sah sich Andre nun zum Teil in seinen Vermutungen bestätigt. Es war die Schwindsucht, auf den Straßen gab es Gerüchte darüber, doch das war eben nur Geschwätz. Keiner von ihnen war ein Arzt, doch alle kannten die Anzeichen. „Ich verrenne mich keinesfalls! Natürlich helfen sie uns, weil wir sie dafür entlohnen und so fällt es ihnen leichter die Menschen zu verführen. Wir müssen sie verjagen, oder besser noch verbrennen.“ Andre stieß die Tür auf und lief in das Zimmer, wütend funkelte er die beiden Männer an. „Julian und seine Mutter sind keine schlechten Menschen und schon gar keine Teufel. Sie haben nichts damit zu tun.“ Ja, das sollte er machen, doch sein Körper bewegte sich keinen Zentimeter. Er konnte nicht machen, was er sich gerade ausgemalt hatte, denn dann müsste er Dinge beichten die für ihn sehr unangenehm wären. Vor allem wer wusste schon ob er Julian damit nicht noch mehr Ärger bescherte? Doch auch diese Erkenntnis schaffte es nicht Andre soweit zu beruhigen, das er sich nicht mehr für seine Angst schämte. Es war so viel leichter andere Menschen zu belügen als sich selbst und er wusste das es die Angst war, die ihn davon abhielt „Und den Menschen so ihre einzige Hoffnung nehmen? Nein, das kann ich nicht verantworten. Bring mir Beweise, bring den Menschen Beweise, aber so einfach kann ich niemanden verurteilen. Nicht in dieser Situation, sie helfen den Menschen davor kann ich nicht die Augen verschließen.“ Andre seufzte unterdrückt und presste das Buch fester an seine Brust. Es gefiel ihm nicht wenn sich Julians Worte immer so bestätigten. Selbst ihr Vater nahm sie nur im Schutz weil sie im Moment nützlich waren, doch das war ein trügerischer Schutz. Sobald er sie nicht mehr benötigte und ihr Pfarrer wieder Druck ausübte, konnte das schon wieder anders aussehen. Er wollte mit ihnen befreundet sein, die anderen Leute verteufelten sie bis sie etwas von ihnen benötigten. Andre wusste das alles und doch wollte er nicht so schlecht von den Menschen denken. Jeder Dorfbewohner war im Grunde ein guter Mensch, sie gingen jeden Tag ihrer Arbeit nach und besuchten die Messe, Kriminalität gab es nicht, ihr einziger Fehler war, das sie Dingen misstrauisch gegenüberstanden die ihnen fremd waren. Davon wollte er sich selbst gar nicht ausnehmen, ohne die Mutprobe würde er wahrscheinlich immer noch so denken. Es war Julian, der seinen Horizont erweitert hatte. „Wie du meinst, ich hoffe nur, dass du deine Entscheidung nicht bereust.“ Erschrocken wand sich Andre um, als er verstand was diese Worte bedeuteten. Er konnte gerade noch einen Fuß heben, als die Tür des Wohnzimmers geöffnet wurde. Überrascht fuhr er herum, das war wirklich schnell gewesen. „Was machst du hier?“ Der Priester musterte ihn misstrauisch. Hinter ihm erschien sein Vater und auch seine Augen verengten sich unheilvoll. „Andre?“ Der Tonfall seiner Stimme machte klar, dass er eine Antwort verlangte. Und zwar eine sehr gute. Andres Blick glitt einen Moment hilfesuchend auf dem Boden des Ganges umher, bis ihm das Buch in seinen Händen einfiel. „Ich wollte mir nur ein neues Buch holen.“ „Und hast dabei gelauscht!“ Anklagend deutete der Finger des Priesters auf ihn. „Nein!“ Andre biss sich auf die Lippen, bei seinem Ausruf. Ungefragt zu reden gehörte nicht gerade zu den Dingen, die sein Vater leicht verzieh. Auch jetzt verhieß sein Blick nichts Gutes, dabei hatte Andre sich gerade wieder daran gewöhnt auf dem Rücken zu schlafen. Sein Vater schlug dem Priester freundschaftlich auf den Rücken. „Ich will dich nicht weiter aufhalten, du hast sicher noch eine Menge zu erledigen. Ich kümmere mich darum.“ Dabei fiel sein Blick auf Andre, der wie unter einem Schlag zusammenzuckte. „Gut.“ Nur widerwillig nickte ihr Gast und ging. „Andre.“ Sein Vater ging wieder in den Wohnraum, doch seine Stimme ließ keinen Zweifel daran was er von ihm erwartete. Unsicher folgte ihm Andre, der nicht genau wusste mit was er nun zu rechnen hatte. Es gab einige Möglichkeiten und nur wenige waren erfreulich. Doch sein Vater überraschte ihn, indem er zuerst ein Gespräch anfing. „Du bist doch mit den Söhnen von Tom befreundet, oder?“ Andre musste einen Moment nachdenken, vor allem weil es mehrere mit diesem Namen gab. Allerdings konnte sein Vater nur einen meinen auf den diese Beschreibung zutraf. „Du meinst Sam und Jack? Ja.“ Gab es nun ein Problem damit? Sein Vater war ja allgemein nicht über seine Freundschaften erfreut, doch er konnte sie ihm auch nicht verbieten. Ein guter Kontakt zu den Leuten war fast ebenso wichtig wie Bildung und das ging nicht, wenn er Andre einsperrte. „Ja, ich will das du dich von nun an von ihnen fernhältst. Von der ganzen Familie.“ Überrascht sah er seinen Vater an, was sollte das denn nun? Sein Vater war es nicht gewohnt, das seine Anweisungen hinterfragt worden wurden, doch eine Strafe war ihm sowieso schon sicher, so konnte er nun auch diese Frage stellen. „Was ist der Grund dafür?“ Ungeduldig funkelte ihn sein Vater an, erst nach einigen Momenten gab er ihm doch eine Antwort. „Weil ihr Sohn erkrankt ist, der Kleine.“ Entsetzt sah er seinen Vater an. „Sam?“ Andre wusste nicht ob sein Vater dieses Wort gehört hatte, für ihn selbst hatte es ja nur wie ein Krächzen geklungen. Sam war an der Schwindsucht erkrankt? Aber er war doch nur ein Kind, er hatte niemanden etwas getan. Oh Gott, wie musste sich Jack nun fühlen und seine Familie? Aber ihm fiel auch nicht ein wie er ihnen helfen konnte, es blieb nur zu hoffen, dass sie selbst auf die Idee kamen Elizabeth aufzusuchen. Denn zwingen konnte man keinen dazu. „Hast du das verstanden, Andre? Ich will nicht das du dich ihnen näherst, sollte ich etwas anderes hören, wirst du die Konsequenzen tragen.“ „Ja, Vater.“ Ergeben senkte Andre den Kopf. Was konnte er sonst schon machen? Er konnte sich seinen Vater nicht wiedersetzten, das war undenkbar. Seinen Vater zu ehren war eines der Gebote, dagegen konnte er nicht verstoßen. Sein Vater ging zum Kamin und nahm den Rohrstock zur Hand, der dort stand. Beinahe sanft ließ er ihn durch seine offene Hand streichen. „So und jetzt unterhalten wir uns einmal über das was ich dir zum Thema Respekt und Manieren beigebracht habe.“ „Ja, Vater.“ Wie hatte er auch nur für einen Moment hoffen können der Strafe entgehen zu können? Wenn er Glück hatte war es schnell wieder vorbei, schließlich hatte sein Vater heute gute Laune. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)