Wolves' Fall von june-flower ================================================================================ Wolves' Fall ------------ Wolves‘ Fall (Übersetzung: Wolfsherbst) Oho! Jubiläum! Meine 30. FF! Widmung: Ach Fernan... Wann kam die Idee hierfür raus? Es muss ganz schön lange her sein, denn ich erinnere mich, dass ich bei den Weihnachtskonzerten mit Alex und Farina drüber gesprochen habe, wie man die Geschichte aufbauen könnte. Also hab ich gegen Ende der Sommerferien des nächsten Jahres damit angefangen... Und das hier ist nun mein Ergebnis. Es ist dir gewidmet in allen Einzelteilen: Jake, frech, ironisch, bissig (hoffentlich?), Jelena und ihr Sarkasmus (oder kann mans schon Zynismus nennen...) und ihre Eigenständigkeit... Ich hoffe, man kann sehen, dass ich mir Mühe gegeben habe, eine „anormale“ Heldin zu erfinden: weder zu schön noch zu hässlich, eher klein, wild, sarkastisch, menschenscheu... Von allem ein Bisschen. Und Bella soll auch für dich sein, ich hab mir Mühe gegeben, sie so zu machen, dass du GRUND hast, sie zu hassen... Das Ende ist für dich, weil du so glücklich bist, und ich hoffe, ich konnte die Gefühle einigermaßen treffen. Schöne Grüße an IHN, nebenbei. So, das wars. Farina und Alex möchte ich ebenfalls das hier widmen, weil sie die Einzigen sind, die sich dazu opfern, ihre Pausen mit mir zu verbringen... Farina, ich wünsche dir sehr, dass du mit deinem Samuel glücklich wirst, wirklich. Und Alex... Deine Zeit wird kommen. Verlass dich drauf. Ich bin hundertprozentig davon überzeugt. In gewissem Sinne geht diese FF also an meine drei Schwestern. Ich hab euch sehr, sehr lieb. Was lest ihr Widmungen? Fangt mit dem Text an! ~***~ Der Jäger richtete seine feuchte Nase auf die Spur am Boden. Süßlich roch sie, nach Tod – der Jäger hätte gegrinst, hätte er Lippen gehabt, die er hätte hochziehen können. So zogen sich nur seine speicheltriefenden Lefzen hoch, die ein Gebiss voller messerscharfer, gelblicher Reißzähne enthüllten. Hier roch es nach Ihnen. Er hatte in seinem Leben schon oft genug mit ihnen zu tun gehabt – er wusste, was er nun würde tun müssen. Es hatte immer geklappt. Ein heiseres Bellen drang aus seiner Brust, als er die Schnauze in den Wind hob und erneut Witterung aufnahm – genau, wie er es sich gedacht hatte. Von seiner Rasse lebten hier auch genug. Der Geruch war nur schwach, herbeigetragen vom feuchten Wind, aber eindeutig. Dass ihre Fährte hier nicht zu finden war, wo der widerliche Geruch so stark war, konnte zwei Bedeutungen haben: Entweder, sie waren Feiglinge und wagten sich nicht hinüber. Oder aber – sie hielten sich an eine Art Abmachung. Der Jäger hatte so etwas noch nie gesehen – aber vielleicht war es nicht unmöglich, in einer Koexistenz zu leben. Er heulte leise auf. Nicht unmöglich. Nur nicht von Dauer. Zufrieden verschwand er wieder im dichten Gebüsch, hinein in ein Niemandsland, in dem weder Wolfsfährten noch der Geruch des Todes erspürbar war. Zufriedenheit lauerte in seinen wirren Gedanken. Es würde regnen. ~***~ Der Tag, an dem Jelena Carter in Jacob Blacks Leben trat, hatte einen entscheidenden Unterschied zu all den Tagen, die es in La Push, einem kleinen Reservat im Bundesstaat Washington, gewöhnlicherweise gab. Es war ein weltbewegender Unterschied, einen, der diesen Tag von grundsätzlich allen Tagen im Jahr unterschied: es regnete. Wie selten, dachte Jacob Black ironisch, als er im strömenden Regen sein Motorrad die Auffahrt hinunter schob. Es war ja nicht so, dass Regen nicht schon 365 Tage im Jahr das Wetterbild in der Gegend bestimmte, nein, absolut nicht. Und der Spätsommer musste ausgerechnet dieses Jahr besonders nass sein. Hoffentlich wurde es noch irgendwann mal besser... Die Idee hielt sich nicht lange in seinem Kopf auf, bis er sie als unrealistisch beiseite schob. Momentan passte der Regen sogar zu Jakes Stimmung: schwarz, trüb – mit anderen Worten: ihm war zum Heulen zumute. Und das schon seit Monaten. Schlamm spritze auf, als er den Motor startete und Gas gab, beschmutzte den Aufschlag seiner Jeans und liess ihn fluchen, als er seine Turnschuhe beinahe zeitgleich an den Regen verlor. Eigentlich war ihm unter seiner Regenjacke noch zu heiß... Aber selbst wenn die Feuchtigkeit auf seiner Haut verdampfen würde – falsch. Besonders, wenn die Feuchtigkeit auf seiner Haut verdampfen würde, würden die Leute in der Schule unangenehme Fragen stellen, und Jake hasste es, zu lügen. Was konnte er gegen die erhöhte Temperatur tun, die seine Haut zu jeder Tages- und Nachtzeit heiß erscheinen liess? Nichts, richtig. Hundert Punkte für den Kandidaten. Die Klamotten werden nass vor Schweiß sein, lästerte eine Stimme in seinem Hinterkopf, die er geflissentlich ignorierte. Ihm stand nicht der Sinn nach lästigen Fragen. Ihn stand nicht mal der Sinn nach Gesellschaft. Aber ob Regen, Schnee, Lawinen oder Erdbeben oder gar schlechte Laune – Schule musste sein. Fand zumindest ein Vater. An einigen Tagen hätte der 17-jährige (fast 18, korrigierte er sich in Gedanken) ihm am liebsten widersprochen, an manchen Tagen tat er es sogar. Heute war einer dieser Tage, an denen er die Diskussion klar verloren hatte. „Du kannst dich nicht ewig im Haus vergraben und sagen, du willst alleine sein, so was ist ungesund! Was ist nur los mit dir? Raus und ab zur Schule!“ Wusste er wirklich nicht, was los war? Jake war sich sicher, dass er schon längst versucht hatte, Embry oder Quil oder gar Sam auszufragen, was ihn so trübsinnig machte, dass er immer wieder allein sein wollte. Konnte er es sich nicht denken oder tat er nur dumm? Er war sich nicht sicher, ob seine Freunde – das Rudel – ihn an Billy verraten hatten. Aber der war nicht dumm – er wusste bestimmt irgendwas. War nur die Frage, was und wie viel er wusste – und Jake wollte sich garantiert nicht freiwillig mit dem Thema beschäftigen. Also hatte er jeden Widerstand aufgegeben und war aufgestanden. Aus dem Spiegel schaute ihm seine übliche Gestalt entgegen: ein riesiger, irgendwie zu muskulöser Junge, der dennoch schlacksig und jung wirkte, schulterlange, zerzauste schwarze Haare, die er sofort zu einem Pferdeschwanz zusammenflocht, bevor er es vergaß und die Lehrer ihn dafür böse ansehen würden. Braune Augen in einem irgendwie abgehärmten Gesicht, es zeigte viel mehr Erfahrung mit sowohl Freude als auch Leid, als ein Gesicht eines normalen 17-Jährigen aussehen sollte, und er hatte blaue Ringe unter den Augen. Wenn es noch ging, war er unter seiner sonnengebräunten Haut blasser als je zuvor – nicht, dass er sich das wünschte. Er war sogar froh, dass seine dunkle Hautfarbe die Blässe genügend überdeckte, um keine unangenehmen Fragen aufkommen zu lassen. Und als er sich ansah, stieg wie immer das Gefühl hoch, welches er sogleich mit aller Macht zu unterdrücken versuchte und welches ihn doch jeden Morgen aufs Neue zu überwältigen drohte: Er war nun mal nicht Er. Er hatte weder die lässige Eleganz noch die perfekte Schönheit, die Edward Cullen besaß. Seine Bewegungen waren manchmal zu linkisch und manchmal zu wild, selbst nach langer Zeit mit dem Rudel vergaß er manchmal die enorme Kraft, die in ihm steckte. Ausversehen hatte er am ersten Schultag den Besenstiel zertrümmert, an dem das Pappschild mit dem Namen eines Lehrers stand. Gestanden hatte, besser. Dabei hatte er nur die Fäuste geballt – auf den Muskelprotz loszugehen, der ihn beleidigt hatte, hätte ein paar gebrochene Knochen gekostet. Natürlich nicht auf Jakes Seite. Aber es wäre sicherlich keine gute Idee gewesen, sein Senior-Jahr so zu beginnen. Voll Verbitterung starrte er zurück in den Badezimmerspiegel und verspürte den dringenden Wunsch, seinem Spiegelbild die Faust ins Gesicht zu schlagen... Scherben bringen doch Glück, oder? Aber er brauchte weder Glück noch Schnittwunden. Auf dieses Niveau würde er sich nicht hinunterlassen. Aber dennoch war er nicht wie er und würde es niemals sein... Und was ihn noch mehr schmerzte, war nicht, dass Edward besser aussah als er, sondern, dass er etwas hatte, wofür Jake sein Leben gegeben hätte. Und er würde es niemals besitzen, den Bella hatte Edward gewählt und nicht ihn. Hatte ihn sogar geheiratet... Hatte sie doch, oder? Jake war nicht gegangen. Einmal in seinem Leben hatte er seiner Feigheit nachgegeben und sich verkrochen. Ein einziges Mal. Er würde es nie wieder tun. Es bestand kein Grund mehr dafür: sie war nun unerreichbar. Und er akzeptierte ihre Entscheidung. Er hatte die Augen vom Spiegel losgerissen, sich angezogen, hinuntergewürgt, was auch immer Billy ihm da auf den Teller gelegt hatte, hatte seine Regenjacke und seinen Rucksack ergriffen und war losmarschiert, in Richtung Garage. Hatte Bellas Motorrad geflissentlich ignoriert und seines herausgeschoben, und dann war er auf dem Weg. Regen peitschte auf ihn ein, der Wind bliess in heftigen Böen und die Schleier, die er vorantrieb, verschlechterten die Sicht gewaltig. Das Wetter hätte Jake kaum aufmuntern sollen, aber es tat es merkwürdigerweise doch. Da war jemand nicht nur verletzt, sondern auch wütend... Etwas, was er sich nicht mehr vorstellen konnte. Etwas getröstet fuhr er auf den Parkplatz... Wenigstens bemitleidete ihn der Regen nicht, sondern wütete um ihn wie um jeden anderen Menschen, der so dumm war, mit dem Motorrad zur Schule zu kommen. Mitleid hatte er bereits mehr, als er sich je gewünscht haben könnte, und es widerte ihn an. Die Schule trug weniger zur Verbesserung seiner Laune bei als das Wetter draußen, aber immerhin war das Gefühl, laufen zu wollen, weg und weiter weg, bis er nichts mehr spüren konnte, zeitweilig verschwunden. Jake beschloss, es zu lassen, wo immer es gerade war – er konnte es nicht leiden, wenn Jemand Trübsal blies. Er wollte für sich selbst keine Ausnahme machen. Manch einer hätte das als zu hart gegenüber sich selbst empfunden – es war Jakes Art zu Leben. Keine Ausnahmen für Niemanden – und erst Recht nicht für sich. Als er zu seinem Klassenraum kam, warteten Quil und Embry bereits auf ihn. Sam bezeichnete sie als seine, Jakes, „Flügelleute“, Jake bevorzugte den Namen „Freunde“. Es war gut, sie zu haben – wenigstens manchmal. Die Beiden warteten links und rechts an der Tür, wie Türsteher und wie jeden Morgen, und verstärkten die Empfindung von Ersterem noch, in dem sie beide die Arme vor der Brust kreuzten wie echte Rausschmeißer. „Morgen“, grüßten beide kameradschaftlich – nur ein Hauch Respekt war enthalten, den Andere nicht von ihnen erhielten. „Morgen“, antwortete Jake und hob grüßend die Hand. Er schaffte es sogar, zu grinsen. Lächeln konnte er nicht mehr. Jedoch wurde ihm beim Anblick seiner ebenfalls überdurchschnittlich großen, kurzhaarigen Freunde bewusst, welchen gravierenden Unterschied es zwischen Edward Cullen und ihm gab, abgesehen von allem, was sonst existierte: ihre wahre Natur. Die Kluft zwischen ihnen war unüberbrückbar. Deshalb war es für Bella unmöglich, nun noch zu ihm zu kommen (im Stillen war er dankbar dafür. Er wollte sie nicht sehen): sie hatte ihre Seite gewählt. Aus und Ende. Sie wurde ein Vampir, er war ein Werwolf. Keine weiteren Gedanken nötig. „Wir sollen heute Nachmittag zu Sam kommen“, sagte Embry und warf einen Blick auf seine Uhr. Noch 7 Minuten. „Wieso?“ Jake runzelte die Stirn. „Ist etwas passiert?“ Quil zuckte die Schultern. „Er hat noch nichts gesagt. Aber alle Anderen kommen auch.“ Es war wie immer, seit er sie kennengelernt hatte, und genau, wie er es gesagt hatte: er sah nur sie, egal wo er hinschaute. Selbst, wenn er die Augen schloss. Wie um sich zu beweisen, dass er noch wusste, wie sie aussah, schloss er kurz seine Lider und schon war ihr Bild wieder so klar, als stünde sie vor ihm. Mit Mühe riss er sie wieder auf. Der Schmerz war jetzt schon wieder da. Der Regen hatte ihn nur zeitweilig abgekühlt. Der Wunsch, zu verschwinden, zu laufen und nie wiederkommen zu müssen, nie wieder denken, fühlen, sich erinnern zu müssen, war übermächtig. Wütend über sich selbst kämpfte er ihn nieder. Hatte er nicht gerade gesagt...? Schule ist wichtig, vermeinte er fast Billys Stimme in seinem Kopf zu hören - ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? – und er konzentrierte sich auf die Gegenwart. Gerade rechtzeitig, denn Quil und Embry beendeten ihre Unterhaltung und sprachen ihn nun an. Er war sich nicht bewusst gewesen, dass sie ihn besorgt aus den Rändern ihrer Augenwinkel beobachtet hatten, und er ignorierte es. „Weißt du schon das Neuste?“, fragte Embry und deutete mit dem Kopf in Richtung Klassenzimmer. Jake schüttelte den Kopf. „Aber ich nehme an, ihr werdet es mir gleich sagen?“ „Worauf du Gift nehmen kannst!“ Erleichtert, dass er sich nicht allzu bitter und wütend anhörte (er hatte den Ton langsam selbst satt – es konnte wirklich nicht schaden, etwas freundlich zu den Personen zu sein, die nett zu ihm waren), grinsten beide ihm zu. „Eine Neue“, sagte Quil und zog einen undefinierbaren Gesichtsausdruck. „Wie?“, fragte Jake erstaunt zurück. „Eine Woche nach Schulanfang?“ „Ja. Sie ist letztens nach La Push gezogen.“ „Wer?“ Embry und Quil schüttelten synchron die Köpfe: Links, Rechts, Links. „Irgendeine Carter. Ist schon dagewesen, als wir kamen, hat nur gefragt, ob der Platz schon besetzt war.“ „Und jetzt sitzt sie da und starrt Löcher in die Wände. Wenn sie so weitermacht, sieht die Schule bald aus wie ein Schweitzer Käse“, war Quils Beitrag, nachdem Embry endete. „Ja, sie würde wahrscheinlich jeden Starr-Wettbewerb gewinnen“, stimmte sein Freund ihm zu und beinahe hätten beide gekichert. Jake hielt sich gerade noch davon ab, die Augen zu verdrehen – wie führten sie sich denn auf? „Morgen“, grüßte er statt dessen einen Mitschüler, der sich an ihm vorbeischob, ohne zu antworten. „Wie sieht sie aus?“ Er wäre nicht einmal an ihr interessiert gewesen, wenn sie blaue Haare und eine schiefe Nase gehabt hätte, er fragte aus reiner Höflichkeit. „Keinen zweiten Blick wert“, waren sich seine Freunde einig und grinsten sich erneut zu. „Schulterlange, braune Haare, komische Augen...“ „Klein und schlank.“ „Ja, ungefähr so.“ „Na, ihr müsst sie aber mehr als einmal angeschaut haben, um das alles sehen zu können.“ Jake grinste, und es fiel nicht mehr so schwer wie vor Tagen. Es war merkwürdig – er fühlte sich fast leichter, ein bisschen weniger schmerzerfüllt... Ob das am Tag lag? Oder einfach nur daran, dass er in den Ferien viel zu viel Zeit zum Grübeln gehabt hatte? Die letzte Woche war so schnell vorbei gewesen, er hatte sie nicht einmal wahrgenommen. Und nun begann die zweite Schulwoche, und eine Neue namens Irgendwie Carter war da und war stumm wie ein Fisch, und Quil und Embry liefen rot an, als er das sagte. „Naja – wir mussten sie doch einmal unter die Lupe nehmen“, verteidigte sich Quil, und dann verschoben sich alle weiteren Unterhaltungen, als es zum Unterricht klingelte. Der Rest der Schüler strömte an ihm vorbei und über die Galerie in den Klassenraum vor ihm, der Pausenhof leerte sich. Jake wartete, bis die Lehrerin von ihrem Schreibtisch aufstand und vor die Klasse trat, dann sprang er auf und schloss die Tür hinter sich. Miss Camden warf ihm einen Blick zu, halb vorwurfsvoll, halb dankbar. „Ab mit dir“, sagte sie und deutete unmißverständlich auf seinen Platz. Halb grinsend kam er ihrer Aufforderung nach. Es ging plötzlich viel einfacher – die Atmosphäre im Klassenraum war entspannter als er es gewöhnt war. Miss Camden war berühmt für ihren Literaturkurs – er war regelmässig überfüllt. Und Jake wurde klar, dass letzte Woche nur deshalb ein Platz frei geblieben war, weil man die Neue bereits erwartet hatte – einige hatten sich bereits gewundert, warum genau ein Platz im beliebtesten Kurs der Schule frei blieb. Also eine Neue. Hastig sah Jake sich um. Das würde ja bedeuten, dass der Platz neben ihm... Nein. Der Platz neben ihm war besetzt, wo er letzte Woche noch frei gewesen war. Aber statt einem unbekannten Gesicht grinste ihm James entgegen, der offensichtlich die Plätze getauscht hatte. „Hi!“, flüsterte er. „Sie wollte unbedingt tauschen.“ Sie? Jake runzelte die Stirn und nahm an, dass es der Wunsch der Neuen gewesen war. Warum im Namen aller sieben Höllen hatte sie tauschen wollen, wenn sie nicht einmal wusste, wer neben ihr sitzen würde? Langsam schweifte sein Blick über die Schüler der Klasse, während Miss Camden die Anwesenheitsliste durchging. Diese Tischstühle mochten ja praktisch sein... Aber war das nicht merkwürdig? Sein Blick fiel auf die Neue, und er erwartete zu sehen, was er immer sah, wenn er Mädchen ansah: nur eine andere, unperfekte Version von Bella, eine schlecht gemachte Schwarzweißkopie eines leuchtenden Farbfotos... Ihr Blick war starr zwischen dem OHP und Miss Camden hindurch gerichtet, als wolle sie niemanden sehen – oder als würde sie versuchen, die Wand in ihre Moleküle zu zerlegen. Ihr schulterlanges, glattes braunes Haar fiel ihr in Strähnen ins Gesicht und sie schob es abwesend wieder hinter ihr Ohr, es machte sich aber schnell wieder selbständig. Ihr Gesicht war einfach, aber ausdrucksvoll – und ihre Augen waren strahlend grün, grüner, als Jake sich je Augen hätte vorstellen können. Sie war tatsächlich sehr klein, ging ihm wahrscheinlich nicht einmal bis zur Brust, schlank, aber sehnig... Jacob konnte sich nicht helfen: er starrte sie an wie gebannt. Ihre Schultern zuckten, als hätte sie es bemerkt und als ob es ihr unangenehm wäre, aber sie wandte sich nicht zu ihm um. Nickte nur leicht, als Miss Camden sie vorstellte, schüttelte den Kopf, als ihre Heimat falsch genannt wurde, sagte ein paar Dinge und schwieg dann wieder und fuhr fort zu starren. Und Jake konnte nicht aufhören, sie anzusehen. Es war fast peinlich, denn er wollte sich abwenden, er war sich sehr bewusst, dass andere Mitschüler ihn merkwürdig anstarrten und sicherlich ein paar Gerüchte kreisen würden. Er hätte es der Neuen gerne erspart, schon an ihrem ersten Tag zum Klatschthema Nummer Eins zu machen, aber er konnte nicht anders. Als hätte es „Klick“ in ihm gemacht, sah er sie an – und wusste selbst nicht, was es zu bedeuten hatte. Sie war keine klassische Schönheit wie Bella – manch Einer hätte nicht einmal gesagt, dass sie schön war. Aber sie hatte etwas ... es war schwer zu beschreiben. Sie sah so... Wild aus... Als hätte sie jemand gefangen genommen, ihr normale Kleidung angezogen (die sicherlich nicht der Mode der Zeit entsprachen... Jake konnte die Zicken der Schule hinter ihm bereits über ihren knöchellangen Rock lästern hören, den sie trug), sie gezwungen, in die Schule zu gehen und sich auch sonst wie ein normaler Mensch zu benehmen. Aber trotz allem wirkte sie wie ein verletzliches, wildes Tier. Ein Bleistift fuhr ihm in die Rippen und er wirbelte herum: Von der anderen Seite grinste Embry ihn an, und Rache funkelte in seinem Blick genauso wie Belustigung. „Keinen zweiten Blick wert, stimmst du zu?“ Jake sah ihn wütend an. Embrys Blick ging über ihn hinweg – und traf auf etwas, das ihn ganze 10 Inches kleiner werden liess und um Tonnen Kleinlauter. Jake fuhr erneut herum, aber der Blick der Neuen war bereits wieder auf Miss Camden gerichtet als sie so tat, als hätte sie nichts gehört. Jake runzelte die Stirn und beobachtete sie weiter. Für den Rest der Literaturstunde konnte er sich kaum auf den Unterricht konzentrieren. Das war dumm, denn er mochte Eichendorffs Gedichte und Internationale Literatur hatte ihn immer interessiert, trotzdem ertappte er sich immer wieder dabei, wie er das Mädchen anstarrte, die auch während des Unterrichts kaum etwas sagte, und wenn, dann in ihrer leisen, melodischen Stimme, die nicht hierher zu gehören schien. So trat Jelena Carter in Jacobs Leben. ~***~ „Ich geh zu Sam“, rief Jake ins Haus, nachdem er von der Schule zurückgekehrt war und seine gröbsten Arbeiten erledigt hatte. Schule bis 3, und dann noch Hausaufgaben... Kein Wunder, dass die Meisten sie während der Pausen erledigte. Für Jake aber hatten sie sich zu sowohl einer Ausrede als auch zu einer Ablenkung erwiesen... Und nur, weil seine Mitschüler ihn schief ansahen, weil sein Image des Unruhestifters nicht zu seinen täglich erledigten Aufgaben passte, würde er sie sich nicht nehmen lassen. Zudem erinnerten ihn die Stunden an die Zeit, die er mit Bella... Nein. Energisch schob er den Trübsinn wieder beiseite und was wütend auf sich selbst. Konnte er sich nicht wie ein vernünftiger, rationaler Mensch – Verzeihung – Werwolf benehmen? „Bravo, Junge“, sagte eine Stimme hinter ihm, und Billys schwere Hand legte sich auf seine Schulter. „Was?“, fragte Jake verwirrt. „Ach... Nichts.“ Sein Vater kratzte sich verlegen am Kopf und verzog das Gesicht. „Bis später.“ „Bis später.“ In der kleinen Fischerhütte, in der Sam und seine Verlobte Emily lebten, begrüßte ihn wie immer eine gemütliche Atmosphäre. Jake fühlte sich wohl in diesem Haus. Die düstere Vergangenheit der Bewohner schienen selbige so gut wie möglich hinter sich gelassen zu haben, als sie eingezogen waren. Durch das Geflecht ihrer Wolfsgedanken her kannte Jake die Geschichte von Leah, Emily und Sam – und es war schrecklich, Sams Schuldgefühle zu spüren, die ihn immer wieder überkamen. Aber das war wahrscheinlich genauso schrecklich für die Anderen wie seine eigene Einsamkeit und sei eigener Schmerz, dachte Jake zynisch. Er hätte oft alles dafür gegeben, um das Geflecht aufzulösen. Aber in ihrer Wolfsgestalt waren sie alle verbunden – ein Rudel, ein Geist. „Jake!“, begrüßte Sam ihn freundschaftlich, musterte kurz und besorgt sein Gesicht und schaute erleichtert drein. „Komm rein!“ Er zog ihn in das Wohnzimmer, wobei Jake den Flur nass tropfte. Natürlich regnete es immernoch. In der Küche hörte man Emily rumoren, kurz darauf streckte sie ihr schönes, von drei langen Narben entstelltes Gesicht durch die Tür und lächelte Jake an. „Lasst mich raten – Hunger?“, fragte sie mit einem Zwinkern in den Augen. „Oh ja“, sagten Beide und nickten begehrlich, und die Frau zog sich lachend zurück. „Werwölfe!“, hörte man sie noch murmeln. Während Jacobs Jacke langsam vor dem Kamin vor sich hin dampfte – er trug nur ein dünnes T-Shirt, und trotzdem war ihm warm – trudelten nach und nach auch der Rest des Rudels ein. Quil, quirlig und immernoch überglücklich, dass er nun auch (nun zwar schon seit einem Jahr, aber wie auch immer) zum Rudel gehörte, für den seine wahre Natur nur ein Spiel war, Paul mit seiner extrem kurzen Geduld und den gelegentlichen Wutanfällen, Jared, der wahrscheinlich mit seinen Gedanken wieder bei Kim war, dessen Gesicht aber wie üblich absolut nichts verriet, und Seth, ihr Neuzugang, der Jüngste von allen. Ähnlich wie Quil betrachtete er seine Werwolfgestalt eher wie ein Spiel, das es zu spielen galt... Obwohl er nach seinen Erfahrungen im letzten Jahr eigentlich vorsichtiger und verantwortungsvoller geworden sein sollte. Jake verspürte bei ihrem Anblick noch immer ein Recht zwiespältiges Gefühl: einerseits waren sie seine Freunde, seine wahren, echten Freunde. Sie kannten alles – und wenn er sagte alles, meinte er alles – von ihm, genauso, wie er sie in- und auswendig kannte. Aber dann wiederum hatte er sich nie gewünscht, zu ihnen zu gehören. Da wurde es auch nicht besser, dass sie ihn so respektvoll behandelten, als wäre er ihr ... ihr Chef. Genetisch gesehen vielleicht, ja, vielleicht war er wirklich der Großenkel des letzten Häuptlings der Quileute gewesen. Aber er hatte sich das nicht ausgesucht. Wenn es nach ihm ging, konnte Sam das Amt des Rudelführers genauso gut behalten wie die Anderen ihr Mitleid, welches er jedes Mal spürte, wenn er ins Geflecht eintauchte. Dennoch war die Verbindung in manchen Zeiten ein Halt, ein Trost, wenn die Welt allzu dunkel wurde... Bald war ein angeregtes Gespräch im Gange, welches die Männer (oder Jungen) beim warmen Licht des Feuers, bei einem Glas Cola und bei Emilys wundervollem Streuselkuchen genossen. Gelächter und Stimmen hallten durch den Raum, und hin und wieder, wenn er es nicht merkte, sahen die Anwesenden Jake von der Seite an. Es schien ihm besser zu gehen... Von dem, was sie sagen konnten. „Warum das Treffen heute, Sam?“, fragte Jacob schliesslich, und seine Stimme durchbrach die Heiterkeit. Sam, der gerade mit Embry und Seth über einen Witz lachte, der Menschen und Vampire gleichermaßen beinhaltete, hörte abrupt auf und schaute in die Runde. Alle hatten ihre Gespräche unterbrochen und schauten ihren Anführer interessiert an, und Sam, der genausowenig gern im Mittelpunkt stand wie die anderen Mitglieder seines Rudels, kratzte sich verlegen am Kopf. Es war sehr ruhig. Nur die Flammen knisterten im Kamin. „Zwei Dinge“, begann Sam. „Erstens kann es sein, dass ein Problem auf uns zukommt. Und zwar sind in letzter Zeit einige Schafe grundlos und ziemlich... Grauenhaft gerissen worden. Ich schätze, jemand treibt sich in unserem Revier herum..." Er hob die Hand, als Quil Einspruch erheben wollte. „Ich bin ihm zwar noch nicht begegnet, aber ich kann auch nicht aus den Spuren sagen, ob es ein Werwolf war... Oder ein Vampir.“ Seine Worte hallten langsam in der warmen Luft im Wohnzimmer nach. Der Regen trommelte heftiger gegen die Scheiben, und Emily, die in der Tür stand, fröstelte. Plötzlich verstand Jake, warum hier auch im Spätsommer schon das Feuer im Kamin brannte. „Niemand kann mit Bestimmtheit sagen, wer oder was durch unsere Wälder streift, aber selbst die Tiere sind nervös. Egal was es ist, es ist nicht normal, und wahrscheinlich nicht bei Sinnen.“ „Ein irrer Werwolf?“, fragte Seth mit großen Kinderaugen. „Ich habe das nicht gesagt“, schränkte Sam ein. „Es könnte auch...“ er zögerte, „Etwas ganz anderes sein. Ihr wisst, wie schnell merkwürdige Gerüchte sich verbreiten.“ „Zu schnell“, murmelte einer von ihnen, und die anderen lachten verhalten, bis auch das Geräusch erstarb. „Aber es ist nicht gut“, fasste Jake zusammen. „Bisher nur Schafe?“ Sam schien zu überlegen, ob er etwas sagen sollte, und entschied sich für ja. „Oben in Seattle ist eine Frau tot aufgefunden worden, am Tag, nachdem sie vermisst gemeldet wurde. Aber wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen. Seattle ist nicht unser Territorium. Vielleicht ist diese Kreatur nur auf Durchreise. Oder gar nicht so gefährlich, wie es mir erscheint. Aber die Art, in der die Schafe verendet sind, war ganz und gar nicht schön anzusehen." Eine Weile herrschte Schweigen, welches sich schwer und voll auf das Zimmer legte, und wieder war es Jake, der das Schweigen brach und die Anderen wieder auf den Boden der Realität zurück holte. „Und die zweite Nachricht?“ „Ah.“ Tief atmete Sam durch. „Ja, das. Also, ich glaube, in unserem Revier ist ein fremder Werwolf aufgetaucht.“ „Das hast du schon gesagt!“, rief Paul aus. „Und du hast gesagt, dass es kein Werwolf sein muss!“ „Ich weiß. Aber das war die eine Sache. Jetzt bin ich bei einem Werwolf, der seit ungefähr einer Woche durch unser Revier streift. Er hat nichts gerissen oder getötet, ich bin mir sicher, es scheint, als erkunde er nur. Gestern war ich draußen und habe eindeutige Spuren gesehen. Ich bin ihnen gefolgt, aber ich habe den Fremden nicht einholen können.“ Das Schweigen nahm überaus erstaunte Züge an. Sam, der Älteste und Erfahrenste von ihnen, hatte es nicht geschafft, einen fremden Werwolf aufzuspüren und einzuholen? Er, der sie alles gelehrt hatte, was sie wussten, hatte der Spur nicht bis zu ihrem Ursprung folgen können? Wenn er sich an die Fersen eines Verdächtigen heftete, dann würde er auch daran bleiben, als sei er festgeleimt... Der Gedanke, dass er es nicht geschafft hatte, war unbegreiflich für seine Rudelgefährten. Als nichts folgte, zuckte Sam nur die Schultern. „Ich wollte auch nichts weiter sagen. Haltet Ausschau nach ihm, das ist alles. Er muss uns nicht feindlich gesinnt sein – er hat unsere Regeln bisher respektiert. Aber man kann nie wissen.“ „Wenn ein fremder Werwolf in unserem Revier herumläuft, ist es ein Eindringling?“, fragte Seth, und die Anderen grinsten. „Kommt drauf an, ob dieser Werwolf zu einem anderen Rudel gehört oder nicht“, sagte Jared abwesend. „Er könnte ein Kundschafter eines Rudels sein, das unser Gebiet für sich beanspruchen will.“ „So was gibt’s?“, sagte Seth, und seine Augen weiteten sich wieder. „Natürlich“, sagte Jake diesmal und warf Sam einen Blick zu. „Aber wenn es ein Einzelgänger ist?“ „Dann ist er das entweder, weil er es gern ist, dann wird er uns fern bleiben. Oder er ist neu in der Gegend – dann will er sich uns vielleicht anschließen.“ „Werden wir seine Gedanken hören können?“ „Gute Frage!“ Paul mischte sich ein. „Werden wir?“ Die anderen sahen sich ratlos an. „Eher nicht“, vermutete Jake. „Wir haben ihn bisher nicht gehört, oder?“ „Na dann...“, sagte Sam. „Gut“, stimmte ihm auch Paul zu. Nach diesen Worten blieb nicht mehr viel zu sagen. Nach und nach brach Einer nach dem Anderen auf, um nach Hause zu gehen. ~***~ Die Nacht war so anders mit Werwolfsinnen. Sie enthüllte Jake in seiner wahren Natur mehr, als sie einem Menschen jemals zeigen würde, war freundlicher und einladender, als sie je auf Menschen wirken würde. Der Wind, der durch sein langes, dunkles Fell fuhr, war gleichzeitig belebend und erregend, er roch würzig und fremd, aber zugleich vertraut. Manche Dinge hätte Jake als Mensch niemals wahrgenommen, manche nur schwach – aber nun roch er den würzigen Duft des Regens auf den Blättern der Bäume, spürte die feuchtkalte Nachtluft auf der Zunge und hörte die Geräusche des Waldes: knackendes Holz, knarrende Äste, raschelnde Blätter, sich im Schlaf regende Tiere. Auf seinen vier Pfoten schlich er geradezu durch den Wald, ohne eine Spur zu hinterlassen, einen Ton von sich zu geben oder gar seine Anwesenheit zu verraten. In seiner Zeit als Rudelmitglied hatte er gelernt, sich so zu bewegen, als ob er unsichtbar wäre, und ohne sich selbst zu loben: er war einer der Besten von ihnen, was dies nun betraf. Wenn nicht sogar der Beste. Eine Eule strich über ihn hinweg und tutete, begrüßte ihn fast freundlich – die Tiere im Wald von La Push hatten sich an die Anwesenheit des Rudels gewöhnt. Sie wussten, dass sie sich nicht um die großen Gestalten zu sorgen brauchten, die herumstrichen, lautlos und zwar tödlich, aber niemals für sie. Heute Nacht hatte Jake sich wieder hinausgeschlichen, um allein zu sein und um seinen Kopf klar zu bekommen, und er hatte Glück. Das Geflecht gehörte ihm allein, er konnte die Anderen dumpf spüren, wie ihre Geister im Traum dahintrieben, aber niemand war gerade in Wolfsgestalt, und so gehörten seine Gedanken und Gefühle allein ihm. Jake war dankbar für die Gelegenheit, Freiheit spüren zu können, ohne das Geflecht mit Jared oder Paul teilen zu müssen. Selbst, wenn sie nichts sagten, flossen Gedanken und Gefühle von Einem von ihnen zum Nächsten, und es war schwer, etwas für sich zu behalten – es war unmöglich. Weder Seths noch Sams Mitleid und Wunsch, ihm zu helfen, war präsent, noch Quils und Embrys offensichtliche Hilflosigkeit gegenüber seiner Einsamkeit. Selbst, wenn er sich im Geflecht befand, in dem man – bei aller Liebe! – nicht einsam sein konnte, so war er es doch... Aber in der Gedankenverbindung blieb alles still, und er genoss die Gelegenheit, seine eigenen Gedanken für sich behalten zu können. Auf der Flucht vor den Bildern, die ihn im Wachen und im Schlafen verfolgten – honigblondes Haar, helle, strahlende Augen - lief er weiter und weiter, seine Pfoten trommelten über den nebelbedeckten Boden, die Fetzen fegten um seine Beine, als er ihn aufwirbelte. Am Rande einer Lichtung blieb er abrupt stehen und reckte die Schnauze zum Himmel hinauf. Fast Vollmond. Nur wenige Sterne zeigten sich zwischen den Regenwolken, und Jake genoss die Einsamkeit und Freiheit für einige Sekunden, die Wildheit der Nacht, die Kühle und deren Nebelwolken... Das Gefühl, beobachtet zu werden, kam urplötzlich und völlig unerwartet. Jakes Wolfskopf fuhr hoch, alarmiert durch ein unbestimmtes Unbehagen, welches sich in ihm ausbreitete, und aus seinen scharfen Augen musterte er die Umgebung. Es war niemand, den er kannte, sonst hätte er dessen Präsenz gespürt, niemand ausser einem Fremden, wenn nicht sogar einem Feind konnte diese instinktive Reaktion in ihm auslösen... Sein Knurren klang leise und gefährlich, aber niemand antwortete auf die Drohung als das leise Rauschen des Windes in den Kronen. Lautlos beobachtete ein Paar funkelnder Augen ihn aus dem Dickicht. Innerhalb von Sekundenbruchteilen war Jake auf den Pfoten und stürmte dem geheimnisvollen Werwolf hinterher. Es war ein Werwolf, dessen war er sich sicher, und er wusste, dass dieser wusste, dass er wusste, dass er da war. Die dunklen Augen hatten weder Furcht noch Unsicherheit gezeigt. Dennoch aufgeschreckt durch die offensichtliche Tatsache, dass Jake ihn entdeckt hatte, machte der Fremde auf dem Absatz kehrt und jagte davon – verdammt, er war schnell! Wild entschlossen, herauszufinden, was es sich mit dem geheimnisvollen Fremden auf sich hatte, heftete sich Jake an dessen Fersen, hetzte hinterher, Rute und Ohren aufgestellt die Nase dicht über dem Boden, ohne innezuhalten. Warum wollte dieser Werwolf nicht vom ansässigen Rudel entdeckt werden? Seine Pfoten trommelten über den Waldboden, rhythmisch und gemäßigt. Jake war einer der Schnellsten im Rudel – aber dieser Wolf war schneller! Er konnte nur hoffen, dass sich seine Ausdauer dafür auszahlen würde. Er schaffte mehrere hundert Meilen am Tag – bisher hatte niemand aus dem Rudel ihn schlagen können. Doch der fremde Wolf lief, als würde er von Wolken getragen, seine Pfoten schienen den Boden kaum zu berühren, und nach und nach gewann er an Vorsprung und liess Jake hinter sich zurück. Der knirschte mit den Zähnen – er würde ganz sicher weder verlieren noch aufgeben! Um ihn löste sich Gestrüpp zu hohem Gras, als er aus dem Wald in vollem Lauf auf eine Lichtung herausschoß. Stille. Niemand war weit und breit zu sehen. Eine Maus raschelte im Gebüsch... Obwohl seine Flanken von dem wilden Lauf bebten, gab er nicht einen Ton von sich. Wozu? Wohin? Eine Eule, die verärgert aufkreischend über ihn hinweg segelte, verriet ihm die Position des Fremden und die Richtung, in der es weiterging. Der fremde Wolf mochte schnell sein, so schnell, dass Jake ihn bisher noch nicht eingeholt hatte – aber ihm fehlte ein entscheidender Vorteil, den Jake sich zu Nutze machen konnte. Er kannte den Wald, und der Wald kannte ihn – etwas, was der Fremde von sich nicht behaupten konnte. Sofort war er wieder auf der Spur, sprang noch schnell genug ab, um das Aufleuchten von hellbraunem Fell im schwachen Mondlicht zu sehen, und eine verwischte Gestalt verschwand mit einem Satz im Nebel, der wenn es ging sogar noch dichter wurde. Gut, dass er sich nicht nur auf seine Augen verlassen musste, denn in den weißen Schwaden war rein gar nichts erkennbar... Feucht und schwer legte er sich auf den gesamten Wald. Konzentriert verfolgte Jake die Spur weiter, verfolgte den Fremden im Gebiet seines Rudels, der ihnen nicht Rede und Antwort stehen wollte... Inmitten einer Lichtung holte er ihn schliesslich ein. Eine Wurzel reichte aus, um den Fremden stolpern zu lassen, der, erschöpft von dem rasend schnellen Lauf und von Jakes Hartnäckigkeit seine Pfoten vertauschte und hart auf dem festen Boden aufkam. Er versuchte sich zu fangen, Jake bewunderte seine Hartnäckigkeit, mit der er sich halb abrollte und wieder auf die Pfoten kam und weiterfliehen wollte, aber er nutzte die Gelegenheit und sprang ab, auf den Fremden zu. Er zwang seine ohnehin schon müden Läufe zu einer letzten Kraftanstrengung, die ihn im hohen Bogen auf den Fremden zusegeln liess und sie stießen frontal zusammen, wurden von den Beinen gerissen und wälzten sich auf den Boden. Jake landete oben und musste sofort darum kämpfen, denn der Werwolf unter ihm wehrte sich verbissen dagegen, besiegt zu werden. Noch eine Weile wälzten sich die Werwölfe auf dem harten Boden hin und her, und gerade, als Jake schon überlegte, ob er den Gegner würde K.O.-Schlagen müssen, um ihn zum Aufgeben zu zwingen, erschlaffte dieser unter Jakes sehnigem Körper und hob seine Schnauze, zeigte seine ungeschützte Kehle als Zeichen seiner Aufgabe und Unterwerfung. Beide Wölfe lagen still und stumm aufeinander. Im Geiste bewunderte Jake den Wolf, der nun, da er unter ihm lag, so klein und schwach wirkte. Hätte er nicht kurz zuvor festgestellt, welche Kraft in den Sehnen und Muskeln jenes Körper steckten, hätte er in ihm niemals einen gleichberechtigten Gegner erwartet... Die Brustkörbe beider senkten sich heftig unter ihren hastigen Atemzügen. Erhitzt und keuchend blieb er noch eine Weile in seiner Position lieben, bis er sicher war, dass der Fremde keinen Fluchtversuch mehr starten würde, dankte im Stillen dem Herrn, dass er herausgefunden hatte, wie man in Turnklamotten die Gestalt wechselte und hoffte, der Fremde beherrsche diese Technik auch – und dann verwandelte er sich zurück. In seiner Menschengestalt blieb er liegen, heftig atmend, und spürte wie sich unter seinen angespannten Armen Fleisch und Muskeln zu bewegen begannen und Fell sich zurückzog, als der Werwolf sich ebenfalls zurück verwandelte. Und Jake wurde mit einem dröhnenden Glockenschlag bewusst, wo er diese Augen schon einmal gesehen hatte, die ihn intensiv fixierten und seinen Blick nicht mehr losließen, seit der Fremde sich ergeben hatte... Genauso wenig liessen sich die offensichtlichen Rundungen und weichen Stellen des Körpers, auf dem er lag, verleugnen. Der Fremde, den er gejagt hatte, war weder ein Fremder noch ein Werwolf. Es war eine Werwölfin. ~***~ Stumm saßen sich Jake Black und Jelena Carter gegenüber auf dem riesigen Bett in Jakes Zimmer. Sie hatten kein Wort miteinander gewechselt, seit Jake schamrot aufgesprungen war um sie von seinem Gewicht zu befreien und Jelena sich graziös erhoben hatte und den Schmutz von ihrer Turnhose geklopft hatte. Jetzt, da er sie in ihrer Wolfsgestalt gesehen hatte, konnte er deutlich sehen, dass ihre Wildheit und die grazilen Bewegungen selbst als Mensch unglaublich geschmeidig wie die eines Wolfes waren – nun gut, eher wie die einer Wölfin. In Jakes Gesicht konnte die junge Frau Tausende von Fragen lesen – und sie wusste, sie würde sicherlich nicht alle beantworten wollen. Er war wirklich ausdauernd, das musste sie zugeben, denn noch niemandem war es gelungen, sie einzuholen, wenn sie wirklich rannte. Widerwilliger Respekt hatte sich in ihr breit gemacht, weshalb sie auch jetzt davon absah, davonzulaufen. Zum einen hinderte ihr Stolz sie daran... Und sie schuldete diesem Jungen eine Erklärung. Jelenas grüne Augen schienen Jake völlig zu durchleuchten, sein Innerstes nach Außen zu kehren und nichts in ihm übrig zu lassen – ähnlich einem Frühjahrsputz, in dem alles Alte hinausgeschafft und gereinigt wurde. Es betraf nicht unbedingt seine Gefühle, die hier geputzt wurden – es war einfach merkwürdig, und völlig ungewohnt. Also sah er sie an, drehte sich dann um und wartete, u d tatsächlich setzte sie sich in Bewegung und folgte ihm stumm durch den dunklen Wald bis zu seinem Zuhause. Und nun saßen sie da. Das Mädchen hatte sich im Schneidersitz auf dem Bett niedergelassen, welches die gesamte Breite des Zimmers einnahm, und hielt eine Tasse kalten Kakaos in der Hand, Jake hockte ihr gegenüber und drehte ein Glas Cola unruhig zwischen seinen Fingern hin und her. Schliesslich war er durch die lange Stille gezwungen, seinen Blick zu heben, und sein Blick verfing sich in ihrem. Grün traf braun. „Du hast bestimmt viele Fragen“, gab sie ihm letztendlich die Steilvorlage für das Ende seines geistlosen Starrens, und er schaute schnell wieder in die andere Richtung. Jelenas Stimme klang selbst, wenn sie leise sprach, hell wie das Läuten kleiner Glocken. Sie ergriff den Löffel erneut und begann zu rühren, obwohl das Pulver sich längst aufgelöst hatte. Tat sie das, weil sie nervös war, oder weil das ihre Gewohnheit war? Es hatte Bella immer in den Wahnsinn getrieben, wenn man den Löffel länger im Glas liess als nötig. „Es hat sich schon jemand zu Tode gerührt...“ „Äh...“, sagte er schliesslich, um sich abzulenken. „Du bist also... auch wie wir?“ Zum ersten Mal stahl sich ein echtes Lächeln auf ihr Gesicht. „Nicht ganz. Ich bin eine Wölfin, kein Wolf.“ „Logisch“, sagte Jake und fragte sich vergebens, wann er sich das letzte Mal so hilflos und verwirrt gefühlt hatte und sich so zum Affen gemacht hatte. „Ich dachte, es gäbe nur Werwölfe... Also Männer, die sich in Wölfe verwandeln.“ „Gendefekt“, sagte Jelena und zuckte mit den Schultern. „Weibliche Werwölfe tauchen selten in Geschichten auf, aber es gibt sie eindeutig. Seit Generationen sind in meiner Familie die Frauen die Werwölfe, nicht die Männer. Es war ein kleiner Stamm, in dem die Frauen die Männer beschützten und nicht umgekehrt...“ Der Junge rang noch mit den Fakten, sein Kopf schien die Information, dass es auch Frauen gab, die ihr Schicksal teilten, nicht wirklich verarbeiten zu können. Obwohl er es mit seinen eigenen Augen gesehen hatte. Ob Sam und die Anderen das wussten? „Und was machst du in La Push?“ „Meine Familie ist hierhergezogen“, erklärte sie. Jake erinnerte sich – sie hatte in der Schule so etwas Ähnliches gesagt, hatte sie nicht? Als ihm klar wurde, was er gehört hatte, sog er scharf die Luft ein. „Heißt das, dass noch andere... Werwölfinnen... In unserem Revier herumstreichen?“ Jelena schüttelte den Kopf und ein Schatten fiel über ihr Gesicht. „Nein, euer – Wie nennt ihr es? Revier – ist sicher. Ich bin die Einzige in meiner Familie. Meine Mutter ist tot und meine kleine Schwester ist – nun, eben noch zu klein.“ Jake wollte aufatmen, konnte es aber gerade noch unterdrücken, da er dachte, es wäre nicht angebracht gewesen. Ihre Mutter ist tot? Um seine Verlegenheit zu überspielen, redete er weiter. „Warum kommst du nicht zu uns? Du könntest dich uns anschließen.“ „Mich euch anschließen?“ Die Braunhaarige furchte die Stirn und überlegte konzentriert. „Ja... Vielleicht werde ich das auch tun. Erst einmal will ich die Gegend kennenlernen, und dann...“ „Ich kann dich den Anderen vorstellen.“ Je länger Jake darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Idee plötzlich. „Sie würden sich bestimmt freuen! Und Emily wäre dann nicht mehr die einzige Frau!“ „Wer ist Emily? Dann habt ihr doch Werwölfinnen bei euch?“ „Emily ist Sams Verlobte. Sie ist ein Mensch, ein ganz normaler.“ „Ein Mensch?!“ Die gefurchte Stirn runzelte sich noch mehr, und in der Art, wie Jelena sich vorbeugte, konnte man ihre plötzliche Anspannung beinahe spüren. „Ihr tut euch mit Menschen zusammen?“ „Nicht oft“, sagte Jake, überrascht über ihre ungewohnte Reaktion. „Manchmal.“ „Und riskiert dabei, dass sie eure wahre Natur verraten?“ „Wir sind vorsichtig“, verteidigte sich Jake. „Und selbst wenn wir manchmal Risiken eingehen – kannst du gegen Imprinting etwas tun?“ Die junge Frau kreuzte die Arme abwehrend vor der Brust. „Und wenn? Es ist zu gefährlich. Dann ist es besser, allein zu bleiben, als seine wahre Identität zu verraten.“ Jake schüttelte verwirrt den Kopf und fuhr sich durch die Haare. Es war bewundernswert, dass sie vom Imprinting etwas wusste, aber so oder so erzählte er ihr lieber nichts von Jareds Freundin... „Wieso? Tut ihr euch nicht mit Menschen zusammen?“ „Bisher noch nie!“ Jelena schaute aus dem Fenster in die dunkle Nacht hinaus, um seinem Blick zu entgehen – warum, war ihr selbst nicht klar. Welten prallten aufeinander, das bemerkte sowohl sie als auch Jake. Er schien wirklich geplättet zu sein – dieses Mädchen kannte andere Traditionen, andere Regeln, als er sich je hätte vorstellen können. „Nun“, murmelte er deshalb nur, und sie gab sich damit zufrieden. „Ich geh dann besser“, sagte Jelena leise und stand auf. Die Tasse Kakao blieb unberührt auf dem Nachttisch neben dem Bett liegen, auf die sie sie gestellt hatte. „Wie? Ach ja, klar“, sagte Jake zerstreut und erhob sich ebenfalls. Aber als er die Tür öffnen wollte, winkte sie ab. „Wenn es nichts ausmacht, dann nehme ich das Fenster.“ „Häh?“ „Das Fenster“, erklärte die Frau geduldig. „Es geht schneller, wenn ich aus dem Fenster springe.“ Wieder einmal – für seinen Geschmack viel zu oft für einen Tag – lief Jake leicht rosa an und öffnete statt der Tür die Fensterflügel. „Warte“, sagte er dann abrupt, als ihm etwas einfiel. „Ist es Zufall, dass du hierhergezogen bist?“ Jelenas grüne Augen schienen seine Seele zu verschlucken. Als er sich losreißen konnte oder als sie (was vermutlich wahrscheinlicher war) ihn wieder freigegeben hatte, lachte sie leise auf, und das Geräusch ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen. „Du bist klüger, als ich dachte, Jacob Black. Ich bin tatsächlich nicht unbedingt zufällig hier.“ Nicht unbedingt zufällig? Was soll das heißen? „Hat es vielleicht etwas mit einem blutrünstigen Werwolf zu tun?“ „Es ist kein Werwolf mehr, sondern ein wahnsinnig gewordener, menschenfressender Mörder.“ „Oh.“ Jake fiel nichts mehr ein. „Also bist du seinetwegen hier?“ Jelena antwortete nicht mehr. Statt dessen verlängerte sich ihr Gesicht, als sie ihre Gestalt änderte, ihre Hände wurden Pfoten und ihr wuchs Fell. Sekunden später stand wieder die kleine, zierliche, aber sehnige Wölfin vor ihm, die er im Wald verfolgt hatte. ‚Du bist wirklich klüger, als du aussiehst’, sagte eine sanfte Stimme in seinem Kopf und es schien Jake tatsächlich so, als würde die Wölfin grinsen. Mit einem wunderschönen, katzenhaft geschmeidigen Satz sprang sie ab. ‚ Wir sehen uns, Jake.’ ~***~ Zufrieden aufseufzend liess der Jäger sich fallen, wo er stand, streckte alle vier Pfoten von sich und leckte sich noch einmal über die feuchte Schnauze. Er hatte Blut geleckt und nicht widerstehen können, aber wenn sein verwirrtes, stumpfes Gehirn es richtig sah, dann hatte er hier nichts zu befürchten... Das Mahl war befriedigend gewesen, nicht so gut, wie es hätte sein können, aber nichtsdestotrotz sättigend. Rotes Fleisch, warmes Blut... Bei dem Gedanken daran hechelte er kurz auf und schloss die Augen. Nun war er müde und träge und wollte nur noch ruhen. Sein Plan würde auch dann noch funktionieren, wenn er sich diese Nacht entspannte. Der Jäger hatte keine Eile... Mit verzerrten Bildern vor dem Inneren Auge schlief er ein. ~***~ Wenn Jake sich überlegte, wie er Jelena am nächsten Morgen begegnen sollte, dann grauste es ihm. Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, ihr Geheimnis bewahren zu müssen, selbst gegenüber seinen Freunden, die es vielleicht hätten wissen müssen... Was geheißen hätte, dass er hätte tun müssen, als kannte er sie gar nicht. Andererseits; wie sollte er mit ihr sprechen, sie auch nur ansehen, ohne sich zu verraten? Darüber hatte er sich den Kopf zerbrochen, seit sie sein Zimmer am Abend durch sein Fenster verlassen hatte. Er bemerkte nicht einmal, dass er zum ersten Mal seit langem nicht von Bella geträumt hatte. Aufstehen, fertig machen – automatisch handelte er all diese Tätigkeiten ab, tausend weitere Fragen an sie im Kopf. Es war doch eigentlich seine Pflicht, Sam und den Anderen zu sagen, wer und was sie war, oder? Er war der zweite Rudelführer. Aber bei der bloßen Erinnerung an ihre jadegrünen Augen überkam ihn der Wunsch, sie – irrationalerweise – für sich zu behalten. Er sollte so tun, als kannte er sie gar nicht... Ja, das wäre vermutlich noch das Beste... Wie ignoriert man ein Mädchen, welches zu der wahrscheinlich einzigen Familie der Welt gehört, in der durch einen Gendefekt die Frauen die Werwölfe sind und nicht die Männer? Schwierig. Wahrscheinlich war 6 Uhr in der Frühe nicht der geeignete Zeitpunkt, um sich solche tiefschürfenden Gedanken zu machen. Jedoch hätte er sich die Gedanken sparen können, denn Jelena kam nicht zur Schule. Nachdem ihn Embry und Quil zum siebten Mal gefragt hatten, ob er der Neuen Konkurrenz im Löcher-in-die-Luft-Starren machen wollte und er im Flur beinahe in die schwer beladene Direktorin gelaufen wäre, welche ihm drohte, ihm eine Strafarbeit auf den Hals zu jagen, wenn er nicht besser Acht gäbe, gab er es auf, nach Jelena Ausschau zu halten und sich zu fragen, was los war. Die Frau konnte wahrscheinlich recht gut auf sich selbst aufpassen, sonst hätte sie außerhalb eines Rudels nicht so lange überlebt. Aber das rätselhafte Lächeln und ihr glockenhelles Lachen schwirrten ihm noch lange im Kopf herum. Und als ob der Tag nicht bereits schlimm genug gewesen wäre, wartete auf dem Heimweg Edward Cullen auf ihn. Erster Impuls: Jagd. Jakes Instinkt schrie geradezu danach diesen Eindringling, diesen Feind, aus seinem Revier zu verjagen, zu sehen, wie der Vampir um sein Leben rannte... Seine menschliche Seite behielt Gott Sei Dank die Oberhand, sagte „Warte doch ab, was er will“, dachte: „Warum ist er wieder hier? Ich dachte, er ist auf dem College?“ Vorsichtig sah Jake sich nach allen Seiten um und stellte sicher, dass sie unbeobachtet waren, während er im Abstand von 3 Metern vor dem Blutsauger stehenblieb. Der unangenehm... süße... Geruch, der von ihm ausging, verursachte ihm Kopfschmerzen, aber er wich nicht zurück. So musste der Tod riechen. „Wie komme ich zu der Ehre?“ Wenn er da ist, ist Bella... Edward Cullens gewöhnlich sehr blasses Gesicht ähnelte mehr denn je einem Toten, als er antwortete. Wut hatte seine Wangen noch farbloser gemacht als gewöhnlich, seine blutleeren Lippen waren fest zu einem einzigen Strich zusammengepreßt, es schien, als müsse er alle Kraft aufbieten, seinen Rivalen nicht anzugreifen. „Das weißt du genau“, sagte er leise und drohend, mühsam beherrscht. Seine geballten Fäuste zitterten. Ein furchtbarer Verdacht stieg in Jake auf... „Ist etwas... Etwas mit Ihr?“ Edward wischte seine Frage mit einem Wisch seiner Hand zur Seite und Jake hätte gerne aufgeatmet... Was er nicht konnte. „Tu nicht so, als ob du nichts davon wüsstest!“, rief er wieder und dass seine Stimme sich hob bewies Jake, dass er wirklich, wirklich wütend war. Aber warum? Worüber? „Sei vorsichtig“, warnte er den Vampir durch seine zusammengebissenen Zähne. „Du weißt doch, wo du dich gerade befindest, oder?“ Als seine Stimme von den Häuserwänden zurückechote, nahm Edward sich zusammen. „Nach eurem Verrat ist das, was ich gerade tue, nichts. Ich bin von Carlisle geschickt worden, um euch zu warnen – dieses einzige Mal lassen wir euch das durchgehen. Ich persönlich weiß nicht, warum wir so geduldig sein sollten – aber Esme und Carlisle denken ernsthaft, es könnte ein Versehen gewesen sein.“ Verächtlich warf er seinen Kopf nach hinten, eine dieser überheblichen Bewegungen, für die Jake ihn immer gehasst hatte. „Wir wollen keinen Krieg mit euch. Aber kommt das noch einmal vor... Wir werden nicht mehr zögern! Dies ist unsere erste und letzte Warnung.“ Ungläubig starrte der Werwolf den Vampir an. „Wovon redest du?“, fragte er. „Das wisst ihr übergroßen Hunde doch genau!“, zischte der Vampir und Jake fletschte fast die Zähne. „Und wenn ihr uns weiter so provoziert, werden wir uns nicht zurückhalten!“ Mit diesen Worten drehte sich Edward um und verschwand zwischen den Bäumen, als hätte es ihn nie gegeben, und Jake blieb allein zurück. Als hätte er nur schlecht geträumt... Aber solch einen Alptraum, in dem Edward Cullen auftauschte und ihn eines Verrats beschuldigte, solch einen fantasievollen Traum konnte nicht einmal er sich ausdenken. Kopfschüttelnd und mit einem Gesicht voller Fragezeichen setzte er seinen Weg fort. Es war nur ein halbes Jahr her gewesen, da Vampire und Werwölfe nebeneinander gekämpft hatten, und manche – so wie Dr. Cullen und Sam – hatten ernsthaft geglaubt, dass sich die Beziehung zwischen ihnen besserte – aber hier hatten sie den Beweis. Werwölfe und Vampire konnten einfach nicht koexistieren. Der Gedanke an die Schlacht gegen Victoria und ihre Neugeborenen liess Jake wieder an die Zeit denken, in der er noch glücklich gewesen war... Hörte sich das nicht absolut schrecklich an? In der er noch glücklich gewesen war? Wie alt war er denn? Mit einem Schlag seiner Faust gegen das nächste Haus, mit dem er beinahe die Wand kollabieren liess, holte er sich in die Gegenwart zurück. Es war leider kein Traum gewesen. Der süßliche Geruch von Verderben hing noch immer dort in der Luft, wo Edward Cullen gestanden hatte. ~***~ „Das ist unglaublich!“ Aufbrüllend schlug Sam die Faust auf den Tisch, und klirrend sprangen Teller, Tassen und Besteck dreißig Zentimeter in die Höhe. Seth, der Jüngste von ihnen, der Sam noch nie so gesehen hatte, schrak ängstlich vor ihrem Rudelführer zurück. „Ein Skandal!“ Bei seinem wütenden Aufschrei kam Emily aus der Küche gerannt, ein Handtuch noch in der Hand, um zu sehen, was los war. Sie fand ein Rudel verängstigter Werwölfe in ihrem Wohnzimmer, die um ihr Alphatier herumstanden und schauten wie Schafe bei Gewitter... „Kannst du mir erklären, was das Gebrüll soll, Sam Uley?“, fragte sie ruhig und stemmte die Hände in die Hüften. „Das ist doch kein Benehmen, ich bitte dich!“ Ihre ruhige, beherrschte Art hatte wie immer einen beruhigenden Effekt auf Sam, der sich augenblicklich beruhigte und sich reumütig umsah. „Ist gut“, sagte er und entkrampfte seine Finger. „Ich bin die Ruhe in Person.“ Zufrieden zog Emily in Richtung Küche ab, und Sam wandte sich den Freunden zu. Das Telefon, welches er auf den Tisch geworfen hatte, bevor er anfing zu schreien, blinkte verloren vor sich hin, aber niemand beachtete es genauer. „Heute Morgen ist die Leiche eines Kindes oben am Hügel des Cullen-Anwesens gefunden worden“, sagte er durch seine zusammengebissenen Zähne. Seine Hand zitterte, als er sich durch das Haar fuhr. „Es ist eindeutig Ihr Territorium. Und damit nicht genug – die Leiche zeigt Krallen- und Bissspuren... Es ist auf grausame Weise getötet worden. Das Herz...“ Sam schluckte hart, „Das Herz fehlt. Wer immer das Kind – es war 10 Jahre alt! – getötet hat – er hat...“ Stille im Raum bewies, das alle wussten, was Sam sich nicht wagte auszusprechen. Seth war leichenblass. Nun wieder ruhig, erwiderte Sam den Blick seiner Freunde. „Die Zeichen sind eindeutig. Wer immer das Kind getötet hat, es war ein Werwolf.“ Scharf holte Jake Luft, als ihm plötzlich bewusst wurde, was Edward Cullen am Vormittag gemeint hatte. Das bedeutete es also, und es waren garantiert keine guten Nachrichten. Eine Leiche, getötet von einem Werwolf, auf Vampir-Territorium... Klarer Vertragsbruch. Das bedeutete Krieg! „Das Herz gefressen?“, keuchte Jared entsetzt und Embry presste sich die Hand vor den Mund. Seth schien zu weinen und drückte sich an Jake, der abwesend einen Arm um den Kleinen legte. Paul und Quil waren leichenblass, so wie jeder andere Anwesende. „Ja. Und keine Spur vom Mörder.“ Sam sagte es flach, mit einer endgültigen Stimme. Das Rudel jagte niemals Menschen, nicht einmal Tiere. Den Drang nach Fleisch war leicht beizukommen, wenn man eine so gute Köchin hatte wie Emily... Jedoch lebten nicht alle Werwölfe so, und nicht alle Werwölfe hatten die selben Traditionen. „Könnte es vielleicht sein“, fragte Jared schliesslich, „Dass das dieser fremde Werwolf war, den du letztens gesehen hast, Sam?“ Sam wiegte den Kopf. „Es war von zwei verschiedenen Fremden die Rede, erinnert ihr euch?“ Stirnrunzelnd sahen sie und Sam sich an, und alle nickten nachdenklich. Jakes Herz begann schneller zu schlagen, als ihm plötzlich ein Gedanke kam. Die Annahme war wirklich nicht abwegig... Trotzdem war Jakes erster Impuls, sie mit aller Macht, die ihm zu Gebote stand, wegzustoßen. NEIN! Das konnte es nicht sein. Auf gar keinen Fall! Jelena lebte anders als sein Rudel. Sie war fremd, kannte ihre Regeln nicht, ihre Grundsätze – aber sie würde niemals, niemals! So etwas tun! Niemals würde sie einen Menschen töten, erst Recht kein Kind, erst Recht nicht so grausam! Vielleicht benutzt sie den wahnsinnigen Werwolf nur als Tarnung, sagte eine leise kleine Stimme in seinem Hinterkopf. Vielleicht behauptet sie nur, es gäbe einen Menschenfresser hier, um selbst das zu tun, wo nach es ihr gelüstet... Da niemand im Raum weiter etwas sagte, legte sich die Stille um ihn wie eine dicke Decke und liess zu, dass die Zweifel und absurden Gedanken in Jake wider- und widerhallten, sich aufbauschten, anwuchsen, bis sie groß und schrecklich waren. Er kannte sie doch überhaupt nicht. Wie konnte er sagen, sie würde es nicht tun? Hatte er sie gefragt, wie ihre Essgewohnheiten aussahen? Nein, nein und wieder nein. Er kannte sie nicht. Wie hatte er so dumm sein können, ihr zu vertrauen? Er war überrascht worden, mehr nicht... Zornbebend sprang er auf. „Sam, kann ich dein Telefon benutzen?“ Erstaunt darüber, dass Jake die Angelegenheit anscheinend nicht als wichtig genug betrachtete, um ihr seine volle Aufmerksamkeit zu schenken, nickte Sam wortlos, und der Teenager ergriff den Apparat und stürmte aus dem Raum. In der Vorhalle blieb er atemlos stehen und kramte so schnell es ihm seine zitternden Finger erlaubten die Liste aus seiner Tasche, die dort stand. Die Nummer, die er nun wählte, war eine, von der er ewig gehofft hatte, er würde sie niemals wählen müssen... Hallo?“, meldete sich Ms Camden am anderen Ende der Leitung, und in aller Eile erklärte Jake seiner Lehrerin sein Anliegen. „Jelenas Telefonnummer? Du hast Glück, sie hat sie mir gestern noch gegeben. Schön, dass du dich so um sie kümmerst, bis sie sich eingewöhnt hat!“ Normalerweise wäre er rot angelaufen, aber heute notierte er sich die Nummer nur mit einem blauen Filzstift, der neben dem Apparat lag, auf die Rückseite seiner Hand, bedankte sich hastig und legte auf. Und wählte die Nummer, die er gerade erhalten hatte. „Hallo!“ Eine piepsige Kleinkinderstimme meldete sich, und eine Welle von Erleichterung, die Jake durchlief, wurde erneut von einer Welle des Zweifels überspült. Sein erster Gedanke „Sie würde doch kein Kind töten, wenn sie selbst eine kleine Schwester hat!“ wurde gefolgt von „Ja, aber selbst Kannibalen fressen die ihrer eigenen Brut nicht immer...“ „Hi“, sagte Jake atemlos. „Hier spricht Jacob Black. Ist Jelena da?“ „Klar!“ Fröhliches Kichern hallte durch den Hörer zu ihm, und ihm war, als hörte er nackte Füße eine Treppe hinunterlaufen. „Sie ist da, wirklich! Sie ist gerade in der Küche und macht das Abendessen. Heute war ich krank, deshalb war sie nicht in der Schule.“ „Ach so.“ Jake atmete leichter, als er das hörte, und ärgerte sich darüber. Er wollte sich keine Sorgen um sie machen. „Geht’s dir wieder besser?“ „Klar! Jenna hat mir heiße Milch mit Honig gebracht, da geht’s mir immer gleich besser!“ Sie kicherte, und Jake wurde allein beim Gedanken an heiße Milch mit besagtem Süßstoff schlecht. „Susa! Wer ist dran?“, tönte eine kräftige Männerstimme. „Einer, der Jenna sprechen will!“, schrie das kleine Mädchen, ohne das Telefon vom Ohr zu nehmen, und Jake klingelten die Ohren. Deshalb entging ihm der Sinn der Worte, die der ersten Frage folgten, er bekam lediglich so viel mit, dass er registrierte, dass Jelenas Vater besorgt um seine Tochter sein musste. „Ich geb’ sie dir!“, rief Susannah dann, in den Hörer gerichtet, und im Hintergrund hörte er das typische Geräusch von heißem Öl in einer Pfanne. Kurz darauf meldete sich eine leise, melodische Stimme. „Ja?“ „Warst du es?“, platzte Jake heraus, bevor er sich stoppen konnte. Verlegen räusperte er sich und holte noch einmal tief Luft. „Hör zu. Gestern Nacht wurde ein Kind ermordet – von einem Werwolf, das ist ziemlich klar. Auf Vampir-Territorium. Weißt du, was das heißt?“ Jelena schwieg. „Ich wollte fragen“, sagte Jake lahm, dessen Mut gerade rapide schwand, „Ob du etwas damit zu tun hast?“ Noch immer keine Reaktion. „Übrigens, ich bin’s, Jake“, sagte er, völlig aus der Bahn geworfen. „Jacob Black.“ „Ich weiß.“ Jelenas Stimme klang so nah, als würde sie ihm ins Ohr hauchen, und aus unerfindlichen Gründen lief er rot an. Dankbar dafür, dass sie ihn nicht sehen konnte, drängte er weiter. „Hast du was damit zu tun? Sag schon!“ Sie sollte es schnell sagen, die gesamte Prozedur so schmerzlos wie möglich machen... „Nein“, sagte Jelena schliesslich nach einem Schweigen, das tausend Jahre zu dauern schien. „Nein, Jacob Black. Ich habe damit absolut nichts zu tun.“ Die Welle der Erleichterung, die Jake überrollte, war völlig irrational und so unerwartet, dass seine Knie weich wurden. „Gut“, brachte er nur hervor, während er an der Wand entlang noch unten sackte. Die Wand war angenehm kühl im Vergleich zu seinem erhitzten Körper. Er konnte ihr Lächeln in dem Moment so deutlich sehen, als würde sie vor ihm stehen. „Es ehrt dich, dass du so direkt fragst, Jacob“, sagte sie. „Glaubst du nicht, ich könnte dich anlügen?“ „Nein.“ Er glaubte ihr tatsächlich aufs Wort. Hätte sie behauptet, sie wäre die Mutter des kleinen Mädchens, welches in dem Moment im Hintergrund laut sang, er hätte es ihr geglaubt. War sie es sogar vielleicht? Jakes Gedanken fuhren Karussell. „Du bist merkwürdig.“ Vor Erleichterung, dass sie ihm die direkte Konfrontation nicht übel nahm, lachte Jake auf. „Vielleicht.“ „Mama, schau mal!“, rief eine kleine Stimme im Hintergrund, und er horchte auf. Was war das denn gewesen? „Äh, Jelena... Hat deine kleine Schwester dich gerade Mama genannt?“ „Was sagst du?“ Ihre Stimme klang auf einmal mißtrauisch. „Nein, da musst du dich irren. Susannah hat Jenna gesagt, nicht Mama.“ „Klar.“ Jake hätte sich schlagen können für seine Rücksichtslosigkeit. Hatte er gerade ein Thema berührt, das sie nicht ansprechen wollte? Das kam davon, dass er sich dumme Gedanken gemacht hatte! „Entschuldige bitte. Ich wollte dir nicht zu nahe treten, Jelena.“ „Ach was.“ Auf einmal klang ihre Stimme wieder freundlich. „Es gibt nichts zu entschuldigen.“ „Danke.“ Erleichtert lachte er wieder auf, und sie lachte kurz mit. Wie gebannt lauschte er ihrer Stimme. Aber dann wurde Jelena wieder ernst. Etwas brutzelte auf, als die es in die Pfanne legte, wahrscheinlich spritzte heißes Öl auf ihre Hände, wie es immer der Fall war, aber sie sprach seelenruhig weiter. „Dann ist also endlich passiert, was ich schon so lange gefürchtet habe. Dieser wahnsinnige Werwolf läuft Amok – es überkommt ihn der Drang zu töten und sein Opfer zu fressen. Jetzt ist sein Hunger nach Blut und Fleisch für einige Zeit lang gestillt – aber er wird erneut wiederkommen.“ „Also wird er wiederkommen“, fasste Jake erschüttert zusammen. „Und wieder töten.“ „Und es ist ihm egal, ob auch eurem Territorium oder auf dem der Vampire“, gab Jelena kalt zurück Unerklärliche Wut quoll in Jake hoch, heiß und siedend. „Die Vampire sehen das als Vertragsbruch! Sie werden uns den Krieg erklären, wenn das noch einmal passiert! Weißt du, wie dicht vor dem Krieg wir hier sowieso immer stehen?“ Ihre Stimme klang traurig. „Ja.“ „Aber das ist dir auch egal, oder?“ Jake rauchte. „Du willst nicht zu uns gehören. Du beobachtest alles schön von Außen her und genießt deine ruhige Position als Fremde. Du willst ja nicht einmal zu uns gehören!“ „Das ha----!“ Jake hörte nicht mehr, was sie sagte, weil er auflegte. Im Innersten wusste er, dass er im Unrecht war – er konnte ihr nicht vorwerfen, sich nicht genug für ihr Schicksal zu interessieren, wenn sie nicht zu ihnen gehörte. Außerdem wusste er gar nicht, was sie hierher gebracht hatte... Sie hatte niemals behauptet, dass sie dem Rudel nicht auch helfen würde, wenn es zu Problemen kam. Trotzdem machte er sie irgendwie für ihre Situation verantwortlich. War nicht erst nach ihrem Auftauchen der wahnsinnige Fremde aufgetaucht? Wütend marschierte er zurück ins Wohnzimmer. „Edward Cullen sagt, wenn wir den Vertrag noch einmal brechen, sind wir dran. Er hat mich heute nachmittag abgefangen.“ Er platzte mitten in eine Gesprächsrunde hinein, und alle Gesichter wandten sich ihm zu und starrten ihn – wie ihm schien – mißtrauisch an. Im Schneidersitz liess Jake sich auf den Teppich fallen, verschränkte die Arme und starrte zurück. „Was?“, fauchte er. „Ich hab ihn eben getroffen. Und?“ „Mit wem hast du gerade telefoniert, Jake?“ Der Angesprochene überhörte die Frage geflissentlich. So wütend er auch auf Jelena war – zu Recht, natürlich – er würde sie nicht verraten. Sams, Pauls, Jareds, Embrys, Quils und Seths Gesichter schauten ihn mißtrauisch an. „Ich versichere euch, ich habe nicht das Bedürfnis, euch die Herzen herauszureißen und sie zu fressen“, fauchte Jake wütend, und ihre Gesichter wurden noch ablehnender. Was sicherlich nicht dazu beitrug, seine Wut zu beschwichtigen. Hätte man ihn in dem Moment gefragt, warum er so wütend war, er hätte selbst nicht antworten können – aber gab es nicht mehr als genug Gründe, um wirklich sauer zu sein? „Ich hab nichts damit zu tun, okay? Ich weiß nicht, wer es war!“ „Ich habe aber das Gefühl, Jake“, sagte Sam und setzte sich ihm gegenüber, „dass du viel mehr weißt, als du zugeben willst.“ Die Ruhe seines Freundes trieb ihn zur Weißglut. Er biss die Zähne zusammen, ballte die Fäuste und versuchte, sie nicht zittern zu lassen – und hätte im gleichen Moment am Liebsten geheult. Was war das nur hier? Ein irrer, menschenfressender Werwolf. Ein Vampir, der drohte, einen jahrhundertealten Pakt zu brechen. Eine Werwölfin, die viel mehr wusste, als sie sagte. „Lasst mich in Ruhe!“ Jake hatte das Gefühl, als würde ihm alles über den Kopf wachsen. „Ich habe nichts mit dem Feind zu tun. Ich kenne ihn nicht, ich habe ihn nie gesehen! Ich weiß auch nicht mehr als ihr. Warum glaubt ihr mir nicht?“ Es klang fast verzweifelt. Die Blicke, die sich die Anderen zuwarfen, waren absolut ratlos – was war in Jake gefahren? Wenn er ihnen sagte, dass er es nicht war, dann glaubten sie ihm natürlich, und wenn er sagte, dass er nicht mehr über den Feind wusste als sie, dann auch dies – aber warum benahm er sich so merkwürdig? Auf wen war er so wütend? Emily schaute durch die Tür, alarmiert durch das plötzliche, bodenlose Schweigen, spürte die Spannung und zog sich diskret wieder zurück. Der völlig unsinnige Wunsch stieg plötzlich in Jake auf, sie hätte den Teller mit Muffins zurückgelassen, den sie in der Hand getragen hatte, und er schaute blind aus dem Fenster. Die Regenwolken hatten sich für einen Moment, einen kostbaren Augenblick, verzogen, einige vorsichtige Sonnenstrahlen durchbrachen die Wolkendecke... „Was ist mit dem fremden Werwolf passiert, den du gesehen hast, Sam?“, fragte Paul schliesslich und durchbrach die Stille. „Nichts.“ Sam schüttelte den Kopf und furchte die Stirn, und Jake, der bei der Frage abrupt aufgeblickt hatte, kam ein furchtbarer Verdacht. Was, wenn auch Sam den selben Gedanken haben würde wie er ihn auch gehabt hatte... „Wenn er da war, dann hab ich ihn nicht gesehen.“ „Könnte es....“ Jared zögerte. „Könnte es nicht sein, dass diese beiden Fremden ein und derselbe sind?“ „Nein!“ Jakes Ausruf kam instinktiv, und er bereute ihn fast schon zu dem Zeitpunkt, bevor er ihn überhaupt ausgesprochen hatte – er hatte gewusst, dass so etwas geschehen würde. Irgendwie. „Jake“, sagte Paul. „Ich werde trotz deiner Versicherungen das Gefühl nicht los, dass du uns etwas verheimlichst!“ Leichenblass liess sich Jake gegen die Wand hinter sich sinken und biss sich die Lippen blutig. Quil und Embry warfen sich gegenseitig besorgte Blicke zu, aber sie mischten sich nicht ein. Die Spannung war beinahe zum Greifen, und auch das Klingeln an der Tür lockerte sie nicht im Geringsten. „Das wird Toby sein“, sagte Emily, die das Wohnzimmer durchquerte und dabei so tat, als spüre sie die Erregung nicht, die in der Luft lag. Sam und die Anderen ignorierten im Gegenzug sie. „Jake. Wenn es etwas gibt, dass uns gefährlich werden könnte, musst du es sagen“, sagte Sam gefährlich ruhig, aber drängend, und Embry sah ihn bittend an. „Bitte, Jake“, sagte Seth leise. Jake schmeckte Blut. Sein Gesicht war leichenblass, aber er schwieg. Eine winzige Stimme in ihm rief ihm zu, dass sie es nicht wert war, dass er sich so mit seinen Freunden stritt und sie sogar in Gefahr brachte – aber er schwieg und konnte es nicht einmal sich selbst erklären. „Jake, wir müssen jede Gefahr kennen! Was gibt es, das du uns verheimlichst?“ Stille. „Es gibt mich“, sagte Jelena. „Aber ich glaube nicht, dass ich eine Gefahr für euch bin.“ Im Nachhinein, dachte Jelena noch oft, wäre es wirklich lustig gewesen, die Reaktionen der Männer zu filmen. Nachdem Jake sie abgewürgt hatte, hatte sie geschlagene zwei Minuten blind in die Pfanne geschaut, ohne zu sehen, was sich vor ihren Augen langsam schwarz färbte. Schliesslich waren die Putenstreifen nicht mehr zu retten gewesen... Fluchend war sie aufgesprungen und war die Treppe hinaufgestürmt. Sekunden später war sie wieder unten, in einem roten Top und einer blauen Sporthose, und lief am Wohnzimmer vorbei. „Wo gehst du hin?“, rief ihr Vater aus demselben. „Ich muss schnell weg, es tut mir leid!“, antwortete sie im Laufen. „Esst die Frühlingsrollen!“ Das war das Einzige, das überlebt hatte. Und der Reis im Topf daneben. Schlitternd kam sie vor der Haustür zum Halt und lief noch einmal zurück. „Kannst du bitte ein Augen auf Susa haben, Dad? Ich bin so schnell wie möglich wieder zurück!“ Ihr Vater schaute nach draußen, wo die letzten Sonnenstrahlen des Herbstes, gleichzeitig die letzten Sonnenstrahlen des Tages, durch die ausnahmsweise leicht gelockerte Wolkendecke traten. Es regnete nicht. Ausnahmsweise. „Gut“, seufzte er und klappte seinen Laptop zu. „Pass auf dich auf.“ „Danke!“ Jelena drehte auf dem Fuße, rief Susannah einen Gruß über die Treppe zu und stürmte aus dem Haus. Es war nicht schwer gewesen, herauszufinden, wo Jake sich gerade befand, und noch einfacher, dorthinzugelangen. Auch als Jelena noch neu in der Gegend gewesen war, war eine ihrer ersten Handlungen gewesen, sich mit dem Revier vertraut zu machen, und dazu gehörte natürlich auch, zu wissen, wo sich das Rudel regelmäßig traf. Aber nun, da sie in der gemütlichen kleinen Fischerhütte stand, sieben jungen Männern gegenüber, dachte sie, dass es vielleicht keine gute Idee gewesen war, hierherzukommen. Sechs völlig verdatterte und ein absolut wütendes Gesicht starrten sie an – Jake war immernoch auf sie sauer. Quil und Embry starrten nur, als wären sie Autos. Jared und Paul sahen sie mißbilligend an, Seth, als würde er seinen Augen nicht trauen – Was sollte das? Und Sam – als hätte er eine gewisse Ahnung. Hinter sich hörte sie Emilys leise Schritte. Hilfe suchend wandte sie sich demjenigen zu, der sie bereits kannte – aber Jake hatte sich von ihr abgewandt und sah sie nicht einmal mehr an. Die offensichtliche Ablehnung in seiner gesamten Haltung versetzte ihr einen Stich, und am Liebsten wäre sie wieder hinausgelaufen. Aber nun war sie hier – was sie sich eingebrockt hatte, das löffelte sie auch wieder aus! „Wer im Namen aller Sieben Höllen bist du?“, fragte Sam schliesslich und kniff die Augen zusammen. Jelena sah ihn direkt an. „Jelena Carter“, sagte sie. „Carter?“ Jared musterte sie von oben bis unten. „Ihr seid neu hier?“ Jelena nickte. Die Frau mit der weichen Stimme hinter ihr mischte sich ein, und sie war erleichtert zu hören, dass sie immer noch genauso freundlich klang wie zu dem Zeitpunkt, als sie vor der Tür gestanden hatte und nicht gewusst hatte, was sie sagen sollte. „Jacob?“ war das einzige, das sie herausgebracht hatte... „Seit ihr verwandt mit den Carters aus La Push?“ Jakes Schultern strafften sich, aber Jelena konnte sein Gesicht noch immer nicht erkennen. „Ja“, beantwortete sie Emilys Frage. „Willkommen zurück!“ Die Wärme, welche die Stimme ausströmte, war beruhigend, und Jelena entspannte sich merklich. „Ihr wolltet wissen, wer der fremde Werwolf in eurem Territorium ist?“, fragte sie und sah dabei niemanden an. Urplötzlich richtete sich Jakes volle Aufmerksamkeit auf sie. „Jelena – N....!“ Sie hörte aus purem Trotz und Stolz nicht zu. Und verwandelte sich. Es würde eine geraume Zeit lang dauern, bis das aufkommende Chaos sich wieder beruhigt haben würde. „Das war dumm“, sagte Jake zum dritten Mal und wischte sich die letzten Lachtränen aus den Augenwinkeln. „Richtig dumm, weißt du das?“ „Danke!“ Jelenas Nerven lagen blank. „Vielen, vielen Dank! Ich vertraue dir, obwohl ich dich nicht kenne, lasse sogar alles stehen und liegen, um herzukommen – und dann ignorierst du mich zuerst und dann lachst du mich aus! Kann es sein, dass du zwischendurch sogar sauer auf mich warst?“ Sie spuckte ihm die Worte förmlich ins Gesicht. Verlegen schaute Jake zu Boden. Sie hatte Recht – er war wütend auf sie gewesen, so wütend, dass er nicht einmal mehr wusste, was er getan hätte, hätte sie sich nicht ausgerechnet in dem Zeitpunkt in eine Wölfin verwandelt. Irgend etwas schlimmes hätte passieren können und war nur aus dem Grund abgewendet worden, weil Jelena die Aktion selbst in die Hand genommen hatte – beinahe hätte er sich sicherlich mit dem gesamten Rudel überworfen. Sie hatte ja Recht – es war seine Schuld. Und trotzdem schmerzte seine Seite vom andauernden Lachen. „Ja, ich weiß, es tut mir leid... Aber hast du ihre Gesichter gesehen? Und ihre Gedanken...“ „Soll das eine Entschuldigung sein? Nein, natürlich habe ich die erhabenen Gedanken eurerseits nicht geteilt – ich bin nicht im Geflecht, schon vergessen? Von dir hätte ich mehr Hilfe erwartet, Jacob Black.“ „Was willst du – ich habe dich da raus geholt, oder?“ Und während Jelena ihn mehr wütend, aber auch eine Spur verletzt anstarrte, begann Jake wieder zu lachen. Es hatte Emily bestimmt nicht gefallen, plötzlich acht ausgewachsene Werwölfe in ihrem Wohnzimmer zu haben. Jake hatte als Einziger eine Ausrede besessen: er hatte Jelena bereits in ihrer wahren Gestalt gesehen und obwohl diese in immernoch faszinierte, konnte er nicht sagen, dass sie ihn überraschte. Er hatte sich lediglich verwandelt, um die recht verschreckte Jelena aus dem Knäuel der bellenden, heulenden, japsenden und herumturnenden Werwölfe zu befreien, die beim Anblick eines weiblichen Wolfes völlig den Verstand zu verlieren schienen... Nach einer heldenhaften Flucht hatten sie beide es schliesslich nach draußen geschafft, und nun hockte Jelena auf dem Gartenzaum des Vorgartens von Sam und Emily im letzten schwindenden Licht der Herbstsonne und betrachtete mißgelaunt einen Jake, der sich vor Lachen nicht mehr einkriegen konnte. „Ehrlich, dafür, dass du mich heute am Telefon aufgehängt hast, bist du gut drauf“, kommentierte sie bissig. Jake hörte auf. „Ich weiß. Das war gemein. Es tut mir leid.“ „Hmpf.“ Jelena sah in die Gegenrichtung, damit Jake nicht sehen konnte, dass sie ihm schon längst verziehen hatte, und der Schuldige kicherte wieder vor sich hin. „Das war aber einfach köstlich! Sollen wir nochmal reingehen und das ganze Wiederholen?“ „Immer nur drauf mit dem Spott. Es ist noch nicht genug davon bei mir angekommen.“ Jelena lehnte sich zurück und genoss die Stille und den warmen Wind, der über ihr Gesicht strich. Es war schön, hier zu sitzen, Jake neben sich... Sie genoss es. Wann hatte sie das letzte Mal einfach so dagesessen und sich entspannt? „Was die Anderen gerade machen?“ „Ach, keine Sorge! Jake winkte ab, „Die helfen Emily bestimmt beim Aufräumen – ich schätze, sie sind froh, wenn sie dir so schnell nicht wieder unter die Augen treten müssen.“ So war es auch. Aber schliesslich holte sie die Realität doch wieder ein. Sam war der Einzige, der es schaffte, nicht blutrot anzulaufen, als Jake mit Jelena ins Haus zurück kehrte, und Emily natürlich. „Wir müssen uns entschuldigen“, sagte er ruhig und beherrscht. „Versteh uns bitte: Wir haben nie auch nur den Gedanken in Betracht gezogen, dass es auch Werwolffrauen geben könnte.“ Jelena war mindestens genauso verlegen, winkte jedoch schweigend ab und verzog sich in eine Ecke, dicht genug an Jake, falls noch einmal etwas geschehen sollte, weit genug weg von ihm, als das es nach nichts aussah. „Was werdet ihr nun tun?“, fragte sie aus sicherer Entfernung. „Jetzt, wo ihr mehr wisst.“ Jared, Paul und Sam wechselten einen bedeutungsvollen Blick und Jake wusste sofort Bescheid. „Nein!“, sagte er bestimmt. „Sie war es nicht. Sie war bei mir, als es passiert ist, ich bin mir sicher.“ „Was?“, fragte Embry und warf Quil einen erstaunten Blick zu, Seth ignorierte das Thema vollkommen. Alle nahmen schweigend Jelenas Unschuld zur Kenntnis. „Wir werden einfach unser Revier überwachen müssen, wenn wir keinen Anhaltspunkt für seinen Aufenthalt haben“, sagte Sam schliesslich mit einem Seufzer und presste die Fingerspitzen nebeneinander. Jake beobachtete Seth, den Jüngsten von ihnen. Er war vielleicht zwölf Jahre alt, und dennoch eingeweiht in ihre Traditionen und Rituale... Langsam war er während des kreativen Schweigens auf Jelena zugekrochen und hatte auf ihrem Schoß Platz genommen, als wären er und sie schon seit langem Beste Freunde. Fasziniert sah Jake zu, wie das letzte Licht und die warmen Flammen des Kamins sich auf Jelenas Haaren widerspiegelten und es in allen Brauntönen leuchten liessen, wie sie die Arme um Seth legte und wie ihr Gesicht sich veränderte, je nachdem, wie die Schatten der Flammen darauf fielen. Sie war so anders als Bella. Bella... Er hatte schon den ganzen Tag nicht mehr an sie gedacht, hatte er nicht? Komisch, er kannte Jelena erst seit zwei Tagen, und doch kam es ihm vor wie eine Ewigkeit. Jared legte einen Finger an seine Nase, wie immer, wenn er etwas Schwieriges überlegte. „Wir könnten dort nach Anhaltspunkten suchen, wo man die Leiche gefunden hat...“ „Nein!“ Jelena wurde blass und wäre aufgesprungen, hätte sie nicht Seth auf dem Schoß gehabt. „Riskiert bitte nichts, vor allem keinen Krieg mit den Vampiren!“ „Da spricht die Frau aus dir, nicht der Werwolf“, sagte Paul verächtlich. „Wir haben keine Angst vor den Blutsaugern. Sollen die doch kommen – wir haben das Recht, uns den Schauplatz anzusehen!“ Der Zorn, der plötzlich aus ihren Augen blitzte, liess nicht nur ihn zurückschrecken. „Wisst ihr, wie gut ihr es mit dem Pakt hier habt? So eine Vereinbarung ist einmalig auf der Welt. Ich kenne keine Vampire und keine Werwölfe, die irgendwo so in einer Koexistenz leben wie ihr! Dort gibt es Krieg und Angst und Hass...“ Jake sah sie an. „War es so auch da, wo du herkommst?“ Jelena atmete tief ein, um sich zu beruhigen. „Spielt keine Rolle. Setzt den Pakt nicht leichtfertig auf Spiel, das ist das Einzige, worum ich euch bitte.“ „Sie hat Recht“, sprang Jake zu ihrer Hilfe in die Bresche und erntete statt der erwarteten Dankbarkeit einen wütenden Blick von ihr, die sich leicht veräppelt fühlte. Also erst war er wütend auf sie – und jetzt wollte er ihr doch helfen? „Wir sollten wenigstens mit den Blutsaugern sprechen, bevor wir handeln.“ „Nur weil sie da wohnt, oder was?“, kam es verächtlich aus der anderen Ecke, und nur mit äußerster Mühe bewahrte Jake sich davor, einen sehr dummen Fehler zu begehen und Quil ins Gesicht zu schlagen für den gedankenlosen Kommentar, den er soeben losgelassen hatte. „Nein“, antwortete er statt dessen. Jelena hatte verwundert aufgeblickt, als sie sah, wie sich sein Körper anspannte, und irgendwie hatte er das Gefühl, seine überstürzte Reaktion entschuldigen zu müssen. Natürlich dachte er nicht einzig und allein an Bellas Sicherheit... „Weil dort Menschen leben, die in Gefahr sind. Und das müssen die Sauger selbst regeln.“ Sam nickte langsam. „Jake“, fasste er schliesslich zusammen. „Du sagst den Cullens Bescheid, dass eventuell Gefahr droht. Und ihr Anderen – wir werden ab Morgen Doppelschichten vorbereiten, die ihr als Wache schieben müsst. Wir werden sehen, ob dieser mysteriöse Wolf nicht einmal vorbeischauen will. Er kann sich nicht für immer verstecken. Das tut mir besonders leid – ich weiß, die Schule hat gerade erst wieder angefangen.“ „Dann kann ich ja da schlafen“, sagte Embry und gähnte wie zur Untermalung seiner Worte, und alle lachten. Jake sah dabei Jelena an – ihre Mundwinkel verzogen sich nach Oben. Er wertete das als ein positives Ergebnis. „Dann wäre das geklärt“, sagte Paul und stand auf, um zu gehen, und nach und nach verließen alle die kleine Fischerhütte, in der nur noch Sam und Emily übrig blieben, und verschwanden nach Hause. „Was ist?“, fragte Jake auf dem Heimweg Jelena, die schweigsam neben ihm herlief – oder eher schwebte. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schaffte es, trotz ihrer unbewusst eleganten Laufweise, ihn unverdrossen böse anzustarren. „Was sein soll? Das fragst du noch?“ „Huh?“ Er hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. „Ich bin mitgekommen, wie du es wolltest! Ich habe mich deinem Rudel vorgestellt. Und nun?“ „Nun?“ „Mein Gott!“ Jelena verdrehte die Augen. „Hat dein Gehirn wieder auf Stromsparmodus umgeschaltet?“ Jake hatte bereits festgestellt, dass es ihm viel zu viel Spaß bereitete, sie zu ärgern, aber er wollte sie nicht vollends wütend machen, also gab er nach. „Du willst auch etwas tun, ja?“ Sie nickte knapp. „Du könntest Übermorgen Nacht mit mir kommen“, bot er an, und eines ihrer seltenen Lächeln überzog ihr Gesicht. „Wann?“ „Von Drei bis Sechs.“ „Ich dachte, der Plan wird erst morgen gemacht?“ „Sam hatte ihn in Gedanken schon fast fertig. Schaffst du das?“ „Jacob Black, ich bin eine Frau, kein Baby!“ „Hab ja nur gefragt.“ „Hmpf.“ Sie drehte sich um und ging den linken Pfad der Abzweigung hinunter, welche aus dem Wald ins Dorf führte. „Bis Morgen in der Schule also“, rief Jake ihr achselzuckend hinterher. Bei jedem anderen Mädchen hätte ihn der Stolz und die Launenhaftigkeit genervt.... Aber bei Jelena war das Anders. „Bis dann!“ Schliesslich drehte sie sich doch um und schenkte ihm ein Lächeln, und ihm wurde warm. Jake sah zu, wie sie über einen niedrigen Gartenzaun im Garten des nächsten Hauses verschwand – wahrscheinlich würde sie ihre Gestalt verändern, um schneller nach Hause zu kommen. Wäre er nicht so erfüllt gewesen von ihrem letzten Blick, ihm wären die hungrigen Augen, die ihn aus dem Gebüsch heraus anstarrten, niemals entgangen. ~***~ Der Jäger leckte sich die Schnauze, als er dem Mädchen hinterherstarrte. Er hatte Recht behalten, dachte er triumphierend, er hatte wie immer Recht behalten und dieses Mädchen war ein weiblicher Werwolf. Wie zart ihr Fleisch am Hals ausgesehen hatte... Wie schlank war ihre Figur gewesen, wie klein sie selbst--- Und doch, ein sehniger, kräftiger Körper, der vor unterdrückter Kraft zu strahlen schien. Wie weich ihre Lippen sein würden... Erneut leckte er sich die Schnauze und kehrte um in den Wald. Da war er wieder, dieser Ruf: Sie war sein. Sie würde ganz und gar ihm gehören. ~***~ Die Nacht war immer mehr ihre Freundin gewesen als der Tag. Ruhiger, einsamer, freundlicher... Manchmal sogar kälter und unpersönlicher, wenn Jelena einfach nur einen unbeteiligten Zuhörer brauchte, manchmal einfach nur eine tröstliche Präsenz in ihrem Geist. Es war ein Uhr morgens. Freitag Morgens, genauer gesagt, der Tag ihrer Wache mit Jake. Die letzten Tage waren ohne besondere Ereignisse vergangen, die Spurensuche auf dem Vampirterritorium war abgebrochen worden, weil keine Ergebnisse zustande kamen, und der verrückte Werwolf hatte sich nicht wieder gezeigt. Jelena brauchte ihre Uhr in der Tasche ihres Rockes, eines eigentlichen Tennisrocks ihrer Mutter, den sie requiriert hatte, nicht, um zu wissen dass ihr Zeitgefühl sie nicht trog. Hoch oben auf dem starken Ast einer Eiche sitzend, lehnte sie sich gegen den starken Stamm hinter ihr, liess die Beine baumeln und sah hinauf zum bedeckten Himmel. Keine Sterne waren zu sehen, aber immerhin regnete es nicht mehr. Der Wölfin war sehr wohl bewusst, dass Jacob „Drei“ Uhr gesagt hatte und nicht Ein Uhr. Aber in dieser Nacht hatte sie wieder vergeblich nach Schlaf gesucht. Neben ihr hatte Susannah sich in ihren Kinderträumen von der einen auf die andere Seite geworfen, bis sie ihr zärtlich die Hand auf den Kopf legte und sie danach griff und sich festhielt und ruhig weiter schlief. Doch für sie schien das Vergessen nicht kommen zu wollen – sie konnte sich noch so oft drehen und wenden wie sie wollte. Sie haderte immernoch mit dem Gedanken, ob es richtig gewesen war, dem Rudel ihre wahre Natur preiszugeben? Sie setzte damit nicht nur sich, sondern auch ihre Familie einem großen Risiko aus. Sie hatte sich verletzlich gemacht, und das war das letzte, was sie wollte. Wenn sie das, was sie vom Geflecht noch wusste, richtig verstanden hatte, würde sie anfangen, daran aktiv teilzuhaben, sobald alle Rudelmitglieder sie als wahres Mitglied betrachteten... Und dann würde sie mit ihren Gedanken nie wieder allein sein. Das gefiel ihr überhaupt nicht. Aus dem selben Grund behagte ihr das Gefühl des Vertrauens nicht, welches sie verspürte, wenn sie in Jacob Blacks Nähe war. Ihn nett zu finden – gut. Ihm sich gegenüber freundschaftlich zu verhalten – akzeptabel. Aber sie hatte sich ihm geöffnet. Leise seufzend blickte sie hinaus in die Dunkelheit. Nacht bedeutete Stille, Einsamkeit und Schutz – aber nun, da sie das Rudel – da sie Jake – kennengelernt hatte, wusste sie nicht, ob sie noch in diese Dunkelheit zurückkehren wollte. Sowieso, wieso empfand sie die Ruhe auf einmal als Einsamkeit? Nie zuvor hatte sie Stille so definiert. Sie hatte nicht gewusst, was Einsamkeit war. Aber nun, da sie durch die Treffen mit den Anderen, den Pausen, die sie mit Embry, Quil, Embrys Freundin, einigen anderen Mitschülern und mit Jake verbracht hatte, hatte sie gelernt, was Einsamkeit bedeutete... Und nun war es unmöglich, noch einmal zurückzugehen. Die Gemeinschaft war etwas, was sie genoss... Das Zusammensein mit Jake war etwas, das sie nicht mehr vermissen wollte. Und der Gedanke behagte ihr nicht. Ein Windstoß fegte über sie hinweg und jagte durch ihre Haare, die sie mit zwei Spangen sorglos an der Seite befestigt hatte, weil sie zu kurz waren, um sie zu flechten – etwas, das sie mit Susas Haaren täglich tat und nur zu gerne bei ihren eigenen Haaren getan hatte. Aber ein Wolf mit langen Haaren? Lächerlich... Trotzdem: manchmal mochte Jelena ihre Haare: sie waren glatt und weich, immer, wenn sie ihr ins Gesicht fielen, war es, als striche ein sanfter Wind über sie hinweg. An der kühlen Luft fröstelte sie nicht, obwohl sie nur ein Top trug. Sie schmeckte Tau und Nebel im Wind, grüne Blätter, Federn, Farne und Fell... Ihr Kopf schoss in die Höhe. Da war noch etwas anderes, etwas gänzlich unbekanntes und doch so gewohntes. Etwas fremdes, gefährliches, der Geruch von Blut und nassem Fell und Geifer... Werwolf. Gier funkelte in seinen rot glühenden Augen, die sich wie heiße Kohlen in Jelenas jadegrüne Augen bohrten. Speichel troff ihm von den spitzen Reißzähnen, über denen die Lefzen hochgezogen waren – alles an ihm schrie geradezu nach Gefahr. Jelena hatte keine Zeit, nachzudenken – der Werwolf hatte sie als Ziel ausgesucht. Er war ein Menschenfresser. Er genoß es, anderen Wesen das Herz bei lebendigem Leibe herauszureißen und es zu fressen. Sie allein würde niemals gegen ihn ankommen! Mit gefletschten Zähen flog der Feind auf sie zu, und selbst der Ast würde sie nun nicht mehr retten... In Jelenas Geist blitzte eine Abfolge von Bildern auf, und sie schrak zurück. Dieser Wolf sendete blind an alle Umstehenden, seine Gedanken waren blutrot und unscharf, aber deutlich war Blut und pulsierende, schlagende Organe dabei. Jelena schluckte, um das bittere Gefühl in ihrem Mund loszuwerden, bevor sie die Gestalt veränderte, und mit einem grauenerregenden Geräusch prallte der silbergraue Wolf gegen die braune Wölfin. ‚Jake!‘ Der Ruf war laut und deutlich und schien in seinem Kopf hin- und herzuhallen. Mit einem Satz war Jake auf den Beinen, bevor er noch richtig registriert hatte, was geschehen war, und schon dabei, sich im Laufen ein T-Shirt überzuziehen. Sein Wecker zeigte ungefähr 1 Uhr nachts. Ohne sich darum zu kümmern, dass er noch immer die Shorts trug, die er zum Schlafen benutzt hatte, verwandelte er sich im Sprung und nahm den schnellsten Weg aus dem Haus in den Wald, den Jelena ihm einst demonstriert hatte: Das Fenster. Elegant setzten seine schwarzen Pfoten auf, lautlos wie ein Windhauch, und von einer Sekunde zur nächsten war er im Wald verschwunden wie ein schwarzer Blitz. Seine Gedanken streiften die des Rudels – ‚Schnell!’, spürte, wie Jared und Embry, die gerade Wache hielten, losstürmten – seine Ohren aufgestellt, hetzte er los. Die Stille und der Wald erschienen surreal. Es war eine andere Gelegenheit gewesen, eine andere Nacht, aber trotzdem erinnerte ihn seine momentane Situation an seine Hetzjagd nach Jelena. Heute heftete er sich nicht nur an ihre Fersen, sondern auch an die eines fremden Wolfes, eines Eindringlings – alle seine Instinkte schrien Feind! Der Wald hielt den Atem an, als er hindurch jagte, kein Lebewesen zeigte sich, als er lautlos durchs Dickicht brach, alle Büsche schienen sich vor Angst an den Boden zu drücken. Sogar der Wind roch nach Furcht. Jake jagte weiter, die Nase witternd in der Luft, dann wieder am Boden, und eine leichte Panik brach in ihm aus. ‚Wohin?‘, erreichte ihn Jareds wortloser Ruf, aber er blendete ihn aus, wollte die Frage nicht auch in seinen eigenen Gedanken widerhallen hören. Wohin? Wo war Jelena gerade? Er wünschte sich auf einmal brennend, dass man sie bereits ins Geflecht aufgenommen hätte, dann würde er nicht diese Schwierigkeiten dabei haben, sie zu finden... Aber im selben Moment schoss er, wie von einer Sehne geschnellt, auf eine kleine Lichtung, und stürzte sich geradewegs auf den großen, silbergrauen Wolf, der sich über ein Bündel braunen Fells beugte. Jelena! Der Überraschungsmoment riss den weißen Wolf um und liess Jake und ihn nach hinten weg rollen. Schnell wie der Blitz versuchte Jake, die Oberhand zu gewinnen, in dem er sich bemühte, den Wolf unter sich zu begraben, aber der Graue war so stark! ‚Jelena? Sag etwas!‘ In seiner Angst um sie vergaß er völlig, dass sie ihn gar nicht hören konnte. ‚Jelena!‘ Mit einem heiseren Knurren bäumte der Graue sich auf und fuhr herum, warf sich erneut auf Jake und begrub ihn vollends unter sich. Jake spürte das Tonnen lastende Gewicht auf ihm und versuchte vergeblich, Luft zu holen, ein Granitblock schien auf seiner Brust zu liegen und ihn am Atmen zu hindern... Mit einem Pfotenschlag versuchte er, den Feind an der Schnauze zu verwunden, doch dieser wich aus und verzog die Lefzen zu etwas, das Jake als Grinsen deutete. ‚Kleiner‘, knirschte seine Stimme in Jakes Kopf – Warum konnte er ihn hören, aber Jelena nicht? Was bedeutete das? War sie... ‚Kleiner, dummer Welpe. Dachtest du, du könntest mich von meinem Mahl abhalten?‘ Bilder jagten ihm durch den Kopf, Körper, Menschen, verschmiert in Blut, ein pulsierendes Herz... Ihm wurde schlecht. ‚Ich kann auch mir dir beginnen, kann ich nicht...‘ Schauriges Bellen hallte durch die dunkle Nacht, abgehackt und keuchend. ‚Du bist wirklich kein Hindernis.‘ Jake schloss die Augen, als die Schnauze mit dem faulig stinkenden Atem seiner Kehle immer näher kam... Hektisch versuchte er, seine Pfoten zu befreien, den Gegner abzulenken, ihn zu verwunden... Irgendwie... Es muss doch eine Lösung geben... In dem Moment kam Jelena Jake zu Hilfe und verbiss sich im Nackenfell des Grauen. ‚Jake! Alles in Ordnung?‘ Aus irgendeinem Grund war er so erleichtert, ihr Stimme zu hören, dass er liegenblieb, obwohl der graue Werwolf von ihm abgelassen hatte und nun verbissen mit Jelena rang. Für einen Moment betrachtete er staunend, wie sie sich bewegte, als sei sie nicht aus Fleisch und Blut gemacht, sondern aus Luft... Immer, wenn der Graue nach ihr schlug, war sie fort. Wo hatte sie gelernt, so zu kämpfen? Aber sie mochte so gut sein, wie sie vielleicht auch war... Der graue Werwolf war stärker. Mit einem Ruck und einem Pfotenhieb sprang er von ihr weg und stieß sie zu Boden – Schmerz fuhr eisblau durch ihre und damit auch durch Jakes Gedanken. Aber sie kam sofort wieder auf die Pfoten –schwer atmend und mit mehreren Kratz- und Schürfwunden. Jake erwachte aus seiner Erstarrung, sprang neben sie – Sie kann doch nicht einfach den ganzen Ruhm für sich allein einheimsen! – und entblößte in einem drohenden Knurren die Reißzähne. Starr wie Wachsfiguren standen sie dort, Schulter an Schulter, und starrten den Gegner an. Schnell überschlug Jelena im Kopf ihre Chancen: Selbst zu Zweit hatten sie nur geringfügige Chancen gegen den riesigen Werwolf. Er war alt, und stark, und erfahren... Kämpfen? Abwarten? Fliehen? Kämpfen? In einer anderen Zeit, in einem anderen Leben, hätte sie sich auf jeden Fall und gegen jede Vernunft fürs Kämpfen entschieden. Aber das war vorbei... Sie hatte jetzt Susannah. Nicht nur... sagte eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf welche sie entschieden nicht beachtete. Aber die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als der Graue blitzschnell im Gebüsch zu ihrer linken verschwand. Der Jäger trat die Flucht an. Jacob Black und Jelena Carter brauchten ihre Gedanken nicht auszutauschen, um nun gemeinsam und gleichzeitig die Verfolgung aufzunehmen: wie zwei Schatten tauchten sie in die Schattenwelt des nächtlichen Waldes ein. ~***~ Der Jäger war zum Gejagten geworden. Wie hatte das passieren können? In seinen wirren Gedanken spielten Angst und Wahnsinn ein tückisches Spiel. Noch nie hatte sich jemand gegen ihn gestellt! Es waren nur zwei junge Welpen gewesen... Die jedoch ein komplettes Rudel hinter sich hatten. Gegen ihn, alt und allein. Aber er war doch stark, so stark... Viel stärker als diese lächerlichen Abklatsche von Werwölfen, die sich nur im Pack sicher fühlten und behaupteten, die Menschen „zu schützen“. Menschen fürchteten seinesgleichen. In einem Grinsen zog er die Lefzen hoch, entblößte seine gelben, spitzen Vorderfänge. So gehörte sich das auch, nicht wahr? Werwölfe waren Monster. Schreckenskreaturen, solche Wesen, mit denen man kleinen Kindern drohte, die nicht gehorsam waren, und vor denen selbst erwachsene Männer zitterten, wenn sie ihr Heulen hörten. Wesen, vor denen man Respekt und Angst hatte. Menschenfresser... Und jetzt hetzte er durch den Wald, auf der Flucht vor zwei unreifen Exemplaren seiner Gattung, die nicht einmal die wilden Wölfe waren, wie er einer war... Floh vor Zweien, die nicht einmal darüber nachdachten, warum er es tat. ~***~ Jake und Jelena wurden sich beide genau im selben Augenblick bewusst, was der graue Werwolf bezweckte. Schlitternd kamen sie zum Stehen, als sie die unsichtbare Grenze um sich spürten... ‚Verdammt!‘, fluchte Jake. ‚Er will uns hineinlocken!‘ Jelena knirschte mit den Zähnen vor Wut. Warum hatte sie daran nicht früher gedacht? Es war doch so offensichtlich gewesen! Der Graue hatte sie weglocken wollen, hatte sie in die Falle gelockt wie zwei unreife Welpen, die nicht wussten, was sie taten... ‚Da dürfen wir nicht hinein! Das ist Vampir-Territorium!‘ ‚Ja.‘ Jake hätte am Liebsten gesagt, dass sie sich nicht solche Vorwürfe zu machen brauchte... Aber die Tatsache allein, dass er ihre Gedanken hören konnte, war schon recht merkwürdig. Nicht unangenehm, aber es kam ihm so vor, als würde er lauschen, wo er nicht sollte... Still standen sie da, während die Spur des fremden Werwolfs vor ihnen immer schwächer wurde, als der Nachtwind ihn verwehte. Ein Guter Plan war es gewesen, Jake verspürte widerwilligen Respekt vor dem Grauen. Sie würden Vampirboden betreten müssen, um ihn zu bekommen... Wenn sie nicht gingen, würde er weiter morden. Er hatte genug von den schrecklich blutigen Bildern im Geist des Grauen gesehen, um zu wissen, dass sie den Schuldigen am Tod des Kindes gerade hatten vor sich stehen gehabt... Wären sie erst einmal drüben, würde das Rudel ihnen jedoch nicht mehr helfen können. Und die Vampire fühlten sich vielleicht angegriffen und würden dem Grauen nur zu gerne dabei helfen, ihn und Jelena vom Angesicht dieser Erde zu tilgen... Besonders Jelena. Er kam nicht umhin, sich die Szene vor Augen zu führen, die sich ihm geboten hatte, als er auf die Lichtung gestürmt war... Er hatte vor Wut kaum noch etwas sehen können, aber das Bild hatte sich in seinen Gedanken fest eingegraben. Jelena blickte peinlich berührt zur Seite, und Jake wäre rot angelaufen, hätte er in seinem Menschenkörper gesteckt. ‚Denkst du, ich bin eine Last?‘ Was redete sie da? Sie wusste genau, dass er es nicht so gemeint hatte... ‚Hm. Das Habe ich gehört.‘ ‚Gibt es keinen Weg, das auszuschalten?‘, fragte Jake kläglich und Jelena kicherte in Gedanken, ein leichtes, rieselndes Geräusch. ‚Denk an deinen großen Zeh.‘ ‚Ernsthaft?‘ ‚Ja. Oder an etwas anderes....‘ Jake fand es recht schwer, aus ihrer offensichtlichen Belustigung wieder zum Boden der Tatsachen zu kommen. Woher wusste sie so etwas? Warum kannte sie einen Weg, das Geflecht zu verwirren? Hatte sie bereits früher in einem Rudel gelebt? ‚Wenn du an mich denkst, kann ich dich hören‘, sagte sie und ihre Belustigung schlug abrupt wieder in Wachsamkeit um. ‚Gehen wir?‘ ‚Geh nicht, Jake!‘, ertönte urplötzlich Sams Stimme im Geflecht, orange vor Besorgnis und Wut. ‚Er will euch provozieren. Wartet – wir sind gleich bei euch! Wenn ihr jetzt geht, seit ihr auf euch allein gestellt!‘ ‚Also?‘, fragte Jelena. Zu riskant. Jake schüttelte seinen Kopf, in der Hoffnung, ihn frei zu bekommen. Cullen-Territorium. Es sah so aus, hörte sich so an und roch erst recht so. Die Familie allein würde schon mit der Bedrohung fertig werden, erst Recht, da Sprössling Nummer Eins wieder zu Hause war. Daraus resultierte nur eine relevante Frage: Wo war Bella? ‚Wer ist Bella?‘, fragte Jelena und im Geiste sah er sie die Stirn runzeln. Er ignorierte sie, weil er nicht wusste, wie er ihr das erklären sollte. Und was, wenn der irre Werwolf nochmals einen Menschen angriff? Sie würde keine Mitschuld tragen. Aber trotzdem, er fühlte sich verantwortlich... Er war der stellvertretende Rudelführer... ‚Jake, wenn du dich jetzt da weg bewegst, wirst du für den Rest deines Lebens nichts tun als Wache schieben! Wir nehmen dich nirgendwo mehr mit hin!‘ ‚Wir gehen.‘ In seinem Geist spürte er Jelenas Bereitschaft und die Wut und die Sorge vom Rest des Rudels – sie waren ihnen schon so nah. In dem Moment, in dem sie über die Grenze traten, blendete er sie aus. Er musste sich nun konzentrieren. Als sie den Wald er Vampire betraten, war es, als öffnete sich ihnen eine neue Welt. ‚Buh!‘ Jake schüttelte sich. ‚Was denn?‘, fragte seine Gefährtin an seiner Seite verwundert und sah sich, ohne in ihrer Wachsamkeit nachzulassen, um. Manchmal war er wirklich froh, sie an seiner Seite zu haben. ‚Dieser Gestank! Riechst du es nicht?‘ ‚Nein. Überhaupt nichts.‘ Mittlerweile liefen sie so schnell, dass ihre Umgebung nur noch als verwischtes Bild vorbeihuschte. ‚Ich habe Vampirgeruch nie als unangenehm empfunden. Meine... Meine Mutter auch nicht.‘ Ihr Zögern entging ihm nicht, aber er stellte keine Fragen. ‚Da kenn’ ich noch andere‘, sagte er statt dessen und hätte am Liebsten die Nase gerümpft. Warum fanden Frauen im Allgemeinen diese Blutsauger und ihren verdammten Gestank so attraktiv? Auch Bella – und ein scharfes Messer aus eisblauem Schmerz fuhr ihm so blitzartig durch das Herz, dass er unwillkürlich aus dem Trott kam. ‚Was?!‘, fragte Jelena, schärfer als beabsichtigt. Sie hatte ein Paar tiefer, eindrucksvoller Augen gesehen, Haar, welches nach Rosen duftete, und dann nur noch die Angst und Besorgnis gespürt, welche ihn durchfahren hatte. ‚WAS?‘, fragte sie wieder, so laut, dass es in seinem Kopf und in seinen Gedanken widerhallte. ‚Nichts‘, sagte Jake undeutlich und biss die Zähne zusammen, dachte mit aller Macht an ein weißes Blatt Papier, auf dem er gestern seine Aufgaben für Literatur erledigen sollte und dies auf Morgen verschoben hatte. Bella. Sie war in Gefahr – natürlich, sie schien Gefahr anzulocken wie das Feuer die Motten anlockte. Und die Gefahr konnte für sie ebenso tödlich sein wie das Feuer für die Motten... Aber warum? Sie war doch nicht hier, in Forks... War sie? Sie konnte dann ebensogut mit einem Schild auf der Stirn herumlaufen, auf dem stand „Komm und krieg mich!“ Jake konnte nur für die Cullens hoffen, dass sie sehr gut auf sie Acht gaben, wenn sie hier war. Sonst würde er sich gezwungen sehen, einige Regeln zu brechen... [i}‚Also nichts‘, sagte Jelena und klang auf ein Mal eiskalt. Ihre Gedanken glichen eisigen, grauen Nebelschlieren, undurchsichtig und drohend. ‚Gut.‘ ‚Gut‘, antwortete Jake verwirrt. Was war jetzt schon wieder los mit ihr? Er hatte nichts gesagt und nichts getan, und doch schien es, als sei sie sauer auf ihn. ‚Bist du sauer?‘ ‚Nein, warum sollte ich!‘ Alaskastürme waren nichts gegen die Kälte, die von ihr ausströmte. Also beschloß Jake, vorsichtshalber nichts mehr zu sagen – aber selbst wenn er gefragt hätte, Jelena hätte ihm nicht sagen können, was mit ihr los war. Sie war selbst viel zu beschäftigt damit, das herauszufinden. Und weil man auf einer Verfolgungsjagd besser mit ganzem Herzen bei der Sache ist und Jake das nicht war, weil er über Frauen sinnierte und Jelena nicht, weil sie vor Wut schäumte – Deshalb liefen sie beide beinahe in den grauen Werwolf hinein. Der Jäger stand auf einer Lichtung. Hier war ihr Geruch besonders stark... Das dumpfe Mondlicht spielte eindrucksvoll mit den Schatten, welche die Bäume auf sein silbergraues, zotteliges Fell warfen. Witternd hob er seine Schnauze und saugte genußvoll die kalte Nachtluft ein. Alles war bereit. ‚Feind‘, warnte Jake Jelena, und seine Stimme klang rot vor Wut und violett vor Besorgnis. Alle Gedanken, die nichts mit der Jagd zu tun hatten, waren von einem Moment zum nächsten aus seinem Kopf verschwunden. Aus dem vollen Lauf kamen er und Jelena zum stehen, rutschten noch ein Stück über die feuchten Blätter auf dem Erdreich und hielten an, und wieder standen sie sich gegenüber: Schwarz und braun und silbergrau, Jake und Jelena und der Jäger. Geduckt und bereit zum Angriff und die Ruhe in Wolfsgestalt. ‚Na endlich‘, sagte der Menschenfresser und seine Stimme war so schwarz wie der Wahnsinn, der aus seinen fiebernden Augen leuchtete. ‚Ich wusste, dass ihr kommen würdet.‘ Seine Gedankenstimme war nun, wenn möglich, noch durchsetzter mit wirren, irrationalen, blutrünstigen Bildern, er dachte mehr, als das er sprach. Jelena wollte instinktiv zurückweichen, dachte dann an Jake neben sich und rührte sich nicht vom Fleck. ‚Jetzt sitzt du in der Falle.‘ Ein Beben, einem Erdbeben gleich – seine grausame Art zu lachen. ‚Denkst du das, kleines Mädchen – denkst du das wirklich? Dass ich in der Falle sitze und nicht mehr weglaufen kann?‘ ‚Glaubst du, wir lassen dich entkommen, nur weil du nicht mehr in unserem Gebiet bist?‘ Jakes Stimme klang in Jelenas Geist hart und klar, und sie dachte, dass sie sein Zittern eben unmöglich gespürt haben konnte, es musste eine Sinnestäuschung gewesen sein – warum sollte er Angst haben? ‚Oh nein, das kommt gar nicht erst in Frage. Du hast keine Chance mehr!‘ Und er sprang auf den Grauen zu, aus dem geduckten Auf-dem-Sprung–sein schoss er hoch, schien für einen Moment in der Luft zu hängen und stürzte sich dann auf den Gegner. Der erwartete ihn bereits –und ehe Jelena etwas sagen konnte, hatten sich Beide ineinander verbissen, rollten sich knurrend und schnappend auf dem Erdboden herum und japsten. Scharfe, weiße Zähne blitzten auf, als Jake versuchte, die Kehle des Werwolfes unter ihm zu erreichen, aber der drehte sich mit unglaublicher Kraft um und begrub ihn unter sich. ‚Nein!‘, schrie Jelena gellend. Wo sollte sie jetzt noch eingreifen? Sie konnte ja nicht einmal mehr sehen, wo der Eine begann geschweige denn, wo der Andere aufhörte... Sie musste sich damit begnügen, lautlos lauernd um die Kontrahenten herumzupirschen, abwartend, wann sich ihr eine Möglichkeit bieten würde, einzugreifen... ‚Warum tust du so etwas?‘, keuchte Jake und versuchte verzweifelt, sich aus seiner unterlegenen Position auf dem Boden zu befreien. Mit messerscharfen Krallen schlug er aus, aber spielerisch leicht wich der Gegner ihm aus und pinnte ihn nur noch stärker an den Boden, sodass sein Brustkorb langsam, aber sicher immer enger zusammengedrückt wurde...Gelbe Reißzähne blitzten auf, der stinkende Atem liess ihn fast bewusstlos werden – sollte dies ein Grinsen darstellen? Was plante der Wolf? ‚Opfer sind im Krieg weniger auffällig – ja, das sind sie, nicht wahr?‘ Seine Pfote schlug zu, schnell wie das Licht, und ein Schmerz durchfuhr Jake eisblau – an seiner Schulter klaffte eine blutige Wunde. Fest biss er die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien, und holte keuchend Luft. ‚Also?‘ Aber der Menschenfresser lachte nur sein wahnsinniges Lachen und versuchte, Jakes Kehle zu erreichen, aber in dem Moment sprang Jelena ihn an – und gezwungen durch die vereinigten Kräfte des braunen und des schwarzen Werwolfs musste er einen Meter zurückweichen. Jake hatte ihn von sich geschleudert, jetzt erhob er sich schwankend auf seine vier Pfoten und warf sich – Jelenas Aufschrei erneut ignorierend – wieder auf den Gegner. ‚Was im Namen aller sieben Höllen hast du vor!‘ Zähne blitzten auf, Krallen schlugen zu. Der graue Werwolf riss seine Schnauze auf und biss zu, bekam Fell und Fleisch aus Jakes Flanke zu fassen und riss daran, und Jelena schrie auf, als ihn wieder grün-blauer Schmerz durchfuhr. Im Gegenzug schlitzte Jake dem Feind den ungeschützten Bauch auf und wurde mit einem pechschwarzen, wortlosen Aufschrei belohnt. Der Schrei ging ihm durch Mark und Knochen, hallte in seinem Geist wider und verursachte pochende Kopfschmerzen, und mit einem triumphierenden Knurren warf sich der Graue auf den schwarzen Werwolf und sie gingen erneut in einem Knäuel zu Boden. ‚Hast du es nicht verstanden, Welpe?‘, knurrte er. ‚Ist Krieg für dein schwaches Rudel ein Fremdwort?‘ Krieg, ging es Jake durch den Kopf, und für einen kurzen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Das hatte der Menschenfresser vor? Er wollte einen Krieg anzetteln, eine Auseinandersetzung mit den Vampiren, in denen es keine Regeln und keine Grenzen mehr gab... In der er Menschen würde töten können, und die Schuld würde dem Rudel gegeben werden... ‚Das ist es, was du willst?‘, hustete er, und der Werwolf über ihm warf den Kopf hoch und lachte. ‚Ja, auch! Und es gibt noch andere Dinge, die ich will...‘ Ein Bild sprang Jake an, erschreckend klar und leuchtend: braune, schulterlange Haare, helle Haut, Augen, so grün wie ein Gletschersee in der Mittagssonne... ‚NEIN!‘ Blind vor Wut hieb er dem Feind seine Tatze quer über die Nase und der fuhr aufheulend zurück, Jake sprang auf und setzte ihm nach. ‚Hau ab, Jelena! Er will dich!‘ Jelena hörte seine Worte und sah das Bild und die Farbe des Terrors, welchen ihn durchflutete, aber sie blieb wie festgewachsen stehen. Ihr Schweif peitschte unruhig hin und her, und unbewusst rang sich ein Knurren aus ihrer Kehle. Herz und Verstand kämpften in ihrem Inneren einen verbissenen Kampf: Sie musste eingreifen, um den Grauen zu besiegen, aber dies nun zu tun wäre Wahnsinn... Und dann ging sie doch auf ihn los, versuchte, den Feind durch ihr Gewicht vom wieder auf dem Boden liegenden Jake hinunterzustoßen, aber der Werwolf warf sie mühelos ab und sie landete hart auf dem Boden. Sofort wieder auf den Beinen, umkreiste sie ihn lauernd, auf eine Lücke in seiner Verteidigung wartend, aber sich der Tatsache bewusst, dass er Jake noch immer unter sich begraben hatte... Das war schlecht. Das war sogar sehr schlecht... ‚Kleines Mädchen‘, lächelte er höhnisch. ‚Gib auf, wirst du? Deinem Freund geht es sonst schlecht.‘ Jake schrie wütend auf, kam aber nicht frei, so sehr er sich auch bemühte. ‚Es wird Zeit, euch zu sagen, was ich noch vorbereitet habe, wird es nicht?‘ Seine roten Augen lagen amüsiert auf Jelenas Gesicht. Jake unter sich schien er kaum noch wahr zu nehmen. ‚Zeit...‘ Und aus dem Schatten der Bäume trat eine junge Frau. Aus zusammengekniffenen Augenschlitzen starrte Jelena sie wütend an. Sie hatte sie noch nie zuvor gesehen, aber sie kannte die Haare und die Augen... Und sogar ihren Geruch. Sie hatte allen Grund dazu, wütend zu sein, denn das Entsetzen, welches von Jake ausging, war eindeutig und erzählte ihr eine uralte Geschichte. Der Jäger lachte sein uraltes, welterschütterndes Lachen. Isabella Swan war schön. Es war keine Frage, warum Jake in sie verliebt war. Sie trug nur ein Top und einen Rock, und ihre Haare fielen in weichen Wellen über ihre Schultern. Ihre Figur war ausgeglichen und perfekt, Jelena brauchte sie nur anzuschauen, um sich in ihrem Schatten klein und knochig vorzukommen. Ihre Augen waren braun und eindrucksvoll, und sie bewegte sich, als sei ihr klar, wie schön sie war. Aber sie bewegte sich auch, als sei sie eine Schlafwandlerin. Als wisse sie nicht, wo sie gerade sei. Ihre Augen zeigten keine Regung, ebensowenig wie ihr Gesicht. Sie schien niemanden um sich herum wahrzunehmen. ‚Was hast du mit ihr gemacht?‘ Jelena fühlte sich verpflichtet, etwas zu sagen, da Jake nichts sagte. Wie vom Blitz getroffen starrte er noch immer die Erscheinung des schönsten Mädchens an. das Jelena jemals gesehen hatte, und sie verspürte den dringenden Drang, ihm dafür eine Ohrfeige zu verpassen... Deshalb fixierte sie den Jäger. In einer fließenden Bewegung sprang dieser von Jake weg und landete neben Bella und das Geräusch, welches sich seiner Kehle entrang, klang fast wie ein zufriedenes Schnurren. ‚Das ist meine Gabe‘, erklärte er seidenweich. Die Werwölfe fingen das Bild auf: Erst würde er ihr die Kehle zerfleischen, den langen, weißen Hals, Blut würde ihr über die perfekten Schlüsselbeine tropfen... Und wenn er sie getötet hatte, würde er die Andere bekommen. ‚Jelena?‘, schrie Jake wütend auf, fand seine Stimme wieder, quälte sich hoch und zeigte die Zähne. ‚Du willst Jelena haben? Warum dann dieser Umweg über Sie?‘ Ja, genau, das hätte er viel einfacher haben können, dachte Jelena. Jake hätte sich gerne umgedreht, denn Wut und Spott gingen in großen Wellen von ihr aus, aber er musste sich schon darauf konzentrieren, sich auf den Pfoten zu halten und den Feind weiter anzustarren. ‚Sie ist der Schatz der Vampire! Weißt du, was du anrichtest, wenn du sie tötest?‘ ‚Die meiste Wut‘, schnurrte der Jäger. ‚Das meiste Leid. Den meisten Schmerz...‘ Jelena konnte nachvollziehen, was er meinte. Isabella Swan zu töten und die Werwölfe als Schuldige dastehen zu lassen würde die Vampire so erzürnen, dass sie nicht einmal mehr ein Ultimatum stellen würde, bevor sie angriffen... Der Krieg wäre unvermeidlich. Und welchen Schmerz es brachte wenn sich zwei rasen bekriegten, das wusste sie selbst nur zu gut. ‚Verdammt‘, fluchte Jake, diesmal an Jelena gewandt aber ohne sie anzusehen. ‚Die Vampire werden gleich hier sein. Wir müssen etwas unternehmen!‘ ‚Klar‘, sagte Jelena verbittert. ‚Wir können schliessllich nicht zulassen, dass ihr etwas geschieht.‘ ‚Ja, wir...‘ Jake runzelte die Wolfsstirn und brach ab. ‚Was ist los mit dir?‘ ‚Nichts.‘ Sie baute die alte Mauer erneut um sich auf. ‚Also was machen wir mit der Frau, deren Geist gegen Vampire immun ist, die aber einem Werwolf sofort in die Falle geht?‘ ‚Dein Zynismus ist hier fehl am Platz. Wir...‘ ‚Ich unterbreche eben‘, sagte der Jäger mit einer Ich-fress-euch-gleich-Kinderchen-kommt!-Stimme. ‚Aber ich habe wenig Zeit. Die Blutsauger kommen...‘ Bella bewegte sich nicht, als er sich ihr zuwandte. Der Jäger war glücklich – sein Plan verlief perfekt... ‚Nein!‘, rief Jake und wollte loslaufen, taumelte jedoch und wäre beinahe gestürzt. In seinem Herzen wallte Angst auf – pure Angst um die Frau, die er liebte. ‚Jelena! Tu doch was!‘ Jelena biss die Zähne zusammen. Zog dann die Lefzen hoch und zeigte knurrend ihre Zähne, war im Sprung, so schnell, dass Jake nicht sah, wo sie plötzlich war – als wäre sie von einem Moment auf den nächsten unsichtbar geworden – sie sprang Bella an, schneller, als dass der Jäger hätte reagieren können – riss sie beiseite, weg von den zuschnappenden Kiefern des menschenfressenden Werwolfes, weg und in die relative – zeitweilige - Sicherheit die aus feuchtem Waldboden, nassem Moos und rutschigen Blättern bestand. Schmerz durchzuckte sie blassrot und blau als sie Bellas Sturz mit ihrem eigenen Körper abfing und sich so nicht mehr abrollen konnte. Bella landete auf ihr. Und kam zu sich. „Was zum---...“ Ein Werwolf unter ihr, ein weiterer auf dem Weg zu ihr, silbergrau und bedrohlich, ein weiterer hinten auf der Lichtung, offensichtlich verletzt. „AHHHHH!“ Funkelnde, rote Augen starrten in ihre Braunen. „Was soll das? Wer bist du? Geh weg von mir! Edward!“ In dem Moment, in dem sie seinen Namen aussprach, wusste Jelena, dass Edward Cullen gleich hier sein würde. So schnell es ging rappelte sie sich unter Bella hervor und stürzte sich auf den Werwolf – prallte wieder hart auf ihn und zuckte zusammen. Woher nahm er diese Stärke? Sie verbiss sich in sein Nackenfell, während er sich im Kreis drehte, um sie abzuwerfen, gleichzeitig versuchte, ihre Hinterläufe zu schnappen – sie musste ihn besiegen, ehe die Vampire kamen und falsche Schlüsse zogen! In einem Knäuel aus Körpern gingen Beide zu Boden, und panisch krabbelte Bella auf dem Boden rückwärts, zitternd und weinend. „Edward!“ Typisch, immer gleich nach Hilfe zu rufen... Jelena dachte nicht daran. Ihre Krallen gruben sich in die Erde, als der Menschenfresser erneut nach ihrer Kehle schnappte, dann holte sie aus und schlug ihm quer über das Gesicht, streifte die fast verheilte Wunde, die Jake hinterlassen hatte, und riss sie wieder auf. Dunkles Blut quoll hervor und tropfte ihm in die Augen, und der Werwolf brüllte auf und warf sich auf sie, quetschte sie mit aller Kraft unter ihm auf den Boden – sie brach zusammen. Biss trotzdem um sich, kratzte und fauchte – Werwolf oder Katze? – und schrie ihre Wut in die warme Herbstnacht hinaus. Jake, der noch immer dort stand, wo Jelena ihn hatte stehen lassen, schlich schwankend auf Bella zu – und die schlug nach ihm. „Komm mir nicht zu nah!“ „Hey, ich bins“, sagte er, nachdem er sich zurückverwandelt hatte. Bella fiel auf, dass er es mittlerweile mit Kleidung schaffte... Erleichterung machte sich auf ihrem Gesicht bereit. „Jake!“ Am liebsten hätte er sie umarmt, aber in dem Moment kam Edward Cullen an. „Bella! Alles in Ordnung? Was ist passiert?“ Früher hätte Jake alles dafür gegeben, dass sie ihn so ansah wie nur wenige Sekunden zuvor: liebevoll und erleichtert... Der Vampir fuhr herum und nahm ihn ins Visier. „Ihr!“ Das blasse, edle Gesicht des Vampirs verzog sich zu einer Maske der Wut. „Ich dachte, du würdest sie niemals in Gefahr bringen, Werwolf?“, spuckte er aus. Jake fuhr zurück. „Kannst du mir freundlicherweise erklären, was das jetzt soll? Habt ihr eure eigenen Hunde nicht mehr unter Kontrolle?“ Es wäre ja schön gewesen, dachte Jelena zynisch, während sie sich nur knapp vor der zusammenschnappenden Kiefer vor ihrem Gesicht rettete, wenn die Drei ihre Aufmerksamkeit einmal voneinander – und ihr hingewandt hätten. Unter dem Jäger begraben, spannte sie sämtliche Muskeln an, versuchte mit aller Kraft, ihn wegzudrücken und der Werwolf über ihr lachte. Das Geräusch liess sie wünschen, sie könnte ihre Pfoten über die Ohren legen. Bedrohlich knurrend setzte sie ihre Anstrengungen fort, wenn auch das Wissen, dass sie nicht gewinnen konnte, in ihrem Hinterkopf über sie zu lachen schien. Dafür, dass sie ihm bekämpfte, erhielt sie einen Schlag mit der flachen Pfote gegen den Kopf, der sie Sterne sehen liess. Für einige Sekunden. ‚Jetzt hab ich dich‘, knurrte der Wolf und mit einem Blitzschlag wurde ihr klar, dass er wirklich die ganze Zeit hinter ihr her gewesen war. ‚Du bist die Einzige Werwölfin, die es noch gibt. Du wirst meine Gefährtin werden – die Einzige, die mir ebenbürtig ist!’ Wahnsinn schimmerte schwarz durch seine Gedanken und Angst stieg in ihr auf. Wenn sie sich nicht schleunigst befreite, dann... Jake und Edward starrten sich noch immer stumm an. Bella konnte die Spannung zwischen ihnen spüren – Jake überlegte, was er sagen sollte, Edward, was er glauben sollte. Sein Blick ging für einen Moment am Werwolf vorbei auf die Lichtung, und plötzlich weiteten sich seine Augen. „Pass auf!“, gellte seine Stimme über die Lichtung, gerichtet an den unterlegenen Werwolf, von dem er nicht sicher war, ob er ein Freund oder ein Feind war, aber er hoffte instinktiv auf Ersteres. Entsetzt fuhr Jake herum, erfasste die Situation in einem Blick und verwandelte sich im Sprung, ignorierte seine schmerzenden Knochen, Sehnen und Muskeln und warf sich auf den Jäger, unter dem Jelena nur noch flach atmete. Sie hatte ihren Kopf zur Seite gedreht und weigerte sich, ihre Kehle zu entblößen, aber es fehlte nicht mehr viel... Wie ein lästiges Insekt schlug der ihn beiseite und Jake prallte aufstöhnend auf den Boden. Geifernde Zähne näherten sich ihrer Kehle, sie keuchte schwer und konnte kaum Luft holen, so schwer lastete das Gewicht des Jägers auf ihr. Es war aus, fuhr Jelena durch den Kopf. Sie konnte nicht mehr. Sie konnte Jake weder hören noch sehen, hoffentlich war ihm nichts passiert... Der Gestank des Jägers lies ihr schwindlig werden aber er fuhr fort ihre Schnauze und ihre Schultern zu Boden zu pressen, sie konnte sich nicht mehr bewegen, sie konnte nicht mehr... Der Vampir würde nicht eingreifen. Es war eine ungeschriebene Regel, dass man in Kämpfe einer Rasse untereinander nicht eingreifen durfte, sie kannte sie und hatte sie schon oft am eigenen Leib erfahren. Aber noch nie hatte sie sich so sehr gewünscht dass jemand sie brach... Der Graue würde sie töten, er war ungeduldig geworden und dürstete nach Blut. sSeine tiefroten Augen glänzten wahnsinnig während er auf sie hinunterstarrte. Speichel troff ihm aus der Schnauze... Sie konnte sich nicht bewegen, die Welt verschwamm um sie herum, sie konnte nicht mehr atmen... Ein langgezogenes Geheul hallte durch die nächtliche Stille. Edward spannte sich an. Bella blickte verwundert auf. Jake rappelte sich mühsam auf. Der Jäger hob überrascht den Kopf und der Druck auf sein Opfer lockerte sich für eine Zehntelsekunde – Und mit einer Schnelligkeit, die sogar den Vampir verblüffte, hatte Jelena den Kopf hochgerissen und ihm die Kehle zerfetzt. Schwarzes Blut sprudelte auf ihre Schnauze als der Jäger mit einem Röcheln auf ihr zusammenbrach und ihr wurde schwarz vor Augen. Nur für Sekunden. Gnädige, freundliche Sekunden. Die viel zu schnell vorbei waren. Metallisches Blut lief ihr die Schnauze hinunter. Angewidert schüttelte sie sich und erkämpfte sich einen Weg am toten Körper des Werwolfes vorbei, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte gerade wieder getötet. Würgend kam sie auf die Beine, zitternd, aber sie weigerte sich, zusammenzubrechen. Die unwirkliche Stille klang laut in ihren Ohren – sie war allein auf der Lichtung. Nein, sie war es nicht – Jake und Bella hatten lediglich aufgehört zu atmen. Edward, da verwettete sie ihre Ohren, atmete sowieso nur noch um Bella zu beruhigen. Mit einer Pfote fuhr sie sich über die Schnauze. Sie konnte das Blut beinahe spüren – sie war besudelt, beschmutzt damit. Sie fühlte sich unglaublich dreckig. Sie verwandelte sich zurück, da, wo sie stand, und blieb zusammengekauert sitzen, umschlang ihre Knie mit beiden Armen. Sie fand keine Kraft dazu, aufzustehen... Abwesend wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund und registrierte das Blut... Es war immernoch da. Eine Dusche – ein Bad – selbst ein Eimer kalten Wassers wäre ihr willkommen gewesen – und Isabella Swan fand ihren Atem und ihre Stimme wieder, wenngleich auch zittrig. „Das ist eine Frau!“ Jelena konnte nicht anders: sie begann zu lachen. Jake begann nun auch wieder zu atmen, als er den Laut hörte: Leise und hoch und dünn, und dennoch: Jelena lachte. Es hallte durch den Wald, hinter dem sich langsam die Sonne hochquälte und die verdampfende Feuchtigkeit Nebelschwaden aufsteigen liess. Sie hatte ihre Arme um sich geschlungen und lachte, und gleichzeitig liefen ihr die Tränen über das Gesicht. „Sie ist verrückt geworden“, sagte Edward Cullen leise, aber Jake ignorierte ihn. Ignorierte auch den Windhauch und das Rascheln im Gebüsch neben ihm, welches die Ankunft des restlichen Rudels ankündigte, und den Windhauch, der zeigte, dass die Vampirfamilie Cullen vollzählig war, verwandelte sich zurück und ging vorsichtig auf sie zu. Liess sich vor ihr in die Knie sinken und sah sie an: „Jelena? Alles in Ordnung?“ Sie antwortete nicht, sondern vergrub ihr Gesicht in ihren Armen und so legte er die Arme um ihre Schultern und zog sie an sich. Sie wehrte sich nicht, machte aber auch keine Anstalten, sich an ihm fest zu halten und so hielt er sich eine Zeit lang an ihr fest, wiegte ihren fragilen, kleinen Körper ein wenig hin und her und sagte nichts. Als wäre sie durch seine Berührung wieder zu Sinnen gekommen, beruhigte sie sich schnell – zu schnell für Jakes Geschmack. Sie spannte sich plötzlich an und er liess sie sofort los, entgegen dem, was sein Verstand ihm sagte, der schrie, er solle sie nie wieder freigeben. Zu frisch war das Gefühl, welches er verspürt hatte, als er dachte, er hätte sie verloren... Als sie ihn nun wieder ansah, begegnete sie ihm fast feindselig. Sie sah zum Fürchten aus – verheult und blutverschmiert. Griesgrämig packte sie ihr Top, zog es hoch und wischte sich das Gesicht damit ab, hob den Blick und sah herausfordernd umher. Bella begegnete ihr neugierig, Edward misstrauisch – die Vampire feindselig – abwartend, das Rudel angespannt. „Wie lange steht ihr schon da?“ Das war das Einzige, das sie raus brachte. Aber als Bella kicherte, entspannten sich die Blutsauger sichtlich und die Blicke der Wölfe wurden von feindlich zu vorsichtig abgestuft. „Ihr schuldet uns eine Erklärung was die Ereignisse dieser Nacht anbetrifft“, sagte eine freundliche Stimme und ein Vampir trat vor. „Gestatten? Ich bin Carlisle Cullen. In Anbetracht der Situation denke ich, es wäre am Besten, wenn diese Frau mit uns spricht, nicht wahr? Wie heißt du?“ „Es hat ihr die Sprache verschlagen“, übersetzte Jake. „Wir müssen euch danken, dass ihr Bella gerettet habt“, sagte Edward Cullen einige Zeit später widerwillig. Die Vampirfamilie und das Rudel standen sich gegenüber, noch immer nicht so nah, wie man es sich bei Bekannten vorstellte, aber schon so nah, dass einige Werwölfe sich vorsichtig zurückzogen, wenn es nicht auffiel. Das honigblonde Mädchen, von dem die Rede war, war ihrem Freund – oder war es ihr Ehemann? Jelena meinte verstanden zu haben, dass die beiden verheiratet waren – nicht von der Seite gewichen seit er aufgetaucht war. „Das war allein Jakes und Jelenas Verdienst“, sagte Sam gutmütig und verstrubbelte Jake die Haare. Er musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um den mittlerweile enormen Größenunterschied zu kompensieren, sah Jelena und dachte bei sich, wie klein sie selbst dann neben dem gesamten Rudel eigentlich wirken musste. Winzig klein wahrscheinlich. Bella dagegen... Sie ging Jake bis zur Schulter, sie hatte die perfekte Größe... „Wir hatten bereits einige Gerüchte von einem verrückten Werwolf in Seattle gehört“, sagte Emmet Cullen und sah seinen Bruder an. „Aber wer konnte ahnen, dass es wieder Bella werden würde, die er sich als Opfer aussucht?“ „Also Bitte!“, kam es empört von der jungen Frau. „Ich bringe mich niemals in Schwierigkeiten!“ „Nie!“, echote die gesamte Familie und sie schränkte gekränkt ein: „Na, zumindest nicht absichtlich!“ Unwillkürlich musste Jelena lachen und Jake wandte seine Augen von Bella ab und ihr zu. Sie ignorierte ihn trotzdem. Sollte er doch eine Bald-Vampirin anstarren so lange er wollte. Alice Cullen schüttelte verärgert den Kopf. „Es ist so lästig, dass ich die Bewegungen von Werwölfen nicht sehen kann...“ „Jeder hat seine Grenzen“, sagte Esme Cullen und lächelte und Jelena war beinahe geblendet von ihrer Schönheit. Eine Perfektion, die sie niemals erreichen würde... „Es sieht so aus, als ob wir einige Vorurteile zwischen uns längst hätten revidieren müssen“, sagte Edwards Mutter. Ihr Ehemann nickte. „Ich hoffe, das wird gelingen. Wenn sich die Beziehungen zwischen uns, den Vampiren, und Ihnen, den Werwölfen bessern, werden wir vermutlich in der Lage sein, die Menschen hier besser zu beschützen, wenn das nächste Mal eine solche Gefahr auftaucht. Was halten Sie davon, Mr. Uley?“ „Nennen Sie mich Sam“, sagte Sam und grinste. Bella (Wette, Fernan: Wenn du Bella nach diesem Abschnitt noch mehr hasst, habe ich gewonnen!) Jakes Augen funkeln wölfisch und er sieht genauso aus wie an dem Sommertag vor einem Jahr, an dem wir uns das letzte Mal sahen. Er hat sich wirklich überhaupt nicht verändert. Mit seinem Anblick stieg etwas in mir auf, von dem ich geglaubt hatte, dass ich es überwunden hatte – dieses winzige Gefühl in meinem Inneren, das schreit, dass er Mir gehört. Zu mir und mir und mir ganz allein. Er hat mich nicht umarmt als er plötzlich neben mir stand, vorhin... Wie ich plötzlich bemerke, dass ich das Gefühl, von seinen bärenstarken Armen umfangen und beinahe platt gedrückt zu werden vermisse. Wie ich ihn vermisst habe und unsere Gespräche und die Spaziergänge am Strand... Durch Edwards Anwesenheit ist alles leichter erschienen als es in Wirklichkeit war, schätze ich. Ich habe mich richtig entschieden. Ich wusste immer, wen ich zum Leben brauchte. Aber wenn ich sehe, wie er das Mädchen neben sich anstarrt... Hat er nicht gesagt, er würde immer nur mich sehen? Ich wusste, dass diese Eifersucht einmal kommen würde. ... Wie er sie ansieht! Das ist schon nicht mehr höflich. Er hatte nie besonders gute Manieren. Direkt und geradeheraus. Mein Jacob. Das Mädchen heißt Jelena, oder? Ein passender Name. Passend für sich: klein, schlank, unbeschreiblich... irgendwie wild. Sie sieht winzig aus neben ihm. Ich würde besser passen... Edward lehnt sich von hinten an mich. Trotz eines blutverschmierten Tops und einem kurzen Tennisrock bewegt sie sich, als trüge sie ein Designerkleid und promenierte auf dem roten Teppich von Hollywood. Ihre braunen, schulterlangen Haare sind verstrubbelt und wirr und glänzen im ersten Licht der aufgehenden Sonne. Ihre grünen Augen erscheinen tief wie Seen... Gletscherseen voll mit grünen Eisschollen. Mit anderen Worten: sie sieht nett aus. Doch als ich versuche, ihren Blick aufzufangen, ist das nicht so leicht. Schaut sie absichtlich von mir weg? Sam und die Anderen reden über einen neuen Vertrag. Jacobs Rudel scheint nicht unbedingt begeistert von der neuen Abmachung zu sein... Aber wenn Sam und Jacob selbst zustimmen, werden sie alle Bedingungen akzeptieren. Ich denke, das ist keine schlechte Idee. Dann kann Jake mich vielleicht ab und zu besuchen kommen, ich habe noch zwei Wochen Ferien, bis wir wieder zur Uni müssen. Edward hat versprochen, mich zu verwandeln, wenn ich fertig bin. Dann bin ich vielleicht 21... Und er bleibt für immer Siebzehn... Ich versuche immernoch, ihn zu überreden. Ja, vielleicht kann ich ihn so öfter sehen und vielleicht auch diese Jelena besser kennenlernen... Vielleicht können wir Freundinnen werden? Ich muss doch wissen, wie sie ist und ob sie gut genug ist für meinen Jake. Plötzlich fährt ihr Kopf herum. Hat sie mich gehört? Kann sie meine Gedanken lesen? Ihre Augen blicken mich wirklich feindselig an, vorwurfsvoll und anklagend und wütend zugleich... Habe ich ihr etwas getan? Oder einer Person, die ihr nahe steht? Ich stolpere rückwärts gegen Edward, als ich die Ablehnung spüre, die sie mir entgegenbringt. Vorsichtig stoße ich meinen Kopf gegen Edwards Schulter – ich will mir schliesslich keine Gehirnerschütterung holen – und deute auf das Mädchen. Es ist nicht mehr gefährlich – sie hat ihren Blick bereits auf Rosalie transferiert. Sie sieht sie sogar recht freundlich an – und ein Wunder geschieht: Rosalie lächelt zurück... „Sie mag mich nicht“, flüstere ich und kann nicht entscheiden, ob es sich unglücklich oder wütend anhört. Dabei habe ich wirklich ihre Freundin sein wollen... Verwundert sieht Edward das Mädchen an. „Komisch, sie sieht nicht wie jemand aus, der einfach so einen Groll gegen bestimmte Menschen hegt und gegen manche nicht... Schau, sie wird sich gleich mit Rosalie unterhalten, wenn sie nicht aufpasst.“ Edward hört sich so an als würde er sich wünschen dass das Mädchen mit seiner älteren Schwester redet. Vielleicht weil sie nie eine wirkliche Freundin hatte... Er ist viel zu freundlich. Wenn Rosalie eine Freundin haben wollte hätte sie mit Sicherheit schon eine gefunden. Oder nicht? „Du hättest ihren Blick sehen müssen“ sagte ich und schaudere unwillkürlich. Und so etwas ist in Jacobs Nähe? An Edwards plötzlichem leichten Erstarren kann ich sehen, dass er sich auf die Gedanken einer Person konzentriert. Doch plötzlich spannt er sich an und zieht die Augenbrauen hoch. „Hölle“, murmelt er und sieht mich an. „Schon Zwei von der Sorte!“ In dem Moment dreht sich Jelena um – oder bemerkt seinen Blick und wendet sich ihm zu, und er grinst sie an. Und sie lächelt vorsichtig zurück... Warum ist dieses Mädchen nett zu jedem außer zu mir? „Was ist los?“, will ich wissen. „Ich kann ihre Gedanken nicht lesen“, sagte Edward unbekümmert und lehnt seinen Kopf auf meinen Kopf. Dabei sieht er über mich hinweg – und sein Blick fällt auf Jacob. Und wieder spannt er sich an und entspannt sich wieder. Dann beugt er sich zu mir herunter, und wie immer lässt mich sein wunderbarer Geruch unwillkürlich tief einatmen. „Das ist interessant“, gluckst er mit seiner warmen Stimme in mein Ohr. „Oh, ich würde alles darum geben, zu sehen, wie sich das noch weiterentwickeln wird.“ Ich höre Edward gerne lachen. Ich könnte ihm stundenlang zuhören. Aber unter großen Anstrengungen schiebe ich ihn nun weg. Kann er mir nicht einfach sagen, was los ist? „Also was ist los?“ „Nichts“, sagte Edward mit seinem Ich-weiß-es-natürlich-aber-ich-werds-dir-nichts-sagen-bis-dus-selbst-rauskriegst-Blick. „Wenn du es nicht sagen willst – bitte!“, grummele ich beleidigt und verschränke die Arme. Es geht hier um Jacob – ich habe das Recht zu erfahren, worum es sich genau handelt! „Aber ich liebe dich trotzdem“, sagte Edward, schlingt die Arme um meine Schultern und küsst meinen Hals. Ich höre auf zu denken. ~***~ „Ohne euch wäre die gesamte Geschichte wohl aus dem Ruder geraten“, sagte Sam einige Tage später und erhob sein Glas. „Auf Jake und Jelena!“ „Auf die Beiden!“, echoten alle Anderen und Jake stellte amüsiert fest, dass Jelena leicht rosa anlief und in ihren Kakao starrte. „Ich kann nicht glauben, dass aus den Bösen Vampiren so schnell Gute geworden sind“, murmelte Jared, aber er wurde gekonnt ignoriert. Paul grinste ihr zu. „Ja, ohne euch gäbe es jetzt ziemlich viele Tote und einen kräftigen Krieg!“ Seth saß auf Jelenas Schoss und schlürfte seinen Kakao, Embry und Quil sahen sie nur an. Nervös rutschte Jelena auf ihrem Stuhl hin und her. Das Ganze war ihr eigentlich unangenehm. Was hatte sie schon getan? Einen Feind getötet, der sonst ihr Rudel bedroht hätte. Ihr Rudel? Seit wann dachte sie vom Rudel als ihr Rudel? Das war kein gutes Zeichen. Sie hätte nicht kommen dürfen. Es war Wochenende, die erste ihrer Wochen in La Push, und es kam ihr bereits so vor, als hätte sie Monate hier verbracht. In einer Woche war genug geschehen, um ihr restliches Leben ein wenig friedvoller aussehen zu lassen – aber erfahrungsgemäß wusste sie, dass bald irgendwann wieder eine Bedrohung auftauchen würde und sie sich ihr würde stellen müssen. Sie hatte, als Sams Einladung – oder war es eine Order gewesen? – angekommen war, Susannah bei ihrem Vater gelassen und war herübergekommen. Und hatte so zum ersten Mal seit der schicksalhaften Nacht im Wald die Gelegenheit, ungestört mit Jake zu sprechen. Wenn sie denn wollte. Sie wollte definitiv nicht. In der Schule hatte sie ihm noch aus dem Weg gehen können. Aber hier? Unmöglich. Also wünschte sie sich statt dessen weit, weit weg, ohne den Grund dafür zu wissen. Jake saß ihr gegenüber und nippte an einem Glas Limo. Es fiel ihm schwer, seinen Blick von den Lichtreflexen zu nehmen, die sich in Jelenas braunem, glatten Haar spiegelten. Endlich hatte es aufgehört zu regnen, die Sonne schien warm auf seine nackten Oberarme... „Ich bräuchte einen starken Mann!“, rief Emily aus der Küche und steckte kurz darauf den Kopf durch die Wohnzimmertür. „Mann, sagte ich“, setzte sie mit einem Blick auf Jelena, die sofort aufgesprungen war, kichernd hinzu. „Nichts gegen dich, Jenna, es ist aber wirklich eine Männeraufgabe. Kommst du, Jake?“ „Ja...“, seufzte der gespielt genervt und stellte sein Glas ab. „Bis gleich“, sagte Sam, und sein Blick sagte eindeutig: „Und tu nichts, was du nicht auch tun würdest, wenn ich dabei bin!“ Grinsend stand er auf und ging Emily hinterher. Die Tür blieb offen. Jelena sah ihn immernoch nicht an. Warum hatte er trotzdem so gute Laune? „Bella ist anscheinend noch nicht zum Vampir geworden“, sagte Embry zu Quil, und Jelena plumpste abrupt in die Realität zurück. „Kanntet ihr sie?“, fragte sie atemlos. „Ich dachte, nur Jake...“ Sie schloss den Mund wieder und schwieg, aber niemandem schien etwas Ungewöhnliches aufzufallen. „Sie war sogar schon einmal hier“, sagte Jared und klappte das Buch zu, in dem er gestöbert hatte. „Jake brachte sie mit, als die Vampire kurzzeitig nicht mehr in Forks waren. Es ging ihr damals ziemlich dreckig... Weil der Vampirjunge sie verlassen hat. Aber sie hat anscheinend keinen Ersatz für ihn in Jake gefunden. Das für hat Jake sich...“ Paul unterbrach seinen Freund mit einem warnenden Blick. „Er hat damals viel mit ihr zusammen gemacht, um sie wieder aufzumuntern“, sagte er. „Sonst war da nichts.“ Jake folgte Emily mit dem Pappkarton in den Garten und in Richtung der kleinen Scheune, die sich an der hinteren Hauswand befand. Er hatte gute Laune – trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass Jelena wegen irgendetwas auf ihn sauer war. Sie sah ihn nicht an, sie begegnete seinem Blick nicht länger als Sekunden. Sie sprach nicht mit ihm, wenn es sich wirklich nicht vermeiden liess – sie tat alles, um nicht in seiner Nähe bleiben zu müssen. Wo es nicht viel gab, was sie tun konnte und er genoss die wenige Zeit, die er in ihrer Nähe verbringen konnte, umso mehr. Selbst wenn sie ihn nicht ansah und ihn missachtete – ihr Ausdruck, ihre Bewegungen – alles an ihr konnte er Stunden lang beobachten. Sie brauchte nicht einmal mit ihm zu sprechen um ihm in ihrer Gegenwart ein Gefühl des Glückes zu vermitteln. Er war schon zufrieden, sie mit den Anderen lachen zu sehen – das war die einzige Erklärung für das Gefühl, welches er gerade mit sich herumtrug. „Sie muss Vertrauen lernen“, sagte Emily, als sie wieder an der Haustür ankamen. „Was?“, fragte Jake zerstreut, registrierte dann die Aussage und starrte Sams Ehefrau fassungslos an. „Von wem sprichst du?“ „Na, an wen denkst du gerade?“ Emily kicherte. „Jelena, natürlich! Sie weiß es selbst noch nicht. Lass ihr Zeit.“ Damit verschwand sie wieder im Haus. „Leichter gesagt als getan“, brummte Jake, während er darüber nachdachte, wie schwer es doch war, sie umarmen zu wollen und gleichzeitig damit rechnen zu müssen, dass sie ihm einen Fausthieb in den Magen versetzen würde. Oder etwas noch Schlimmeres. Jelena fühlte sich, als hätte sie mit einem Schlag eine Meute Brüder bekommen, und das Gefühl, welches dieses Wissen in ihr auslöste, war zwiespältig: Sie freute sich darüber – und gleichzeitig stieg die wage Unruhe in ihr auf, dass sie damit einen Pakt schloss, der sich nicht so leicht wieder würde rückgängig machen lassen. Sechs größtenteils ältere Brüder – für sie, die es gewohnt war, für sich selbst zu sorgen, war das unvereinbar. Und größere Brüder konnten einem auf die Nerven gehen... „Wenn in deinem Kopf etwas wäre, Jared“, sagte sie scharf und funkelte ihn an, „Dann würdest du wissen, dass ich einen Freund weder brauche noch wünsche – und das ich mich nicht mit euch über mein Privatleben unterhalten möchte!“ „Ach komm schon“, sagte Embry und warf Quil einen vielsagenden Blick zu. „Wir reden über alles, Jel, und du gehörst jetzt zu uns! Hast du einen Freund?“ „Das geht euch absolut nichts an!“ Jake stockte, als er Jelenas wütende Stimme hörte, im Türrahmen zum Wohnzimmer. Jelena saß mit dem Rücken zu ihm und rührte sich nicht, da Seth sonst hinuntergefallen wäre, aber alles in ihrer Haltung sprach nach einem dringenden Wunsch zur Flucht. Embry, Quil, Sam und Jared grinsten, Paul schaute peinlich berührt aus dem Fenster – und Jake wusste, was das bedeutete: Sie fanden Freude daran, die aufgelöste Jelena auf die Palme und wieder hinunter zu sticheln. Er hatte es oft erlebt, wie sie sich ein Opfer suchten und es festhielten, bis sie alles wussten, was es zu wissen gab – er hatte es am eigenen Leib erlebt. Aber so dermaßen aufgelöst hatte er Jelena noch nie gesehen. Es war nicht so, dass Jelena es nicht schon erlebt hatte, das Männer sie durch den Kakao zogen – jedes Mal hatte sie bisher zurückgeschlagen, mit einer Erbarmungslosigkeit, die jeden dazu veranlaßte, sich nie wieder mit ihr anzulegen. Aber heute fiel ihr nichts ein, kein Argument, kein Witz, keine schlagfertige Antwort und so stand sie nur wütend um wortlos vor der grinsenden Gesellschaft und mit dem Rücken zu Jake. Seth war von ihr heruntergekrabbelt und machte sich auf den Weg zu Sams Computer – Podrennen mussten gewonnen werden. Ihre Hände hatte sie zu Fäusten geballt, ihre schmalen Schultern zitterten. „Komm schon“, sagte Jared scheinbar gelangweilt und doch voll in seinem Element. „Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so offensichtlich in Jake verliebt ist wie du.“ Jelena fehlten ganz sicher die Worte, sonst hätte sie ganz sicher geantwortet, dachte Jake. Was redeten die denn da? Er schob sich vor, bewegte sich, er wollte ihr Gesicht sehen und die Gefühle, die sich auf ihren eindrucksvollen Zügen spiegelte... Sam hob grinsend den Kopf. „Da bist du ja, Jake. Wir reden gerade über dich.“ Jelena fuhr herum. Und jetzt konnte Jake endlich ihr Gesicht sehen – was er sah, verblüffte ihn vollkommen. Blut schoss ihr ins Gesicht, heiß und rot, und dann wurde sie blass. Sie hätte jedem Vampir Konkurrenz machen können. Ihre Augen zeigten ein Maß an Terror, das Jake nicht unbedingt mit seiner Erscheinung in Einklang gebracht hätte – gut, er war ungekämmt und zerzaust vom Wind draußen, aber was war das für ein Grund? Sie stürzte ohne ein Wort an ihm vorbei, aus dem Wohnzimmer und aus der Tür. Jake folgte ihr. Er hätte sich – angesichts ihrer Gemütslage – auf eine längere Hetzjagd eingestellt. Aber Jelena war nicht weit gelaufen – gerade einmal zum Zaun, der im Garten bis an den Wald grenzte. Der Fluss floß auf der anderen Seite rauschend vorbei. Sie saß auf dem Gartenzaun, wandte ihm den Rücken zu und liess die Beine baumeln. „Du bist ein Idiot, Jacob Black“, sagte sie, als sie ihn kommen hörte, ohne sich umzudrehen. In ihrer Stimme lag keine Spur mehr von Wut oder Bösartigkeit. Sie klang einfach nur... Erschöpft? Verzweifelt? Jake konnte es nicht zuordnen. Stumm hockte er sich neben sie und wagte sich nicht, sie anzusehen, obwohl er es gerne getan hätte. Sein Blick folgte dem ihren in den Wald. „Bin ganz deiner Meinung.“ Er drehte den Kopf gerade schnell genug, um zu sehen, wie ihre Mundwinkel zuckten. „Aber für dich bin ich das gerne“, fügte er hinzu und ihre Schultern begannen zu zucken als würde sie ein Lachen unterdrücken. Es wurde schliesslich auch auf ihrem Gesicht sichtbar. „Lachst du über mich?“, fragte er, gespielt beleidigt, und endlich sah sie ihn an. Die Röte war noch nicht ganz aus ihrem Gesicht gewichen oder war zurückgekehrt, zumindest sah sie so aus, und Jake dachte, dass nicht einmal Bella mit ihrer fast übermenschlichen Vampir-Schönheit so würde aussehen können wie Jelena: wild und schön. Wunderschön. „Wie machst du das?“ Ihre Augen bohrten sich in seine, so unverwandt sah sie ihn an. „Was?“ Plötzlich fühlte sich seine Kehle trocken an und seine Stimme klang heiser. „Mich immer so zum Lachen zu bringen. Wie machst du das? Selbst wenn mir zum Heulen zumute ist.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe noch nie so viel gelacht wie hier in zwei Wochen.“ Jake musste schlucken, um den Kloß in seinem Hals hinunterzuwürgen, der zusammen mit einer irrationalen Hoffnung aufgetaucht war. „Jelena, ich...“ Ein scharfer Pfiff durchbrach die Stille. „Jake! Mach schon!“ Am Küchenfenster stapelte sich das Rudel, um einen Blick nach draußen zu erhaschen, und winkten euphorisch – ermutigend ihrem zweiten Rudelführer zu. Jake lief diesmal blutrot an, Jelena fand durch die Störung ein Stück ihres verlorenen Selbstbewusstseins wieder: Wie der Blitz stand sie vor dem offenen Küchenfenster. „Danke, Jungs“, sagte sie zuckersüß. „Aber wenn es euch nichts ausmacht...“ Und damit schlug sie die schweren Fensterläden aus Holz vor den Augen des verblüfften Rudels zusammen und versperrte allen Zaungästen die Sicht. Jake lachte laut auf, als sie mit zufriedenem Gesicht zurückgestapft kam und sie fiel mit ein, liess sich wieder neben ihm auf dem Zaun nieder und kicherte vor sich hin. „Diese Idioten...“ Dann sah sie Jake an, und die Zeit schien stillzustehen. Der Wind strich leise über ihr Gesicht, als sie in seinen Augen etwas las, was sie zurückschrecken lies, von einer Intensität, die ihr Angst machte. „Ich liebe dich, Jelena“, sagte Jake. Mehr nicht. Es gab keine Worte, die ausdrücken konnten, was er empfand, keine Geste, welche die Tiefe dieser Empfindungen deutlich machen konnte. Er konnte nicht sagen, wie wohl er sich in ihrer Gegenwart fühlte, wie gern er sie lachen sah, wie sehr er sich wünschte, ihr braunrotes Haar zu berühren, durch die seidigen Strähnen hindurchzustreichen... Jelena saß da und starrte in den Wald, als hätte sie ihn nicht gehört. Hatte sie ihn gehört? Hatte er sie verärgert? War er zu ungeduldig gewesen? Was dachte sie gerade? Die Stille war drückend, lastete auf ihm wie ein Samtvorhang, steif und schwer, als würde sie niemals enden... Im Wald pfiff ein Vogel. Und schliesslich drehte sich Jelena wieder zu ihm um. „Du bist wirklich interessant, Jacob Black“, sagte sie, und in ihren jadegrünen Augen spiegelte sich ein Lachen. Sie waren tief und warm und er versank darin... Als er sie vorsichtig küsste, um sie nicht zu erschrecken, schmiegte sie sich an ihn und seufzte leise auf. Grinsend löste er sich wieder von ihr, den süßen Geschmack ihrer Lippen noch in Erinnerung: „Ich dich auch, Jenna.“ Ihr schönes Gesicht färbte sich blutrot. „Ich habe nichts gesagt.“ „Du hast mich aber geküsst.“ Er näherte sich ihr wieder, bis seine Lippen nur noch Zentimeter von den ihren entfernt waren und er den Duft ihrer Haare riechen konnte. Wald und Vanille. Eine eigenartige Mischung – die sie nur noch mehr zu der Jelena machte, die er so liebte. „Ja, aber...“ Jelena fiel nichts mehr ein. Als er sie wieder küsste und seine Hand sich in ihr Haar grub, hörte sie auf, nachzudenken und zu diskutieren. Sie liebte ihn, er hatte Recht... Sie hatte wieder gelernt zu lieben. Die warme Herbstsonne strahlte auf die Beiden hinab, schaute aber dezent über sie hinweg. Sogar der Wind blies vorsichtiger, um sie nicht zu stören... Die warmen Strahlen fielen auf Jacob Black und Jelena Carter. Es waren die letzten dieses Herbstes, bald würde es Winter werden, bald würden Schnee und Eis wieder über die Region herrschen... Aber nicht jetzt. Der Regen hatte sein Ende gefunden. „Na also“, sagte Emily zufrieden und liess die Ecke der Gardine des Wohnzimmerfensters sinken, einen aufgeräumten Ausdruck im Gesicht. „Was?“, fragte ihr Ehemann, der von einem Pokerspiel mit den Anderen aufsah. „Damit wären zwei lange Geschichten zu Ende gegangen“, sagte sie und lächelte ihm im Vorbeigehen zu. „Es wurde höchste Zeit.“ „Wovon redest du?“ Sam und runzelte die Stirn. „Von einem Guten Ende“, antwortete Emily und stellte Geschirr auf den Tisch. „Von einem längst fälligen, zufriedenstellenden Happy End für diejenigen, die es schon seit langem verdient haben und denen das Schicksal es bereits viel zu lange verwehrt hat.“ „Ich weiß nicht genau, wo von du redest“, sagte Sam und strich ihr über den Arm. „Aber manchmal denke ich, dass du mehr weißt als Viele von uns.“ „Fällt dir das jetzt erst auf, Sam Uley?“ Der grinste. „Nein, mein Schatz. Das wusste ich schon immer. Und nun sag: von dem sprichst du gerade?“ „Von niemandem. Mein Schatz.“ Emily ging in die Küche und kam mit einem Tablett Kuchen und Kakao und Kaffee wieder. In dem Moment ging die Tür auf. „Da seit ihr ja, ihr Beiden. Setzt euch. Hat noch jemand Hunger?“ ENDE Seiten: 30, Wörter: (nach der letzten Korrektur ein paar mehr)also +-22.958, Zeichen: 142.409 Idee und Text von: Isabella Weber Idee-Hilfe: Alexandra Weber, Farina Hellebrand, Fernanda Del Rio Soto Nach den Romanen Twilight/New Moon/Eclipse von Stephenie Meyer Essen 2007 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)