Dark Angel von Tomonyan (.:9.3.10 Kapitel 18 on:.) ================================================================================ Kapitel 16: Complicated Connections ----------------------------------- Dark Angel Kapitel: 16/? Autorin: IBUKl Pairing: Ni~yaxSakito, ReitaxAoi Genre: Shounen-ai, Romantik, Darkfic etc... Kommentar: Und schon geht’s weiter. Ich möchte auch dieses Mal nicht wirklich viel sagen, außer das ich mich sehr über eure Comments und eure Ideen für den weiteren Verlauf sehr gefreut habe. Und wieder einmal vielen Dank an meine tolle Beta und mein kleines Stimmchen Ruki *euch knuddl* Und da die liebe Misaki den 200 Kommi geschrieben hat, bekommt sie bald eine kleine Überraschung. Hoffe das du dich dann freuen wirst, Süsse. ^^ Also dann viel Spaß euch allen ^^ Eure Satty Kapitel 16: Complicated Connections Das milde Licht der funkelnden Sterne und des Sichelmondes leuchteten ihm den Weg durch die Nacht. Seine Schritte waren schwer und träge, hatten nichts von der sonstigen Stärke und Leichtigkeit. Noch überflutete der gewebte Teppich der Nacht den Himmel und noch herrschte überall Stille in den Häusern, doch schon in wenigen Stunden würde alles wieder zum Leben erwachen. Das rege Treiben der Stadtbewohner, die hart arbeiteten um zu überleben. Einzig einige Wochen sollte es her sein, dass auch er noch einer von ihnen gewesen war. Einer wie jeder andere, der hart schuftete, aber lachen konnte. Einer, der glücklich war. Doch all das, sein ganzes Leben, welches er sich so mühselig aufgebaut hatte, war zerstört worden, zerstört durch die Hand derer, die er verabscheute und hasste. Und doch ließ er den letzten Rest seines alten Lebens, den zentralen Punkt dieser kleinen idyllischen Welt, die oft hart aber ebenso schön gewesen war, aus freien Stücken zurück. Nur um das Leben seines Geliebten zu retten, brach er sich selbst in tausend Stücke und er wusste, dass auch Aoi schrecklich leiden würde. Das war es wohl, was das Schicksal für sie vorgesehen hatte. Reita seufzte leise, zog die Riemen des Rucksacks enger zusammen und richtete den Blick wieder nach vorn. Er durfte sich nicht umdrehen, durfte nicht zurück sehen, denn dann würde sein Entschluss ins Wanken geraten. Und doch war es das Richtige. Nur wenige hundert Meter zurück lag das Glück und doch hatte er ihm den Rücken zugedreht. Jetzt musste er den Weg wieder allein beschreiten, allein und einsam. Er streckte seine Hand etwas, die noch immer angeschlagen war. Sonst ging es ihm gut. Saga selbst, der ihn noch einmal am Abend untersucht hatte, hatte es gesagt. Es war auch das letzte Gespräch gewesen, welches er mit dem Gleichaltrigen geführt hatte. *** Langsam fielen die Bandagen zu Boden, als Saga sie aufschnürte. Sie waren allein in dem kleinen Zimmer, welches Saga als Behandlungsraum diente. „Streck mal deine Arme und spann den Rücken an.“, sagte der Dunkelblonde ruhig und Reita kam dem nach. Kritisch musterte Saga die Wunden, die mit einer dicken Schorfschicht überzogen waren, jedoch nicht aufbrachen. Er nickte, strich mit seinen Fingern noch einmal die Wundränder entlang, die jetzt sauber mit dem verletzten Gewebe verbunden waren und nur noch ein wenig rot. Sein geübter Blick erkannte die gesunde neue Haut, die sich bereits zu bilden begonnen hatte. Auch tastete er die langen Schnitte und Stichwunden ab, spürte wie die Schorfkruste etwas nachgab. „Okay… lockerlassen.“, sagte er dann und griff nach dem kleinen Skalpell, ritzte die Kruste etwas ein und sofort trat eine rote, dünne Flüssigkeit hervor. Der Dunkelblonde wischte etwas von dem Wundwasser mit der Fingerkuppe auf, rieb es aneinander und leckte es dann ab, nickte dann für sich selbst. „Super! Keine Eiterbestandteile mehr vorhanden. Das heißt, dass einem gesunden Heilungsprozess gar nichts mehr im Wege steht. Selbst die tiefen Stellen heilen sauber von innen heraus und neue Haut hat sich schon unter dem Schorf gebildet.“, teilte er seinem Patienten schließlich die Diagnose mit. Reita verstand nicht alles, nickte nur. „Das heißt also, es wird alles so wie vorher?“, fragte der Blondschwarzhaarige und drehte den Kopf zu dem Gleichaltrigen. Saga nickte. „Genau. In nur wenigen Tagen, höchstens eine Woche wird kaum noch etwas zu sehen sein. Einige kleine Narben werden bleiben, doch sonst.“ Er lächelte leicht. Reita war erleichtert. Dann konnte er ohne Probleme gehen. Saga strich eine Kräutertinktur auf die Wunden und legte dann neue, saubere Verbände an. „Auch die Verbände wirst du nur noch zwei Tage tragen müssen.“, meinte Saga noch, als er die Büchse mit der Salbe und die anderen Verbände in einem Kasten verstaute und diesen schloss. Der Angesprochene nickte, zog sich sein Shirt wieder über und lächelte leicht. „Danke Saga, für alles, was du für mich getan hast.“, sagte er ehrlich und strich sich dann durch die Haare. Der Dunkelblonde lächelte nur. „Dafür musst du dich nicht bedanken. Das war doch selbstverständlich. Ich hab mit meinen Mitteln das getan, was ich tun konnte.“, entgegnete er und setzte sich dann auf. „Das Einzige, was wohl wirklich noch dauern wird, ist deine Hand. Der Knochen ist gesplittert und es dauert mitunter Monate bis das vollkommen abgeheilt ist.“ Er setzte sich wieder auf den Hocker und umfasste Reitas verletztes Handgelenk. Der Blondschwarzhaarige verzog keine Miene, sondern reichte sie ihm freiwillig entgegen. Das der Heilungsprozess hier solange dauern würde war ärgerlich, aber nicht zu ändern. Saga wickelte auch hier den leichten Verband ab und zog die Salbendose heran, die Reita die Nase rümpfen ließ. Er hasste dieses Zeug! Und doch musste er sich eingestehen, dass die Schmerzen viel besser geworden waren, seit Saga ihn damit behandelte, selbst wenn diese Tinktur bis zum Himmel stank. Der Dunkelblonde untersuchte nun auch die Hand etwas im Licht, sah wieder die feinen Punkte unter der Haut. Wieder war die Haut warm und leicht gereizt, doch das Gesamtbild sah wesentlich besser aus als noch vor einer Woche. Er öffnete die Dose und trug die Salbe wieder dünn auf die geröteten Stellen auf, legte dann den Verband wieder an, drückte Reita die Dose in die Hand. „Hier, die gebe ich dir mit. Behandle deine Hand zweimal am Tag damit, dann dürften die Schmerzen schon bald weichen.“ Saga sprach ernst, während Reitas Gesichtszüge entgleisten. „Was, aber?! Woher…?“ Saga grinste nur leicht und tippte gegen Reitas Kinn, damit er den Mund wieder zuklappte. „Nun schau nicht so. Ich bin nicht ganz so dumm, wie ich vielleicht aussehe und ja ich weiß, dass du heute Nacht gehen willst.“, meinte er lässig, packte noch ein paar Bandagen in eine Box. Reita war sichtlich schockiert. Woher konnte Saga das wissen? Er hatte niemanden von seinem Entschluss erzählt, hatte nicht ein Wort darüber verloren. Hatte etwa…? „Hat Sakito dir das erzählt?“, grollte er leise. Saga jedoch schüttelte nur den Kopf. „Nein. Er hat nichts gesagt. Mit keiner Silbe hat er etwas erzählt. Aber ich bin nicht dumm, Reita. Diese täglichen Treffen und Botschaften, die er mir übermittelt hat. Er ist niemals selbst hierher gekommen, also liegt der Verdacht nahe, dass irgendetwas im Busch ist, was auch mit Aois Entführung zu tun hat. Ihr beide seid in Gefahr und wollt nun gehen, bevor wieder etwas passiert. Und das es heute das letzte Treffen war, war mir bewusst, dass es heute Nacht losgehen soll. So schwer ist das nicht zu verstehen.“, endete er schließlich und sammelte nebenher noch einige andere kleinere Sachen zusammen. Reita dagegen, musste diese Worte erst einmal auf sich wirken lassen. Er presste die Lippen zusammen. Es war nicht gut, dass Saga von seinem Vorhaben wusste, gar nicht gut. „Weiß einer von den anderen etwas?“, fragte er. Saga sah auf, schüttelte erneut den Kopf. „Nein niemand und ich werde es keinem erzählen. Nur meine Frage ist die, ob du uns wirklich verlassen wirst? Besonders Aoi… er…“ „Ich habe mir das Ganze mehr als gut überlegt!“, fuhr Reita dazwischen. Er wollte sich nicht von Saga ins Gewissen reden lassen. Er hatte seinen Entschluss gefasst. Sagas Blick war mitleidig und er seufzte. „Ich will dir nicht dazwischen reden. Ich wollte nur wissen, ob du dir vollkommen sicher bist.“ Reita wandte den Blick ab. „Glaube mir. Ich habe gründlich darüber nachgedacht und ich werde gehen. Heute Nacht. Und Aoi soll nichts davon wissen. Er würde es nicht zulassen.“ „Verständlich oder? Nach dem was ihr durchgemacht habt. Aber ich werde deinen Wunsch respektieren und schweigen. Nur das hier möchte ich dir gerne mit auf den Weg geben.“ Der Dunkelblonde lächelte leicht und reichte Reita ein kleines Paket, welches Verbandsmaterial und Wundsalben für die Rückenverletzungen enthielt. Der Blondschwarzhaarige nahm es entgegen. „Ich danke dir und auch den anderen für alles. Es fällt mir wirklich nicht leicht, denn ich liebe Aoi sehr. Aber so ist es das Beste. Für ihn und auch für euch. Passt auf ihn und Ruka auf.“ Es waren schwere Worte, die wehtaten und doch verstand Saga sie genau. „Mach dir keine Sorgen. Um die beiden werden wir uns kümmern. Ich wünsche dir selbst aber alles Gute und pass auf dich auf.“ Es folgte eine kurze Umarmung. *** Dieses Gespräch war das letzte mit Saga gewesen. Danach hatte er den Dunkelblonden nur noch beim Essen gesehen, ehe er sich selbst mit Aoi zurückgezogen hatte. Aber das gehörte nun der Vergangenheit an. Sein Griff um die Riemen wurde härter, ebenso sein Blick. Es brachte nichts zu Trauern. Er würde diese schöne Zeit und die lieblichen Erinnerungen tief in seinem Herz verschließen. Reitas Schritte nahmen nun zu und immer größer wurde die Entfernung zu Aoi und den anderen und mit jedem Schritt verschloss sich Reitas Inneres mehr und mehr. Und schließlich tauchte der Schatten des alten Wasserturms vor ihm auf. Dunkel und imposant erhob sich das alte Gebäude in den Himmel und dort oben würden Sakito und auch Ni~ya warten. Reitas Augen wurden etwas dunkler. Ni~ya… noch immer konnte er den Zufall nicht ganz verstehen. Aber dem würde er nachgehen. Ab jetzt hatte er ja genug Zeit dazu. Der Blondschwarzhaarige blickte noch einmal an dem Gebäude nach oben und rang sich dann dazu durch es endlich zu erklimmen. Schwer wurde der Aufstieg für ihn nicht, da er über die außen gelegene Treppe leicht nach oben kam. Jetzt hoffte er, dass Sakito auch hier war. Reita hangelte sich das klapprige Gerüst nach oben, verzog ab und an die Miene, als es in seinen Schultern unangenehm zog. Er musste sich noch schonen und wahrscheinlich war es falsch, was er hier tat, doch das war im Moment egal. Der Blondschwarze war nur froh, als er endlich oben ankam, das Rondell, welches den alten Turm noch umspannte, langsam herumwanderte um schließlich auf der kleinen Plattform zu landen. Das bisschen Licht, welches Mond und Sterne spendeten, reichte aus um zu sehen und so entdeckte er schnell die beiden Personen, die am Rande standen, eng umschlungen. Seine Augen verengten sich etwas, denn er hatte nicht damit gerechnet seine künftigen Weggefährten in so einer Haltung vorzufinden, zumal die beiden ihn immer noch nicht wahrzunehmen schienen. Er ließ den schweren Rucksack geräuschvoll zu Boden sinken und in dem Moment stoben Ni~ya und Sakito auseinander, blickten sich alarmiert um. Reita grinste nur höhnisch. „Wie nett… ich hoffe ich störe nicht. Nächstes Mal klopfte ich an, wenn ich eine Tür sehe.“, brachte er hervor und näherte sich den beiden anderen. „Ist ja toll zu sehen, wie aufmerksam ihr auf eure Umwelt achtet!“ Es war unverkennbar bei was er die beiden gerade gestört hatte. Seine Augen erkannten den leichten Film auf Sakitos Lippen, die leicht geröteten Wangen sofort und wie der Jüngere den Blick kurz abwandte, sich anscheinend sammelte, ehe er ihn wieder auf Reita richtete. Reita suchte nun jedoch den Blick zu Ni~ya, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Kühl trafen sich ihre Blicke. „Ni~ya…“, brachte Reita mit einem leichten Knurren über die Lippen. „Reita…“ Ein Grinsen bei dem Anderen. Die Augen des blondschwarzhaarigen Transgeno huschten über die schmale Gestalt des Gleichaltrigen. Ein komisches Gefühl ihn nach so langer Zeit wiederzusehen und Reita konnte nicht behaupten, dass es ein angenehmes Gefühl war, welches ihn erfüllte. Die Spannung schien in der Luft zu knistern und beide Parteien wussten nicht recht wie sie mit dem Anderen umgehen sollten. Sakito hatte das Schauspiel aufmerksam beobachtet, nachdem die Überraschung endlich gewichen war. Auch er spürte die leichte Spannung, trat schließlich vor. „Ich bin froh, dass du doch gekommen bist, auch wenn es keine leichte Entscheidung gewesen war.“, meinte er schließlich vorsichtig, lenkte somit Reitas Aufmerksamkeit wieder auf sich. Der Ältere verzog die Lippen etwas. „Wenn ich keine andere Wahl gehabt hätte, wäre ich nicht gekommen.“, lautete die kühle Antwort. Sakito seufzte leicht. Reita dagegen wandte sich wieder ab. „Lasst uns verschwinden, schließlich scheint es ja dringend zu sein!“ Der Spott lag tief in seiner Stimme. Er drehte ab und griff wieder nach dem Rucksack. Ni~ya und Sakito sahen sich kurz an, blickten dann jedoch sofort wieder weg. Von der ruhigen Atmosphäre der vergangenen Stunden schien nichts mehr vorhanden zu sein. Auch sie griffen schließlich nach ihren Utensilien und machten sich auf den Weg den Wasserturm und auch Kyoto zu verlassen. Ab jetzt würde ein anderer Weg sie leiten. In der Ferne begann bereits das Morgengrauen. *** Zwei dunkle Opale funkelten in den beginnenden Tag, beobachteten aufmerksam wie die Feuerkugel sich am Horizont emporhob, doch die Schönheit dieses Naturschauspiels sahen sie nicht. Kalt und düster wurden sie von den leichten Strahlen erfasst, zeigten keine weitere Regung. Zwei behandschuhte Hände krallten sich stattdessen leicht in den rauen Untergrund, als er sich abstützte und von der leichten Metallebene sprang. Ein weiterer Tag der erfolglosen Suche. Er hatte es bereits schnell begriffen, dass sie ihre Ziele hier nicht mehr finden würden. Zwei Wochen zog Tag um Tag dahin ohne auch nur ein Anzeichen auf den Verbleib von den Gesuchten. Aber diese hatten sowieso die Stadt bereits verlassen oder ein sehr gutes Versteck gefunden. Intelligent genug waren sie dazu. Das hatte er ja gesehen und dennoch drückte die Niederlage schwer auf seinem Gemüt. So knapp waren sie am Ziel gewesen und doch hatten sie versagt! Schwer legte sich eine Hand an seinen Hals, wo noch immer ein Verband die Wunden überdeckte, die Sakito ihm gerissen hatte. Zwar waren sie auf dem besten Weg zu verheilen, aber Narben würden auf ewig bleiben. Noch jetzt fühlte er wie die schlanken Finger sich durch das Gewebe gebohrt hatten und um ein Haar hätten sie ihm die Stimmbänder zerfetzt. Sprechen konnte er noch immer nicht richtig, aber die schnelle Versorgung hatte dazu geführt, dass keine großen Schäden bleiben würden. Er stampfte leicht aus und seine Augen verengten sich. Wut und Hass! Nichts anderes erfüllte sein Inneres. Wut versagt zu haben und Hass auf den Fremdling, der es gewagt hatte sich einzumischen. Natürlich war Ni~ya ihm nicht fremd, doch bis er ihn erkannt hatte, hatte es doch gedauert. Schritte, die sich im Hintergrund näherten, ihn jedoch nicht weiter interessierten, bis eine Stimme zu sprechen begann. „Karyu? Ich soll ausrichten, dass der Kommandant dich zu sprechen wünscht und die Operation vorerst abgesagt wurde.“ Der Braunhaarige nickte nur und schon entfernten sich die Schritte wieder. Er hatte es sowieso erwartet. Das was sie hier veranstalteten war pure Zeitverschwendung. Sie würden sie nicht finden, nicht hier. Zweimal war es so knapp gewesen, zweimal hatten sie schon die Chance gehabt #443 zu fangen. Doch beim ersten Mal hatten sie es nicht gewusst. Ja, ja… Zufälle sollte es im Leben geben. Schließlich wandte Karyu sich vollkommen von dem Sonnenaufgang ab und trat den Rückzug an. Warum der Kommandant mit ihm reden wollte, war ihm zwar nicht ganz bewusst, denn alle Informationen, die wichtig sein könnten, hatten sie erst am letzten Abend besprochen. Noch erinnerte er sich an den Tag als ihm mitgeteilt worden war, dass sein langjähriger Kamerad von Niikura persönlich aufgrund seines Versagens gerichtet worden war. Er war überrascht gewesen, doch keinesfalls geschockt. Karyu hatte erwartet, dass Tsukasa dieses Schicksal treffen würde und wahrscheinlich war es das Beste so gewesen. Die moderne Technik hätte die fehlende Hand zwar schnell ersetzen können, doch der Grad des Versagens war einfach zu hoch gewesen. Und die Strafe die auf Versagen stand war nun einmal der Tod. Daran konnte niemand etwas ändern. Trauer und Schmerz hatte er nicht empfunden, vielleicht eine kleine Prise Bedauern aber nicht mehr. Sie hatten sich lange gekannt, doch Freundschaft oder dergleichen fühlte er für niemanden, absolut niemanden. Es gab in ihrer Welt so etwas nicht und Gefühle machten nur schwach, wie man bestens an #668 gesehen hatte. Ob der die Verletzungen überlebt hatte, wusste er nicht, aber es war unwahrscheinlich, wenn er nicht schnelle Hilfe gefunden hatte. Egal… um ihn ging es nicht mehr. Irgendwann würde man vielleicht noch einmal ein Team losschicken und Kyoto akribisch absuchen lassen oder, was wahrscheinlicher war, ein Bild des Transgeno an die örtliche Behörde senden und mitteilen, dass diese Person umgehend bei Sichtung zu eliminieren sei. Wegen was auch immer… in solchen Fällen war Menticore durchaus sehr kreativ. Er schüttelte leicht den Kopf und betrat den Stützpunkt ihrer Einsatzgruppe. Die meisten Soldaten machten sich bereits abmarschfertig, packten ihre wenigen Utensilien zusammen und beachteten ihn nicht, ebenso wie er. Karyu hatte sich freiwillig angeschlossen um bei der Suche zu helfen, als der Helikopter gelandet war um sie abzuholen. Zero und Hizumi waren mitgeflogen, denn sowohl Zero als auch Tsukasa waren zu schwer verletzt gewesen und Hizumi selbst war von Hakuei zurückbeordert worden um Rede und Antwort zu stehen. Der Braunhaarige war vorort erst noch einmal versorgt worden, ehe er mit den Soldaten in die Stadt gekommen war. Mit Kommandant Sugizo war er sich dann schnell einig gewesen. Auch ihn kannte er jahrelang. Sugizo hatte den Status des Ausbilders in der Trainingsanlage inne, trainierte die Experimente und sonderte die Schwachen aus. So war es klar gewesen, dass er für diesen Auftrag geschickt worden war. Karyu stoppte vor dem Raum in dem Sugizo sein Büro eingerichtet hatte und hörte die energische Stimme des Ausbilders. Er telefonierte. Nichts desto trotz klopfte er an und trat ein, bekam nur eine wirsche Handgeste entgegen, die ihm sagte er sollte sich setzen. So kam er ihr stillschweigend nach und setzte sich auf einen der beiden Stühle und wartete. „Wir kommen sofort zurück. Das sage ich jetzt zum hundertsten Mal!“ … „Ja…“ … „Ja… bis dann!“ Ein leises Klacken als aufgelegt wurde. Sugizo schnaubte einmal und ließ sich in den Bürosessel fallen, schnappte sich eine Zigarre und zündete sie sich an. Weitere Minuten verstrichen in denen nur das leise Paffen der Zigarre zu hören war und eine dichte Dunstwolke erfüllte den kleinen Raum, ehe Sugizo sich endlich zu erinnern schien, dass jemand anwesend war. Der dunkelhaarige Mann starrte Karyu an und verzog keine Miene. „Wir wurden zurückbeordert. Allerdings wurde mir der Auftrag erteilt, dich mit einer kleinen Gruppe besonderer Soldaten hier zu lassen. Ihr sollt nun die Stadt verlassen und euch an die Fersen der Ziele heften.“, sagte er kalt, jedoch mit einem Knurren in der Stimme. Karyu blinzelte leicht. „Und woher sollen wir wissen, welche Richtung sie eingeschlagen haben?“, fragte er rau und etwas undeutlich. Er spürte deutlich wie seine Stimmbänder gegen die noch offenen Innenwände vibrierten. Sugizo schnaubte nur. „Woher soll ich das bitte wissen?! Mach dir einen Kopf. Du bist immerhin der Spezialbeauftragte.“, meinte er trocken und äscherte in den gläsernen Aschenbecher. Karyu schwieg. Na was für wunderbare Neuigkeiten! „Wie viele Männer werden mir zugeteilt.“ „Fünf. Die auch bereits informiert sind und sich auf den neuen Auftrag vorbereiten. Du wirst der Anführer sein. Die Ausrüstung liegt bereit. Mach dich sofort auf den Weg! Mehr gibt es nicht zu sagen.“ Eine weitere wedelnde Handbewegung und das Gespräch war beendet. Karyu konnte gehen. Der Braunhaarige erhob sich mit mürrischer Miene und verließ den Raum. Was für ein super Auftrag! Sollte er also wieder die Marionette spielen. So groß wie das Gebiet um die alte Kaiserstadt war, gab es unzählige Wege, die #443 und #389 genommen haben konnten! Zumal er nicht einmal wusste, wie viel Vorsprung sie hatten! *** Leises Vogelgezwitscher begleitete sie auf ihrem Weg durch den morgendlichen Zedernwald. Ebenso fielen einige Sonnenstrahlen durch die dichten Baumwipfel und warfen bunte Lichtflecke auf den Waldboden. Es herrschte Schweigen in der kleinen Gruppe. Während Reita und Ni~ya vorneweg liefen, hatte Sakito sich etwas nach hinten abfallen lassen um nachzudenken. Seit nunmehr drei Tagen waren sie unterwegs, hatten Kyoto mit den ersten Sonnenstrahlen verlassen und sich nordwestlich in Richtung der Wälder auf den Weg ins Ungewisse gemacht. Wohin sie gingen und was ihr Ziel war, wussten sie nicht und doch stand fest, dass die erste Etappe vorerst darin lag möglichst weit weg von dem Ort der letzten Wochen zu kommen. Das war aus den wenigen Gesprächen rausgekommen, die sie geführt hatten. Sakito blickte einen Moment auf die Rücken seiner beiden Weggefährten. Noch immer lag die Spannung in der Luft, die vom ersten Augenblick von Ni~yas und Reitas Aufeinandertreffen geherrscht hatte. Die beiden sprachen so gut wie gar nicht miteinander, ignorierten sich zumeist und wenn wurde in einem eiskalten Ton miteinander kommuniziert. Und er, Sakito, stand zwischen den Fronten. Der Blick des Brünetten fokussierte sich auf Reitas Rücken. Der Blondschwarzhaarige hatte sich bereits wieder vollkommen hinter einer schwarzen Maske aus Kälte und Emotionslosigkeit zurückgezogen. Immer wenn er sprach blieben seine Augen hart. Keine brennenden Gefühle mehr, keine Leidenschaft. Es schien, als hätte Reita all das bei Aoi zurückgelassen. Ein trauriger Anblick, der Sakito innerlich traf, den er nach außen hin aber nie zeigte. Vielleicht hätte er wirklich zurückbleiben sollen, denn den Preis, den er für Aois Schutz bezahlt hatte, war hoch gewesen, sehr hoch. Sein Blick wandte sich Ni~ya zu. Der Blonde schien ebenfalls kälter geworden zu sein, seit Reita bei ihnen war, wenn nicht sogar vorsichtiger. Von der engen Verbindung, die eine Nacht zwischen ihnen geherrscht hatte, war nicht noch einmal etwas zu spüren gewesen. So nah waren sie sich seither nicht wieder gekommen, etwas, dass Sakito bedauerte. Aber jetzt wusste er zumindest, dass dort irgendwo unter der kalten Schale noch ein warmer Kern schlummern musste und unbewusst leckte er sich leicht über die Lippen. Der Kuss… ja er war kurz gewesen, eigentlich kaum spürbar und doch hatte er jahrelang versteckte Gefühle wieder nach oben getrieben. „Wenn du weiter so vor dich hinträumst, kommen wir heute nicht mehr weit, Sakito!“, schallte auf einmal eine scharfe Stimme von vorn durch den Wald. Der Brünette zuckte zusammen und merkte erst jetzt, dass Reita und Ni~ya bereits einen doch größeren Vorsprung hatten, jetzt stehen geblieben waren und sich zu ihm umgedreht hatten. Er selbst musste ebenfalls stehen geblieben sein. „Sorry kommt nicht noch mal vor.“, rief er nach vorn zu Reita, der sich nur mit einem Murren umdrehte. Sakito straffte das Bündel ihrer Schlafstätten, die er auf dem Rücken getragen hatte und setzte sich wieder in Bewegung, beeilte sich wenigstens zu Ni~ya aufzuschließen, der mit undurchdringlicher Miene auf ihn gewartet hatte. „Worüber hast du nachgedacht?“, fragte der Blonde, blickte jedoch nicht zu ihm. „Ach nichts Besonderes.“, antwortete Sakito, wagte einen Seitenblick zu dem Größeren, welcher nun leicht grinste. „Du bist nach wie vor ein schlechter Lügner. Soll ich dir sagen woran du gedacht hast? An das schlechte Verhältnis von Reita und mir.“, beantwortete er sogleich die selbst gestellte Frage und drehte nun den Kopf um Sakito genau in die Augen zu sehen. Dieser blickte schnell ertappt nach vorn. „Ja… ja du hast ja recht.“, meinte er geschlagen, spürte dann wie Ni~ya ihm kurz durch die Haare wuschelte. Überrascht guckte Sakito nach oben. So eine Geste war komplett untypisch für den Blonden, der leise lachte. „Verschreckt wie ein kleines Häschen. So kennt man dich ja gar nicht, Sakito!“, neckte Ni~ya den Kleineren. „Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen über solche Dinge. Es ist klar, dass wir beide Zeit brauchen um mit dieser neuen Situation umzugehen. Wir haben uns neun Jahre nicht gesehen und schon damals waren wir nicht die besten Freunde. Und du solltest nicht vergessen, dass er gerade erst sein bisheriges Leben hinter sich gelassen hat. Also lass uns einfach etwas Zeit.“ Ein sanftes Lächeln folgte diesen Worten und auch Sakito lächelte zögerlich und nickte. Ni~ya hatte Recht. Es würde eben Zeit brauchen bis sie einander kennen lernen würden und vielleicht auch vertrauen. „Gut dann lass uns jetzt etwas schneller laufen. Noch sind wir zu nahe an der Gefahr. Und ich denke, dass sie inzwischen auch einen Trupp ausgesandt haben, der wie wir die Stadt verlassen hat.“ Und schon zogen sie ihr Tempo an und hatten Reita schnell eingeholt. Dessen geschulte Ohren hatten natürlich das leise Gespräch belauscht, doch zu Erkennen gab er es nicht. Er war skeptisch der ganzen Situation gegenüber, wenngleich er längst Sakitos Gedanken erahnt hatte. Es war ihm einfach anzusehen. Auch die Nähe zu dem Blonden, die er unbewusst zu suchen schien, war offensichtlich, jedenfalls für ihn. Er versuchte es zu ignorieren, denn es weckte nur schmerzliche Erinnerungen, mit denen der Blondschwarze noch viel zu kämpfen hatte. Oft ertappte er sich bei den schweigenden Märschen, wie er an Aoi dachte, sich fragte, wie es dem Schwarzhaarigen ging und wie er die Trennung verkraftete. Sicherlich würde er es nicht verstehen. Immer wieder glitt seine Hand zu seinem Hals und tastete nach der Haarsträhne, fühlte sie und spürte für sich selbst ein wenig Linderung. Er wagte erneut einen kleinen Blick zurück, sah wie Sakito und Ni~ya nun selbst schweigend nebeneinander herliefen und sich auf den Weg konzentrierten, aber wieder eine gewisse Nähe zwischen ihnen spürbar war. Einen Moment blieb sein Blick auf Ni~ya ruhen, ehe er wieder nach vorne sah. Er wusste nicht, was er von dem Blonden halten sollte. Es stimmte, dass von Anfang an ein komisches Gefühl dagewesen war, Misstrauen, Skepsis und das war auch jetzt noch so. Er konnte nicht in die Gedanken des Gleichaltrigen eindringen, konnte nichts auf diesem Gesicht lesen. Ni~ya war vollkommen unantastbar, gab nichts von seinem Inneren preis. Und das waren Dinge, die ihm selbst schnell misstrauisch machten. Aber wahrscheinlich würden sie wirklich einfach Zeit brauchen um sich kennenzulernen und einander zu vertrauen. Für die nächsten Stunden jedoch, schob er alle Gedanken beiseite. *** Die Nacht hatte Einzug gehalten und nur die nächtlichen Geräusche des Waldes und das leise Knistern des Lagerfeuers durchzogen die Stille. Ihre Schlafstätten waren ausgebreitet und über dem Feuer ragten zwei Hasenspieße. Ni~ya hatte die beiden Langohren gefangen und nun waren sie ihr Abendessen. Der Blonde selbst war gerade zum nahegelegenen Fluss gegangen um neues Wasser zu holen. Somit waren Reita und Sakito vorerst alleine. Was vielleicht auch nicht so verkehrt war, denn der Jüngere hatte die Pflege der Wunden übernommen und auch jetzt saßen die beiden Weggefährten beieinander und Sakito wechselte Reitas Verbände, der im Schneidersitz auf seiner Bastmatte saß. „Sieht noch besser aus als gestern.“, sagte Sakito, als er die Binden festzog. Er versorgte sie so, wie Reita es ihm gesagt hatte. Auch die Salbe wurde aufgetragen. Reita nahm die Worte selbst schweigend zur Kenntnis. Was sollte er auch groß dazu sagen. Er war nur froh, dass Sakito diese Aufgabe übernahm, denn er selbst kam ja schlecht an die Wunden am Rücken, die ihn immer weniger beeinträchtigten. Stille herrschte zwischen ihnen, während Sakito die Verbände anlegte und festzog und dann wieder alles in der Box verstaute, die Saga ihm mit auf den Weg gegeben hatte. Schließlich aber war es Reita, der sie brach. „Ich habe euer Gespräch heute Morgen gehört. Und ich teile Ni~yas Meinung, dass wir einfach Zeit brauchen uns warm zu laufen.“, meinte er monoton und zog sich sein Shirt wieder über. Der Hochsommer klang langsam aus und dennoch waren die Tage von hohen Temperaturen bestimmt, lediglich die Nächte wurden nun zunehmend kühler. Sakito horchte auf. Einen Moment musste er überlegen, dann nickte er. „Ich weiß. Ich will ja auch zu nichts drängen. Das ist eine Sache zwischen euch.“, meinte er und packte die Box in Reitas Rucksack. „Eine Sache zwischen uns, richtig und was ist zwischen euch?“ „Hö? Wie meinst du das?“ Fragend sah Sakito den Älteren an. Reita grinste. „So wie ich es sage. Ich muss doch wohl nicht damit anfangen, bei was ich euch gestört habe, oder? Und diese Nähe, die du ständig zu ihm suchst, ist doch offensichtlich.“ Er wickelte nun den Verband von seinem Handgelenk um auch das einzureiben. Sakito verschlug es vorerst die Sprache. Aus den Augenwinkeln sah Reita wie der Kleinere leicht rot wurde. „Ich… ähm… weiß nicht was genau du damit andeuten willst!“, brachte er schließlich doch hervor. Reita lachte erneut. „Soso… aber das du rot wirst hat auch nichts zu bedeuten oder?“ Irgendwie machte es Spaß den Anderen aufzuziehen. Doch da Sakito augenscheinlich selbst nicht genau wusste, was er fühlte, beschloss Reita es vorerst sein zu lassen. „Schon gut. Du musst nichts weiter sagen. Werd dir selbst erst einmal sicher.“ Zielsicher griff Reita nun nach der Dose und trug die strenge Salbe auf das wunde Handgelenk. Der Brünette, froh das Reita dieses Thema vorerst übersprungen hatte, sah ihm aufmerksam zu, rümpfte aber selbst leicht die Nase. „Was ist das für ein Zeug?“, fragte er. „Eine Salbe die den Schmerz lindert. Ich kann den Geruch auch nicht leiden. Aber es hilft.“, erwiderte Reita ohne aufzuschauen und legte noch mal den Verband an. Dann bewegte er seine Finger etwas, streckte die Glieder und zog sie wieder zusammen. „Hat Ni~ya eigentlich mal erwähnt, wie er dich gefunden hat?“ Ganz beiläufig kam diese Frage über Reitas Lippen. „Nein… und bisher habe ich ihn auch nicht gefragt.“, gab Sakito ehrlich zur Antwort. „Hmm… ein komischer Zufall, oder? Das Ni~ya genau in dem Moment auftaucht, in dem der Strick so eng um deinen Hals lag?“ Fragend sah Reita Sakito an, dessen Augen sich etwas verengten. „Was willst du damit sagen?“, fragte er lauernd. „Na ja ich find es eben komisch. Ich meine jahrelang hast du ihn gesucht und mich sogar noch gefragt, ob ich dir helfe ihn aus Menticore rauszuholen. Und eben gerade in dem Augenblick, wo du in der Falle saßt, taucht er auf.“ Reita schien nicht wirklich zu bemerken, in welche Gebiete er sich hier vorwagte. Er wollte noch etwas sagen, doch wirsch wurde er von dem Brünetten unterbrochen. „Willst du damit etwa andeuten, dass er ein falsches Spiel spielt?!“, fauchte Sakito aufgebracht. „Du hast selbst gesagt ich saß in der Falle! Und wäre Ni~ya nicht aufgetaucht, würde ich heute nicht hier sitzen! Ehrlich gesagt ist es mir egal, wie er mich gefunden hat. Ich verdanke ihm meine Freiheit und das ist wichtig!“, fuhr er auf. Reita hatte die Augenbrauen angezogen und sah den Jüngeren überrascht an. Mit so einem Ausbruch hatte er nicht gerechnet. Aber schien dies doch seinen Verdacht zu bestätigen. Beschwichtigend hob er die Hände. „Ist ja gut. Ich sag schon nichts mehr.“, sagte er. „Warum nicht? Ich finde deine Ansichten durchaus interessant.“ Erschrocken fuhren sowohl Sakito, als auch Reita herum, entdeckten so den Blonden, der lässig und mit vor der Brust verschränkten Armen an einem Baumstamm lehnte und ruhig auf die Beiden herab blickte. „Ni~ya? Seit wann…?“, begann Sakito, wurde aber von dem Älteren unterbrochen. „Lange genug um verstanden zu haben, wie Reita von mir denkt.“ Kalte Augen trafen auf den Blondschwarzhaarigen, der den Blick jedoch ebenso kalt erwiderte. „Also sprich ruhig weiter, Reita. Was denkst du von mir? Leg die Karten auf den Tisch.“ Reita schnaubte leicht, stand dann ebenfalls auf, um Ni~ya in die Augen sehen zu können. „Eigentlich denke ich nicht so viel. Ich frage mich nur, wie ich Sakito schon sagte, dass es doch ein recht komischer Zufall ist, dass du damals genau in dem Augenblick aufgetaucht bist und ihn gerettet hast, wo es doch fast schon ausweglos war?“ Herausfordernd blickte der Blondschwarzhaarige dem Blonden entgegen, welcher nun leicht grinste. „Ah verstehe.“ Ni~ya stieß sich von dem Baumstamm ab und legte die neugefüllten Wasserflaschen ans Feuer, drehte in aller Seelenruhe die Spieße, ehe er sich wieder dem Gleichaltrigen zuwandte. „Du denkst also, dass ich euch etwas vorspiele und im Auftrag Menticores agiere?“, fasste er schlichtweg das zusammen, was Reita durch den Kopf gegangen war. Dieser jedoch schüttelte den Kopf. „Das hast du gesagt. Haben wir denn Grund zur Annahme, dass es so ist?“ Sofort schienen die Temperaturen um sie herum um ein Vielfaches zu sinken. Sakito betrachtete die Kontrahenten nervös. Sein Blick glitt immer wieder zwischen Ni~ya und Reita hin und her. „Reita, lass das bitte!“, zischte er. „Nein lass ihn Sakito. Diese Fragen sind vielleicht berechtigt. Für jemanden, der so denken möchte.“ Der letzte Satz war kalt gewesen, kälter als Eis und dennoch sprach Ni~ya weiter, ehe Reita die Chance bekam selbst den Mund aufzumachen. Ein Lächeln schlich sich auf Ni~yas Züge, höhnend und doch milde. „Und dennoch bin ich der Meinung, dass es das Beste für die Gruppe wäre, wenn ich dieses Geheimnis einfach lüfte. Ihr wollte also wissen, wie ich Sakito damals gefunden habe? Nun ganz so spektakulär ist es nun wirklich nicht, eigentlich war es wirklich nur ein Zufall.“ Er drehte sich weg und ließ sich vor dem Feuer im Schneidersitz nieder, griff nach einem der Spieße und begann das Fleisch des Hasen abzurupfen und in die Schalen zu füllen, die sie zum Essen nutzten. Reita und Sakito sahen sich an, entschieden sich dann ebenfalls dazu sich ans Feuer zu setzen. „Sakito habe ich bereits erzählt, dass ich damals durch das Beben, was die Anlage schwer beschädigt hat, die erneute Chance hatte zu fliehen und ich habe sie genutzt. Seit dem bin ich wie ihr auf der Flucht und habe mal länger oder mal kürzer bei verschiedenen Leuten Unterschlupf gefunden. Doch nach einigen Jahren habe ich mich ebenfalls auf die Suche nach euch, speziell Sakito gemacht und bin irgendwann in Kyoto gelandet. Das ihr euch ebenfalls zu dem Zeitpunkt in der Stadt aufgehalten habt, war Zufall oder vielleicht auch Schicksal. Kommt drauf an, wie man es betrachten mag. Jedenfalls hatte ich beschlossen einige Zeit in der Stadt zu bleiben, euch zu suchen und meine Vorräte aufzufrischen. Und irgendwann bin ich dann auf eine Spur gestoßen. Eine Spur, die mir unangenehm war, nämlich auf die von DeltaI. Ich kannte sie noch von damals und wusste auch, was ihre Aufträge waren. Und dass sie in Kyoto waren, fand ich merkwürdig. Ich beobachtete sie unbemerkt und bekam dann auch schnell mit, dass sie wegen euch hier waren. So heftete ich mich an ihre Fersen…“ *** Mit einigem Abstand war er den dunklen Gestalten gefolgt, hatte sie zwischenzeitlich sogar aus den Augen verloren. Doch seinen Sinnen war es zu verdanken gewesen, dass er sie schnell wiedergefunden hatte. Und dort stand er nun. Versteckt in den Wipfeln einer alten Zeder. Nur einige Dutzend Meter von ihm entfernt, erhob sich die Silhouette eines alten Tempelgebäudes. Zero und Karyu hatten vor dem Eingang Posten bezogen und Tsukasa hatte sich irgendwo im Wald versteckt, während Hizumi und der unbekannte Schwarzhaarige in das Innere des Gebäudes verschwunden waren. Ni~ya hatte sich extra so platziert, dass er entgegengesetzt zum Wind stand und die anderen nicht die Chance hatten seine Präsenz wahrzunehmen. Auch war die Entfernung dazu zu groß. Seit zwei Tagen beobachtete er die Gruppe unbemerkt, wusste, dass sie ihn zu Sakito bringen würden. Was Hizumi jedoch genau vor hatte, wusste er nicht und welche Rolle dieser Unbekannte bei dem Ganzen spielte, ebenfalls. Soviel hatte er nicht in Erfahrung bringen können, doch er hatte oft genug Sakitos Kennnummer vernommen, um sich zumindest in diesem Punkt sicher zu sein. Es vergingen einige Minuten, in denen er nur beobachtete und sich kaum regte, denn die Gefahr, dass er entdeckt werden könnte, war groß. Und auch selbst die nächste halbe Stunde regte sich nicht viel, bis sich zumindest Zero und Karyu regten und im Wald verschwanden. Auch er beschloss zur Vorsicht seinen Standort zu wechseln und sich etwas weiter zurückziehen und abzuwarten. Und kaum hatte er das getan, schien endlich etwas zu passieren. Das künstliche Rufen eines Käuzchens schallte durch die Nacht und kurz darauf trat auch Hizumi mit dem Fremden im Arm aus dem Haus. Nur schemenhaft konnte er die Gestalten erkennen, aber deutlich hören, was nun abging. Immer wieder rief Hizumi etwas durch den Wald und von weiter weg hörte er leise Kampfgeräusche. Doch die Situation schien sich zu ändern, als mit einem Mal ein dritter Schatten durch die Bäume brach und von seinem Ort aus, erkannte Ni~ya diese Person als Reita. Es wurde hitzig gekämpft und selbst von weiter weg wurden Kampfgeräusche laut. Ni~ya beobachtete ruhig weiter, sah zu wie Hizumi und Reita sich bekriegten, doch er griff nicht ein. Irgendwann dann konnte der Unbekannte fliehen und Reita und Hizumi standen sich allein gegenüber. Es war ein spannender Fight und beide kassierten Verletzungen ein und in dem Moment als es vorbei zu sein schien, sah Ni~ya den letzten Schatten aus dem Wald springen und den Angriff, den Hizumi hatte ausführen wollen, abblocken. Schnell hatte er Sakito erkannt. Diese Aura war einfach unverwechselbar. Und ab nun hielt er sich bereit einzuschalten. Reita verschwand nach einem Wortgefecht im Wald und Sakito stand sich Hizumi gegenüber. Beide schienen verletzt und doch war Sakito dem Schwarzhaarigen überlegen. Der Rest ging sehr schnell. Karyu tauchte auf, schleuderte Sakito zu Boden und ab da waren die Bewegungen des Jungen immer schwerer und weniger geworden. Und nun saß er da an dem Baum gepinnt, die Hände von Karyu festgehalten und Hizumi ausgeliefert. Noch eine Weile sah er sich das Schauspiel an, bis es ihm zuviel wurde. Die drei schienen so beschäftigt zu sein, dass sie nicht merkten, wie Ni~ya ihnen immer näher kam und als die Schussweite ausreichte, zog er seine Halbautomatik und setzte einen gezielten Schuss. *** „Danach ging alles ganz einfach. Hizumi und Karyu waren nicht bewaffnet und hatten keine Chance. Und bevor die Frage kommt, wieso ich sie nicht erschossen habe, ist einfach die, dass Sakito mir im Moment wichtiger war. Denn du hattest ja dann dein Bewusstsein verloren. Meine erste Priorität lag darin, dich da wegzuschaffen. Und das habe ich dann getan. Fertig das war’s.“, endete Ni~ya schließlich. Er sah nicht auf, sondern reichte erst Sakito und dann Reita ihre Schüsseln mit dem Fleisch. Diese nahmen sie schweigend entgegen. Beide mussten das Erzählte erst einmal verdauen. Und Reita fand als Erstes seine Sprache wieder. „Also hast du die ganze Zeit zugesehen und den Kampf beobachtet?!“, fragte er, knurrte schon fast und rührte das Fleisch nicht an. Ni~ya sah ihn an. „Ja habe ich. Und jetzt willst du bestimmt wissen, warum ich nicht eingegriffen habe, oder?“ Er sah Reita an, der gerade den Mund öffnen wollte, fuhr aber fort, noch ehe der Kleinere einen Ton herbringen konnte. „Ganz einfach. Ich wusste nicht wirklich Bescheid um was es ging. Im Nachhinein ist es mir natürlich klar. Aber ich wollte abwarten, was passiert…“ „…und riskieren, dass sie uns töten oder nach Menticore zurückschaffen?!“, fiel Reita ihm ins Wort. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt und seine Miene war verzerrt. Ni~ya sah ihn nur abschätzend an, schüttelte dann den Kopf. „Es ist glaube ich egal, was ich erzähle. Du würdest es sowieso nicht verstehen!“ Abschätzend blickte er Reita an, der kurz vorm Explodieren stand. Wütend schmiss er die Schüssel mit dem Hasenfleisch von seinem Schoß. „So! Ich würde es nicht verstehen! Gut, dann ist es besser, wenn ich vielleicht für immer verschwinde. Denn ich scheine nicht zu verstehen, wenn es an der Zeit ist anderen zu helfen!“ Damit stand er auf und verschwand im Wald, ohne sich noch einmal umzusehen. „Reita!“ Sakito wollte ihm nach, doch ehe der Brünette aufspringen konnte, griff Ni~ya nach seinem Oberarm und zog ihn zurück. „Lass ihn. Er muss sich jetzt abreagieren. Er kommt wieder…“, sagte der Blonde. Sakito ließ sich zurückfallen, doch auf seinem Gesicht spielten sich Ärger und auch Besorgnis wieder. Er drehte sich zu dem Älteren. „Warum musstest du so etwas sagen, dass er es nicht verstehen wird?! Zumal ich mich dasselbe frage!“, fuhr er den Älteren an, der jedoch nur milde lächelte. „Ganz einfach. Weil wir grundverschieden sind. Ich konnte damals nicht eingreifen. Ich wollte abwarten und ich war unsicher. Ich wusste einfach nicht, was genau da unten vor sich ging. Sicher hätte ich mich todesmutig in den Kampf stürzen können, doch das bin einfach nicht ich. Reita war emotional hoch erregt. Er hatte Angst und Sorge und heute kommt eben die Wut hinzu. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ich eingegriffen hätte, aber versuch wenigstens ein wenig nachzuvollziehen, wie die ganze Sache auch auf mich gewirkt hat.“ Er sah Sakito an und wieder war da diese leichte Sanftheit in den dunklen Augen. Sakito seufzte und senkte den Blick. „Sicher will ich es verstehen und ich verdanke dir auch meine Freiheit und vielleicht mein Leben. Zum zweiten Mal… aber ich kann auch Reita verstehen. Ich meine, wenn du dabei gewesen wärst, hätten wir DeltaI viel eher in die Flucht geschlagen und es wäre nicht zu solch schweren Verletzungen gekommen.“ „Das verstehe ich. Nur ich selbst war damals verunsichert. Und es ging auch alles furchtbar schnell. Aber ich denke es bringt wenig es zu versuchen euch zu erklären. Es ist furchtbar kompliziert.“ Ni~ya fuhr sich durch die blonden Haare und aß dann ein wenig von dem zarten Hasenfleisch. Auch Sakito aß, sagte erst einmal nichts mehr dazu. In ihm tobte selbst ein Konflikt, der zwischen Dankbarkeit zu Ni~ya und Verstehen zu Reita schwankte. Er verstand beide Seiten. Reita war einfach schrecklich emotional auf die Ereignisse dieser Nacht zu sprechen, hatte schwere Verletzungen erlitten und Ängste durchgestanden, die sie vielleicht wenig nachvollziehen konnten, immerhin war es auch um das Leben seines Freundes gegangen. Ni~ya dagegen war Beobachter gewesen, der zwischen Eingreifen und Abwarten geschwankt hatte. Doch Sakito bedeutete es persönlich eine Menge, dass Ni~ya letztendlich doch eingegriffen hatte um ihn zu retten. „Wir sollten Reita einfach Zeit geben nachzudenken und später werde ich selbst noch einmal mit ihm reden, mich auch für meine Worte entschuldigen, okay? Nur hör auf dir deinen Kopf darüber zu zerbrechen.“ Kurz legte Ni~ya einen Arm um Sakitos Schultern und zog ihn zu sich heran, schenkte ihm einen Augenblick der Nähe und Geborgenheit, die der Jüngere dankend annahm. Wenig später machte Sakito sich dann daran das benutzte Geschirr abzuwaschen. Er hatte Reita die Hälfte seines Essens aufgehoben, selbst wenn das Fleisch dann schon kalt sein würde, wusste er, dass der Ältere doch Hunger haben musste. Und irgendwann kehrte Reita auch zurück. Seine Miene blieb zwar versteinert und kalt, doch als Ni~ya ihn um ein Gespräch bat, ließ er sich darauf ein. Und als die beiden dann zurückkehrten waren beide gelöster. Sakito schlief in dieser Nacht mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)