Novemberlied von Bienchen1709 ================================================================================ Kapitel 22: Anschein -------------------- Es war schon mehr als eine Woche vergangen, aber Inu Yasha hatte sich immer noch nicht bei ihr gemeldet. Kagome begann langsam daran zu zweifeln, dass er wirklich mit ihr reden wollte. Erschöpft legte Kagome ihre Lesebrille ab und klappte ihren Laptop zu. Sie hatte endlich, zum ersten Mal in ihrem Leben, ihre eigene Wohnung, und auch wenn sie relativ klein war, gab es keinen Ort, an dem sie sich je wohler gefühlt hatte. Sie ließ sich auf den Teppich in ihrem Wohnzimmer sinken und starrte eine Weile an die Decke. Doch einen Ort gab es schon, aber sie hatte sich selbst verboten, darüber nachzudenken. Inu Yashas Arme, nur dort hatte sie sich wohler gefühlt. Seit jenem Tag im Gerichtssaal hatte sie sich jeden Tag gefragt, was Inu Yasha nun über sie denken musste. Dann als sie hörte, dass Kikyo zwei Jahre später alles bei der Polizei gestanden hatte und Inu Yasha freikommen sollte und bevor sie die besagte E-Mail von Sango erhielt, hatte sie ihm jeden Tag einen Brief geschrieben, nur um ihn anschließend wieder zu zerreißen. Sie wusste einfach nicht, ob es irgendetwas gab, das sie sagen konnte, das entschuldigen würde, dass sie damals gegen ihn ausgesagt hatte. Diese Leere in ihrem Herzen, die sich von Tag zu Tag stärker in ihr breitgemacht hatte, war wahrscheinlich nichts im Vergleich dazu, was Inu Yasha fühlen musste. Sie fühlte sich schuldig, dass sie damals nicht in Japan geblieben war, dass sie, auch wenn es sein Wunsch gewesen sein mochte, gegen ihn ausgesagt hatte. Vielleicht hätte sie schon viel früher herausfinden können, dass Kikyo hinter der Sache steckte. Vielleicht hätten sie noch einmal eine Chance gehabt. Ihre Gedanken wurden durch das leise Vibrieren ihres Handys unterbrochen. Sie richtete sich wieder auf und holte ihr Handy von der Küchentheke. Es war aber nicht Inu Yasha, der sie anrief, dass erkannte sie schon an der Anruferkennung. „Hey“, sagte sie und versuchte nicht enttäuscht zu klingen. „Hey“, tönte die tiefe Stimme ihres Verlobten, „hast du heute Abend schon was vor?“ „Ich muss noch einen Artikel fertig schreiben, aber ich sollte so in zwei Stunden damit durch sein“, entgegnete sie. „Dann hole ich dich in drei Stunden ab. Ich habe eine Überraschung für dich.“ „Okay“, erwiderte sie. „Kagome?“ „Hmm?“ „Ich liebe dich.“ Das war schon das fünfte Mal, das er es gesagt hatte und sie hatte es immer noch nicht erwidert. Sie konnte die Worte einfach nicht über ihre Lippen bringen. „Bis später“, sagte sie stattdessen. „Bis später“, sagte er und hing auf. Kagome ließ das Handy sinken und lehnte sich seufzend gegen die Theke. Sie bemerkte erst jetzt, dass ihre Finger wieder unbewusst die Stelle berührten, die Inu Yasha damals gebissen hatte. Es war eine Angewohnheit von ihr geworden, die sie scheinbar nicht mehr los wurde. Die Wunde war inzwischen komplett verheilt und man konnte nur noch erkennen, dass dort mal eine Wunde war, wenn man sie berührte, nicht mehr durch das bloße Auge. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein und in Wirklichkeit war dort gar nichts mehr zu spüren. Ihr Verlobter lud sie an diesem Abend in ihr Lieblingsrestaurant ein. Sie wollten gerade das Restaurant verlassen als Kagome ihn erblickte und ihr Herz wild gegen ihren Brustkorb schlug. Inu Yasha saß mit Miroku und Sango zusammen an einem Tisch in der Nähe der Bar. Sango und Miroku lachten über etwas, aber sein Gesichtsausdruck änderte sich kaum, so als ob er sich selbst zu einem einfachen Lächeln durchringen musste. Wieder einmal stellte sie fest, dass seine Gesichtszüge härter geworden waren, dass seinen Augen die Wärme fehlten, die sie so an ihm geliebt hatte. Hiroto unterbrach seine Erzählung über seine Nichte, die unbedingt das Blumenmädchen auf ihrer Hochzeit spielen wollte, mitten im Satz. Kagome sah ihn an und wusste sofort, dass er ihrem Blick gefolgt war und verstand. Seine Mundwinkel zogen sich langsam nach unten und er zog seine Augenbrauen zusammen. Hiroto war verletzt, aber als er sprach klang er weder wütend noch enttäuscht. „Es muss komisch sein, ihn nach all den Jahren wieder zu sehen.“ Kagome nickte verlegen und blickte noch einmal zur Seite um Inu Yashas Profil begutachten zu können. Sie war sich sicher, dass er ihre Anwesenheit längst gespürt hatte. Er war aber zu stur sie anzusehen. Dann schien Sango zu bemerken, dass ihr Tisch beobachtet wurde und als sich ihre Blicke trafen, krampfte sich Kagomes Herz ein weiteres Mal zusammen. Nachdem Kagome in die USA abgereist war, hatte Sango sich nicht ein einziges Mal wieder bei ihr gemeldet und alle ihre Anrufe, Postkarten und Emails ignoriert. Sie konnte sich noch an ihr letztes Gespräch so gut erinnern, als wäre es gestern gewesen. Die Vorwürfe, die Sango ihr gemacht hatte. Die Tränen, die sie vergossen hatte, wie Sango sie nicht getröstet hatte und sie einfach verlassen hatte. Sie hatte Sango damals nicht erklären können, dass sie nie aufgeben würde Inu Yashas Unschuld zu beweisen und sie hatte dadurch ihre beste Freundin für immer verloren. Sango sah so betroffen aus, wie sie sich fühlte. Sie konnte sehen, wie sich ihre Lippen öffneten und ihren Namen formten. Nun konnte Inu Yasha nicht mehr so tun, als hätte er sie nicht bemerkt und er drehte seinen Kopf in ihre Richtung. Er schenkte ihr nur einen flüchtigen Blick, dann wandte er sich wieder von ihr ab und schien mehr Interesse an seinem Whiskey zu haben. „Willst du mit ihnen sprechen?“, fragte Hiroto sie und Kagome schluckte schwer. „Würde es dir etwas ausmachen?“ „Geh ruhig.“ Kagome nickte und erhob sich von ihrem Platz. Ihre Beine zitterten vor Aufregung und ihre Hände begannen zu schwitzen, als sie sich ihrem Tisch näherte. Alle Stimmen im Raum schienen auf einmal zu verstummen und nur das Klackern ihre Pfennigabsätze auf dem gefliesten Boden hallte in ihrem Kopf wieder. Inu Yasha blickte nicht einmal von seinem Glas auf, als Kagome bei ihnen zum Stehen kam, aber Miroku und Sango sahen sie mit großen Augen an. Sango sah so aus als wäre sie den Tränen nahe. „Kagome“, wisperte sie ein weiteres Mal. „Hi“, sagte Kagome. „Hi“, erwiderte Miroku. Kagome wusste nicht, was sie sagen sollte, und überlegte schon kehrt zu machen und einfach davon zu rennen. Doch davon gerannen war sie schon viel zu lange. „Es ist lange her. Wie geht es dir?“, fragte Miroku schließlich, um die unangenehme Stille zu beenden. „Naja...“, erwiderte Kagome und blickte Inu Yasha an, der aber immer noch sein Glas fixierte. „Wie soll es ihr schon gehen?! Erfolgreich und verlobt, da kann er ihr wohl nicht so schlecht gehen“, sagte Inu Yasha dann und blickte ihr endlich in die Augen. Kagome atmete zitternd ein, als sie seine Wut sah. „Ich dachte, du würdest dich bei mir melden“, erwiderte sie und versteckte ihre Hände hinter ihrem Rücken, damit sie nicht sehen konnten, dass auch diese zitterten. Inu Yasha lachte kalt, verdrehte die Augen und blickte wieder auf sein Glas. „T-tut mir leid. Ich hätte nicht rüber kommen sollen.“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und war dabei schnellen Schrittes zu verschwinden, als Sangos Stimme sie davon abhielt. „Kagome.“ Sie drehte sich wieder um, und als sie Sangos flehenden Blick sah, trat sie wieder näher an den Tisch heran. Sango sah sie unsicher an, bevor sie weitersprach. „Es ist lange her. Vielleicht können wir uns mal treffen? Über alte Zeiten reden?“ „Das würde ich gerne“, erwiderte Kagome und ihr schmerzendes Herz entkrampfte sich ein wenig, „Inu Yasha hat meine Nummer, ruf mich einfach an.“ „Ich habe deine Nummer weggeworfen”, sagte Inu Yasha leise aber bestimmt und der Schmerz war wieder da, diesmal noch heftiger als zuvor. „A-aber du hast gesagt, du wolltest mit mir reden.“ Kagome hasste wie verwundbar sie klang. Sie war das perfekte Angriffsziel für Inu Yasha in diesem Moment. „Reden?“ Inu Yasha lachte wieder. „Warum sollte ich mit dir reden wollen? Damit du mir von deinem ach so perfekten Leben erzählen kannst?“ Er blickte ihr wieder in Gesicht und Kagome wollte ihm am liebsten sein selbstgefälliges Grinsen aus dem Gesicht schlagen, wenn sie nicht genau wusste, dass sie wohl nichts Besseres von ihm verdient hatte. „Inu Yasha“, sagte Sango und legte eine Hand auf seinen Arm, so als ob sie ihn beruhigen wollte. „Schon gut“, wies Kagome Sango ab, „Ich hab meine Visitenkarten in der Handtasche, ich hole sie gerade.“ Sie drehte sich wieder um und ging auf Hiroto zu, der schon aufgestanden war und sie fragend ansah. Sie nahm ihm dankend ihre Tasche ab und ging wieder zurück zu Sango, um ihr die Visitenkarte zu überreichen. „Auf der ersten Nummer bin ich eigentlich immer zu erreichen.“ Sango nickte und stecke die Karte in ihre eigene Handtasche. Obwohl sie es besser wusste, schob sie eine weitere Visitenkarte vor Inu Yasha. „Falls du es dir anders überlegen solltest.“ Inu Yasha blickte sie an, als ob er es mit einer Wahnsinnigen zu tun hatte. „Du hast mich wohl nicht richtig verstanden“, sagte er dann und ergriff die Visitenkarte. „Dann werde ich es dir so einfach wie möglich erklären, damit es keine Missverständnisse mehr zwischen uns gibt.“ Er zeriss die Visitenkarte in zwei Hälften. „An dem Tag, an dem du gegen mich ausgesagt hast“, sprach er weiter und zeriss die Karte noch einmal, „bist du für mich gestorben.“ Kagome blickte auf die Schnipsel, die er auf den Tisch fallen ließ, und ballte ihre Hände zu Fäusten. Sie spürte Hirotos Anwesenheit hinter sich und zwang sich dazu ruhig zu bleiben. „Verstanden?“, fragte Inu Yasha und nahm dann einen Schluck von seinem Glas. „Ich habe alles versucht-“ „Genug!“, schrie Inu Yasha sie an und sie zuckte unwillentlich zusammen. Er hatte sein Whiskey Glas mit so einer Wucht auf dem Tisch abgestellt, dass der ganze Tisch vibrierte. Er atmete tief ein und schloss für einen Moment die Augen, so als ob er sich zur Ruhe bringen wollte. „Denkst du nicht, es ist peinlich, an jemanden festzuhalten, der so offensichtlich kein Interesse mehr an dir hat?“, fragte er dann und Kagome spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht strömte. War sie so einfach zu durchschauen? „Vor allen Dingen, wenn dein Verlobter hinter dir steht. Du solltest erwachsen genug sein das zu verstehen.“ „Fuck you!“, war alles, was Kagome erwidern konnte. „Das hast du schon getan oder nicht?!“ Kagome war für einen Moment sprachlos. Sie zitterte immer noch, aber diesmal vor Wut. „Kagome“, sagte Hiroto hinter ihr und legte ihr beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. „Du hast ja überhaupt keine Ahnung, was ich-“ „Das will ich auch nicht”, unterbrach er ihren wütenden Redeschwall ein weiteres Mal, „Ich will nur, dass du aus meinem Blickfeld verschwindest. Nach allem, was passiert ist, könntest du mir wenigstens den Gefallen tun, oder nicht?“ Er machte eine Handbewegung so, als ob er eine nervige Fliege davon scheuchen wollte, aber Kagome regte sich nicht vom Fleck. Sie starrte ihn wütend an bis Hiroto ihren Arm ergriff und sie ein wenig näher zu sich zog. „Lass uns gehen, Kagome“, sagte er und sie seufzte frustriert. „Ruf mich an, Sango“, sagte sie schließlich und verließ mit ihrem Verlobten das Lokal, ohne Inu Yasha noch einmal anzusehen. „War das wirklich notwendig?“, fragte Sango aufgebracht als Kagome aus ihrem Blickfeld verschwunden war. „Anders hätte sie es wohl nicht kapiert”, entgegnete Inu Yasha und ließ seinen Blick durchs Lokal schwenken. Er wusste, dass er irgendwo sein musste. Der Spitzel, den Naraku ihm seit einer Woche an die Fersen gehängt hatte. Er war schon misstrauisch gewesen, als ihm Naraku dieses Restaurant für sein Treffen mit Miroku und Sango empfohlen hatte. Als er Kagome durch die Tür kommen sah, wusste er sofort, was Narakus Plan war. Naraku konnte sich nicht erlauben, dass sein engster Verbündeter in der kleinen Revolution gegen Higurashi wegen einer Jugendliebe schwach werden würde. Dabei hatte Inu Yasha nie die Absicht gehabt, sich Kagome jemals wieder so zu nähern. Er hatte sie sprechen wollen, weil er ernsthaft um sie besorgt war, aber auch, weil er wissen wollte, was Kagome von ihrem Vater von dem bevorstehenden Coup wusste. Doch Naraku musste geahnt haben, dass so etwas passieren würde, denn nur einen Tag später, hatte er realisiert, dass er auf Schritt und Tritt verfolgt wurde. Er hatte wahrscheinlich zu dick aufgelegt, aber Narakus Lakaien waren oft schwer von Begriff. Er wollte, dass Naraku berichtet wurde, dass er Kagome immer noch so hasste, wie er es Naraku geschworen hatte, als dieser ihm am Tag seiner Entlassung vom Gefängnis abgeholt hatte. „Kagome ist nicht dumm. Du hast sie absichtlich verletzt“, entgegnete Sango. „Und wenn schon? Sie hat es verdient.“ „Arschloch“, sagte Sango und erhob sich von ihrem Platz, „Ich nehme mir ein Taxi“, sagte sie dann an Miroku gewandt, der bis jetzt still geblieben war. Als auch Sango das Lokal verlassen hatte, erhob er schließlich seine Stimme. „Ich gebe Sango recht, es war wirklich nicht notwendig ihr so weh zu tun.“ „Warum geht ihr eigentlich alle davon aus, dass ich sie verletzt habe? Warum sollte sie sich überhaupt noch für mich interessieren?“ „Für einen intelligenten Hundedämon, bist du manchmal ganz schön dumm“, sagte Miroku dann und sie tranken für eine Weile schweigend ihre Getränke. Miroku hatte recht. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihre Reaktionen nach all den Jahren noch so stark für ihn waren. Erst recht nicht, seitdem er von ihrer Verlobung wusste. Aber seine Hundesinne trügten ihn nicht, und schon als er sie bei Naraku gesehen hatte, war er überrascht, wie sich ihr Herzschlag erhöhte, wenn sie ihn ansah, wie ihr Atem stockte, wenn er ihren Blick erwiderte. Er hatte auch die Angst gespürt, die sie empfunden hatte, als sie Naraku gegenübertrat. Der Gedanke daran war wie ein fester Tritt in die Magengrube, denn er hatte nicht gewollt, dass sie nach all den Jahren, immer noch so verletzlich war. Dennoch er musste gestehen, dass er überrascht war, wie gut sie äußerlich verstecken konnte, wie ihr Innenleben aussah. Sie war viel stärker geworden, als er erwartet hatte und das machte ihn auf eine gefährliche Art und Weise stolz. Gefährlich, weil er sich nicht erlauben konnte, dass er in dieser kritischen Zeit sentimental wurde. Das Schlimmste war, dass sie fast ausgeplaudert hatte, dass sie die ganze Zeit ihren Vater bespitzelt hatte. Er wusste dies von Sesshomaru und er glaubte Kagome gut genug zu kennen, dass sie ihr Versprechen gehalten hatte und dass sie nicht in den USA aufgehört hatte für ihn und sich selbst zu kämpfen. Er musste gestehen, dass Hirotos Verlobung mit Kagome ihn schwer verletzt hatte, auch wenn er sich niemanden vorstellen konnte, der sie mehr verdient hatte. Inu Yasha war überrascht gewesen, wie gut er den nichts ahnenden Verlobten gespielt hatte, aber Hiroto hatte in diesem Gebiet nun mal viel mehr Erfahrung als Inu Yasha selbst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)