Herr der Diebe von Igirisu_ (Es kann nur Eine(n) geben) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Das Aufwachen am nächsten Morgen war recht schmerzhaft, und Sharon, die schon wach war, schien auch nicht besser davon gekommen zu sein. Was sollte man auch erwarten, wenn man auf kaltem Steinboden und einen kleinen Stühlchen übernachtet? Als er die schmale, Einsturzgefährdete Kellertreppe hochging, Sharon im Schlepptau, bemerkte er, dass der Regen endlich aufgehört hatte, auch wenn die Straße jetzt halb weggespült und schlammig war, war das doch ein sehr gutes Zeichen für die Weiterreise. „Scipio, guck mal hier!“, erschallte plötzlich Sharons Stimme und der Dieb sah sich suchend nach ihr um. Sie schien hinter einer hohen Mauer zu stehen, die recht porös wirkte, und Scipio ging um diese herum. Er hatte richtig geraten: Dort stand Sharon und zeigte stolz auf einen wilden Busch. Viele kleine rote Früchte hingen daran. Na also, das Frühstück war gerettet! „Komm schon, hilf mir.“ Sharon war schon fleißig am pflücken und so tat der Herr der Diebe wie ihm geheißen. Nachdem sie sich mit den Früchten satt gegessen hatten und welche in die Taschen packten, die sie mitgenommen hatten, hörten sie, wie sich ihnen etwas näherte. „Das hört sich an, wie eine Kutsche…“, meinte Scipio lauschend. „Du solltest dich an den Straßenrand stellen und den Rock ein Stück hochziehen…dann werden wir bestimmt schneller mitgenommen…“, regte Scipio an und grinste schelmisch. „Was?!“, fragte Sharon entgeistert und sah ihn geschockt an. „Ich bin doch kein Freudenmädchen!“ Scipio unterdrückte ein Lachen und meinte trocken und mit hochgezogener Augenbraue „Meinst du, sie nehmen uns mit, wenn ich das mache?“ „Ich denke, du würdest sie eher verjagen, Scipio.“, meinte sie kichernd und blickte den Weg erwartend entlang. „Du hast mich ja gestern um diesen Gefallen gebeten…dass ich dich wieder mit zurück nehme…“, erinnerte er die Meisterin der Diebe und sah gen Himmel. „Das würde mir leichter fallen, wenn du mich endlich Skip nennen würdest…Scipio hört sich so…na ja…“ „…eingebildet an!“, beendete Sharon den Satz und deutete auf eine von einem braunen und einem weißen Pferd gezogene Kutsche, die sich mit gemächlichem Tempo auf sie zu bewegte. Scipio zog Sharon etwas zur Seite, als die Kutsche rumpelnd neben ihnen zum Stehen kam. Dass der Kutscher sie fast umgenietet hatte, sprach nicht unbedingt für eine gute Sehstärke, aber in ihrer Lage konnten die Diebe wohl nicht wählerisch sein. Sie einigten sich mit dem Kutscher, dass er sie nach Paris bringen würde, setzten sich in das erhoffte Gefährt und machten es sich bequem. Schon hörten sie den älteren Mann seine Pferde aufmuntern, dass sie doch bitte losgehen sollten und setzten sich in Bewegung- die Pferde schienen auch nicht mehr die Jüngsten zu sein. „Sieh es positiv, der Alte hätte nicht mal etwas gesehen, wenn du dich ganz ausgezogen hättest!“, meinte Skip lächelnd. Sharon seufzte schwer. „Bei diesem Tempo brauchen wir die drei Wochen schon allein für die Anreise…“ „Ist doch toll, dann haben wir mehr Zeit uns besser kennen zu lernen!“, entgegnete Scipio ironisch. Die Diebin ließ sich in den Sitz zurücksinken und verschränkte die Arme vor der Brust. Das Wetter besserte sich von Stunde zu Stunde. Bald schon wichen die Wolken und die ersten Sonnenstrahlen brachen heraus. Sharon betrachtete die Landschaft und hing ihren Gedanken nach. Was würde passieren, wenn sie ihren Eltern wieder begegnen würde? Es war jetzt schon so lange her und nun kehrte sie in den goldenen Käfig zurück um ihre eigenen Eltern zu bestehlen, nur um sich damit die Freiheit zu erkaufen. Aber die anderen zählten auf sie und sie durfte keinen von ihnen im Stich lassen. Die junge Frau biss sich auf die Unterlippe. Hoffentlich würde alles gut gehen. Scipio sollte bloß keinen Unsinn anstellen, immer hin musste sie sich vollkommen auf ihn verlassen. Eigentlich hatte die Erfahrung Sharon gelehrt, dass man sich am Besten nur sich selbst traut. Sie warf einen kurzen Blick zu Scipio und betrachtet ihn von der Seite. Als sie nach Venedig gekommen war hatte sie viele Geschichten über den Herr der Diebe gehört, doch wenn sie ehrlich war hätte sie sich ihn nicht so vorgestellt. „Scipio? Wie bist du eigentlich dazu gekommen ein Dieb zu werden?“, fragte sie dann vollkommen unerwartete, aber immer hin hatte er selber gesagt, dass diese Fahrt dazu da war sich besser kennen zu lernen. Sharon wusste nicht mehr so ganz genau, wann sie sich entschlossen hatte von nun an Leute zu bestehlen. Nach dem sie aus dem Haus ihrer Eltern geflohen war hatte sie eigentlich geglaubt irgendwo Arbeit zu finden und dadurch unabhängig zu werden. Doch das Geld was sie mitgenommen hatte war schneller aufgebraucht als sie gedacht hätte. Bald schon war sie durch einen Zufall in Venedig gelandet und war dort in das Versteck von drei Waisenkindern geraten. Soweit Sharon sich erinnerte hatte sie erst versucht den drei mit Gelegenheitsjobs zu helfen, doch die Arbeit war hart und brachte wenig Geld. Sie, als Tochter aus gutem Haus, war so etwas nicht gewohnt und dem bald auch überdrüssig. Dann hörte sie vom Erfolg des Herrn der Diebe und beschloss, dass sie nur so ihren Freunden helfen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)