In der Hand der Götter von Hoellenhund ((Ehemals: Der Zorn Exavors)) ================================================================================ Kapitel 3: Die Frau im See -------------------------- „Das ist einfach sinnlos! So werden wir diese Frau nie finden“, fluchte Minja laut und kniete neben dem kleinen See der Oase nieder, um sich das staubbedeckte Gesicht zu waschen. Sie war frustriert, sie hatten viel zu viel Zeit mit der Befragung von Einwohnern verschwendet, als sie sich leisten konnten. Wer konnte denn sagen, dass es diese Frau wirklich gab und ob sie ihnen helfen konnte und es auch tun würde? Die Angst um ihre Freundinnen gepaart mit dieser Frustration hatte ihr Tränen in die Augen getrieben, welche sie jedoch unauffällig mit dem klaren Wasser der Oase weg zu waschen vermochte. Seufzend ließ sich Kent ein Stück entfernt von ihr nieder, mit dem Rücken an Pantaleon gelehnt, welcher die letzten Stunden allein hier am See verbracht hatte und schon gelangweilt den Kopf hängen ließ. Es mutete fast an, als habe er Mitleid mit den beiden Menschen. „Niemand hier hat etwas von einer Frau gehört, die alte Karten verkauft oder gar den Ruf hat, in einem See zu leben – Metapher oder nicht. Aber das ist noch lange kein Grund aufzugeben, es ist nicht die einzige Oase in der Nähe, wer weiß welche der Trödler gemeint hat“, versuchte Kent seine Freundin zu beruhigen, doch die Erschöpfung konnte er nicht völlig aus seiner Stimme verbannen. „Das habe ich nach der ersten möglichen Oase auch gedacht!“, fluchte Minja weiter und richtete sich zu voller Größe auf. „Aber was, wenn wir nie die Richtige finden? Das Befragen der Einwohner und vor allem der Flug zu den Oasen dauert viel zu lang, viele können wir nicht mehr abklappern. Sieh doch, die Sonne geht schon unter.“ Resigniert brach sie ab, ließ den Kopf hängen und betrachtete ihr Spiegelbild im See, dann flüsterte sie: „Ich hoffe es geht ihnen gut.“ „Komm“, rief Kent jäh scheinbar erneut voller Energie, sprang auf, trat an Minja heran und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. „Wenn wir hier noch eine halbe Ewigkeit herum sitzen und nichts tun, hilft uns das auch nicht weiter. Pantaleon scheint sich auch etwas erholt zu haben, er wird uns sicher schnell zur nächsten Oase bringen und mit etwas Glück ist es die Rechte.“ Seufzend ergriff Minja seine Hand und erhob sich, klopfte dann den Sand von ihrem Kleid und wartete, bis Kent auf den Rücken des Wüstendrachens geklettert war, um es ihm dann nach zu tun. Pantaleon ließ ein fröhliches Grölen ertönen, als er nun einen kurzen Sprung machte und sich, noch in der Luft, mit den Flügeln schlagend weiter empor hob. Schon bald war die Oase unter ihnen nur noch ein grüner Fleck mit einem kleinen Gewässer in der Mitte, rund herum Spielzeughäuser, vor denen geschäftige Ameisen umher wuselten und der eisige Flugwind ergriff wieder Besitz von den Empfindungen der beiden Freunde. Die erste Fackel war bereits fast zur Gänze herunter gebrannt, sodass Belina rasch die übrig Gebliebene in der verbliebenen Flamme der ersten Fackel entzündete. Diese Gelegenheit nutzte sie gleich, um sich die klammen Finger zu wärmen. „Es ist wirklich sehr kalt hier unten, das ist mir als wir rein kamen gar nicht so stark aufgefallen“, meinte sie dabei und seufzte. „Immerhin können wir davon ausgehen, dass es auch in der Nacht nicht mehr viel kälter wird, nicht so wie oben. Falls wir nicht längst Nacht haben. Es müssen schon einige Stunden vergangen sein, seit Kent und Minja fort sind. Was denkst du?“ Während sie noch den letzten Satz aussprach, wandte sie sich zu Evita um, welche damit beschäftigt schien, die Goldmünzen auf dem Boden zu untersuchen. „Was machst du da?“, fuhr Belina sie nun an, sodass sie endlich zu ihr aufblickte. „Ich schaue, aus welchem Jahrhundert die Münzen hier stammen, ich will doch wissen, wie alt unser Abenteuer schon ist“, grinste diese, strich sich das braune Haar aus der Stirn und suchte vergeblich nach einer eingeprägten Jahreszahl auf den Goldmünzen. „Könntest du bitte damit aufhören?“, rief Belina erzürnt und machte einige hastige Schritte auf ihre Freundin zu: „Ich finde das alles hier überhaupt nicht komisch, ich habe keine Ahnung wie lange ich diese Kälte hier noch aushalte und Hunger habe ich auch!“ „Es ist echtes Gold, du hast einige der Münzen schon platt getreten, siehst du?“, lächelte Evita nur drehte eine platte Münze zwischen zwei Fingern. Sie funkelte im Schein der beiden Fackeln. „Du spinnst ja“, murmelte Belina nach einer kurzen Pause halblaut, in der sie sich gefragt hatte, ob es Evita verrückt machte, hier eingesperrt zu sein, oder ob sie die Situation nicht einmal erkannt hatte. Natürlich wusste Belina, dass mit ihrer älteren Freundin nicht alles in Ordnung war, wie es von Außen schien, schon immer hatte sie in einigen Situationen sehr ungewöhnlich reagiert, doch so auffällig war es noch nie gewesen. Fröstelnd rieb sich Belina die Oberarme mit den Handflächen warm. „Hoffentlich kommen die beiden bald zurück“, fuhr es ihr durch den Kopf. Fast zur selben Sekunde erlosch die länger gebrauchte Fackel endgültig und ließ einen feinen Faden aus Rauch zurück, welcher zur Decke emporstieg und sich in feinen Schwaden aufzulösen schien. Die Nacht war sternenklar, wie fast jede, sodass die Temperatur seit dem Sonnenuntergang um mehrere Grad abgesunken war und der Flugwind des Wüstendrachens trug seinen Teil zu der herrschenden Kälte bei. Nur mit ihrem dünnen Leinenkleid bekleidet, fror Minja bereits, sodass sie sich so eng wie möglich an Kents Rücken schmiegte, um etwas von seiner Wärme zu erhaschen. Keinen der beiden kam dies störend vor, sie kannten sich bereits eine kleine Ewigkeit lang und es war nur von Vorteil für sie beide. Endlich setzte Pantaleon zum Landeanflug an, sie schienen die Oase beinahe erreicht zu haben. In der Dunkelheit um sie her konnten Kent und Minja nur einige vereinzelte Lichter in Bodennähe wahrnehmen, die auf eine Siedlung hinwiesen. Auch dem Wüstendrachen war anzumerken, dass ihm die niedrigen Temperaturen des Abends nicht behagten, die Landung des Kaltblüters war plump, viel weniger graziös und geschmeidig als noch vor wenigen Stunden. Gerade am Boden angekommen, kletterten die beiden Jugendlichen rasch vom Rücken des Drachens, welcher die Gelegenheit nutzte, um sich einzurollen und der Dinge zu harren, die da kommen mochten. „Wie spät es wohl ist? Es ist sehr unhöflich die Einwohner so spät noch zu stören“, überlegte Minja laut und blickte sich um. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, doch sie waren auch ganz am Rand der Oase gelandet, wo vermutlich auch am Tage kaum reges Treiben herrschte. „Die zweite, höchstens die dritte Nachtstunde. Wir haben keine Wahl, wir können uns nur weiter durch fragen. Und je schneller wir sind, desto weniger werden sich die Einwohner gestört fühlen“, gab Kent mit fester Stimme zurück und schritt eilig in Richtung des Zentrums der Oase voraus. Nach kurzem Zögern folgte Minja jedoch auf dem Fuße. Schon nach kurzer Zeit kamen einige Strohhütten in Sicht, die eng gruppiert um eine Art Dorfplatz standen. Vor einer dieser Hütten, sie war mit bunten Perlen behängt und schien daher dem Dorfältesten zu gehören, saß eine kleine Gruppe älterer Männer um ein kleines Feuer gescharrt. Gelächter wehte zu Kent und Minja hinüber und da sie näher traten, blickten die Männer auf, unter ihnen auch der Dorfälteste, klar an seiner Kleidung aus Tierfell zu erkennen. „Guten Abend“, grüßte Kent freundlich, „wir sind Reisende aus einer kleinen Stadt am Narle und auf der Suche nach einer Frau in einem See.“ Statt etwas zu erwidern warfen sich die Männer Blicke zu, woraufhin Kent ergänzte: „Das mag seltsam klingen, aber...“ Doch er wurde vom Dorfältesten unterbrochen, welcher sich räusperte: „Mein Name ist Alwis, ich bin der Dorfälteste hier. Mich würde interessieren, wie ihr Kinder davon erfahren habt, wenn ihr von weit her zu uns kommt.“ Nun war es an Kent und Minja Blicke zu tauschen. Schließlich rang sich Minja dazu durch zu fragen: „Was erfahren?“ „Von ihr“, gab Alwis betont zurück, ihm schien nichts daran zu liegen, den Namen der Person preiszugeben, von der er sprach. „Sie ist eine sehr mächtige, jedoch auch sehr unbekannte Göttin, uns kommt die große Ehre zuteil, ihr bei uns in der Oase eine Art Heimat bieten zu können.“ Ein erleichtertes, fast ungläubiges Lachen entrang sich Minjas Kehle und als sie sich beruhigt hatte und ihr schwarzes Haar zurück über die Schulter schob, sagte sie: „Das ist eine wirklich lange Geschichte, Alwis. Nur leider ist die Zeit sehr knapp bemessen, daher müssen wir dich schon bitten, uns zu entschuldigen.“ „Wir wünschen noch eine angenehme Nacht“, fügte Kent höflich hinzu und folgte Minja weiter in die Oase hinein, wo beide den besagten See vermuteten. „Ihr wollt die Göttin jetzt stören? Ich fürchte sie wird nicht erfreut sein“, rief einer der anderen Männer, welche um das Feuer nicht störenherum saßen noch nach. „Wir sind so weit gereist, um sie zu treffen, wir haben keinen Wahl“, sagte Kent noch über die Schulter, bevor er und Minja zwischen Palmen verschwanden. „Ich kann es nicht glauben, dass es diese Frau tatsächlich gibt!“, freute sich Minja halb laut, um die Ruhe der Oase nicht zu stören. „Ich zweifelte schon daran...“ „Jetzt werden wir sehen, ob sie auch die Dame ist, der wir diese Karte zu verdanken haben“, antwortete Kent ernst. Minja hingegen verschränkte die Arme hinter den Kopf und lächelte: „Wie viele Frauen gibt es, die in Seen wohnen? Ich bin zuversichtlich! Eine echte Göttin... Wie hat man sich einer Göttin gegenüber zu verhalten? Ich habe noch nie eine getroffen. Der Dorfälteste hat nicht erwähnt, für was diese lokale Gottheit zuständig ist – ich hoffe nur, sie ist gnädig...“ „Sei doch mal still, da vorne ist der See!“ Und tatsächlich: In völliger Stille lag der See vor ihnen, an seinem Ufer ein kleiner Tempel, wohl für die hier lebende Göttin erbaut. Die schwarze Oberfläche des kleinen Sees wurde von keinem Windhauch gekräuselt und die Mondsichel spiegelte sich in seiner Mitte. Kaum, da Minja und Kent sein Ufer erreicht hatten, geriet das Wasser jäh in Bewegung, kräuselte sich leicht, schlug dann erst kleinere, dann größere Wellen und schien schließlich genau an der Stelle, an der sich der Mond spiegelte, aufzubrechen. Eine Gestalt stieg aus der Schwärze des Sees empor, eine wunderschöne Frau mit hüftlangem Haar, über und über mit Schmuck behängt, bis nur noch ihre nackten Zehen die Wasseroberfläche berührten. „Wer wagt es, die Ruhe der Schicksalsgöttin Faraya zu stören?“, donnerte die kräftige und doch angenehme Stimme der Göttin über den See. „Wir sind Minja und Kent, wir sind weit gereist, um dich zu treffen“, antwortete Kent rasch, um die Göttin nicht mehr als nötig zu verstimmen. Ein schauriges Lachen erklang: „Natürlich, das ist mir bekannt.“ Mit gerunzelter Stirn tauschten Kent und Minja Blicke. Wenn sie es wusste, aus welchem Grund fragte sie dann? Nun gut, einer Göttin widersprach man besser nicht, sodass Kent ungerührt fort fuhr: „Ein Trödler hat uns eine Karte verkauft, die angeblich von dir stammt.“ Wie auf Kommando zog Minja besagte Karte unter ihrem Leinenkleid hervor und streckte den Arm aus, um sie der Göttin zu zeigen. Wieder dieses Lachen: „Ich wusste, er würde euch die Karte verkaufen, ich bin die Göttin des Schicksals.“ „Dann soll es also Schicksal sein, dass zwei unserer Freunde jetzt in diesem Tempel, zu dem die Karte führt, gefangen sind?“, fuhr Minja auf. Langsam aber sicher verärgerte sie Farayas arrogante Art und auch durch einen viel sagenden Blick Kents ließ sie sich nicht beruhigen: „Wenn du die Göttin des Schicksals bist, dann ändere ihr Schicksal!“ Einige Sekunden lang herrschte völlige Stille, in der Faraya die beiden Menschen betrachtete und nachzudenken schien, dann kicherte sie: „Die Würfel sind gefallen, ich kann nichts dafür, Liebes.“ „Was?“, gab Kent verwirrt von sich, doch statt darauf einzugehen, fuhr die Göttin fort: „Allerdings kann ich es ändern, natürlich. Aber das wird euch einiges Kosten, ich arbeite nicht gern, es ist anstrengend.“ Nun horchte Minja auf: „Was würde es uns kosten?“ „Nun, kein Geld, das kann ich nicht gebrauchen“, antwortete Faraya mit einer abwertenden Handbewegung. „Nein, aber eine großzügige Opfergabe im Sinne eines Schmuckstücks... Ich will nicht so geheimnisvoll sein, schon lange begehre ich den so genannten 'Stein des Tigers', ein Schmuckstück von hohem Wert. Es liegt in einer Höhle unter dem Sand der Wüste verborgen, denn es erweckt die Habgier der Menschen, es funkelt heller als die Sonne, ich möchte meine sagenhafte Schönheit damit schmücken.“ „Und wieso besorgst du dir diesen Stein nicht einfach selbst?“, fuhr Minja sie an, woraufhin Kent ihr beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legte. So selbstsicher und mutig hatte er seine Freundin noch nie erlebt, doch er war nicht sicher, ob es klug war, diese neue Seite in Gegenwart einer Göttin zu erproben, er fürchtete ihren Zorn. „Das ist ganz einfach, meine Liebe“, lachte Faraya beherzt. „Er ist dort unten, unter dem Sand magisch versiegelt. Da er Habgier erweckt, muss das Siegel mit einer Kristallglocke gebrochen werden, die nur ein Mensch mit reinem Herzen aus tugendhaftem Antrieb finden kann.“ Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Viel Glück, legt das Auge des Tigers in den Tempel am Rande des Sees, ich werde euch erscheinen und den Schlüssel für die Tür des Tempels, in dem eure Freunde gefangen sind, überreichen. Wenn es mir beliebt.“ Und unter lautem Gelächter versank die Göttin erneut im schwarz anmutenden Wasser des Sees. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)