BISs zur Mondfinsternis von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Besondere Talente ---------------------------- Es waren schon einige Tage seit meiner Verwandlung vergangen. Es musste, glaube ich, sogar schon drei Monate her sein. Doch ich merkte nicht, wie die Zeit verging. Ich hatte die letzten drei Monate nur unbewusst wahrgenommen, aber eins wusste ich: Diese drei Monate war meine bisher schönste Zeit und mir wurde erst nach und nach bewusst woran das lag. Ich hatte es endlich geschafft, mein größter Wunsch war in Erfüllung gegangen, ich war ein Vampir und ich würde für immer mit Edward zusammen sein können. Doch was mich noch unendlich glücklicher machte als die Tatsache, dass ich ein Vampir war - und das erstaunte mich weitaus mehr als alles andere in meiner Umgebung -, war, dass ich und Edward verheiratet waren. Vorher hatte ich die Heirat mit Edward nur als ein Hindernis gesehen, das zwischen mir und meinem Wunsch stand, von Edward in einen Vampir verwandelt zu werden, doch nun, da ich es hinter mir hatte, merkte ich erst, wie glücklich mich dies machte. Es war einfach nur großartig. Es war Abend und ich bemerkte es nur, weil ich gerade aus dem Fenster im Wohnzimmer sah und es immer dunkler wurde .Ich saß neben Edward auf dem Sofa. Er hatte einen Arm um mich gelegt und hielt mit seiner anderen Hand die meine. Es war sehr erleichternd für mich zu wissen, dass er sich nun nicht mehr so quälen musste, wenn wir uns so nahe waren. Früher musste er sich immer unter Kontrolle halten, da ich für ihn sehr appetitlich gerochen hatte, aber nun gab es kein Blut mehr, was er begehren konnte. Aber nicht nur dies hatte ihn früher gequält, auch die Tatsache, dass ich für seine Maßstäbe zu zerbrechlich war. Deshalb war ich umso mehr froh, dass wir einander nun endlich fast ebenbürtig waren. Lediglich die Erfahrung hatte er mir voraus. Wir waren wie die meiste Zeit alleine; der Fernseher lief, aber weder Edward noch ich achteten darauf, was gesendet wurde. Er starrte nur auf den Bildschirm. Nach einiger Zeit schloss ich mich ihm an und ließ das Geflimmer über mich ergehen. Ich konnte mich nicht darauf konzentrieren, was der Moderator sagte. Ich hatte zu viel mit der so vertrauten Stimme zu tun, die seit meiner Verwandlung in meinem Kopf zu hören war. Es war Edwards Stimme. Seine war nicht der einzige, die ich andauernd hörte. Es gab da noch viele andere, aber ich blendete sie meist aus, damit ich mich auf die von mir so geliebte konzentrieren konnte. Und es war grausam für mich zu hören, wie Edward sich selber quälte. Er dachte fast den ganzen Tag an mich, was an sich nicht schlimm gewesen wäre, aber er machte sich Gedanken darüber, ob er das Richtige getan hatte, oder ob es nicht doch unverantwortlich gewesen war, mich zu verwandeln. Mir meine Seele genommen zu haben, wie er sich immer ausdrückte. Natürlich war er auch froh darüber, dass wir nun für immer zusammen sein konnten, aber er war der Meinung, er hätte zu meinem Wohl drauf verzichten sollen. Seine Selbstvorwürfe, vergifteten mich genauso wie ihn. Mich überraschte es, dass Edward gerade dabei war, sich etwas Positives an der ganzen Sache abzugewinnen - außer der Ewigkeit, die wir nun zusammen verbringen konnten-, als sich eine andere Stimme in den Vordergrund drängte. Auch sie war mir sehr vertraut. Es war eine helle, freundliche Stimme; es war die Stimme von Alice. Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, dass sich diese Stimme zu deutlich anhörte, als dass es ihre Gedanken sein konnten. Ich löste meinen Blick vom Bildschirm und schaute über meine Schulter zur Tür. Edwards Schwester, die nun auch meine war, stand direkt darin; ihr übliches Lächeln im Gesicht. Ich merkte, wie auch Edward seinen Kopf langsam Richtung Alice drehte und ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Als sie sich sicher war, dass wir beide zuhörten, ging sie einen Schritt vor und sagte: „Es tut mir leid, wenn ich euch beide störe, aber ich wollte dich, Bella, fragen, ob du Lust hättest, morgen mit Rose und mir nach Port Angeles zu fahren. Wir wollten ein bisschen Shoppen gehen und dachten uns, es tut dir bestimmt ganz gut, wenn du mal wieder unter Menschen kommst. Was hältst du davon?“ Ich merkte, wie sich Edward bei dem Klang dieser Worte versteifte und mich noch fester an sich zog. Er war der Meinung, es wäre zu riskant, wenn ich mich jetzt schon unter Menschen mischen würde. Die Gefahr, dass ich mich nicht genug unter Kontrolle hätte, war ihm zu groß. Ich dagegen meinte, dass es eine absurde Idee war, mich von Menschen fern zu halten. Wie sollte ich denn lernen, dem Geruch von menschlichem Blut zu widerstehen, wenn er mich von ihnen abschirmte? Ich fand den Vorschlag großartig. „Ich komme gerne mit, Alice“, antwortete ich mit einem freudigen Strahlen im Gesicht. Mir war nur allzu gut bewusst, dass er sah, wie sehr ich mich über die Aussicht, endlich wieder unter Menschen zukommen, freute, und genau dies war meine Absicht. Er sollte es sehen. Zum einen hoffte ich, dass er mich gehen lassen würde, wenn er sähe, wie gut es mir tun würde, und zum anderen konnte ich einfach nicht widerstehen, ihn ein klein wenig zu ärgern. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Als Alice meine Antwort hörte, wurde ihr Grinsen noch breiter. Sie strahlte nun über das ganze Gesicht. Gerade, als sie sich umdrehen wollte, um Rosalie Bescheid zu geben, mischte Edward sich doch noch ein. „Warte, Alice! Wir waren uns doch einig, dass es Zeit braucht, bis wir sie unter Menschen lassen können! Bella wird jetzt auf keinen Fall gehen!“ Alice sah Edward vorwurfsvoll an und sagte: „Edward wir können sie aber auch nicht ewig hier einsperren. Die Verwandlung ist nun drei Monate her und ich glaube, dass Bella sich so gut beherrschen kann, dass sie schon rausgehen kann. Es ist ja nicht für lange, nur ein paar Stunden.“ Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung. Edwards Blick war hart. Er schaute erst mich, dann Alice an. „Alice du überschätzt sie. Sie braucht noch Zeit.“ Ich konnte nicht glauben, was ich da eben gehört hatte. Wieso traute er mir so wenig zu? Hatte ich nicht bewiesen, dass ich mich fast schon komplett an tierisches Blut gewöhnt hatte? Es hörte sich in meinen Ohren schon fast wie eine Beleidigung an. Die war vermutlich auch der Grund dafür, dass ich ihn fast anschrie, anstatt in normalem Ton mit ihm zu reden. „Wie kommst du darauf, zu behaupten, dass ich noch nicht so weit bin? Woher willst du das denn wissen? Seit drei Monaten hältst du mich hier fest! Seit drei Monaten sehe ich nur immer wieder die gleichen Gesichter! Und jetzt will ich wieder unter Leute, ich will endlich wieder raus hier, ich will Spaß haben! Jetzt bietet sich eine günstige Gelegenheit und du lässt mich nicht gehen!“ Ich sah ihn vorwurfsvoll an. Edward schaute nun mich an und ich merkte, wie der Zorn in ihm aufstieg. Ich wusste, dass er ihn zu unterdrücken versuchte um es sich nicht anmerken zu lassen, aber als er mir seine Antwort ebenfalls fast entgegen schrie, war klar, was wirklich in ihm vorging. „Bella, du weißt genauso gut wie ich, dass das nur zu deinem Besten ist! Ich weiß, wie es ist, Menschen zu töten. Glaub mir, Bella, das ist nicht schön und ich möchte nicht, dass du das Gleiche durchmachen musst. Außerdem: Solltest du dich nicht unter Kontrolle haben - und das hast du noch nicht-, dann würdest du uns alle in Gefahr bringen! Dann müssten wir jetzt schon weg von hier, und das willst du doch nicht, oder?! Schließlich sind wir nur wegen dir hier geblieben!“ Er funkelte mich böse an, dann legte er wieder los, nun etwas beherrschter, aber immer noch war der Zorn in seiner Stimme zu hören. „Außerdem bist du unfair. Was hast du auf einmal gegen uns? Gegen mich? Und willst du etwa sagen, dass du dich die letzten drei Monaten zu Tode gelangweilt hast? Du bist manchmal so...“ Ich wusste, dass er noch nicht fertig war, aber ich ließ mir nicht gefallen, was er mir an den Kopf warf und schlug zurück, ehe er noch einmal einen Treffer landen konnte. „Du sagst andauernd, dass du nur das Beste für mich willst, aber du kannst nicht wissen, was das Beste für mich ist. Du scheinst mich ja noch nicht einmal richtig zu kennen. Du bist immer so besserwisserisch und stur! Ich frage mich gerade, was mich damals dazu geritten hat, dich zu heiraten!“ Sofort verstummte ich. Das war gemein gewesen. Ich wusste, das hätte ich nicht sagen sollen. Ich sah, wie sich Edwards Gesichtausdruck von wütend in verletzt wandelte. Er hatte befürchtet, dass ich es irgendwann bereuen würde, schließlich war ich seinen ständigen Warnungen ausgesetzt gewesen, aber dass es so früh wäre... Damit hatte er anscheinend nicht gerechnet. Eine unangenehme Stille trat ein. Er sagte nichts und ich sagte nichts, nur der Fernseher lief immer noch. Erst jetzt merkte ich, dass Alice sich heimlich zurückgezogen hatte. Sicherlich wollte sie nicht direkt daneben stehen, wenn Edward und ich uns stritten, besonders nicht, weil sie der Auslöser gewesen war. Aber ich wollte nicht über Alice nachdenken, ich hatte andere Probleme. Wie sollte ich wiedergutmachen, was ich eben gesagt hatte? Ich wusste, dass ich es ihm nur aus dem Grund entgegen geworfen hatte, weil ich so sauer auf Edward und seine Sturheit gewesen war. Ich liebte ihn über alles in der Welt und nun schien ich alles mit nur einem Satz zerstört zu haben. „Ich... Edward, es... es tut mir Leid... ich...“ Doch bevor ich meinen Satz beenden konnte, stand er ohne ein weiteres Wort auf und ging aus dem Zimmer, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Jetzt wurde mir erst richtig bewusst, was ich getan hatte. Ich schien den Menschen der mir am meisten bedeutet, verloren zu haben. Als Edward weg war, wurde es wieder still; nur der Moderator im Fernsehen redete ununterbrochen weiter. Ich stand auf, machte das TV-Gerät aus und machte mich auf den Weg, jemanden zu suchen, mit dem ich reden konnte. Ich wollte jetzt nicht alleine sein. Ich suchte erst im Esszimmer, aber es war so verlassen wie immer. Mir war klar, dass Edward oben in seinem - nun unserem - Zimmer war, also vermied ich es, dorthin zu gehen; ich wusste auch, dass Carlisle nicht da war. Sein Büro war verlassen. Ich hatte also die Wahl: Ich konnte in die Küche zu Esme, in Alice’ Zimmer, in Rosalies und Emmetts Zimmer oder in die Garage gehen. Ich wusste, dass Rosalie in der Garage war, aber sie war nicht diejenige, mit der ich über solche Probleme reden wollte, denn obwohl wir uns jetzt besser verstanden, waren wir nicht die besten Freundinnen. Zu Emmett konnte ich auch nicht gehen; er verstand mich zwar besser als jeder andere, aber ich befürchtete, dass er mir bei diesem Problem nicht weiterhelfen konnte. Blieben also noch Esme, Alice und Jasper, wobei ich Letzteren auch ausschließen konnte, da er sich vermutlich um Edward kümmerte. Es wäre wohl besser gewesen, zu Alice zu gehen, da sie meine beste Freundin war und mitbekommen hatte, worum es ging. Zwar hatten es alle mitkriegen haben müssen, so laut, wie unser Streit gewesen war; trotzdem wusste Esme wohl eher, was zu tun war. Sie hatte mehr Erfahrung, war verheiratet und kannte die Probleme, die ich jetzt hatte, bestimmt. Also ging ich zu ihr. Ich machte mich auf den Weg zur Küche, die wie fast alles in diesem Haus nur Attrappe war: Esme war gerade dabei zu putzen; sie konnte es nicht leiden, wenn es im Haus dreckig war. Als ich die Küche betrat, wischte sie gerade den Boden. Sie schaute auf, als sie mich sah, und stellte den Wischmob beiseite, um sich an den kleinen Tisch zu setzten, der in der Küche stand. Ich nahm neben ihr auf einem Stuhl Platz. Nachdem ich mich hingesetzt hatte, schaute sie mich kurz an und begriff sofort, dass ich zu ihr gekommen war, um mit ihr zu reden und weil ich mir Rat von ihr erhoffte. „Was ist passiert?“ Ich wusste, sie meinte die Frage nur gut, aber ich wusste auch, wie sinnlos sie war, da sie alles von unserem Streit mitbekommen hatte. Ihre Gedanken rasten, da sie schon an einem Ratschlag arbeitete. Ich konnte mir ein Schmunzeln über diese Tatsache nicht verkneifen, das sie zu meinem Glück nicht bemerkt hatte. „Esme, du weißt genauso gut wie ich, warum ich hier bin. Du hast jedes einzelne Wort verstanden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mir das jemals verzeihen wird! Was habe ich da nur getan? Ich wollte doch nicht, dass es so weit kommt! Ich liebe ihn doch und ich weiß, dass ich ihn immer lieben werde. Was ich vorhin gesagt habe, war nur wegen meiner dummen Wut auf ihn; wie ein Reflex! Er muss das doch wissen, oder? Vielleicht habe ich mich doch geirrt und er liebt mich nicht so sehr, wie ich ihn liebe.“ Während ich redete, sah mich Esme nur besorgt an. Sie hörte mir zu und war wirklich bemüht, mir zu helfen; das wusste ich und dafür war ich ihr unendlich dankbar. Als ich ausgeredet hatte, antwortete Esme gleich mit einer sehr beruhigenden Stimme: „Ganz ruhig, Bella, Liebes. Er weiß, dass du ihn liebst, und er liebt dich mindestens genauso sehr. Wenn du darauf nicht vertrauen kannst, dann kann eure Liebe nicht überleben. Er wird bald merken, dass ihr beide überreagiert habt und wieder mit dir sprechen, aber so lange solltest du ihn in Ruhe lassen. Du musst auch verstehen, dass du mit deiner Aussage einen Nerv getroffen hast. Er macht sich so schon genug Vorwürfe, ob er das Richtige getan hat, und dann kommst du, bereust anscheinend deine Entscheidung und bestätigst ihn in seinen Zweifeln. Das war einfach ein zu großer Schock für ihn. Lass ihm Zeit, Bella. Ich bin sicher, er kommt sehr bald wider zur Vernunft.“ Ich hatte keine Ahnung, warum, aber es beruhigte mich, dies von ihr zu hören. Vielleicht würde ja wirklich alles wieder gut werden. Ich betete, dass es so sein wird. Es durfte nicht passieren, dass wir wieder getrennt wurden. Ich würde das nicht überleben. Da ich die Wahrheit in ihren Worten erkannte, befolgte ich Esmes Rat und ging an den Fluss hinter dem Haus. Ich wusste, dass ich dort alleine sein und in Ruhe nachdenken konnte. Ich blieb lange dort und wartete darauf, dass Edward kam und mir verzieh. Natürlich ließ ich ihn nicht wirklich in Ruhe. Ich lauschte seinen Gedanken und jedes Mal, wenn er daran dachte, dass ich ihn nicht lieben könnte, versetzte es mir einen Schlag direkt und den Magen. Er litt und ich litt mit ihm. Es vergingen einige Stunden, die mir wie Jahre vorkamen, bis ich hörte, wie er endlich darauf kam, dass wir beide überreagiert hatten und er mir endlich verzieh. Obwohl ich vor Freude aufspringen, zu ihm rennen und ihm um den Hals fallen hätte können, wusste ich, dass ich es nicht konnte. Dann hätte er nämlich gewusst, was für eine Fähigkeit ich hatte. Ich hatte sie extra vor allen verschwiegen; es sollte eine Überraschung sein. Ich wollte nämlich erst lernen, sie zu beherrschen. Somit blieb ich sitzen und wartete darauf, dass er zu mir kam. Nach ein paar Minuten, die mir unerträglich schienen, hörte ich, wie jemand zu mir kam. Ich hoffte, dass es Edward war, obwohl ich merkte, dass dieser Jemand viel leiser als er durch das Gras ging. Meine Hoffnung wurde zerstört, als Alice sich neben mich setzte. Sie legte mir einen Arm um die Schulter und strahlte mich kurz an. Dann verblasste ihr Strahlen zu einem entschuldigenden Lächeln und sie sagte: „Es tut mir Leid. Ihr habt euch nur meinetwegen gestritten, wenn ich nicht diese dämliche Idee gehabt hätte, dann hättet ihr euch nicht gestritten.“ „Es ist nicht deine Schuld, Alice. Wenn du nicht der Auslöser gewesen wärst, dann wäre es etwas anderes gewesen. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“ „Na ja, es ist ja auch egal, wer nun dran Schuld hat." Nun kehrte ihr Strahlen zurück. "Ich soll dir nämlich sagen, dass Edward dich sehen möchte. Du mögest doch bitte hereinkommen; er wartet in eurem Zimmer auf dich.“ Sie zwinkerte mir zu, stand auf, wartete noch auf mich und ging dann mit mir ins Haus. Sie folgte dem Flur, um in ihren Raum zu gelangen, und ich ging weiter zu Edwards und meinem Zimmer. Nachdem ich angeklopft hatte, öffnete ich die Tür und sah mich suchend um. Edward stand am Fenster und starrte hinaus. Erst jetzt fiel mir ein, dass er mich wohl die ganze Zeit beobachtet hatte, denn von hier aus hatte man einen hervorragenden Blick auf den Fluss und die Stelle, an der ich gesessen hatte. Bei dem Gedanken schoss mir ein stechender Schmerz durch meinen gesamten Körper. Ich betrat das Zimmer gerade so weit, bis ich die Tür schließen konnte. Dann wartete ich. Nach einiger Zeit drehte Edward sich zu mir um und ging auf mich zu. Er setzte sich auf das schwarze Sofa, das im Zimmer stand, und winkte mich zu sich. Vorsichtig ging ich darauf zu und setzte mich neben ihn. Er nahm meine Hände in seine und schaute mir tief in die Augen. Er schien einen Moment zu brauchen um sich zu sammeln, dann brachte er mein so innig geliebtes schiefes Lächeln zustande und sagte: „Bella, es tut mir unendlich Leid, dass ich dich vorhin so angeschrieen habe. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, aber du bedeutest mir alles und die Angst, du könntest zu dem Monster werden, das ich einst war, hat mich einfach verrückt gemacht. Ich hätte vorhin nicht so einfach weggehen sollen, aber...Was du gesagt hast, war genau das, was ich die ganze Zeit über befürchtet habe, und das war zu viel für mich. Ich hätte dir mehr vertrauen sollen und erst gar nicht damit anfangen sollen, dir verbieten zu wollen, nach Port Angeles mitzugehen. Natürlich kannst du mit Alice und Rosalie nach Port Angeles fahren, aber wir sollten vorher noch Jagen gehen, damit das Risiko verringert wird. Es tut mir Leid, Bella.“ Er schaute mir immer noch tief in die Augen, nahm dabei mein Gesicht in seine Hände und er zog es zu seinem, doch bevor wir uns küssten, schüttelte ich seine Hände ab und wich ein Stück zurück. Er schaute mich verwundert an. „Kannst du mir nicht verzeihen? Meintest du das vorhin wirklich ernst? Dann...“ Ich unterbrach ihn schon wieder, indem ich meinen Finger auf seine Lippen legte und sagte: „Nein, ich kann dir verzeihen. Das vorhin meinte ich auch nicht ernst, aber ich schulde dir trotzdem eine Entschuldigung. Edward, es tut mir so Leid, was ich gesagt habe. Es war nicht meine Absicht, dich derart zu verletzen, und ich bereue es auch, ganz ehrlich. Wir haben uns beide dumm verhalten. Ich hätte auf dich hören sollen, denn du hast die Erfahrung, nicht ich. Wenn du meinst, ich bin noch nicht so weit, dann werde ich warten. Ich nahm meine Finger von seinen Lippen und lächelte ihn an. Wieder nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich. Es war kein üblicher, zaghafter Kuss; in ihm lag Vergebung und Entschuldigung zugleich. Seit meiner Verwandlung waren seine Küsse im Allgemeinen nicht mehr so vorsichtig, aber dennoch hielt ich mich meist zurück; es war einfach die Gewohnheit. Trotzdem unterschied sich dieser von allen bisherigen. Er war süßer; es lag die Süße der Vergebung darin. Viel zu kurz kam mir dieser Moment vor, als sich unsere Lippen wieder voneinander lösten, aber dennoch konnte man so einen Kuss nicht wiederholen. Dazu waren die Umstände zu einzigartig und sie sollten es auch bleiben. Edward legte wieder einen Arm um meine Schulter und zog mich fest an sich, mit der anderen Hand strich er mir über mein Gesicht. Ich genoss die Berührung wie immer. Dann sagte er: „Ich liebe dich.“ Ich wusste, dass er das tat, aber es war dennoch schön, es zu hören. „Ich weiß. Ich liebe dich auch“, sagte ich. Edward lächelte sein schiefes Lächeln und sagte: „Ich weiß.“ Jetzt mussten wir beide anfangen zu lachen. Ich weiß nicht, wie lange wir so dasaßen. Aber irgendwann legte ich meinen Kopf an Edwards Schulter und schloss die Augen. Mir war bewusst, dass ich nicht schlafen konnte, und es war so einfacher, ihn nur zu riechen, nur zu spüren. Ich genoss das Gefühl, ganz nah bei ihm zu sein, doch auf einmal spürte ich Edwards Schulter nicht mehr; sein Arm glitt von meiner Schulter, und auch das Sofa, auf dem wir saßen, schien zu verschwinden. Als ich meine Augen öffnete, war ich nicht mehr in unserem Zimmer, sondern in einem Wald. Die herrschende Dunkelheit kam nicht mehr von der Nacht, sondern von den Bäumen, die mit ihren Blättern die Sonne aussperrten. Tiefer im Wald waren zwei Gestalten, die eine sehr viel größer als die andere. Ich konnte sie nicht genau erkennen, dazu war es zu dunkel, also ging ich ein paar Schritte auf sie zu, bis ich klare Sicht hatte. Ich schlug Äste und Blätter beiseite, um den Weg frei zu machen, und endlich konnte ich die zwei Personen erkennen. Als ich sie erkannte stockte mir der Atem. Es waren Edward und Jacob die sich gegenüber standen. Als sie mich bemerkten, meinten beide: „Bleib weg, Bella.“ Dabei ließen sie sich nicht aus den Augen. Was hatten sie vor? Ich wollte gerade zu ihnen gehen, als Jacob nach vorne schoss, sich in der Luft verwandelte und direkt auf Edward zuflog Edward konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite springen. Sobald sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatten, sprangen sie wieder aufeinander zu. Sie schlugen und bissen nach dem jeweils anderen und fügten sich damit schwere Verletzungen zu. Blut rann über Jacobs Arme und seine Schultern, und auch Edward keuchte, während er einen kurzen Blick auf seinen Unterarm warf, dessen Haut fürchterlich aufgerissen, von Jacobs Wolfszähnen war. Kaum hatten sie ein paar Atemzüge lang dagestanden, als sie schon wieder angriffen. Pelz von Jacob wirbelte durch die Luft; es waren nur noch Fetzen. Ich hörte das grauenhafte Geräusch von schnappenden Kiefern und das Zerren und Reißen, wenn einer der Kontrahenten zubeißen konnte. Keiner von beiden schien die Oberhand zu haben; Jacob taumelte mittlerweile mehr, als dass er ging, und auch Edward schien Mühe zu haben, sich noch auf den Beinen zu halten. Von der einstigen Eleganz ihrer Bewegungen war nicht einmal mehr ein Hauch zu sehen. Ich stand wie gelähmt da und starrte auf das entsetzliche Schauspiel, als es mir wieder einfiel: Sie kämpfen. Paris fällt. Ich konnte nicht erkennen, wer am Gewinnen war, aber es war mir auch egal. Ich wusste nur, dass ich sie aufhalten musste, um jeden Preis. Ich rannte los, auf die beiden zu, als plötzlich Victoria vor mir auftauchte. Ich hatte sie gar nicht bemerkt. Es war klar, was - oder besser, wen - sie wollte. Sie wollte mich. Sie wollte meinen Tod. Mit Victorias Erscheinen war das Gemetzel zwischen Werwolf und Vampir schlagartig beendet. Edward und Jacob war egal, was aus ihrem Kampf wurde, denn sie wollten mich retten. Ohne auch nur ein Wort zu verlieren, teilten sie sich auf. Ihre Feindschaft war auf einmal vergessen. Jacob stürzte sich auf Victoria und Edward wollte mich mit sich reißen; ich spürte, was er dachte. Weg aus dem Wald, weg von Victoria, dorthin, wo sie sicher ist, wo sie Jacob nicht helfen konnte, seine eigene Schuld, wenn ihm was passieren würde. Ich wollte nicht gehen, ich musste dableiben, ich konnte nicht zulassen, dass Jacob alleine gegen Victoria kämpfte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er ihr unterlag. Er hatte keine Chance. Er war zu sehr geschwächt aus dem Kampf mit Edward. Ich musste ihm helfen. Gemeinsam würden wir es vielleicht schaffen, sie zu besiegen, und wenn nicht, dann hatte ich wenigstens nicht tatenlos zugesehen. Aber Edward ließ mir keine Wahl. Als er merkte, dass ich nicht freiwillig mitgehen wollte, hob er mich auf seine Arme und trug mich fort. Ich wehrte mich und flehte ihn an, mich herunter zu lassen, doch es war vergebens. Das Letzte, was ich von Jacob und Victoria sah, war, wie Jacob sich zu einem weiteren Angriff vorbereitete und sie ansprang. Ich schrie noch einmal seinen Namen, doch es war schon zu spät, er verschwand hinter einen Baum und damit aus meinem Blickfeld. Dann wurde alles dunkel und ich spürte, dass ich irgendwo zusammengekauert auf der Seite lag. Tränen flossen mir übers Gesicht. Ich öffnete meine Augen und sah Edward neben mir knien. Er hatte einen verzweifelten Blick in den goldenen Augen und ich sah ihm an, dass er nicht wusste, was er tun sollte. Ich sah auch ein Paar Füße neben ihm stehen. Sie waren groß und klobig, womit ich sie sofort als Emmetts Füße identifizierte. Damit stellte sich gleichzeitig eine große Frage: Was machte er hier? Und noch viel wichtiger: Was machte ich hier? Erst jetzt fiel mir auf, dass ich am ganzen Körper zitterte. Fröstelnd schlug ich die Arme um mich. Dann hörte ich jemanden ins Zimmer stürmen. „Was ist passiert?“, hörte ich Carlisle aufgebracht sagen. Er war ins Zimmer gekommen. Auch er kniete sich nun neben mich und legte mir die Hand auf die Stirn. „Ich weiß es nicht. Sie hat einfach das Bewusstsein verloren, ist vom Sofa gefallen, hat sich zusammengekauert und plötzlich angefangen zu schreien. Dann kam das Weinen. Carlisle, was hat sie nur?" Edward war aufgebrachter, als ich ihn je gesehen hatte; blanke Panik lag in seiner Stimme. „Seit wann zittert sie so?“, fragte Carlisle. „Erst, seitdem sie die Augen geöffnet hat.“ Es war nun nicht Edward, der antwortete, sondern Alice. Ich hob den Kopf, um zu sehen, wer alles da war, und erkannte, links neben Emmett stehend, Rosalie, neben ihr stand Esme, wiederum daneben Alice. Jasper stand rechts neben Emmett. Ich schaute nach und nach in ihre Gesichter und sah, dass in allen Sorge lag. Dann blickte ich wieder zu Edward, und sofort waren die schrecklichen Bilder wieder da. Ich fing an, noch stärker zu zittern. Als Edward das bemerkte, nahm er mich in den Arm. Ich legte meinen Kopf an seine Brust und begann bitterlich zu schluchzen. „Bella, was ist passiert?" Es war Carlisle, der versuchte, seine Sorge zu verbergen. „Ich... ich weiß es nicht... Es war alles so schlimm..." Mehr brachte ich nicht hervor. Ich versuchte, meine Stimme wieder zu finden. Aber es gelang mir nicht auf Anhieb. „Edward, versprich mir, dass du nicht in den Wald gehen wirst, um gegen Jacob zu kämpfen! Versprich es mir, ja?“ „Wovon redest du da, Bella? Warum sollte ich das tun?", fragte er verwirrt. „Versprich es einfach.“ „Ich verspreche es dir, Bella. Aber jetzt sag doch, was passiert ist!“ Wieder kamen die Bilder in mir auf, und wieder folgte darauf ein neuerliches Zittern. Ich spürte, wie jemand seine Hand auf meine Schulter legte; ich drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Hand kam und erkannte, dass es Jasper war. Ich wusste, was er plante, und ich dachte mir nur: Bitte nicht jetzt. Bitte, Jasper, lass es sein. Warum kann deine Fähigkeit nicht einmal nicht wirken? Ich machte mich darauf gefasst, von einer Welle der Ruhe durchströmt zu werden, aber alles, was passierte, war, dass der Druck auf meine Schulter größer wurde. Überrascht riss ich die Augen auf. Alle sahen gespannt von Jasper zu mir und wieder zurück. Nach einem Augenblick meinte Jasper perplex: „Ich... Ich kann sie nicht beruhigen, ich kann meine Fähigkeit nicht mehr benutzen!“ „Bei uns allen, oder nur bei Bella nicht?“, fragte Alice mit tellergroßen Augen. „Bei...keinem. Ich kann sie bei niemandem von euch einsetzen.“ Nun schauten mich alle verdutzt an. Ich selber war fassungslos wegen dem, was eben geschehen war. Erst dieser merkwürdige Traum, und jetzt das. „War ich das etwa?“, fragte ich verwundert. Bestimmt war ich es, wer auch sonst? Schließlich hatte ich mir erst einen Moment zuvor genau das gewünscht! Aber wieso konnte ich das? War dies meine besondere Fähigkeit? Wenn ja, dann schien irgendetwas nicht mit mir zu stimmen. Erst Gedankenlesen. Dann der Traum (oder war er vielleicht gar keiner gewesen? Eine Zukunftsvision, wie Alice sie hatte?). Und jetzt das. Was sollte das? Wieder fing ich an zu zittern. Mittlerweile machte ich mir richtig Sorgen um Edward und Jacob. Ich betete, dass meine zweite Vermutung sich als falsche erweisen würde. Carlisles Worte rissen mich aus meinen düsteren Gedanken. „Bella, du musst uns jetzt alles erzählen. Es ist wichtig, hörst du? Hast du deine besondere Fähigkeit schon erkannt, und wenn ja, was ist es für eine?“ „Ich dachte bis eben, dass ich nur Gedanken lesen kann. Das habe ich irgendwann nach der Verwandlung gemerkt. Und jetzt hatte ich so eine Art Traum; ich glaube, es war eine Vision. Aber ich kann mir nicht erklären, was mit Jasper passiert ist. Ich habe mir nur gewünscht, dass er seine Fähigkeit jetzt nicht einsetzen kann, das ist alles.“ „Interessant“, murmelte Carlisle vor sich ihn. Auch er schien sich nicht erklären zu können, was geschehen war und warum ich allem Anschein nach so viele Fähigkeiten besaß. „Aber das ist doch großartig“, verkündete Alice freudestrahlend. „Mit so einer Fähigkeit in der Familie wird man uns nichts anhaben können.“ „Wie meinst du das?“, fragte Rosalie, die anscheinend genau wie ich nicht begriff, wovon Alice da sprach. „Na, ist doch ganz klar: Unsere liebe Bella hat nicht nur eine besondere Fähigkeit, sondern drei. Und nicht nur das; es sind auch noch sehr nützliche, und besonders die letzte fasziniert mich...“ Sie dachte kurz nach, vermutlich, um zu verstehen, was genau es mit meiner anscheinend faszinierendsten Fähigkeit auf sich hatte. Plötzlich sah sie so aus, als hätte sie begriffen, was geschehen sein musste. Sie schien nur noch nach den richtigen Worten zu suchen. „Allem Anschein nach kann Bella... die Fähigkeiten anderer ausschalten.“ Ihr Grinsen wurde noch breiter, als sie sah, dass selbst Carlisle dies noch nicht erkannt hatte. „Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, für wie lange die Kräfte blockiert werden.“ Nun sah sie Jasper an, als wäre er ihr persönliches Versuchskaninchen. Jasper bemerkte dies und warf ihr einen bösen Blick zu, doch dies schien sie nicht zu interessieren. Einen Augenblick lang überlegte ich, ob sie es überhaupt bemerkt hatte. Dann sah ich aber, wie sie ihm einen entschuldigenden Blick zuwarf, bevor sie weiter sprach: „Bella muss nur lernen, sie in den Griff zu bekommen.“ Nun schienen auch alle anderen zu begreifen und sie freuten sich über diese Neuigkeit - bis auf eine. Ich konnte Rosalie förmlich ansehen, wie sie vor Eifersucht kochte. Warum musste mich das Schicksal so bestrafen? Jetzt kamen wir endlich friedlich und halbwegs gut miteinander aus, und jetzt so etwas. Was hatte ich nur getan? Womit hatte ich das verdient? Sollte das die Strafe dafür sein, dass ich einen Vampir liebte? Das war nicht fair! Nachdem sich die Aufregung über meine Fähigkeiten gelegt hatte, fielen alle nach und nach wieder in ihren normalen Arbeitstrott zurück. Während sie aus dem Zimmer verschwanden, hob Edward mich hoch und setzte sich mit mir auf das Sofa, auf dem wir zuvor gesessen hatten. Ich merkte erst spät, dass die Sonne schon aufgegangen war; zu sehr war ich mit den Gedanken an meine Vision beschäftigt. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte die Bilder nicht loswerden. Ich sah immer wieder, wie sich Jacob auf Victoria stürzte um mich zu retten. Und dabei starb. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)