Weichen für die Zukunft von Weissquell (Fortsetzung zu "Alte Rechnungen", Überleitung zu "20 Jahre Später") ================================================================================ Kapitel 1: Der Telefonanruf --------------------------- Fast ein halbes Jahr ist vergangen seit den Ereignissen nach denen Yugis anderes Ich, der Pharao, endlich ins Jenseits übergegangen ist. Für seine Freunde ist es trotz allem ein schwerer Schlag gewesen, doch sie bemühen sich zu einem geregelten Alltagsleben zurück zu gelangen. Für einen der damals Beteiligten stellt dieses Unterfangen keine größere Herausforderung da. Nein, Seto Kaibas Leben ist längst wieder zur Normalität zurückgekehrt. Kein Wunder, schließlich hat er mit der Leitung seiner Firma und dem Ausbau seines Kaiba-Lands alle Hände voll zu tun. Besonders jetzt türmen sich bei ihm wieder die Probleme, so dass er keine Zeit hat, irgendwelche Gedanken an Dinge zu verschwenden die auch nur im Entferntesten mit dem Wort ‚Ägypten’ zu tun haben. Gerade verlässt er den Fahrstuhl zu seiner Chefetage und steuert mit festem Schritt auf sein Büro zu. Neben ihm läuft sein Bruder Mokuba und beobachtet ihn aus den Augenwinkeln, während er versucht mit den langen Schritten seines Bruders mitzuhalten. Ohne sich um den Kleinen näher zu kümmern rauscht Seto Kaiba am Schreibtisch seiner Sekretärin vorbei. „Keine Anrufe! Ich will nicht gestört werden!“, meint er barsch. Ein hastiges Nicken ist die Antwort, doch Kaiba beachtet es nicht weiter. Nur wenig später schließt sich auch schon die große Holztür hinter ihm und Mokuba und die junge Frau ist sich klar darüber, dass es besser ist, den Anweisungen ihres Chefs Folge zu leisten. Seto Kaiba nimmt an seinem Schreibtisch Platz, während Mokuba sich auf einen Drehstuhl in der Ecke lümmelt und seinen Bruder im Auge behält. Ohne seinen Bruder großartig weiter zu beachten, richtet Kaiba seine Aufmerksamkeit nun auf einen großen Stapel an Unterlagen und beginnt sie durchzuarbeiten. Währenddessen macht sich Mokuba die Drehfähigkeit des Stuhles zunutze um sich lustlos im Kreis herum zu drehen. Ihm ist langweilig. Hin und wieder hält er inne und schielt zu seinem Bruder hinüber. Seto beachtet ihn nicht. Offenbar ist er völlig in seine Unterlagen vertieft. Innerlich seufzt Mokuba. Das Leben eines Unternehmers scheint wirklich nur wenig Zeit für Spaß zu lassen. Es ist schon eine ganze Weile her, dass sein Bruder einmal Zeit für ihn gehabt hat. Wirklich seltsam. Seit der Sache mit Yugi damals, scheint sein Bruder sich nur noch in Arbeit zu vergraben. Früher hat er sich doch wenigstens noch hin und wieder für etwas begeistern können. Fast vermisst Mokuba schon die ständige Rivalität seines Bruders mit Yugi, oder besser gesagt, mit dem Geist seines Millenniumspuzzles. Er versteht zwar noch immer nicht alles was damals abgelaufen ist, aber was er weiß ist, dass sein Bruder zumindest voller Leben und Leidenschaft gewesen ist solange er noch mit Yugi konkurriert hat. Wieder seufzt er leise. Leider sieht das nun anders aus. Seto scheint nur noch Augen und Ohren für seine Arbeit zu haben und über Yugi und die Anderen kommt kein Sterbenswörtchen über seine Lippen. Fast wünscht Mokuba er könnte irgendetwas tun damit sein Bruder nicht vollständig in seinem Büro versauert. Irgendwie muss es ihm doch gelingen, dass er sich wieder für irgendetwas begeistern kann. Schließlich fasst er sich ein Herz. „Seto?“, meint er während er sich auf seinem Stuhl leicht vor und zurückdreht. Kaiba schaut auf: „Was?“ „Du bist in den letzten Wochen ständig am Arbeiten gewesen. Willst du nicht auch mal irgendwann ne Pause machen? Wir... könnten ja erst mal was essen gehen. Es ist doch auch schon fast Nachmittag.“ Doch Kaiba wendet sich wieder seiner Arbeit zu: „Das geht jetzt nicht, Mokuba!“, meint er bestimmt, „Ich habe noch einen Haufen Arbeit heute zu erledigen und der macht sich ja schließlich nicht von selbst. Wenn du Hunger hast kannst du dir ja was bestellen.“ Damit tippt er weiter auf seinen Computer ein. „Willst du gar nichts essen?“, versucht der Kleine es erneut, „Du hast in den letzten Tagen doch schon kaum was gegessen. Du hast doch bloß noch deine Arbeit im Kopf.“ Mit einem leicht genervten Seufzer lässt Seto erneut die Hände sinken. „Lass das mal lieber meine Sorge sein! Im Moment hab ich für so was einfach keine Zeit. Unsere Firma hat im Augenblick einige massive Probleme. Glaubst du vielleicht die lösen sich von alleine? Ganz sicher nicht. Da muss man schon selbst Hand anlegen.“ „Was denn für Probleme?“, will Mokuba nun wissen. Kaiba versteift sich gereizt. „Unsere Forschungsabteilung ist mit dem neuen Software-System im Rückstand und die Einnahmen aus Kaiba-Land gehen zurück, weil wir keine neuen Techniken präsentieren können. Hinzu kommen noch eine ganze Reihe kleinerer Probleme die für sich betrachtet vielleicht nicht so schlimm sind aber die dennoch schwer wiegen weil sie sich gegenseitig bedingen und ich habe nun alle Hände voll zu tun um das alles wieder ins Lot zu bringen und deshalb kann ich meine Zeit einfach nicht mit solchen Banalitäten wie Essen oder Freizeit vergeuden! Tu mir darum bitte den Gefallen und halt dich aus meinem Terminkalender raus! Ich hab schon genug um die Ohren.“ Leicht geknickt schaut Mokuba zu seinem Bruder hinüber. Er scheint im Moment wirklich keine gute Laune zu haben. Im Gegenteil. Seto Kaiba gibt sich so kühl und unnahbar wie schon lange nicht mehr und es ist unwahrscheinlich, dass daran in nächster Zeit in irgendeiner Weise dran zu rütteln ist. Nein, der Chef der Kaiba-Corporation wird dem Ruf eines gefühlskalten Geschäftsmann mehr als gerecht. In diesem Moment klingelt das Telefon und Mokuba zuckt ein wenig zusammen als der Klingelton die nur vom Computergetippe unterbrochene Stille im Büro zerreißt. Ziemlich schlecht gelaunt nimmt Kaiba den Hörer ab. „Ich hatte doch gesagt, dass ich keine Anrufe wünsche!“, meint er ärgerlich ins Telefon. „Tut mir wirklich leid, Kaiba-sama“, ertönt die Stimme der Sekretärin, „Aber der Anrufer ließ sich leider nicht abwimmeln.“ Kaiba fährt sich genervt mit der Hand über die Stirn und seufzt. „Muss das jetzt unbedingt auch noch sein?“, murmelt er leise. Laut sagt er jedoch: „Also schön, wer ist es denn?“ „Die Präsidentin von Gigatech-Enterprise“, gibt die Sekretärin folgsam Auskunft, „Sie sagte es sei wichtig.“ Seto Kaiba erbleicht. Einen langen Augenblick bringt er kein Wort heraus. Täuscht Mokuba sich oder ist seinem Bruder gerade beinah der Hörer aus der Hand gefallen vor Schreck. Es dauert einen Moment ehe er sich wieder einigermaßen gefasst hat, dann greift er den Hörer wieder fester. „Sagen sie ihr, ich bin beschäftigt!“, meint Seto Kaiba hastig, dann knallt er den Hörer auf die Gabel. Aufmerksam hat Mokuba seinen Bruder im Auge behalten. „Wer war es denn?“, fragt er schließlich neugierig. Seto Kaiba sitzt noch immer fast wie erstarrt da. „Niemand!“, sagt er schließlich. Mit großen Augen beobachtet Mokuba ihn. „Ist alles In Ordnung mit dir, Seto?“ Erst scheint dieser ihn nicht gehört zu haben, doch dann meint er: „Ja, alles in Ordnung! Mach dir keine Gedanken!“ Doch der Blick den sein Bruder ihm nun zuwirft lässt deutlich erkennen, dass die Bemerkung eben nicht gerade überzeugend geklungen hat. Kapitel 2: Das Wiedersehen -------------------------- Seit dem Vorfall im Büro sind ein paar Tage vergangen, aber noch immer geht er Mokuba nicht aus dem Kopf. Dieser Anruf hat seinen Bruder ziemlich überrascht, das steht fest. Mehr noch, er schien ihn ziemlich schockiert zu haben. Wer oder was könnte seinem Bruder einen solchen Schrecken einjagen?, fragt Mokuba sich immerzu. Aber er wagt nicht seinen Bruder darauf anzusprechen. So wie es aussieht versucht Seto Kaiba es so aussehen zu lassen, als sei dieser Anruf niemals geschehen. Wieder einmal sitzen die beiden Kaibas in Setos Büro und der Junge hofft insgeheim jeden Tag, dass dieser geheimnisvolle Anrufer sich ein weiteres Mal meldet. Doch bisher bleibt seine Hoffnung unerfüllt. Sein Bruder brütet weiter über Unterlagen, Daten und Akten und außer über seine Arbeit ist kein Wort aus ihm heraus zu bringen. Inzwischen ist es später Nachmittag geworden. Da auf einmal dringt vom Flur her eine Art Tumult durch die dicke Bürotür nach innen. Schwach vernimmt man die Stimme der Sekretärin. „Tut mir leid! Sie können dort nicht hinein!“ Doch sogleich ist eine weitere Stimme zu hören. Sie klingt ärgerlich, entschlossen und unverkennbar weiblich. „Das werden wir ja sehen! Wenn dieser Kerl glaubt, dass er mich weiter so abwimmeln kann, hat er sich aber schwer geirrt!“ Erneut ist die Sekretärin zu hören: „Ich bitte sie! Kaiba-sama wünscht wirklich nicht gestört zu werden! Ich darf niemanden zu ihm lassen.“ Doch schon kommt die geringschätzige Antwort: „Das kann ich mir denken! Aber da unterschätzt er mich gewaltig. Aus dem Weg! Es wird Zeit, dass ich ein paar Takte mit ihm rede!“ Einen Momentlang ist nichts mehr zu hören. Mokuba schielt nun abwechselnd zur Tür und wieder hinüber zu seinem Bruder. Seto Kaiba hat sich von seinem Stuhl erhoben und steht nun wie erstarrt da, den Blick unverwandt auf die Tür gerichtet. Fast erscheint es, als müsse er schwer mit sich ringen um die Fassung zu waren. Offenbar kennt er die Stimme auf der anderen Seite des dicken Eichenholzes. Schließlich wird die Tür mit einem entschlossenen Griff geöffnet und herein kommt eine junge Frau in einem eleganten Geschäftskostüm. Ihre braunen Haare sind zu einem Pferdeschwanz gebunden und ihre grünen Augen durchforschen aufmerksam den Raum, bis sie auf Seto Kaiba fixiert stehen bleiben. Dann schwingt sie die Tür hinter sich wieder zu durch deren Rahmen gerade die Sekretärin einen unbehaglichen Blick ins Innere wirft. Nun verschränkt sie die Arme während sie Kaiba einen abschätzenden aber ernsten Blick zuwirft. Einen Momentlang herrscht Schweigen im Raum. Schließlich meint die Neuangekommene: „Du scheinst offenbar nicht damit gerechnet zu haben, mich noch einmal wiederzusehen, Seto Kaiba! Aber letztendlich ist das auch nicht dein Verdienst. Dachtest du wirklich du könntest das verhindern indem du mich einfach ignorierst?“ Wie gebannt schaut Mokuba abwechselnd zu der Frau und wieder zu seinem Bruder. Er ist sich nicht sicher, aber irgendwoher kennt er sie. Eine Weile sagt Seto Kaiba kein Wort. Hinter seiner Stirn scheint es schwer zu arbeiten. Schließlich strafft er sich. „Ein ziemlich dramatischer Auftritt!“, meint er ernst, „Aber das war von dir ja auch nicht anders zu erwarten, Atsumi.“ Die junge Frau verdreht die Augen. „Oh bitte, warum jetzt auf einmal wieder so förmlich, Seto? Ich dachte, das hätten wir längst geklärt.“ Nun scheint es, dass Kaiba zu seinem Konzept zurückfindet und wieder seine gewohnt überlegene Mine aufsetzt. „Denk was du willst“, meint er, „aber das ändert noch lange nichts an der Realität. Und Tatsache ist, dass du hier einfach ohne Termin hereingeplatzt bist und ich im Moment keinerlei Zeit oder Interesse daran habe mich mit dir abzugeben!“ Nun sieht man wie die junge Frau zusammenzuckt und für einen kurzen Moment entgleiten ihr die Gesichtszüge, doch dann atmet sie einmal durch und wird wieder ernst. „Ich verstehe. Du ziehst es wieder einmal vor, die Vergangenheit zu verdrängen. Du hast dich wirklich in dem einen Jahr kein bisschen verändert.“ Doch Kaiba wehrt schroff ab: „Hör auf! Fang jetzt nicht wieder mit diesen alten Geschichten an. Ich habe wirklich kein Interesse daran, noch einmal über das zu reden was damals geschehen ist, also halt dich gefälligst zurück!“ Mit ernstem Blick mustert die Frau den jungen Mann gründlich. Schließlich sagt sie: „Aus diesem Grund bin ich aber hier, oder hast du etwa dein Versprechen von damals inzwischen auch schon vergessen?“ Kaiba ballt die Faust. Dann sagt er: „Nein, hab ich nicht. Mir ist schon klar, dass du deshalb hergekommen bist.“ Doch die junge Frau schnaubt nur kurz auf: „Vergessen vielleicht nicht, aber verdrängt, wette ich. Gib es zu, wenn ich nicht hergekommen wäre, hättest du doch versucht es auszusitzen und totzuschweigen.“ Ein wenig unbehaglich schaut Seto Kaiba zur Seite. Wenn er ehrlich sein sollte, käme diese Unterstellung der Wahrheit ziemlich nah. Doch das wird er ihr gegenüber ganz sicher nicht eingestehen. Nun schaut er wieder auf. „Das hättest du wohl gerne“, erwidert er, „Aber der Grund dafür ist ganz einfach die Tatsache, dass ich bisher dafür keine Zeit gefunden habe.“ Ein durchdringender Blick ist die Quittung dieser Aussage. Die junge Frau legt den Kopf schief: „Nette Ausrede! Kauf ich dir aber nicht ab.“ Seto Kaiba atmet einmal durch. Dann setzt er sich demonstrativ wieder an seinen Schreibtisch. „Wie ich schon sagte, ich habe jetzt keine Zeit mich mit der Sache zu befassen. Ich habe eine Firma zu leiten und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du jetzt mein Büro verlassen könntest, damit ich weiterarbeiten kann. Die Angelegenheit wird warten müssen.“ Mokuba ist überrascht. Unter diesen Umständen ist dies eine überaus höfliche Ablehnung von Seiten seines Bruders. Wenn er doch nur wüsste was das Ganze zu bedeuten hat und wenn er sich doch nur erinnern könnte woher er diese Frau kennt. Zunächst steht die junge Dame ein wenig ärgerlich aber unschlüssig da, doch dann kommt wieder Leben in sie. Sie tritt an den Schreibtisch heran und blickt Kaiba entschlossen ins Gesicht. „Damit gebe ich mich nicht zufrieden! Es ist beinah ein Jahr her, seit du dein Versprechen gegeben hast. Wie lange willst du Ihn eigentlich noch warten lassen?“ Kaiba senkt den Blick auf seine Unterlagen: „Solange es eben dauert. Ehe meine Firma das neue Holographiesystem nicht fertiggestellt hat, habe ich für sonstige Eskapaden keine Zeit.“ Für einen Moment scheint der jungen Frau die Sprache wegzubleiben. Ungläubig starrt sie ihn an. Dann schüttelt sie den Kopf: „Oh Seto, warum machst du es dir eigentlich immer so schwer? Dir fehlt ein neues Holosystem? Warum um alles in der Welt hast du dich dann nicht einmal gemeldet? Muss ich dich daran erinnern was der andere Teil unserer Abmachung gewesen ist?“ Seto Kaiba gibt sich alle Mühe sie zu ignorieren. Nein, er hat es nicht vergessen und ein paar Mal hat er auch mit dem Gedanken gespielt, darauf zurückzugreifen, doch bisher hat er sich einfach nicht überwinden können. Zwar hätte das einige seiner Probleme beiseite geräumt, aber das hätte auch bedeutet, sich wieder mit der Angelegenheit von damals auseinander zu setzen und das wollte er tunlichst vermeiden. „Ich bin auf deine Hilfe nicht angewiesen“, sagt er nun, „Meine Firma schafft das auch alleine.“ Ernst schaut sie ihn an. Dann sagt sie: „Aber Er schafft es nicht alleine! Er braucht deine Hilfe und du hast versprochen sie ihm zu geben. Ich weiß, dass du nicht gerne daran erinnert wirst, aber du lässt mir keine Wahl!“, sie atmet einmal tief durch und fährt dann fort, „Ich habe dich damals fair besiegt und du hast versprochen ihm zu helfen. Es wird Zeit, dass du zu deinen Zusagen stehst. Hör auf es weiter vor dich herzuschieben! Außerdem“, sie verschränkt die Arme, „ich bin sicher, sobald du seine Daten entwirrt hast, wird er dir aus Dankbarkeit ganz sicher bei euren Systemproblemen helfen und du hättest auf einen Schlag gleich mehrere Probleme gelöst. Hört sich das für dich wirklich so sehr nach Zeitverschwendung an?“ Seto Kaiba ballt unwillkürlich die Faust. Er hatte gehofft, dass dieses Thema nie wieder zur Sprache kommen würde, aber wie es aussieht, holt ihn die Vergangenheit erneut ein. Offenbar bleibt ihm keine andere Wahl als diese Sache endgültig zu erledigen. Vielleicht hat er dann endlich seine Ruhe. Aber was auch immer passieren wird, auf keinen Fall wird er sich noch einmal auf so eine emotionale Ebene wie damals hinab begeben. Diese Angelegenheit wird sachlich und professionell ablaufen und nichts was diese Frau tut, wird ihn davon abbringen, das steht für ihn fest. Verdammt, er darf sich einfach niemals wieder eine solche Blöße geben. Er seufzt leicht verstimmt. „Also schön. Ich werde mich darum kümmern. Ich komme morgen in euer Labor. Und ich rate dir, dass dann besser schon alles vorbereitet ist. Ich habe nämlich keine Lust, mehr Zeit als nötig auf die Rekonstruktion von diesem kleinen Großmaul zu verschwenden.“ Kopfschüttelnd betrachtet sie ihn: „Sag doch nicht so was. Noah ist immer noch dein Bruder. Du solltest dich wirklich langsam wieder mit ihm vertragen.“ Seto schnaubt auf: „Danke, ich verzichte! Ich mach das nur weil ich es versprochen habe, aber jede Geste der Zuneigung zu diesem Zwerg wäre ein Verrat an mir und meinem Bruder und steht außer jeder Frage! Ich habe noch nicht vergessen was er getan hat und... wer noch gemeint ist, wenn man momentan von ihm redet.“ „Was hat denn Noah damit zu tun?“, unterbricht plötzlich Mokubas irritierte Stimme die Debatte der beiden, „Ich dachte Noah wäre tot. Er ist doch damals mit seiner Virtuellen Realität in die Luft geflogen.“ Die junge Frau schaut den Kleinen groß an, dann wendet sie sich wieder Kaiba zu. „Du hast es ihm nicht erzählt? Wirklich, ich bin enttäuscht von dir, Seto!“ „Mir was nicht erzählt?“, fragt Mokuba verwirrt seinen Bruder. Dieser meidet seinen Blick. Einen Augenblick lang wird Kaiba von zwei Augenpaaren gefangengehalten. Dann wendet sich die junge Frau zum Gehen. „Ich finde er hat ein Recht es zu erfahren, aber du musst eben tun, was du für Richtig hältst“, sie geht auf die Tür zu und dreht sich noch einmal um, „Ich erwarte dich morgen in meiner Firma. Stell dich besser darauf ein, dass ich wiederkomme wenn du nicht auftauchst.“ Mit diesen Worten verlässt sie das Büro wobei sie die Tür betont ruhig hinter sich schließt. Innerlich seufzt Seto tief. Das ging gerade noch mal gut. Eigentlich hatte er sich ihr Wiedersehen anders vorgestellt gehabt. Und vor allem... viel später. Eigentlich war er noch nicht bereit gewesen ihr wieder gegenüberzutreten. Warum drängt sie jetzt so darauf? Noch immer ertappt er sich dabei, dass er über die damaligen Ereignisse nachgrübelt. Kann sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Das würde doch alles viel einfacher machen. „Wer war diese Frau?“, unterbricht Mokubas Stimme seine Grübeleien, „Was meinte sie mit: Ich hätte ein Recht es zu erfahren?“ Kaibas Blick geht zu seinem Bruder hinüber. „Das braucht dich nicht zu interessieren, Mokuba. Vertrau mir, es ist besser wenn du dich aus dieser Angelegenheit raushältst. Ich werde morgen diese Sache erledigen und dann werden wir nie wieder etwas mit dieser Frau zu tun bekommen, das versichere ich dir!“ Dann wendet Kaiba sich wieder seiner Arbeit zu. Mokuba behält ihn jedoch schweigend im Auge. Irgendwie sagt ihm sein Gefühl, dass es besser wäre wenn diese Atsumi nicht so bald wieder aus ihrem Leben verschwinden würde. Er spürt, dass das Auftauchen dieser Frau einen wunden Punkt bei seinem Bruder getroffen hat und er ertappt sich dabei, dass er fast froh darüber ist, dass sein Bruder überhaupt noch wunde Punkte hat. Kapitel 3: Das Versprechen -------------------------- Am Vormittag des nächsten Tages hält eine Limousine der Kaiba-Corporation vor dem Firmengebäude von Gigatech-Enterprise und Seto Kaiba steigt aus. In der Hand hält er einen stabilen Aktenkoffer und mit festen Schritten und ernstem Blick geht er auf das Gebäude zu. In der Eingangshalle kommt ihm ein junger Mann entgegen und begrüßt ihn mit ausgesprochener Höflichkeit. „Willkommen Kaiba-sama! Ich bin sehr erfreut sie hier in unserer Firma begrüßen zu können. Vielleicht erinnern sie sich noch an mich. Wir haben uns bereits letztes Jahr kurz kennen gelernt. Mein Name ist Hajime...“ „Matsuo!“, beendet Kaiba den Satz unwirsch, „Ja, ich erinnere mich. Lassen wir also die Förmlichkeiten und bringen sie mich lieber gleich zu ihrer Chefin. Meine Zeit ist kostbar.“ Sogleich ein wenig eingeschüchtert aber dennoch nicht weniger zuvorkommend geleitet der Angestellte Kaiba durch die Gänge der unteren Etagen bis zu dem Computerlabor wo die Arbeit stattfinden soll. Kaiba stellt fest, dass er diesmal einen anderen Weg geführt wird als beim letzten Mal. Nun, was auch immer in den nächsten Tagen, denn solange wird es erfahrungsgemäß sicher dauern, passieren wird, er muss wohl nicht damit rechnen, dass es dort unten zu gemütlich wird. Und das ist ihm auch ganz recht so. Schließlich haben sie das Labor hinter der dicken Stahltür erreicht. Sicherheit vom Feinsten, stellt Kaiba fest. Der Raum ist vollgestopft mit technischen Gerätschaften und Computern. An den Wänden und an der Decke sind dicke Kabelstränge und Rohre verlegt. An einem der Terminals sitzt jemand. Kaiba erkennt die Person sofort und seine Mine wird ernst. „Atsumi-san“, meint Matsuo und macht auf sich aufmerksam, „Er ist da!“ Die junge Frau nimmt die Lesebrille ab und dreht sich um. Als sie Kaiba entdeckt, hellt sich ihre Mine auf. Sie erhebt sich von ihrem Platz und kommt den beiden entgegen. „Schön, dass du da bist! Ich war wirklich in Sorge ob du tatsächlich auftauchen würdest.“ Kaiba bedenkt sie jedoch nur mit einem finsteren Blick. „Ich habe gesagt ich komme. Ich stehe zu meinen Zusagen. Spar dir deine Unterstellungen! Und nur noch mal zu deiner Information, ich mach das nur weil ich es versprochen habe aus keinem anderen Grund. Also zeig mir wo das Problem ist und ich erledige es für euch. Und danach bin ich weg und du siehst mich nie wieder, klar?“ Das Gesicht der jungen Frau verliert an Fröhlichkeit. Einen Momentlang sagt sie gar nichts. Dann wendet sie sich an ihren Assistenten: „Sagen sie im anderen Labor bescheid, dass wir bereit sind anzufangen.“ Hastig macht sich der junge Mann daran, die Anweisung auszuführen, mehr als erleichtert der eisigen Atmosphäre zu entkommen, die der junge, hochgewachsene Firmenchef automatisch um sich verbreitet. Abschätzend mustert die junge Frau Kaiba, dann weist sie auf einen Terminal und meint: „Also gut, lass uns anfangen! Kaiba nimmt an dem Computer Platz und wartet darauf, dass Atsumi die entsprechenden Programme aufruft. Sein Blick ist starr auf den Monitor gebannt. Verdammt, warum kann er seine Gedanken nicht davon abhalten, sich wieder an die Ereignisse vor einem Jahr zu erinnern? Ob sie noch genau so denkt wie damals? Er wagt es nicht, zu ihr hinüber zu schauen. Hoffentlich wird die Aufgabe so umfangreich, dass er keine Gelegenheit bekommt sich auf andere unsinnige Gedanken zu konzentrieren. In diesem Moment erscheint auf dem Monitor eine ganze Flut von Daten die sich zu unzähligen, komplexen Netzen und Muster verknüpfen. Seto Kaiba schmunzelt leicht. Das sollte für genügend Ablenkung sorgen. Es ist bereits Abend geworden und Seto Kaiba sitzt noch immer vor dem Computer. Atsumi ist kurz hinausgegangen um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Doch der Präsident der Kaiba-Corp kennt keine Pause. Schon seit Stunden tippt er auf den Rechner ein und prüft die Daten. „Wie sieht’s aus? Kommst du voran?“, fragt Atsumi die gerade wieder hereingekommen ist. In der Hand hält sie eine Kaffeetasse. Kaiba lässt einen Augenblick die Hände sinken. „Das wird kniffliger als ich angenommen hatte“, meint er und ist dabei selbst überrascht über seine Ehrlichkeit, „Das Basisprogramm ist eindeutig von mir. Gozaburo hat mir vielleicht meine Software geklaut und als seine ausgegeben aber meine Programmierhandschrift konnte er nicht verschwinden lassen. Aber das wundert mich nicht. Er musste schließlich deshalb von anderen stehlen weil er es selbst eben nicht draufhatte. „Jedenfalls bekomme ich zwar über das Basisprogramm beschränkt Zugang, aber da ist noch eine immense Flut an Daten die sich nicht zuordnen lassen. Vielleicht kommen sie von dem erweiterten Intellekt von dem der kleine Hosenscheißer damals immer wieder gelabert hat, aber vielleicht sind das auch Seine Datenreste. Es ist unmöglich die beiden von hieraus auseinander zu halten.“ Atsumi seufzt. „Das dachte ich mir. Unsere Techniker haben schon Monate daran zugebracht, aber sie finden sich nicht durch. Die Daten sind einfach zu komplex. Kein gewöhnlicher Mensch wäre in der Lage, zwei kombinierte Persönlichkeitsprofile die sich eine Holomatrix teilen, wieder fehlerfrei auseinander zu tüfteln.“ Kaibas Mine wird ernst: „Du meinst ein aufgeblasenes Persönlichkeitsprofil mit einem Hang zum Größenwahnsinn und einen Haufen Datenschrott! Aber wart es ab, ich bekomm die beiden schon wieder auseinander, denn ich bin kein gewöhnlicher Mensch!“ Die junge Frau lässt den Kopf hängen, dann meint sie leise: „Nein..., das bist du nicht!“ Kaiba verkrampft sich kurz und schaut zur Seite. Dann sagt er scharf: „Komm mir nicht so, Atsumi! Ich weiß worauf du hinauswillst, aber darauf werde ich mich nicht einlassen, hörst du? Ich mach hier meinen Job und dann bin ich weg. Alles weitere schmink dir ab!“ Ärgerlich wendet sich Kaiba wieder seinem Computer zu. Doch auf einmal ist ein kleinlautes „Es tut mir leid!“ hinter ihm zu hören und das überrascht ihn doch ein wenig. „Ich komme von hier aus nicht an die Informationen die ich brauche“, versucht er das Gespräch wieder in andere Bahnen zu lenken, „Ich muss ein paar Tests durchführen und zwar mit dem aktiven Programm.“ „Du willst Noah wieder aufwecken?“, kommt die Rückfrage. Kaiba seufzt leicht. „Wenn du es so nennen willst. Jedenfalls komm ich nur so an die Informationen die ich brauche. Ich schlage vor, das machen wir gleich morgen früh. Heute ist es schon spät.“ Kaiba erhebt sich und ergreift seinen Koffer. Dann wendet er sich zum Gehen. Die junge Frau schaut ihm nicht nach, als er an ihr vorbeigeht. Es kommt auch kein Wort über ihre Lippen. Seto Kaiba ignoriert sie. Nur für einen flüchtigen Moment streift sein Blick ihr Gesicht. Es versetzt ihm einen kleinen Stich als er ihre traurige Mine sieht. Oh verdammt, er kennt diesen Blick. Doch seine regelmäßig trainierte Selbstbeherrschung siegt und erhobenen Hauptes rauscht er an ihr vorbei. Nein, diesmal bekommt sie ihn nicht soweit! Auf keinen Fall! Atsumi steht noch eine ganze Weile da auch nachdem er weg ist. Dann schließlich lehnt sie sich an ein Computerpult und fasst sich an die Stirn. Mehrmals atmet sie tief durch, dann wischt sie sich über die Augen und murmelt: „Was um alles in der Welt tu ich hier eigentlich? Ist es das wirklich wert?“ Dann betrachtet sie nachdenklich ihre feuchten Fingerspitzen und schluckt einmal. Sie kennt die Antwort. Kapitel 4: Das Brudertreffen ---------------------------- Am nächsten Morgen betritt Kaiba erneut das Firmengebäude von Gigatech-Enterprise. Er hat schlechte Laune. Zum einen ist es die unliebsame Arbeit die vor ihm liegt zum anderen hat sein Bruder ihn seit gestern schon dreimal nach Noah gefragt und was der mit der ganzen Sache zu tun hat. Meine Güte, sonst ist der Kleine doch nie so aufdringlich. Warum gerade wenn es im diesen digitalen Wichtigtuer geht? Natürlich hat er ihm keine Antwort gegeben, aber heute war er doch froh als er das Haus verlassen hat. Zumindest bis er hier angekommen ist. So etwas nennt man wohl vom Regen in die Traufe kommen. Als er das Labor betritt, ist Atsumi bereits anwesend. Sie wirft ihm einen flüchtigen Blick zu, dann meint sie: „Gut, dass du kommst. Es ist schon alles vorbereitet.“ Mit diesen Worten wendet sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Kaiba nimmt an seinem Pult Platz. „Also schön, bringen wir es hinter uns!“ Atsumi betätigt ein paar Knöpfe und kurz darauf fährt von der Decke des Raumes an der gegenüberliegenden Wand ein großer Bildschirm herunter der fast die gesamte Wand ausfüllt. Dann tippt sie ein paar weitere Befehle ein. Eine Lautsprecheransage verkündet monoton: „Virtuelle Welt wird geladen. Virtuelles Szenario auf Abruf. Standby!“ Kurz darauf erscheint auf dem Monitor das Bild einer Landschaft. Es ist eine große Grasebene die in einiger Entfernung von einer Baumkette begrenzt ist. Kaum hat Seto Kaiba es zur Kenntnis genommen, als er auch schon einige Befehle in seinen Computer eingibt. Die Stimme ertönt erneut: „Matrix wird in die virtuelle Welt geladen. Standby!“ Inzwischen hat Atsumi sich von ihrem Platz erhoben und ist vor die Bildwand getreten. Nur einige Momente später ist ein digitales Flackern auf der Wiese zu erkennen, das nach wenigen Augenblicken Gestalt annimmt. Es ist ein kleiner Junge mit grünlich schimmernden Haaren und einem hellen Anzug, dessen Hose nur bis knapp oberhalb der Knie reicht. Ein wenig irritiert schaut sich der Junge um. Dann vernimmt er auf einmal eine Stimme. „Willkommen zurück, Noah!“, begrüßt Atsumi ihn. Suchend blickt Noah sich um. Der Verursacher der Stimme ist nirgends zu sehen. „Atsumi-san?“, fragt er schließlich. „Ja, ich bin es“, bestätigt sie, „Im Moment existiert nur eine Audio-Verbindung von deiner virtuellen Welt aus. Mach dir keine Gedanken, wir arbeiten daran.“ „Wie... wie lange war ich weg?“, kommt nun die zögerliche Frage. „Etwa ein Jahr“, kommt die Antwort, „Es hat ein wenig gedauert, aber jetzt haben wir wohl die Möglichkeit dein Programm wieder in Ordnung zu bringen.“ Ein wenig unsicher blickt Noah sich nun um. „Ist... Seto auch hier?“ Atsumi zögert einen Moment und schaut kurz zu Kaiba hinüber. Dieser wirft nur einen finsteren Blick auf den Bildschirm vor sich und beobachtet seinen Stiefbruder mit verschränkten Armen. „Ja, er ist hier“, gibt sie Antwort, „Er kümmert sich um dein Problem. Darum haben wir dich auch reaktiviert. Wir müssen ein paar Tests mit dir machen. Bist du einverstanden?“ Noah vergräbt die Hände in den Taschen und blickt zu Boden. Dann meint er ein wenig unwillig: „Ich habe ja wohl keine Wahl.“ „Du könntest ruhig etwas mehr Dankbarkeit zeigen, dass ich meine kostbare Zeit an dich verschwende!“, mischt sich nun Kaiba in das Gespräch ein. Noah schaut auf, als er die Stimme hört. „Hallo Seto“, meint er mit einem schiefen Lächeln als er die Stimme vernimmt, „Ist ne ganze Weile her, seit wir das letzte Mal voneinander gehört haben, nicht wahr?“ „Für meinen Geschmack nicht lang genug“, gibt Kaiba ebenso ironisch zurück, „Aber ich könnte wetten, dass du nicht damit gerechnet hast überhaupt noch mal von mir zu hören, hab ich nicht recht?“ „Dann stellt sich die Frage, was deine Meinung geändert hat“, meint Noah mit einem leicht bissigen Unterton, „Plötzlich auftretende Bruderschaftsgefühle werden es kaum gewesen sein. Oder wolltest du vielleicht nur Atsumi-san einen Gefallen tun?“ Kaibas Miene wird wieder ernst. „Sehr witzig! Falls du das vergessen haben solltest, es existierte eine Abmachung. Du bist nichts weiter als ein Job für mich, also bild dir bloß nicht ein ich würde deinetwegen schlaflose Nächte haben.“ „Wirklich?“, kommt die skeptische Frage zurück, „Da fällt mir ein, Seto, hab ich es dir zu verdanken, dass ich wieder wie ein kleiner Junge aussehe? Für jemanden der vorgibt so rational zu sein, bist du aber ganz schön nachtragend.“ Ein genüssliches Schmunzeln legt sich um Kaibas Mundwinkel. „Sagen wir einfach, was diese Sache angeht sind wir jetzt quitt. Ich fand es damals auch nicht besonders schmeichelhaft, mich im Körper eines Fünfjährigen vorzufinden. „Wie auch immer, im Gegensatz zu dir handele ich nicht einfach aus einer Laune heraus. Für die Tests brauche ich dich in dem Erscheinungsbild das du hattest als du mit dem alten Leuteschinder verschmolzen bist.“ Noahs Miene bekommt etwas bekümmertes. Dann meint er: „Also schön, was sind das für Tests?“ „Ich muss feststellen welche Programme in deiner Matrix zu dir gehören, darum wirst du ein paar Aktivitäten unternehmen damit ich die entsprechenden Einheiten lokalisieren kann, klar? Am besten fängst du damit an indem du eine visuelle Verbindung zu unserem Labor herstellst, das wirst du ja wohl noch können.“ Noah verzieht ein wenig missmutig das Gesicht aber dann hält er einem Moment sinnend inne und nur wenige Momente später erscheint vor ihm auf der Ebene ebenfalls eine Art Leinwand auf der nun das Labor mit Atsumi und Kaiba zu sehen ist. „Na bitte, es geht doch!“, murmelt Kaiba während er sich wieder seinem Computer zuwendet. „Atsumi-san!“, lächelt Noah leicht, als er die junge Frau entdeckt, „Es tut gut wieder ein bekanntes Gesicht zu sehen. Ich habe zwar keine Erinnerung an meine Zeit im Tiefschlaf, aber wenn ich daran zurückdenke läuft es mir trotzdem kalt den Rücken runter.“ „Mach dich nicht lächerlich! Du bist ein Hologramm, du hast keine Schweißdrüsen“, meint Kaiba trocken ohne von seinem Rechner aufzusehen. Den düsteren Blick den er sich dafür von Atsumi einfängt bekommt er nicht mit. Statt dessen fährt er fort: „Wenn ihr zwei also dann damit fertig seid Höflichkeiten auszutauschen, sollten wir besser mit der Arbeit anfangen.“ Zunächst sagen die beiden anderen kein Wort doch dann meint Noah: „Er hat recht, wir sollten anfangen. Am liebsten möchte ich keinen Moment länger mit den Persönlichkeitsdaten meines Vaters verschmolzen bleiben und es wird bestimmt nicht einfach werden uns beide wieder zu trennen.“ „So ist es!“, bestätigt Kaiba kühl, „Im Gegenteil! Stell dich schon mal darauf ein, dass dir bis dahin noch so einiges abverlangt wird. Ich garantiere dir, noch ehe ich mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen damals bei der Explosion krepiert zu sein.“ Noah lässt den Kopf hängen. Leise murmelt er: „Das wünsch ich mir bereits jetzt manchmal.“ Kaiba schnaubt auf: „Wie ich mir dachte, du bist und bleibst ein Feigling! Hör endlich auf zu glauben, dass dir alles zufliegt. Wenn man etwas erreichen will das wirklich von Bedeutung ist, dann muss man sich eben auch mal anstrengen. Es kostet harte Arbeit, Kraft und manchmal auch Schmerzen und erst wenn du das durchgestanden hast kannst du die Früchte deiner Arbeit kosten und selbst dann sind die manchmal nur klein. Aber ohne das geht es nun mal nicht und das hast du noch immer nicht gelernt. „Kapier es endlich, wenn du wirklich wieder normal werden willst, wird es definitiv kein Spaziergang. Also hör auf so wehleidig zu jammern, denn damit bestätigst du nur immer wieder die Entscheidung deines Vaters, mir die Kaiba-Corporation zu überlassen und dich in deinem virtuellen Loch versauern zu lassen. Reiß dich gefälligst zusammen, sonst sehe ich wirklich nicht ein, warum ich meine Zeit und Bemühungen darauf verschwenden sollte jemanden wie dich wieder fit zu bekommen.“ Nach diesen Worten herrscht einen Moment Stille in dem Labor. Noah ist deutlich blasser geworden und Atsumi wirft ihm einen mitleidigen Blick zu. Doch dann atmet Noah einmal durch und reckt sich wieder. „Gut, lass uns anfangen! Was soll ich tun?“ Mit ernster Miene meint Kaiba: „Einfach alles was ich dir sage!“ Für einen flüchtigen Moment erstarrt Noah doch dann nickt er und zum ersten Mal überkommt ihn die Vermutung, dass sein Vater bei der Wahl seines Nachfolgers mit Seto vielleicht doch nicht ganz so gedankenlos und ungerecht entschieden hat. Der Abend ist schon weit fortgeschritten und Seto Kaiba ist gerade nach hause gefahren. Zurückgeblieben im Labor sind Atsumi und Noah. Die junge Frau nippt an einer Kaffeetasse und beobachtet die virtuelle Gestalt auf der Bildwand. Noah sieht sehr geschafft aus. Er liegt auf einem großen Bett, dass sich in einem virtuellen Zimmer befindet und hat alle Viere von sich gestreckt. Er atmet tief ein und aus. „Ich hab vielleicht keine Schweißdrüsen, aber schwitzen tu ich trotzdem“, murmelt er, während er an die Decke über ihm starrt. „Diese Welt ist eben sehr realistisch“, gibt Atsumi zu bedenken, „Und er hat dich wirklich ziemlich hart rangenommen. Man hatte fast schon den Eindruck, er hätte Spaß daran dich herumzuscheuchen.“ „Oh, mit Sicherheit, hatte er Spaß!“, meint Noah trocken. Dann blickt er zur Seite: „Aber... ich hab es ja verdient! Es verschafft ihm Genugtuung. Dafür, dass er immer über allen Gefühlen stehen will, reagiert er ziemlich emotional. Ich frage mich ob er mir jemals verzeihen kann. Wann habe ich genug abgegolten?“ Die junge Frau ist bei diesen Worten sehr still geworden. „Du musst ihm Zeit geben!“, meint sie schließlich, „Irgendwann wird er schon merken, dass du bereit bist alles zu tun, um es wieder gut zu machen. Bestimmt verzeiht er dir irgendwann.“ Nun setzt Noah sich wieder auf und schaut die junge Frau an. „Und was ist mit dir, Atsumi-san? Ich nahm beim letzten Mal an, ihr hättet eure Angelegenheit von damals geklärt. Muss er dir auch noch verzeihen?“ Atsumi wendet den Blick ab. „Ich weiß es nicht. Ich dachte auch, wir hätten es geklärt. Es sah so aus als hätten wir von vorne beginnen können, aber offenbar habe ich mich getäuscht.“ „Hast du ihm gesagt... warum du es gemacht hast?“, fragt Noah nun. „Ja, habe ich“, kommt die zögernde Antwort. „Und wie hat er reagiert?“ Doch die junge Frau wehrt ärgerlich ab: „Ach du kennst ihn doch! Das Thema ist ihm nach wie vor unangenehm. Und jetzt tut er so, als hätte unser Gespräch vor einem Jahr gar nicht stattgefunden. Dieser Sturkopf macht mich noch mal fertig! „Dabei seh ich ihm genau an, dass er noch immer darüber nachgrübelt. Er will es nicht wahrhaben, aber es beschäftigt ihn immer noch. Warum bloß kann er sich nicht erlauben nur einmal ehrlich zu sich selbst zu sein? Er tut wirklich alles um das Geschehene zu verdrängen, als sei es nie passiert. Aber noch gebe ich nicht auf! Er hat vorhin selbst gesagt, dass man sich Dinge die einem wichtig sind hart erarbeiten muss, und dass es Kraft und auch Schmerzen kosten kann. Ich habe schon so viele Jahre und Mühen investiert und ich höre nicht damit auf ehe ich nicht eine eindeutige Antwort von ihm bekommen habe! Er sagte damals ‚vielleicht irgendwann’ und auch wenn er jetzt daran nicht mehr erinnert werden will, wird er nicht darum herumkommen mir ein klares ‚ja’ oder ‚nein’ zu geben. Vorher gebe ich keine Ruhe.“ Nachdenklich betrachtet Noah die junge Frau die entschlossen und fast schon mit einer Spur Verzweiflung ihre Kaffeetasse umklammert. „Und was machst du wenn er ‚nein’ sagt?“, fragt er dann. Zunächst schweigt Atsumi doch schließlich schaut sie doch auf und blickt Noah an. Ein Schimmer von Feuchtigkeit liegt in ihren Augen. „Du weißt was das bedeuten würde“, meint sie leise, „Seit damals als wir Kinder waren, bemühe ich mich meinen Fehler wieder gutzumachen. Ein ‚nein’ würde bedeuten, dass alles vergeblich war. Meine Firma, alles was ich erreicht habe, meine Bemühungen vor einem Jahr, alles! Aber...“, sie schaut wieder zu Boden, „ganz gleich wie seine Antwort ausfallen wird, nichts kann etwas an der Tatsache ändern, dass ich Seto liebe!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)