Weichen für die Zukunft von Weissquell (Fortsetzung zu "Alte Rechnungen", Überleitung zu "20 Jahre Später") ================================================================================ Kapitel 4: Das Brudertreffen ---------------------------- Am nächsten Morgen betritt Kaiba erneut das Firmengebäude von Gigatech-Enterprise. Er hat schlechte Laune. Zum einen ist es die unliebsame Arbeit die vor ihm liegt zum anderen hat sein Bruder ihn seit gestern schon dreimal nach Noah gefragt und was der mit der ganzen Sache zu tun hat. Meine Güte, sonst ist der Kleine doch nie so aufdringlich. Warum gerade wenn es im diesen digitalen Wichtigtuer geht? Natürlich hat er ihm keine Antwort gegeben, aber heute war er doch froh als er das Haus verlassen hat. Zumindest bis er hier angekommen ist. So etwas nennt man wohl vom Regen in die Traufe kommen. Als er das Labor betritt, ist Atsumi bereits anwesend. Sie wirft ihm einen flüchtigen Blick zu, dann meint sie: „Gut, dass du kommst. Es ist schon alles vorbereitet.“ Mit diesen Worten wendet sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Kaiba nimmt an seinem Pult Platz. „Also schön, bringen wir es hinter uns!“ Atsumi betätigt ein paar Knöpfe und kurz darauf fährt von der Decke des Raumes an der gegenüberliegenden Wand ein großer Bildschirm herunter der fast die gesamte Wand ausfüllt. Dann tippt sie ein paar weitere Befehle ein. Eine Lautsprecheransage verkündet monoton: „Virtuelle Welt wird geladen. Virtuelles Szenario auf Abruf. Standby!“ Kurz darauf erscheint auf dem Monitor das Bild einer Landschaft. Es ist eine große Grasebene die in einiger Entfernung von einer Baumkette begrenzt ist. Kaum hat Seto Kaiba es zur Kenntnis genommen, als er auch schon einige Befehle in seinen Computer eingibt. Die Stimme ertönt erneut: „Matrix wird in die virtuelle Welt geladen. Standby!“ Inzwischen hat Atsumi sich von ihrem Platz erhoben und ist vor die Bildwand getreten. Nur einige Momente später ist ein digitales Flackern auf der Wiese zu erkennen, das nach wenigen Augenblicken Gestalt annimmt. Es ist ein kleiner Junge mit grünlich schimmernden Haaren und einem hellen Anzug, dessen Hose nur bis knapp oberhalb der Knie reicht. Ein wenig irritiert schaut sich der Junge um. Dann vernimmt er auf einmal eine Stimme. „Willkommen zurück, Noah!“, begrüßt Atsumi ihn. Suchend blickt Noah sich um. Der Verursacher der Stimme ist nirgends zu sehen. „Atsumi-san?“, fragt er schließlich. „Ja, ich bin es“, bestätigt sie, „Im Moment existiert nur eine Audio-Verbindung von deiner virtuellen Welt aus. Mach dir keine Gedanken, wir arbeiten daran.“ „Wie... wie lange war ich weg?“, kommt nun die zögerliche Frage. „Etwa ein Jahr“, kommt die Antwort, „Es hat ein wenig gedauert, aber jetzt haben wir wohl die Möglichkeit dein Programm wieder in Ordnung zu bringen.“ Ein wenig unsicher blickt Noah sich nun um. „Ist... Seto auch hier?“ Atsumi zögert einen Moment und schaut kurz zu Kaiba hinüber. Dieser wirft nur einen finsteren Blick auf den Bildschirm vor sich und beobachtet seinen Stiefbruder mit verschränkten Armen. „Ja, er ist hier“, gibt sie Antwort, „Er kümmert sich um dein Problem. Darum haben wir dich auch reaktiviert. Wir müssen ein paar Tests mit dir machen. Bist du einverstanden?“ Noah vergräbt die Hände in den Taschen und blickt zu Boden. Dann meint er ein wenig unwillig: „Ich habe ja wohl keine Wahl.“ „Du könntest ruhig etwas mehr Dankbarkeit zeigen, dass ich meine kostbare Zeit an dich verschwende!“, mischt sich nun Kaiba in das Gespräch ein. Noah schaut auf, als er die Stimme hört. „Hallo Seto“, meint er mit einem schiefen Lächeln als er die Stimme vernimmt, „Ist ne ganze Weile her, seit wir das letzte Mal voneinander gehört haben, nicht wahr?“ „Für meinen Geschmack nicht lang genug“, gibt Kaiba ebenso ironisch zurück, „Aber ich könnte wetten, dass du nicht damit gerechnet hast überhaupt noch mal von mir zu hören, hab ich nicht recht?“ „Dann stellt sich die Frage, was deine Meinung geändert hat“, meint Noah mit einem leicht bissigen Unterton, „Plötzlich auftretende Bruderschaftsgefühle werden es kaum gewesen sein. Oder wolltest du vielleicht nur Atsumi-san einen Gefallen tun?“ Kaibas Miene wird wieder ernst. „Sehr witzig! Falls du das vergessen haben solltest, es existierte eine Abmachung. Du bist nichts weiter als ein Job für mich, also bild dir bloß nicht ein ich würde deinetwegen schlaflose Nächte haben.“ „Wirklich?“, kommt die skeptische Frage zurück, „Da fällt mir ein, Seto, hab ich es dir zu verdanken, dass ich wieder wie ein kleiner Junge aussehe? Für jemanden der vorgibt so rational zu sein, bist du aber ganz schön nachtragend.“ Ein genüssliches Schmunzeln legt sich um Kaibas Mundwinkel. „Sagen wir einfach, was diese Sache angeht sind wir jetzt quitt. Ich fand es damals auch nicht besonders schmeichelhaft, mich im Körper eines Fünfjährigen vorzufinden. „Wie auch immer, im Gegensatz zu dir handele ich nicht einfach aus einer Laune heraus. Für die Tests brauche ich dich in dem Erscheinungsbild das du hattest als du mit dem alten Leuteschinder verschmolzen bist.“ Noahs Miene bekommt etwas bekümmertes. Dann meint er: „Also schön, was sind das für Tests?“ „Ich muss feststellen welche Programme in deiner Matrix zu dir gehören, darum wirst du ein paar Aktivitäten unternehmen damit ich die entsprechenden Einheiten lokalisieren kann, klar? Am besten fängst du damit an indem du eine visuelle Verbindung zu unserem Labor herstellst, das wirst du ja wohl noch können.“ Noah verzieht ein wenig missmutig das Gesicht aber dann hält er einem Moment sinnend inne und nur wenige Momente später erscheint vor ihm auf der Ebene ebenfalls eine Art Leinwand auf der nun das Labor mit Atsumi und Kaiba zu sehen ist. „Na bitte, es geht doch!“, murmelt Kaiba während er sich wieder seinem Computer zuwendet. „Atsumi-san!“, lächelt Noah leicht, als er die junge Frau entdeckt, „Es tut gut wieder ein bekanntes Gesicht zu sehen. Ich habe zwar keine Erinnerung an meine Zeit im Tiefschlaf, aber wenn ich daran zurückdenke läuft es mir trotzdem kalt den Rücken runter.“ „Mach dich nicht lächerlich! Du bist ein Hologramm, du hast keine Schweißdrüsen“, meint Kaiba trocken ohne von seinem Rechner aufzusehen. Den düsteren Blick den er sich dafür von Atsumi einfängt bekommt er nicht mit. Statt dessen fährt er fort: „Wenn ihr zwei also dann damit fertig seid Höflichkeiten auszutauschen, sollten wir besser mit der Arbeit anfangen.“ Zunächst sagen die beiden anderen kein Wort doch dann meint Noah: „Er hat recht, wir sollten anfangen. Am liebsten möchte ich keinen Moment länger mit den Persönlichkeitsdaten meines Vaters verschmolzen bleiben und es wird bestimmt nicht einfach werden uns beide wieder zu trennen.“ „So ist es!“, bestätigt Kaiba kühl, „Im Gegenteil! Stell dich schon mal darauf ein, dass dir bis dahin noch so einiges abverlangt wird. Ich garantiere dir, noch ehe ich mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen damals bei der Explosion krepiert zu sein.“ Noah lässt den Kopf hängen. Leise murmelt er: „Das wünsch ich mir bereits jetzt manchmal.“ Kaiba schnaubt auf: „Wie ich mir dachte, du bist und bleibst ein Feigling! Hör endlich auf zu glauben, dass dir alles zufliegt. Wenn man etwas erreichen will das wirklich von Bedeutung ist, dann muss man sich eben auch mal anstrengen. Es kostet harte Arbeit, Kraft und manchmal auch Schmerzen und erst wenn du das durchgestanden hast kannst du die Früchte deiner Arbeit kosten und selbst dann sind die manchmal nur klein. Aber ohne das geht es nun mal nicht und das hast du noch immer nicht gelernt. „Kapier es endlich, wenn du wirklich wieder normal werden willst, wird es definitiv kein Spaziergang. Also hör auf so wehleidig zu jammern, denn damit bestätigst du nur immer wieder die Entscheidung deines Vaters, mir die Kaiba-Corporation zu überlassen und dich in deinem virtuellen Loch versauern zu lassen. Reiß dich gefälligst zusammen, sonst sehe ich wirklich nicht ein, warum ich meine Zeit und Bemühungen darauf verschwenden sollte jemanden wie dich wieder fit zu bekommen.“ Nach diesen Worten herrscht einen Moment Stille in dem Labor. Noah ist deutlich blasser geworden und Atsumi wirft ihm einen mitleidigen Blick zu. Doch dann atmet Noah einmal durch und reckt sich wieder. „Gut, lass uns anfangen! Was soll ich tun?“ Mit ernster Miene meint Kaiba: „Einfach alles was ich dir sage!“ Für einen flüchtigen Moment erstarrt Noah doch dann nickt er und zum ersten Mal überkommt ihn die Vermutung, dass sein Vater bei der Wahl seines Nachfolgers mit Seto vielleicht doch nicht ganz so gedankenlos und ungerecht entschieden hat. Der Abend ist schon weit fortgeschritten und Seto Kaiba ist gerade nach hause gefahren. Zurückgeblieben im Labor sind Atsumi und Noah. Die junge Frau nippt an einer Kaffeetasse und beobachtet die virtuelle Gestalt auf der Bildwand. Noah sieht sehr geschafft aus. Er liegt auf einem großen Bett, dass sich in einem virtuellen Zimmer befindet und hat alle Viere von sich gestreckt. Er atmet tief ein und aus. „Ich hab vielleicht keine Schweißdrüsen, aber schwitzen tu ich trotzdem“, murmelt er, während er an die Decke über ihm starrt. „Diese Welt ist eben sehr realistisch“, gibt Atsumi zu bedenken, „Und er hat dich wirklich ziemlich hart rangenommen. Man hatte fast schon den Eindruck, er hätte Spaß daran dich herumzuscheuchen.“ „Oh, mit Sicherheit, hatte er Spaß!“, meint Noah trocken. Dann blickt er zur Seite: „Aber... ich hab es ja verdient! Es verschafft ihm Genugtuung. Dafür, dass er immer über allen Gefühlen stehen will, reagiert er ziemlich emotional. Ich frage mich ob er mir jemals verzeihen kann. Wann habe ich genug abgegolten?“ Die junge Frau ist bei diesen Worten sehr still geworden. „Du musst ihm Zeit geben!“, meint sie schließlich, „Irgendwann wird er schon merken, dass du bereit bist alles zu tun, um es wieder gut zu machen. Bestimmt verzeiht er dir irgendwann.“ Nun setzt Noah sich wieder auf und schaut die junge Frau an. „Und was ist mit dir, Atsumi-san? Ich nahm beim letzten Mal an, ihr hättet eure Angelegenheit von damals geklärt. Muss er dir auch noch verzeihen?“ Atsumi wendet den Blick ab. „Ich weiß es nicht. Ich dachte auch, wir hätten es geklärt. Es sah so aus als hätten wir von vorne beginnen können, aber offenbar habe ich mich getäuscht.“ „Hast du ihm gesagt... warum du es gemacht hast?“, fragt Noah nun. „Ja, habe ich“, kommt die zögernde Antwort. „Und wie hat er reagiert?“ Doch die junge Frau wehrt ärgerlich ab: „Ach du kennst ihn doch! Das Thema ist ihm nach wie vor unangenehm. Und jetzt tut er so, als hätte unser Gespräch vor einem Jahr gar nicht stattgefunden. Dieser Sturkopf macht mich noch mal fertig! „Dabei seh ich ihm genau an, dass er noch immer darüber nachgrübelt. Er will es nicht wahrhaben, aber es beschäftigt ihn immer noch. Warum bloß kann er sich nicht erlauben nur einmal ehrlich zu sich selbst zu sein? Er tut wirklich alles um das Geschehene zu verdrängen, als sei es nie passiert. Aber noch gebe ich nicht auf! Er hat vorhin selbst gesagt, dass man sich Dinge die einem wichtig sind hart erarbeiten muss, und dass es Kraft und auch Schmerzen kosten kann. Ich habe schon so viele Jahre und Mühen investiert und ich höre nicht damit auf ehe ich nicht eine eindeutige Antwort von ihm bekommen habe! Er sagte damals ‚vielleicht irgendwann’ und auch wenn er jetzt daran nicht mehr erinnert werden will, wird er nicht darum herumkommen mir ein klares ‚ja’ oder ‚nein’ zu geben. Vorher gebe ich keine Ruhe.“ Nachdenklich betrachtet Noah die junge Frau die entschlossen und fast schon mit einer Spur Verzweiflung ihre Kaffeetasse umklammert. „Und was machst du wenn er ‚nein’ sagt?“, fragt er dann. Zunächst schweigt Atsumi doch schließlich schaut sie doch auf und blickt Noah an. Ein Schimmer von Feuchtigkeit liegt in ihren Augen. „Du weißt was das bedeuten würde“, meint sie leise, „Seit damals als wir Kinder waren, bemühe ich mich meinen Fehler wieder gutzumachen. Ein ‚nein’ würde bedeuten, dass alles vergeblich war. Meine Firma, alles was ich erreicht habe, meine Bemühungen vor einem Jahr, alles! Aber...“, sie schaut wieder zu Boden, „ganz gleich wie seine Antwort ausfallen wird, nichts kann etwas an der Tatsache ändern, dass ich Seto liebe!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)