Weichen für die Zukunft von Weissquell (Fortsetzung zu "Alte Rechnungen", Überleitung zu "20 Jahre Später") ================================================================================ Kapitel 2: Das Wiedersehen -------------------------- Seit dem Vorfall im Büro sind ein paar Tage vergangen, aber noch immer geht er Mokuba nicht aus dem Kopf. Dieser Anruf hat seinen Bruder ziemlich überrascht, das steht fest. Mehr noch, er schien ihn ziemlich schockiert zu haben. Wer oder was könnte seinem Bruder einen solchen Schrecken einjagen?, fragt Mokuba sich immerzu. Aber er wagt nicht seinen Bruder darauf anzusprechen. So wie es aussieht versucht Seto Kaiba es so aussehen zu lassen, als sei dieser Anruf niemals geschehen. Wieder einmal sitzen die beiden Kaibas in Setos Büro und der Junge hofft insgeheim jeden Tag, dass dieser geheimnisvolle Anrufer sich ein weiteres Mal meldet. Doch bisher bleibt seine Hoffnung unerfüllt. Sein Bruder brütet weiter über Unterlagen, Daten und Akten und außer über seine Arbeit ist kein Wort aus ihm heraus zu bringen. Inzwischen ist es später Nachmittag geworden. Da auf einmal dringt vom Flur her eine Art Tumult durch die dicke Bürotür nach innen. Schwach vernimmt man die Stimme der Sekretärin. „Tut mir leid! Sie können dort nicht hinein!“ Doch sogleich ist eine weitere Stimme zu hören. Sie klingt ärgerlich, entschlossen und unverkennbar weiblich. „Das werden wir ja sehen! Wenn dieser Kerl glaubt, dass er mich weiter so abwimmeln kann, hat er sich aber schwer geirrt!“ Erneut ist die Sekretärin zu hören: „Ich bitte sie! Kaiba-sama wünscht wirklich nicht gestört zu werden! Ich darf niemanden zu ihm lassen.“ Doch schon kommt die geringschätzige Antwort: „Das kann ich mir denken! Aber da unterschätzt er mich gewaltig. Aus dem Weg! Es wird Zeit, dass ich ein paar Takte mit ihm rede!“ Einen Momentlang ist nichts mehr zu hören. Mokuba schielt nun abwechselnd zur Tür und wieder hinüber zu seinem Bruder. Seto Kaiba hat sich von seinem Stuhl erhoben und steht nun wie erstarrt da, den Blick unverwandt auf die Tür gerichtet. Fast erscheint es, als müsse er schwer mit sich ringen um die Fassung zu waren. Offenbar kennt er die Stimme auf der anderen Seite des dicken Eichenholzes. Schließlich wird die Tür mit einem entschlossenen Griff geöffnet und herein kommt eine junge Frau in einem eleganten Geschäftskostüm. Ihre braunen Haare sind zu einem Pferdeschwanz gebunden und ihre grünen Augen durchforschen aufmerksam den Raum, bis sie auf Seto Kaiba fixiert stehen bleiben. Dann schwingt sie die Tür hinter sich wieder zu durch deren Rahmen gerade die Sekretärin einen unbehaglichen Blick ins Innere wirft. Nun verschränkt sie die Arme während sie Kaiba einen abschätzenden aber ernsten Blick zuwirft. Einen Momentlang herrscht Schweigen im Raum. Schließlich meint die Neuangekommene: „Du scheinst offenbar nicht damit gerechnet zu haben, mich noch einmal wiederzusehen, Seto Kaiba! Aber letztendlich ist das auch nicht dein Verdienst. Dachtest du wirklich du könntest das verhindern indem du mich einfach ignorierst?“ Wie gebannt schaut Mokuba abwechselnd zu der Frau und wieder zu seinem Bruder. Er ist sich nicht sicher, aber irgendwoher kennt er sie. Eine Weile sagt Seto Kaiba kein Wort. Hinter seiner Stirn scheint es schwer zu arbeiten. Schließlich strafft er sich. „Ein ziemlich dramatischer Auftritt!“, meint er ernst, „Aber das war von dir ja auch nicht anders zu erwarten, Atsumi.“ Die junge Frau verdreht die Augen. „Oh bitte, warum jetzt auf einmal wieder so förmlich, Seto? Ich dachte, das hätten wir längst geklärt.“ Nun scheint es, dass Kaiba zu seinem Konzept zurückfindet und wieder seine gewohnt überlegene Mine aufsetzt. „Denk was du willst“, meint er, „aber das ändert noch lange nichts an der Realität. Und Tatsache ist, dass du hier einfach ohne Termin hereingeplatzt bist und ich im Moment keinerlei Zeit oder Interesse daran habe mich mit dir abzugeben!“ Nun sieht man wie die junge Frau zusammenzuckt und für einen kurzen Moment entgleiten ihr die Gesichtszüge, doch dann atmet sie einmal durch und wird wieder ernst. „Ich verstehe. Du ziehst es wieder einmal vor, die Vergangenheit zu verdrängen. Du hast dich wirklich in dem einen Jahr kein bisschen verändert.“ Doch Kaiba wehrt schroff ab: „Hör auf! Fang jetzt nicht wieder mit diesen alten Geschichten an. Ich habe wirklich kein Interesse daran, noch einmal über das zu reden was damals geschehen ist, also halt dich gefälligst zurück!“ Mit ernstem Blick mustert die Frau den jungen Mann gründlich. Schließlich sagt sie: „Aus diesem Grund bin ich aber hier, oder hast du etwa dein Versprechen von damals inzwischen auch schon vergessen?“ Kaiba ballt die Faust. Dann sagt er: „Nein, hab ich nicht. Mir ist schon klar, dass du deshalb hergekommen bist.“ Doch die junge Frau schnaubt nur kurz auf: „Vergessen vielleicht nicht, aber verdrängt, wette ich. Gib es zu, wenn ich nicht hergekommen wäre, hättest du doch versucht es auszusitzen und totzuschweigen.“ Ein wenig unbehaglich schaut Seto Kaiba zur Seite. Wenn er ehrlich sein sollte, käme diese Unterstellung der Wahrheit ziemlich nah. Doch das wird er ihr gegenüber ganz sicher nicht eingestehen. Nun schaut er wieder auf. „Das hättest du wohl gerne“, erwidert er, „Aber der Grund dafür ist ganz einfach die Tatsache, dass ich bisher dafür keine Zeit gefunden habe.“ Ein durchdringender Blick ist die Quittung dieser Aussage. Die junge Frau legt den Kopf schief: „Nette Ausrede! Kauf ich dir aber nicht ab.“ Seto Kaiba atmet einmal durch. Dann setzt er sich demonstrativ wieder an seinen Schreibtisch. „Wie ich schon sagte, ich habe jetzt keine Zeit mich mit der Sache zu befassen. Ich habe eine Firma zu leiten und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du jetzt mein Büro verlassen könntest, damit ich weiterarbeiten kann. Die Angelegenheit wird warten müssen.“ Mokuba ist überrascht. Unter diesen Umständen ist dies eine überaus höfliche Ablehnung von Seiten seines Bruders. Wenn er doch nur wüsste was das Ganze zu bedeuten hat und wenn er sich doch nur erinnern könnte woher er diese Frau kennt. Zunächst steht die junge Dame ein wenig ärgerlich aber unschlüssig da, doch dann kommt wieder Leben in sie. Sie tritt an den Schreibtisch heran und blickt Kaiba entschlossen ins Gesicht. „Damit gebe ich mich nicht zufrieden! Es ist beinah ein Jahr her, seit du dein Versprechen gegeben hast. Wie lange willst du Ihn eigentlich noch warten lassen?“ Kaiba senkt den Blick auf seine Unterlagen: „Solange es eben dauert. Ehe meine Firma das neue Holographiesystem nicht fertiggestellt hat, habe ich für sonstige Eskapaden keine Zeit.“ Für einen Moment scheint der jungen Frau die Sprache wegzubleiben. Ungläubig starrt sie ihn an. Dann schüttelt sie den Kopf: „Oh Seto, warum machst du es dir eigentlich immer so schwer? Dir fehlt ein neues Holosystem? Warum um alles in der Welt hast du dich dann nicht einmal gemeldet? Muss ich dich daran erinnern was der andere Teil unserer Abmachung gewesen ist?“ Seto Kaiba gibt sich alle Mühe sie zu ignorieren. Nein, er hat es nicht vergessen und ein paar Mal hat er auch mit dem Gedanken gespielt, darauf zurückzugreifen, doch bisher hat er sich einfach nicht überwinden können. Zwar hätte das einige seiner Probleme beiseite geräumt, aber das hätte auch bedeutet, sich wieder mit der Angelegenheit von damals auseinander zu setzen und das wollte er tunlichst vermeiden. „Ich bin auf deine Hilfe nicht angewiesen“, sagt er nun, „Meine Firma schafft das auch alleine.“ Ernst schaut sie ihn an. Dann sagt sie: „Aber Er schafft es nicht alleine! Er braucht deine Hilfe und du hast versprochen sie ihm zu geben. Ich weiß, dass du nicht gerne daran erinnert wirst, aber du lässt mir keine Wahl!“, sie atmet einmal tief durch und fährt dann fort, „Ich habe dich damals fair besiegt und du hast versprochen ihm zu helfen. Es wird Zeit, dass du zu deinen Zusagen stehst. Hör auf es weiter vor dich herzuschieben! Außerdem“, sie verschränkt die Arme, „ich bin sicher, sobald du seine Daten entwirrt hast, wird er dir aus Dankbarkeit ganz sicher bei euren Systemproblemen helfen und du hättest auf einen Schlag gleich mehrere Probleme gelöst. Hört sich das für dich wirklich so sehr nach Zeitverschwendung an?“ Seto Kaiba ballt unwillkürlich die Faust. Er hatte gehofft, dass dieses Thema nie wieder zur Sprache kommen würde, aber wie es aussieht, holt ihn die Vergangenheit erneut ein. Offenbar bleibt ihm keine andere Wahl als diese Sache endgültig zu erledigen. Vielleicht hat er dann endlich seine Ruhe. Aber was auch immer passieren wird, auf keinen Fall wird er sich noch einmal auf so eine emotionale Ebene wie damals hinab begeben. Diese Angelegenheit wird sachlich und professionell ablaufen und nichts was diese Frau tut, wird ihn davon abbringen, das steht für ihn fest. Verdammt, er darf sich einfach niemals wieder eine solche Blöße geben. Er seufzt leicht verstimmt. „Also schön. Ich werde mich darum kümmern. Ich komme morgen in euer Labor. Und ich rate dir, dass dann besser schon alles vorbereitet ist. Ich habe nämlich keine Lust, mehr Zeit als nötig auf die Rekonstruktion von diesem kleinen Großmaul zu verschwenden.“ Kopfschüttelnd betrachtet sie ihn: „Sag doch nicht so was. Noah ist immer noch dein Bruder. Du solltest dich wirklich langsam wieder mit ihm vertragen.“ Seto schnaubt auf: „Danke, ich verzichte! Ich mach das nur weil ich es versprochen habe, aber jede Geste der Zuneigung zu diesem Zwerg wäre ein Verrat an mir und meinem Bruder und steht außer jeder Frage! Ich habe noch nicht vergessen was er getan hat und... wer noch gemeint ist, wenn man momentan von ihm redet.“ „Was hat denn Noah damit zu tun?“, unterbricht plötzlich Mokubas irritierte Stimme die Debatte der beiden, „Ich dachte Noah wäre tot. Er ist doch damals mit seiner Virtuellen Realität in die Luft geflogen.“ Die junge Frau schaut den Kleinen groß an, dann wendet sie sich wieder Kaiba zu. „Du hast es ihm nicht erzählt? Wirklich, ich bin enttäuscht von dir, Seto!“ „Mir was nicht erzählt?“, fragt Mokuba verwirrt seinen Bruder. Dieser meidet seinen Blick. Einen Augenblick lang wird Kaiba von zwei Augenpaaren gefangengehalten. Dann wendet sich die junge Frau zum Gehen. „Ich finde er hat ein Recht es zu erfahren, aber du musst eben tun, was du für Richtig hältst“, sie geht auf die Tür zu und dreht sich noch einmal um, „Ich erwarte dich morgen in meiner Firma. Stell dich besser darauf ein, dass ich wiederkomme wenn du nicht auftauchst.“ Mit diesen Worten verlässt sie das Büro wobei sie die Tür betont ruhig hinter sich schließt. Innerlich seufzt Seto tief. Das ging gerade noch mal gut. Eigentlich hatte er sich ihr Wiedersehen anders vorgestellt gehabt. Und vor allem... viel später. Eigentlich war er noch nicht bereit gewesen ihr wieder gegenüberzutreten. Warum drängt sie jetzt so darauf? Noch immer ertappt er sich dabei, dass er über die damaligen Ereignisse nachgrübelt. Kann sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Das würde doch alles viel einfacher machen. „Wer war diese Frau?“, unterbricht Mokubas Stimme seine Grübeleien, „Was meinte sie mit: Ich hätte ein Recht es zu erfahren?“ Kaibas Blick geht zu seinem Bruder hinüber. „Das braucht dich nicht zu interessieren, Mokuba. Vertrau mir, es ist besser wenn du dich aus dieser Angelegenheit raushältst. Ich werde morgen diese Sache erledigen und dann werden wir nie wieder etwas mit dieser Frau zu tun bekommen, das versichere ich dir!“ Dann wendet Kaiba sich wieder seiner Arbeit zu. Mokuba behält ihn jedoch schweigend im Auge. Irgendwie sagt ihm sein Gefühl, dass es besser wäre wenn diese Atsumi nicht so bald wieder aus ihrem Leben verschwinden würde. Er spürt, dass das Auftauchen dieser Frau einen wunden Punkt bei seinem Bruder getroffen hat und er ertappt sich dabei, dass er fast froh darüber ist, dass sein Bruder überhaupt noch wunde Punkte hat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)