Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Kapitel 53: Letzter Ausweg -------------------------- Rot! Ein roter Schleier aus Wut benebelt seine Sinne. Peitschende Trommelschläge tönen schmerzhaft, aber gnadenlos mitreißend in seinen Ohren. Ströme aus Feuer schießen durch seine Adern und verleihen ihm eine allzu selten verspürte Kraft. Im Vergleich zu jetzt erscheint der frühere Zustand seines Körpers geradezu schwach, ja fast schon behindert, und seine Lungen bersten beinah bei dem kraftvollen Versuch, die nötige Luft für den Kampf einzusaugen. Kämpfen! Zerfetzen! Abschlachten! Zerfleischen! Diese Worte haben einen geradezu verlockenden Klang in seinem Kopf. Und die Verzückung darüber lässt sein Herz in freudiger Erwartung jubeln. Der rötliche Dunst vor seinen Augen lässt ihn zwischenzeitlich seinen Gegner vor ihm nur schemenhaft erkennen, doch es ist ihm gleich. All seine Sinne sind um ein vielfaches geschärft und die Sicht allein ist nicht mehr nötig, um seinen gewaltigen Gegenüber auszumachen. Der Geruch von Blut, sein eigenes und fremdes, dringt ihm unverkennbar in die Nase und seine Ohren vernehmen das ungleichmäßige Atemrasseln der Bestie die ihm direkt gegenüber steht. Sein Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen und entblößt damit lange, scharfe Reißzähne. Eine beiläufige Handbewegung lässt die klauenbewehrten Knöchel knacken und nur Sekundenbruchteile später tragen ihn seine Beine direkt auf das Monster vor ihm zu. Ein dumpfes Gefühl macht sich hier und da in seinem Körper breit, als wäre mit einigen der Gliedmaßen etwas nicht ganz in Ordnung, doch der Youkai ignoriert es. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, den Feind vor ihm zur Strecke bringen zu wollen. Die Bestie dort hat zahlreiche Wunden und er kann ihr Blut deutlich riechen, ebenso wie er das unregelmäßige Pochen ihres Herzens und ihren rasselnden Atem hören kann. Das Monster ist angeschlagen, daran besteht kein Zweifel. Also wird er leichtes Spiel mit ihm haben. Der Youkai grinst breiter. Schon treffen sie aufeinander. Die gewaltige Schnauze des riesigen Hundes schnappt nach ihm, doch fast schon spielerisch weicht er aus. Zu langsam! Doch dann schlägt er selbst zu und mit Befriedigung spürt er wie sich seine Klauen in das warme Fleisch graben. Ein kurzes Aufjaulen der Bestie, doch schon setzt sie ihren Angriff fort. Ein Schlag der mächtigen Pfote versucht den Youkai unter sich zu begraben, doch erneut springt er aus dem Weg. Sofort folgt der Konter in Form eines mächtigen Kinnhakens, der den riesigen Hund kurz taumeln lässt. Ein Knurren ertönt und wieder schnappt er nach seinem kleinen Gegner. Doch der Youkai ist flinker. Geschickt springt er aus dem Weg. Eine dunkle Erinnerung sagt ihm, dass er vor kurzem noch wesentlich schwächer und langsamer gewesen ist, doch das muss ein Irrtum sein. Warum sollte er freiwillig auf diese unbändige Kraft, die in ihm wohnt, verzichten? Ein kräftiger Sprung befördert ihn direkt auf den Rücken der Bestie und im gleichen Moment gräbt er seine Klauen gnadenlos zwischen ihre Rippen. Ein grimmiges Knurren ertönt und sofort wirft sich die riesige Gestalt zu Boden, um den unliebsamen Angreifer erbarmungslos platt zu walzen. Doch diesmal hat sie keinen Erfolg damit. Im letzten Moment entkommt der Youkai aus dieser misslichen Lage und springt in Sicherheit. Sofort ist der riesige Hund wieder auf den Beinen und schnappt nach ihm. Seine Kiefer bekommen ein Bein zu fassen und schmettern ihn äußerst unsanft zu Boden. Der Youkai schnauft kurz auf. Ein stechender Schmerz macht sich in seinem Unterschenkel breit. Hart schlägt er auf dem Boden auf. Doch unverzüglich kommt er auch schon wieder auf die Füße. Er spürt, dass irgendetwas mit seinem Körper nicht in Ordnung ist, doch es kümmert ihn nicht. Sofort springt er erneut auf seinen Gegner zu. Ein weiterer Prankenhieb schickt ihn gnadenlos zu Boden. Der Youkai ist verwirrt. Wie kann das sein? Eben war er doch noch viel schneller. Außerdem spürt er nun ein unangenehmes Dröhnen in seinem Kopf und ihm wird kurz ein wenig schwindelig. Der riesige Hund vor ihm knurrt gefährlich. Wieder will der Youkai aufspringen, doch ein heftiger Schmerz in einem seiner Beine lässt ihn dabei straucheln. Was mag das sein? Sein Blick gleitet an ihm hinunter und fällt auf seinen linken Fuß. Er ist blutverschmiert und auf halber Höhe des Unterschenkels sind deutliche Löcher zu sehen in dem roten Gewand das er trägt. Eine seltsame Taubheit und Kälte macht sich in seinem Bein breit. Zum ersten Mal seit langer Zeit, hält der Youkai kurz inne. Das ist so nicht richtig. Warum ist er verletzt? Was tut er hier? Seine Gedanken sind so schwer greifbar. Immer, wenn er versucht sich zu konzentrieren, entgleiten sie ihm rasch wieder. Er weiß zwar weder wer er ist und warum er kämpft, aber er spürt tief in seinem Inneren, dass es unheimlich wichtig ist, dass ihm das wieder einfällt. Vielleicht gelingt es ihm, wenn er weitere Schmerzen erleidet. Mit grimmiger Entschlossenheit packt er seinen linken Arm und schlägt seine Zähne hinein. Ein erneuter stechender Schmerz durchzuckt ihn. Ja, er spürt sich! Im Gegensatz zu dem warmen, tauben Gefühl, das ihn vorher übermannt hatte, spürt er den Schmerz nun mit beeindruckender Präsenz. Er spuckt einen Schwall Blut aus. Dann hebt er den Kopf und sein Blick klärt sich. Er kennt diese riesige Gestalt vor ihm. Er kennt sie sogar gut. Er weiß, dass ihn etwas Wichtiges mit ihr verbindet. Etwas sehr Wichtiges. Er beißt die Zähne zusammen und mit Wucht verpasst er sich selbst eine Ohrfeige. Das Taubheitsgefühl schwindet immer mehr und auf einmal ist da dieser Name: Sesshomaru! Ja, es besteht kein Zweifel, dass dieses Monster vor ihm so heißt und auf einmal fällt ihm auch wieder sein eigener Name ein. Inu Yasha! Doch was noch viel wichtiger ist, er weiß nun auch wieder woher er seinen Gegner kennt. Sie beide sind Brüder. Brüder, die sich vielleicht nicht gut verstehen, aber dennoch nicht in der Lage sind, sich gegenseitig zu hassen. Warum also kämpfen sie? Schon will das warme, wattige Gefühl sich sein Bewusstsein zurückerobern, doch Inu Yasha beißt die Zähne zusammen und schüttelt energisch den Kopf. Es ist viel zu wichtig, dass er bei Verstand bleibt. Er weiß zwar nicht warum, aber er spürt im ganzen Körper, dass es so ist. In eben diesem Moment stürmt der riesige Hund erneut auf ihn zu mit der unverkennbaren Absicht, ihn einfach niederzurennen. Im letzten Moment kann Inu Yasha gerade noch aus dem Weg springen. Ein Knurren entfährt ihm, doch der mächtige Daiyoukai läuft einfach weiter. Und in diesem Augenblick fällt Inu Yasha auch wieder der Grund für ihren Kampf ein. Ohne darüber nachzudenken, setzt sich sein Körper praktisch von selbst in Bewegung und folgt seinem Bruder ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden. Er muss sich stark konzentrieren, um sein Bewusstsein zu behalten und es wäre nur allzu verlockend, sich wieder seinem unkontrollierten Kampfwahn hinzugeben, doch er weiß, dass es von größter Wichtigkeit ist, dass er dieses eine Mal unbedingt die Kontrolle über sich behält. So folgt er mit fliegenden Schritten seinem Bruder; das taube Gefühl in seinem linken Bein ignoriert er. Er weiß, er muss ihn aufhalten. Irgendwie! Er muss es schaffen und zwar ohne dass Sesshomaru dabei sein Leben verliert. Im gleichen Maß wie sein Verstand wieder zunimmt, spürt er auch die Auswirkungen seiner zahllosen Verletzungen wieder. Er fühlt, wie sein Körper zunehmend vor Schmerz schreit und wie seine Lungen vor Luftmangel brennen, doch er beißt die Zähne zusammen und läuft noch etwas schneller. Sein Bruder ist direkt vor ihm. Ein letzter kraftvoller Satz und er landet direkt auf seinem Rücken. Kaum hat der Daiyoukai das bemerkt, beginnt er auch schon die wildesten Manöver zu veranstalten, um seinen unerwünschten Reiter abzuwerfen, doch Inu Yasha krallt sich mit aller Gewalt in dem langen Fell und dem darunter liegenden Fleisch fest. Jeder Ruck seines Bruders will ihm schier die Arme aus den Gelenken reißen, doch verbissen hält er aus. Der gewaltige Hund gebärdet sich wie toll, doch es gelingt ihm nicht, seinen Bruder loszuwerden. Mit aller Kraft versucht er ihn abzuwerfen, doch Inu Yasha hängt an ihm wie eine Zecke. Der rasselnde Atem des Daiyoukai wird immer heftiger, dieser anhaltende Kampf zehrt langsam aber sicher auch an seinen Kraftreserven. Schwer hechelnd hält er kurz inne und ein Zittern läuft durch seinen Körper. Doch statt sich geschlagen zu geben, wie Inu Yasha für einen kurzen Moment inniglich hofft, dreht sich der mächtige Hund nun um und setzt seinen unaufhaltsamen Lauf in Richtung des Ostpalastes fort; noch immer mit seinem Bruder im unfreiwilligen Schlepptau. Für den Augenblick zur machtlosen Untätigkeit verurteilt, verkrallt Inu Yasha sich weiter in Sesshomarus Fell und bemüht sich mit allen Kräften, weder vom Rücken seines Bruders heruntergeschleudert zu werden, noch erneut die Kontrolle über sich zu verlieren. Das erweist sich, angesichts seiner körperlichen Verfassung, als nahezu aussichtsloser Kampf. Sein Selbsterhaltungstrieb versucht permanent ihn in die schützende Bewusstlosigkeit zu entführen in der sich sein Körper verselbstständigt, um seinen Besitzer vor weiterem Schaden zu bewahren oder zumindest von dem vollen Ausmaß von Schmerz und Erschöpfungsgefühlen fern zu halten. Doch Inu Yasha weiß, dass er sich das dieses Mal nicht gestatten kann. Er muss bei Verstand bleiben, koste es was es wolle! Noch immer überdeutlich spürt er das Brennen des Youkaiblutes in seinen Adern und die Kraft die davon ausgeht. Es ist nahezu überwältigend und es wäre so einfach, dem nachzugeben, viel zu einfach! Inu Yasha kneift die Augen zusammen. Vater! Ich brauche deine Hilfe! Dieses eine Mal brauche ich mehr als deine Stärke. Dieses Mal brauche ich auch deine Weisheit. Wenn ich diesmal versage, dann wird dein Sohn sterben! „Wie weit ist es noch?“, die Frage stammt von Kagome. Sie sitzt gerade zusammen mit Sango und Shippo auf Kiraras Rücken und laufen zügig neben Yaeba und Miroku her. Der Mönch hat die Schwarze Miko geschultert und trägt sie tapfer mit eiligen Schritten durch den Wald. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, da Yaeba die Miko nicht ohne Schmerzen berühren kann und Kirara sich beharrlich und mit Knurren weigert, die Frau auch nur in ihre Nähe zu lassen. Also wechselt sich Miroku gelegentlich mit Sango ab, bei dem Unterfangen, die Schwarze Miko so schnell wie möglich zum Ostpalast zu befördern. Bedauerlicherweise wirken sich diese Umstände ein wenig auf ihre Reisegeschwindigkeit aus. Es geht einfach nicht schnell genug voran und Kagome beginnt sich Sorgen zu machen. Auf ihre Frage hin meldet sich Yaeba zu Wort. „Wir sind fast da. Von dort hinten kann man es beinah schon sehen.“ Der Anführer der Streuner hat sich dabei nicht umgedreht, aber Kagome spürt trotzdem seine Anspannung. Ihr selbst klopft das Herz bis zum Hals. Es gefällt ihr überhaupt nicht, noch einmal diesen Palast aufzusuchen, doch es bleibt ihnen wohl nichts anderes über. Arashitsume ist ihr unheimlich. Nach außen hin wirkt er freundlich und höflich, doch in seinem Inneren ist er verschlagen und gefährlich und offenbar lügt er sobald er nur den Mund aufmacht. All ihre Sinne warnen sie davor, dass man ihm kein bisschen trauen darf. Und gerade dorthin müssen sie wieder. Zusammen mit dieser Miko, die er angeheuert hat, um Sesshomaru zu töten und die auch den Fürst des Nordens und Tenmarus Mutter auf dem Gewissen hat. Sie schlägt die Augen nieder. Immer wieder steigen Tränen in ihr auf, wenn sie an den jungen Streuner denkt und sie schluckt schwer. Sie hätte niemals gedacht, dass sich Sesshomaru den Tod seines Sohnes derartig zu Herzen nehmen würde, besonders nach seinem bisherigen Verhalten, aber sie kann es verstehen. Das also hat Tenmaru gemeint, als er sagte, dass Youkai ihre Gefühle für gewöhnlich unterdrücken, und dass alles mögliche passieren kann, wenn sie es nicht mehr tun. Sie haben vorhin erlebt, was dabei herauskommt, wenn man einen Daiyoukai verärgert und es behagt ihr gar nicht. Sie hat zwar laut getönt, dass Inu Yasha mit ihm schon fertig wird, aber ganz sicher ist sie sich ihrer Sache nicht. Im Gegenteil! Sie macht sich schreckliche Sorgen um ihren Freund, so sehr, dass es ihr beinah die Luft abschnürt. Doch sie wagt es nicht, sich das anmerken zu lassen. Sie will ihre Freunde nicht beunruhigen und es stimmt ja auch, dass sie unbedingt ihre Aufgabe in der Sache erledigen müssen, während Inu Yasha sich um seinen Teil kümmert. Trotzdem hätte sie das Ganze am liebsten schon hinter sich. Noch einmal dem Fürst des Ostens gegenüber zu treten, steht nicht gerade auf Platz Eins ihrer Wunschliste. Viel lieber möchte sie sich Gewissheit darüber verschaffen wie es Inu Yasha gerade geht. Schon seit einer Weile spürt sie ständig dieses seltsame Prickeln im Nacken, dass ihr sagt, dass irgendwo ein Kampf unter einer starken, dämonischen Aura stattfindet. Das kann nur bedeuten, dass die beiden noch immer kämpfen und bei jedem Baumkrachen oder Grollen aus der Ferne, zuckt sie kurz zusammen. Allerdings hat man den Eindruck, dass sie sich dem Kampf allmählich nähern. Auf einmal scheint der Wald zu ende zu sein und die kleine Gruppe tritt auf eine Lichtung hinaus. Wachsam sehen sie sich um. An mehreren Stellen liegen umgebrochene Bäume und es riecht nach feuchter, aufgewühlter Erde und nach Blut. Aufmerksam sehen sie sich um und Kagomes Herz pocht unangenehm schneller. Ja, es scheint tatsächlich Blut zu sein. Hier und da sieht man regelrechte Pfützen davon auf dem Boden. Mit zitternden Füßen steigt Kagome von Kiraras Rücken. „Es sieht wohl so aus, als hätten die beiden eben noch hier gekämpft“, stellt Miroku fest. „Und mindestens einer von ihnen scheint verletzt zu sein“, fügt Sango hinzu. Kagomes Gesicht erstarrt vor Schreck. „Aber von der Blutmenge her würde ich eher vermuten, dass es Sesshomaru ist“, meint sie schnell noch, als sie Kagomes besorgten Blick bemerkt. Yaeba zieht die Stirn kraus. „Ja, das Blut stammt von Sesshomaru. Überwiegend“, stellt er fest, „Allerdings scheint der Kampf noch nicht entschieden zu sein, sonst hätten wir sie hier angetroffen.“ Kagome bekommt feuchte Hände. „Du meinst, sie kämpfen noch immer, verletzt wie sie sind?“ Yaeba nickt. „Davon gehe ich aus. Ziemlich beachtlich! Ich gebe zu, dass ich das Inu Yasha nicht zugetraut habe. Aber letztlich ist auch er ein Sohn des Inu Taishou. Vielleicht schafft er es tatsächlich, Sesshomaru in die Knie zu zwingen, auch wenn ich daran noch meine Zweifel habe.“ „Du solltest Inu Yasha etwas mehr vertrauen“, meint Sango ernst, „Er ist zwar meist ein ziemlicher Rüpel, aber er gibt niemals auf, wenn er sich was in den Kopf gesetzt hat. Und für gewöhnlich weiß er sich schon zu verteidigen.“ „Kagome!“, Shippos aufgeregter Ruf lässt die Umstehenden aufhorchen, „Schau mal was ich gefunden hab!“ Rasch läuft das Mädchen zu dem kleinen Kitsune hinüber. „Was denn, Shippo?“ „Sieh mal!“, eifrig deutet der Fuchs auf etwas das am Boden liegt. Schon ist Kagome bei ihm und ihr Blick folgt seinen Gesten und im gleichen Moment schlägt sie erschrocken die Hand vor den Mund. „Das ist ja Tessaiga!“, ruft sie erschrocken. „Tessaiga?“, nun kommen auch die anderen hinzu. „Aber was hat das hier zu suchen?“, meint Sango verwundert, „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Inu Yasha es freiwillig hier zurücklassen würde.“ „Bestimmt ist ihm was Schlimmes passiert!“, jammert Shippo aufgeregt. „Vielleicht wurde er gezwungen, es hier zu lassen“, stellt Miroku die Vermutung an, „Vielleicht wurde er überwältigt.“ „Das glaube ich nicht“, meint Yaeba, „Ich nehme außer Sesshomaru und Inu Yasha keine weiteren Witterungen wahr und ich glaube nicht, dass Sesshomaru in der Verfassung ist, ihn lediglich bewusstlos zu schlagen und zu verschleppen. Und wenn er ihn getötet hätte, müssten wir seine Leiche hier irgendwo finden.“ „Sag doch so was nicht!“, ruft Kagome mit zitternder Stimme, „Inu Yasha ist bestimmt noch am Leben. Ich bin mir ganz sicher!“ „Das sagte ich doch gerade“, erwidert Yaeba ruhig, „Er mag vermutlich verletzt sein, aber alles spricht dafür, dass er noch am Leben ist.“ „Die Frage ist nur, wie lange noch“, wirft Miroku ein, „Ohne Tessaiga ist er bestimmt ziemlich im Nachteil.“ „Und wir dürfen eines nicht außer Acht lassen“, fügt Sango nachdenklich hinzu, „Wenn Inu Yasha verletzt ist und wir Tessaiga haben, dann...“ „Ja, ich weiß was du meinst“, unterbricht Kagome ihre Freundin leise. Behutsam hebt sie das Schwert auf. „Dann braucht er dringend unsere Hilfe.“ Plötzlich zuckt Yaeba kaum merklich zusammen. „Verdammt!“, murmelt er und dann blickt er sich wachsam um, „Ich hätte es früher bemerken müssen.“ „Was denn?“, kommt die beunruhigte Frage von Sango. „Ich spüre es auch!“, meint Miroku und blickt sich suchend um. Doch noch ehe die kleine Gruppe ein weiteres Wort sagen kann, sind sie urplötzlich umringt von einer beträchtlichen Menge gut gerüsteter Youkai, die geradezu aus dem Boden gewachsen zu sein scheint und sie nun mit gezückten Schwertern und grimmigen Mienen in Schach hält. Reflexartig machen sich Sango und Miroku kampfbereit und auch Yaeba packt seinen Speer fester. Auch Kagome greift sich ihren Bogen und legt auf die Youkaihorde an. Es sind sicher über zweihundert Stück und allesamt haben sie vertraut goldglänzende Augen. Kagome bekommt es nun doch mit der Angst zu tun während sie versucht, die Situation zu erfassen. Es scheinen Inuyoukai des Westens zu sein, offenbar Sesshomarus Armee. Allerdings sind sie gerade erheblich in der Überzahl und dies sind keine gewöhnlichen Oni sondern richtige Youkai, vermutlich allesamt von Dokutoges Kaliber. Wenn es zum Kampf kommen sollte, haben sie vermutlich kaum eine Chance, das zu überleben und die Krieger sehen weder freundlich aus, noch machen sie irgendeine Anstalt sie unbehelligt ziehen zu lassen. Mit zitternden Fingern zielt Kagome weiter auf ihre Gegner. Die kleinste Bewegung könnte einen Angriff provozieren. Sie haben wenig Chancen heil davon zu kommen, aber sie werden ihre Haut so teuer wie möglich verkaufen. Schließlich haben sie noch eine wichtige Aufgabe zu erledigen und Inu Yasha braucht dringend ihre Hilfe. Doch in diesem Moment ertönt auf einmal eine Stimme: „Halt! Lasst sie! Sie gehören zu Inu Yasha-sama.“ Es dauert nur einen kurzen Moment des Zögerns bis die Krieger die Waffen sinken lassen. Nun wagen es auch Kagome und ihre Kameraden sich etwas zu entspannen. Aufmerksam wenden sie sich der Stimme zu, die sie gerade noch gerettet hat. Die Gruppe der Youkai teilt sich und zwischen ihnen erscheinen zwei stattlich gekleidete Personen. Eine von ihnen jedoch wankt leicht bei jedem Schritt, versucht jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen. Schließlich stehen die beiden direkt vor ihnen und Kagomes Miene hellt sich erleichtert auf. „Dokutoge!“ Verbissen krallt sich Inu Yasha im Fell seines Bruders fest. Jeder Sprung und jedes Aufkommen des Riesenhundes spürt er schmerzlich am eigenen Leib und er hat jedes Mal das Gefühl, beinah mitten durch gerissen zu werden. Zum wiederholten Male fragt er sich was er hier eigentlich tut. Und das ist nicht einmal eine rhetorische Frage. Noch immer kämpft er um sein Bewusstsein. Dazu kommt das zunehmende Schwindelgefühl und die pochenden Schmerzen in seinen Armen und Beinen. Besonders das eine Bein fühlt sich immer mehr taub und kalt an. Doch Inu Yasha lässt nicht los. Zwar peitschen ihm immer mehr Zweige ins Gesicht und sich an seinem Bruder nur festzukrallen ist eine wahre Tortur und ein stilles Ringen um Ausdauer und Selbstbeherrschung, doch er darf auf keinen Fall loslassen. Sesshomaru hat schon fast den Ostpalast erreicht und was dann passiert, mag er sich gar nicht erst ausmalen. Inu Yasha weiß, dass er schleunigst irgendetwas unternehmen muss, doch ihm will einfach nichts Brauchbares einfallen. Es ist wirklich unglaublich, was für eine endlose Energie in seinem Bruder zu stecken scheint. Seine Verletzungen sind alles andere als leicht, doch noch immer ist er nicht am Ende seiner Kräfte. Es ist wahrlich zum Verzweifeln! Schon spürt er wie ihm der Griff seiner Finger entgleiten will. Sein ganzer Körper schmerzt und eine Erschöpfung überkommt ihn, wie er sie schon lange nicht mehr gespürt hat. Gibt der Kerl denn nie auf? Doch Inu Yasha weiß es besser. Nichts wird den verzweifelten Lauf des Daiyoukais stoppen, solange noch ein Funken Leben in ihm steckt. Nichts, wenn nicht er etwas unternimmt. Inu Yasha hebt den Kopf. Die Gegend kommt ihm bekannt vor. Der Ostpalast ist nicht mehr weit. Dort vorne kann er bereits wage den Eingang zum Hohlweg sehen. Jetzt ist wirklich die letzte Gelegenheit, ihn aufzuhalten. Der Hanyou beißt die Zähne zusammen. Verdammt! Ich bin auch unseres Vaters Sohn! Wenn Sesshomaru über seine Grenzen gehen kann, dann kann ich das auch! In diesem Moment fällt die Entscheidung. Inu Yashas Muskeln spannen sich und mit einem grimmigen Knurren packt er einen sicheren Griff und zieht sich wieder nach vorne zum Kopf seines Bruders. Mit verbissener Miene packt er unerbittlich das Nackenfell seines Bruders und mit der anderen Klaue schlägt er erbarmungslos auf Sesshomarus Kopf ein. Der gewaltige Daiyoukai strauchelt unter der Wucht des Schlages für einen Moment doch dann läuft er weiter. Wieder schlägt Inu Yasha zu; seine Augen funkeln rot dabei. Wieder stolpert der riesige Hund, doch mit einem kurzen Winseln setzt er seinen Weg vor. Der Hohlweg zum Palast kommt immer näher. Erneut schlägt Inu Yasha auf seinen Bruder ein. „Bleib endlich stehen, du elender Vollidiot!“, schreit er wütend und dann packt er eines der riesigen Ohren und reißt unbarmherzig daran. Der Dämonenhund kläfft erneut auf und sein Schritt verlangsamt sich etwas, jedoch nur um sich mit der Hinterpfote am Ohr zu kratzen in dem Versuch den unliebsamen Reiter endlich loszuwerden. Doch Inu Yasha ist wachsam. Kaum kommt die riesige Pfote zu ihm hinauf, rammt er mit voller Wucht seine spitzen Klauen hinein, so dass erneut das Blut spritzt. Sesshomaru heult auf und einmal mehr versucht er durch wildes Schütteln seinen Bruder loszuwerden. Doch der Hanyou ist hartnäckig. Mit allem was er hat, krallt er sich an ihm fest, auch wenn er inzwischen das Gefühl hat, diesen Kraftausbrüche nicht länger gewachsen zu sein. Er weiß selbst nicht, woher er die Kraft nimmt, seinem Bruder noch immer zu widerstehen. Doch trotz aller Bemühungen nähern sie sich noch immer dem Ostpalast und Inu Yasha weiß, ihm rennt die Zeit davon. Immer weiter setzt er seinem Bruder zu, in der Hoffnung ihn endlich in die Knie zu zwingen. Ein unbeugsamer Wille hat von ihm Besitz ergriffen. Nein, er wird seinem Bruder nicht unterliegen. Er wird beweisen, dass er genau so zäh ist wie er, nein noch zäher! Der Daiyoukai gebärdet sich noch immer wie wild, obwohl er bereits aus unzähligen Wunden blutet und aus seinen Lefzen roter Schaum quillt. Doch er stolpert weiter vorwärts, fast ungeachtet dessen, dass sein Bruder noch immer auf ihn einprügelt, um ihn endlich zum Stillstand zu bringen. In wenigen Schritten wird er den Hohlweg erreicht haben. Sein Gesicht ist zu einer grimmigen Fratze verzerrt und in seinen rotglühenden Augen funkelt noch immer ein scheinbar unlöschbares Feuer der Entschlossenheit. Sein Blick ist stur auf den Eingang zum Ostpalast gewandt. Doch allmählich verwandelt sich sein Atem immer mehr in ein unschönes Röcheln, das von völliger Verausgabung zeugt. Seine Schritte werden immer schleppender und zittriger. Das ist Inu Yasha nicht entgangen. Er schöpft wieder Hoffnung. Nur noch ein kleines bisschen. Er muss nur noch ein kleines bisschen durchhalten, dann wird Sesshomaru nichts anderes mehr übrig bleiben als aufzugeben. Wieder schlägt er zu. Der große Daiyoukai schwankt. Sein Atem rasselt. Inu Yasha beißt die Zähne zusammen. Er hat kaum noch die Kraft die Hand zu heben. Ihm ist schummerig vom Blutverlust und sein Körper ist nur noch ein dumpfer Schmerz. Und er ist erschöpft wie noch nie in seinem Leben. Nie zuvor musste er so an seine Grenzen gehen. Vielleicht sollte er sich für die Zukunft merken eine Auseinandersetzung mit seinem Bruder nicht mehr derartig auf die Spitze zu treiben. Kann der elende Kerl nicht endlich umfallen? Weiß der Himmel woher er noch immer die Kraft zum Kämpfen nimmt, doch er schlägt noch zwei Mal zu. Und Sesshomaru bleibt stehen. Schwer hechelnd und keuchend steht er da. Blut rinnt ihm über den ganzen Körper. Ein heiseres Japsen dringt aus seiner Kehle und ein unkontrolliertes Zittern läuft durch seinen Leib. Für einen Moment sieht es aus als wollten ihm die Gliedmaßen den Dienst versagen. Doch irgendeine Macht hält ihn noch immer auf den Pfoten. Inu Yasha schickt innerlich unzählige Stoßgebete zum Himmel. Bitte, lasse es das gewesen sein. Er hat nicht das Gefühl als könnte er noch einen einzigen Hieb ausführen. Wie er es immer noch fertig bringt, dem Youkaiblut in seinen Adern zu widerstehen, ist ihm ein völliges Rätsel. Alles wozu er noch in der Lage ist, ist sich im Nacken seines Bruders festzuklammern, den pochenden Schmerz in seinen Gliedern zu erdulden und seine letzte Selbstbeherrschung darauf zu verwenden, um nicht endgültig in die Berserkerwut zu verfallen, mit der er sich selbst endgültig zugrunde richten würde. Doch plötzlich durchdringt irgendwas den wattigen Nebel in seinem Kopf. Irgendjemand ruft seinen Namen. Schwach öffnet der Hanyou die Augen. Da ist es wieder. „Inu Yasha!“ Es kommt ihm wie eine Ewigkeit vor bis er halbwegs zuordnen kann, wer ihn da ruft. Kagome! Mühevoll hebt Inu Yasha den Kopf. Nun sieht er es. Sesshomaru ist direkt vor dem Eingang zum Hohlweg stehengeblieben. Hinter ihnen sind gerade mehrere Personen aus dem Wald getreten. Flüchtig nimmt er wahr, dass es wohl Westyoukais sind, doch ihm fallen eher die entsetzten und wütenden Blicke auf, die sie ihm zuwerfen. Unter ihnen entdeckt er einige bekannte Gesichter. Den Westyoukai den er zur Nordfürstin geschickt hat. Wie war doch noch sein Name? Aber vor allem entdeckt er ganz vorne seine Freunde und im Besonderen Kagome. Er kann sehen wie sie direkt auf ihn zustürzen will, doch im gleichen Moment von Yaeba zurückgehalten wird. Es soll ihm nur recht sein, denn kaum hat er sie entdeckt, verspürt er diesen übermächtigen Drang, auch sie bekämpfen zu wollen, doch mit aller Macht reißt er sich zusammen. Schmerzhaft kneift er die Augen zu. Besser für sie, wenn sie nicht näher kommt. „Inu Yasha!“, schreit Kagome erneut. In einiger Entfernung hat sie ihn entdeckt. Er sitzt in Sesshomarus Nacken und krallt sich dort mühsam fest. Der mächtige Hund steht schwer atmend da, als warte er nur darauf, wieder genug Kräfte zu sammeln, um weiter zu laufen. Sein sonst schneeweißes Fell ist jetzt schmutzig braun von Erde und Blut. Kaum zu glauben, dass die beiden noch immer kämpfen. Sie müssen völlig erschöpft sein. Obwohl man das bei einem Daiyoukai ja nicht so genau wissen kann. Was muss Inu Yasha nur durchgemacht haben. Sie kann es von hieraus sehen, dass er sich wieder in einen Youkai verwandelt hat. Das muss bedeuten, dass er verletzt ist. Ihr Herz schlägt bis zum Hals vor Sorge. Ihre Beine zittern leicht, als sie auf ihn zu laufen will, doch sie kommt nicht weit, denn Yaebas starke Arme halten sie entschieden fest. „Lass mich los!“, fordert das Mädchen ärgerlich. „Kommt nicht in Frage!“, antwortet der alte Streuner gelassen, „Das wäre glatter Selbstmord. Sesshomaru würde dich ohne jegliche Probleme zerreißen.“ „Aber ich muss doch zu ihm!“, fleht Kagome. Ohne dass sie es verhindern kann, hat sie schon wieder Tränen in den Augen. „Er braucht uns. Er ist verletzt und er hat sich nicht mehr unter Kontrolle. Er braucht sein Schwert.“ Nun sind auch die anderen hinzugekommen. Die Westyoukais hinter ihnen rühren auf Geheiß ihres Anführers keinen Finger. Wieder will sie sich losreißen, doch behutsam, wenn auch bestimmt hält Yaeba sie zurück. „Sei vernünftig, Kagome-san, du kannst da leider gar nichts machen. Du wirst Inu Yasha-sama vertrauen müssen.“ Kagomes Körper gibt den Widerstand auf. Verzweifelt schaut sie zu den beiden verletzten Youkaibrüdern hinüber. Ihre Hand krampft sich zum Tessaigas Schwertgriff. Wenn sie doch nur irgendetwas tun könnte. Ihre Freunde haben sich nun zu ihr gesellt und sie sind nicht weniger besorgt als sie. „So wie es aussieht, hat Inu Yasha ihn endlich zum Anhalten gebracht“, stellt Miroku fest. „Die Frage ist nur für wie lange“, gibt Sango zu bedenken, „Youkais die kurz vor ihrer Niederlage stehen, mobilisieren manchmal noch mal ihre letzten Kräfte für einen letzten entscheidenden Schlag.“ Hinter ihnen steht Chitsurao und beobachtet die Szene mit zunehmender Besorgnis. Auf dem Weg hierher ist er zwar darüber informiert worden, dass sein Herr Vergeltung dafür sucht, von Arashitsume getäuscht worden zu sein, und dass ihn eine solche Wut gepackt hat, dass er nicht mehr Herr seiner Sinne ist, weshalb ihn sein Bruder, als der Ranghöchste nach ihm, wieder zur Vernunft bringen muss, mit Gewalt, wenn nötig. Aber dies direkt vor sich zu sehen, ist eine gehörige Herausforderung an seine Selbstbeherrschung. Seinen Herrn so schlimm zugerichtet zu sehen und nicht eingreifen zu dürfen, verlangt ihm einiges ab. Es reizt ihn in jeder Faser seines Körpers, seinem Fürsten zu Hilfe zu kommen, doch auch er kennt die Gesetze und er weiß, dass ihm das diesmal strickt untersagt ist. Es fällt ihm wahrlich nicht leicht, das zu akzeptieren, zumal er noch immer nicht so ganz verstanden hat, was diese Menschen mit der Sache zu tun haben. Dokutoge hat sich über die Hintergründe ziemlich bedeckt gehalten und ihn auf später vertröstet. Es bleibt ihm nichts anderes über, als seinem Kommandanten zu vertrauen und es zu akzeptieren, wenn auch mit geballten Fäusten. Doch in gerade diesem Moment scheinen sich Sangos Befürchtungen zu bewahrheiten. Ein kehliges Knurren ertönt von dem mächtigen Daiyoukai zu ihnen hinüber und im gleichen Moment straffen sich seine Muskeln erneut. Ein unschönes Röcheln ist zu hören und dann im gleichen Moment springt er vorwärts, direkt auf den Felsspalt zu, der hinauf zum Ostpalast führt. Nun gibt es scheinbar kein Halten mehr für den mächtigen Hund, denn er macht sich nicht einmal mehr die Mühe, über die Felsen hinüberzuspringen. Er folgt dem schmalen Weg direkt und mit seiner breiten Brust walzt er dabei eine gehörige Bresche in den Hohlweg. Unter seinen schweren Pfoten zerbröckeln die Felsen wie Brotkrumen. Auch Inu Yasha muss sich jetzt wieder damit auseinandersetzen, dass sein Bruder noch immer nicht bereit ist aufzugeben. Er spürt wie Sesshomaru sich zwar langsamer als bisher, aber dafür noch immer unaufhaltsam auf sein Ziel zu bewegt. Und er stellt fest, dass ihm die Kraft fehlt, jetzt noch etwas dagegen zu unternehmen. Sein Körper hat sein Limit erreicht, und es ist ihm gerade noch möglich, sich im Nacken seines Bruders festzukrallen, doch zu mehr ist er einfach nicht mehr in der Lage. Verdammt, sein Körper gehorcht ihm einfach nicht mehr. Was soll er jetzt noch tun? Sesshomaru wird in den Ostpalast einfallen und Arashitsume angreifen und in seinem jetzigen Zustand ist er kein Gegner für den Ostfürsten. Arashitsume mag vielleicht ein Feigling und Verräter sein, aber immerhin ist auch er ein Daiyoukai. Sesshomaru wird keine Chance gegen ihn haben. Und Inu Yasha ist davon überzeugt, dass sein Bruder dem keine Beachtung schenken wird. Was also kann er jetzt noch tun? Er selbst hat keine Kraft mehr, um ihn noch aufzuhalten und von selbst wird Sesshomaru sicher nicht aufhören. Ist es denn wirklich hoffnungslos? Gibt es denn wirklich nichts mehr was er tun kann? Keine Möglichkeit mehr den wahnsinnigen Daiyoukai zur Räson zu bringen? Inu Yasha kneift verzweifelt die Augen zusammen. Wenn Sesshomaru doch bloß auch... In diesem Moment zuckt er zusammen. Ihm ist etwas in den Sinn gekommen. Es gibt noch eine Möglichkeit! Die Frage ist, ob er dafür noch die nötige Kraft aufbringen kann. Doch nun ist alles egal, er muss es versuchen. So stark wie er es vermag klammert er sich an das Nackenfell seines Bruders und dann hebt er ein wenig den Kopf und blickt zurück zu seinen Freunden. „Kagome!“, seine Stimme klingt rau und fremdartig, doch er holt noch einmal Luft, „Kagome!“ Das Mädchen hebt den Kopf. Hat Inu Yasha tatsächlich gerade nach ihr gerufen? In seinem derzeitigen Zustand? Aufmerksam horcht sie zu den beiden Youkais hinüber. „Inu Yasha?“, ruft sie zurück. Nur wenige Augenblicke später hört sie die ungewohnte Stimme ihres Freundes erneut rufen. „Kagome, sag es!“ Irritiert blickt sie den beiden entschwindenden Youkais hinterher. Hat sie richtig gehört? „Was soll ich sagen?“, ruft sie verständnislos zurück. Doch da ertönt der Ruf erneut: „Sag es! Nun mach schon!“, es klingt wahrlich verzweifelt. Und nun dämmert es Kagome und im gleichen Maße wird ihr auch klar, was Inu Yasha da versucht. Ehe noch jemand reagieren kann, läuft sie los, den beiden Youkais hinterher, und schreit: „Sitz!“ Und im gleichen Moment leuchtet die magische Kette um Inu Yashas Hals hell auf und die heilige Macht presst den Hanyou unbeirrbar und gnadenlos dem Erdboden entgegen. Die Tatsache, dass er sich noch immer krampfhaft im Nacken seines Bruders festkrallt, hat dabei den bemerkenswerten Nebeneffekt, dass der mächtige Daiyoukai mitten aus dem vollen Lauf ebenfalls zu Boden gerissen wird. Mit voller Wucht schlägt sein riesiger Körper ein beträchtliches Loch in den Hohlweg und zerbröckelt dabei zahlreiche Felsen unter sich. Im ersten Moment ist der Dämonenhund irritiert, doch dann stemmt er sich zittrig wieder hoch und versucht weiterzulaufen. Inu Yasha nimmt es mit tiefen Bedauern zur Kenntnis. Die Kette hätte ihm diesmal fast das Genick gebrochen, soviel Kraft musste sie ausüben, um ihr angestammtes Ziel trotz der Widerstandskraft des Daiyoukais zu erreichen. Zwar ist Sesshomaru wieder aufgestanden, doch Inu Yasha spürt, dass es nicht spurlos an ihm vorüber gegangen ist. Ihm bleibt keine Wahl. „Noch mal!“, schreit er und krallt sich noch fester an seinem Bruder fest. Wenn er jetzt herunterfällt, ist alles verloren. Kagome folgt ihm noch immer. Ihr Puls rast. Inu Yashas Stimme klingt jetzt unverkennbar schmerzerfüllt. Es kostet sie enorme Überwindung seinem Wunsch Folge zu leisten. „Sitz!“, ruft sie erneut. Wieder tut die Kette ihre Pflicht und presst ihren Träger unbarmherzig zu Boden. Und wieder wird dabei auch der gewaltige Hund zu Boden geschmettert, direkt vor den Toren des Ostpalastes. Inu Yasha entfährt ein Schmerzensschrei, als ihn dabei einige umher fliegende Felsbrocken treffen, ganz zu schweigen von den Schmerzen in seinem Nacken. Die Kette schnürt ihm gnadenlos die Luft ab. Doch schon wieder stemmt sich der Daiyoukai hoch und mit Wucht will er sich gegen das große Eingangstor werfen. „Noch mal!“, quetscht Inu Yasha unter Schmerzen hervor. Kagomes Augen werden feucht. Sie ist erschöpft, sowohl körperlich als auch mental und es quält sie, ihrem Freund so offenkundig Schmerzen zuzufügen. Auch Miroku und die anderen haben sich jetzt auf ihre Fersen geheftet, doch ihre Freunde sind in dieser Hinsicht nur ein geringer Trost. „Inu Yasha, ich...“, stammelt sie widerstrebend. „Tu es! Verdammt noch mal!“, Inu Yashas Stimme lässt keine Zweifel an seiner Entschlossenheit, jedoch auch nicht an seinem Leid dabei. Mit feuchten Augen wendet Kagome den Blick ab: „Sitz!“ Gerade in dem Moment, als Sesshomarus Leib auf das Tor auftrifft, ergreift ihn erneut die Macht der Kette und unter diesen Krafteinwirkungen muss das riesige Tor unweigerlich nachgeben und zerbirst unter lauten Krachen unwiederbringlich in unzählige Einzelteile. Und im gleichen Moment, noch von der Wucht der Kette getragen, werden Daiyoukai und Hanyou auf den Vorhof des Palastes geschleudert, unter den grimmigen Augen sämtlicher versammelter Ostkrieger und den wachsamen sowie kritischen Blicken der Fürsten Arashitsume und Yarinuyuki samt ihrem Gefolge. Keiner der beiden sagt ein Wort. Die Nordfürstin steht am hinteren Ende des Vorplatzes, hat die Arme verschränkt und beobachtet das Geschehen mit schmalen Augen. Arashitsume hat wachsam die Brauen gehoben, doch er gibt seinen Leuten ein Zeichen, nichts zu unternehmen. Er scheint abwarten zu wollen, was als nächstes geschieht. Sesshomaru streckt nach dem schmerzhaften Sturz die Glieder. Sein Atem geht heftig und seine Lefzen verziehen sich während ein tödliches Knurren seine Kehle verlässt. Er hat den Begründer seines Amoklaufes entdeckt. Mühsam rappelt er sich wieder auf. Doch Inu Yasha, noch immer an ihn geklammert, reagiert sofort. Sein Blick geht hinüber zu seiner Freundin, die zusammen mit seinen anderen Freunden hinter ihnen im Eingang des Tores auftauchen. „Mach weiter!“, presst er mühevoll hervor. Kagomes Lippe zittert. „Sitz!“, ruft sie. Es holt den gewaltigen Daiyoukai erneut von den Füßen. Doch schon wieder versucht er sich hochzustemmen und nun ist es unverkennbar, dass er es auf Arashitsume abgesehen hat. „Hör nicht auf!“, und diesmal klingt Inu Yashas Stimme so verzweifelt, dass es Kagome fast das Herz zerreißt. Mit nassen Wangen schließt sie die Augen. „Sitz! Sitz! Sitz! Sitz! Sitz...“ Sie zählt es nicht mehr. Jedes Mal vernimmt sie den schaurigen Klang wenn der mächtige Körper des Dämonenhundes auf dem Steinboden des Vorplatzes auftrifft. Jedes Mal erneut so laut, da der Daiyoukai immer wieder versucht sich aufzurichten. Doch schließlich verstummt das unheimliche Geräusch und Kagome weiß, ihr 'Sitz' wird nun nicht mehr benötigt. Langsam öffnet sie die Augen. Der Kampf auf dem Vorhof hat eine Menge Staub aufgewirbelt. Man kann kaum etwas erkennen. Langsam klärt sich die Sicht. Mitten auf dem Platz ist eine große Gestalt zu erkennen. Sie liegt auf der Seite und ihr Atem geht stoßweise und unregelmäßig. Da plötzlich beginnt ein rötlicher Lichtschein den hühnenhaften Körper einzuhüllen und vor den Augen aller Beteiligten beginnt er zu schrumpfen bis er letztlich nur noch die Größe eines gewöhnlichen Mensch hat. Und nun entdeckt man auch die zweite Gestalt, die genau über der anderen liegt. Nur an den mühevollen Atembewegungen ist zu erkennen, dass noch Leben in ihr steckt. Beide Personen liegen völlig regungslos da. Ihre Gewänder sind arg in Mitleidenschaft gezogen worden und über und über mit Dreck und Blut beschmiert, ebenso wie die langen, weißen Haare, die momentan übel zerzaust sind und die frühere Würde schmählich vermissen lassen. Niemand sagt ein Wort. Eine beklemmende Stille liegt nun auf dem Platz. Alle Blicke sind auf Sesshomaru und Inu Yasha gerichtet. Miroku und die anderen haben nun zu Kagome aufgeschlossen und dicht hinter ihnen folgt ihnen auch Dokutoge zusammen mit Chitsurao die nun angespannt stehen bleiben und ebenfalls ihren am Boden liegenden Fürsten beobachten. Schließlich wird die Stille von einer seidigen Stimme durchbrochen. „Ihr hattet Recht, Yarinuyuki-sama“, er macht einen Schritt auf den schwer verletzten Westfürsten zu und ein genüssliches Lächeln liegt auf seinen Lippen, „Da ist er!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)