Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Kapitel 49: Entfesselt ---------------------- Wut! Maßlose Wut! Wut und der Wunsch zu töten! Etwas anderes existiert im Augenblick für Sesshomaru nicht. Brennende Wut und Schmerz! Ein gnadenloser, überwältigender Schmerz, der seine Seele verbrennt und zu einem roten Schleier aus verzehrendem Hass zusammenschmelzen lässt. Er weiß nicht mehr warum er so fühlt, aber er weiß, dass er leidet! Mehr als jemals zuvor und er weiß, dass es jemanden gibt der dafür verantwortlich ist! Der Gedanke der ihn im Augenblick antreibt, ist der, dass dieser Schmerz aufhören wird, sobald der die verantwortliche Person umgebracht hat! Nein, nicht einfach nur umgebracht, er wird sie zerreißen und zermalmen bis nichts mehr von ihr übrig ist. Mit ihr wird dann auch dieses furchtbare Gefühl in ihm verschwinden; da ist er sicher! Warum hat er dieser immensen Macht in ihm nicht schon viel eher gestattet, hervorzubrechen? Er weiß es nicht mehr. Es interessiert ihn nicht. Aber nun in diesem Moment gestattet er dem aufgeweckten Dämonenblut in ihm, ihn völlig vom Blutrausch konsumieren zu lassen. Wäre da nicht diese schmerzhafte Wunde in ihm, die ihm irgendjemand offenbar zugefügt hat, er würde nun sicherlich Vergnügen empfinden. Aber der Schmerz wird ja weggehen, wenn er sein Ziel erreicht. Danach wird er dann endlich frei sein! Danach! Riesige Tatzen bahnen sich ihren Weg durch den Wald. Gewaltige Schritte hallen auf der Erde wieder und nur am Rande seines Bewusstseins nimmt Sesshomaru wahr, dass das beängstigende, tiefe Knurren das er hört, sein eigenes ist. Es ist nicht mehr weit. Dort ist bereits die Bergkette und dahinter der Verursacher all seiner Pein. Arashitsume! Ich werde dich töten! Mit allem was ich bin und habe! Ein ganzes Stück entfernt hebt Chitsurao den Kopf. Seine Sinne tragen ihm beunruhigende Eindrücke zu. Eine gewaltige Aura ist an seinem Wahrnehmungshorizont aufgetaucht und keiner seiner Leute hier, dürfte einen Zweifel daran haben, zu wem sie gehört. Sesshomaru-sama hält sich zwar nur selten im Palast auf und pflegt in letzter Zeit nur wenig Umgang mit seinen Untergebenen, doch seine Aura ist für seinen Clan so klar und deutlich zu identifizieren, als würde er direkt vor ihnen stehen. Und gerade jetzt ist diese Aura so gewaltig, dass es nur bedeuten kann, dass ihr Herr sich mit irgendjemandem im Kampf befindet. Chitsurao legt die Stirn in Falten. Sollte der Halbbruder seines Fürsten ihn tatsächlich so unter Druck setzen, dass er gezwungen ist, alles zu geben? Sein Blick geht hinauf zur Sonne. Das Ultimatum ist längst abgelaufen. Was mag Sesshomaru-sama wohl davon abgehalten haben, seine Zusage zu erfüllen? Oder wird sein Herr womöglich gerade angegriffen von Kriegern der anderen Heere? Es ist schwer zu sagen, aber er weiß, er kann nicht länger tatenlos bleiben. Sesshomaru-sama hat viel riskiert, um sie unbemerkt hierher zu holen, als Unterstützung und auch als Druckmittel. Es steht außer Frage, dass sein Herr zwar seinen Kriegern voll vertraut, aber einen Krieg um jeden Preis vermeiden möchte. Warum sonst sollte er seinen Bruder töten wollen, den er all die Jahre eher ignoriert hat. Die Entscheidung wird ihm nicht leicht gefallen sein. Doch nun wo sie einmal getroffen ist, wird er sie auch zu Ende bringen, soviel steht fest. Chitsurao richtet sich auf und wirft einen Blick in die Runde. Viele seiner Soldaten haben in den umliegenden Waldgebieten Posten bezogen und können es kaum erwarten, endlich zur Tat zu schreiten. Nun, so wie es aussieht, ist dies der Moment auf den sie gewartet haben. „Wir brechen auf!“, gibt er Anweisung, „Wir werden Sesshomaru-sama bei seinem Kampf unterstützen. Aber wartet auf mein Zeichen!“ Einheitliches Nicken ist die Folge. Leise wandert der Befehl von Mund zu Mund und schließlich setzt sich das Heer des Westens lautlos in Bewegung und strebt dem Ort zu, von dem sie die Kampfaura ihres Fürsten vernehmen. Chitsurao führt sie an. Sesshomaru-sama, wenn es wirklich Euer Entschluss ist, Euren einzigen Bruder zu töten, um einen Krieg zu verhindern, dann werden Eure Leute Euch zur Seite stehen! Komme was wolle! Mit geschickten Sprüngen bewegt sich Inu Yasha durch den Wald. Auf dem Rücken trägt er Kagome und unter den Arm geklemmt, noch immer steif und regungslos wie eine Puppe, die Schwarze Miko Chihime. In einigem Abstand folgen ihm Sango, Miroku und Shippo auf Kirara. Die Dämonenkatze ist noch immer etwas geschwächt, weigert sich aber nach wie vor beharrlich, kleinbei zu geben. Den Youkai, an dem sich die Vampir-Miko zuvor gütlich getan hat, haben sie nicht mehr gefunden und der Verdacht kommt ihnen, dass es vermutlich niemand war, der sich auf ihre Seite gestellt hätte. Umso entschlossener sind sie deshalb, so schnell wie irgend möglich, den Palast zu erreichen und ihre kostbare Fracht dort abzuliefern. Innerlich hofft Inu Yasha, dass die beiden Nordstreuner, die den Verräter Kossoridoku in ihrem Gewahrsam haben, bereits unbehelligt den Ostpalast erreicht haben. Bei gleich zwei Zeugenaussagen, wird diesem elenden Bastard Arashitsume gar nichts anderes übrig bleiben als zuzugeben, was für ein mieser, hinterhältiger Dreckskerl er ist! Hoffentlich konnte Dokutoge die Nordfürstin überzeugen und sie ist ebenfalls auf dem Weg hierher. Vielleicht können wir dann dieses elende Missverständnis endlich aus der Welt schaffen und die drei versammelten Heere hier, haben keinen Grund, aufeinander loszugehen. Noch überdeutlich hat Inu Yasha die Bilder vor Augen, die Myouga mit seinen Schilderungen in seiner Vorstellung gemalt hat. Auch wenn es nur Worte gewesen sind, so hat es ihm trotzdem einen Schauer über den Rücken gejagt. Jeder Krieg, der in den drei Clans je ausgebrochen war, war innerhalb kürzester Zeit vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Zu Beginn hatten die Fürsten und ihre Befehlshaber noch einigermaßen die Gewalt über ihre Truppen gehabt, doch je unübersichtlicher die Kämpfe wurden und je mehr davon gleichzeitig stattfanden, umso weniger waren die wütenden Youkaimassen im Kampfrausch noch unter Kontrolle zu bringen und selbst die Fürsten konnten nicht überall zugleich sein, um Herr der Lage zu bleiben. Das Ganze ist dann wie eine riesige Lawine, die immer mehr Energie ansammelt und unaufhaltsam, und dabei alles verwüstend, dem Tal entgegenrauscht, bis sich die Schneemassen verlieren oder nichts mehr da ist, was ihrem Zerstörungslauf entgegenwirkt. Und ebenso sind die Heere der Youkais, wenn man ihnen erst einmal freie Hand gibt und der Stein ins Rollen gekommen ist. Dann kämpfen sie bis zur völligen Selbstvernichtung und hinterlassen eine flächenweite, wenn nicht sogar landesweite, Schneise der Zerstörung. Beim letzten Mal war eine beträchtliche Anzahl an Siedlungen im ganzen Land dem Erdboden gleichgemacht worden und unzählige Menschen hatten dabei den Tod gefunden. Doch auch wenn die Youkais sich aus den Menschen wenig machen, so sind die Verluste in den eigenen Reihen jedes Mal so frappierend, dass man kaum von einem Sieger oder Verlieren sprechen kann. Das wissen die Fürsten sehr gut und das ist auch der Grund warum ein Krieg das letzte ist, was sie in Betracht ziehen, sollte es einmal zu Unstimmigkeiten kommen. Im Stillen sendet Inu Yasha seinen Dank an die legendären Drei Brüder, die mit ihrem ersten großen Kampf erkannt hatten, dass trotz allem Hass und Zwistigkeiten ein Krieg die wirklich allerletzte Alternative sein sollte, wenn es zu keiner Einigung kommt und alles andere fehlschlägt. Doch auch sie wussten nur allzu gut, wie rasch der Zorn und die Verachtung auf den anderen die Oberhand erlangen konnte und deshalb hatten sie in weiser Voraussicht ein komplexes Geflecht an Regeln, und Verhaltensweisen aufgestellt, dass es ihnen ermöglichen sollte, auch in schwierigen Situationen miteinander umzugehen, ohne dem Drang nachgeben zu müssen, sich gegenseitig zu zerfleischen, oder das Land ins heillose Chaos zu stürzen. Auch dies wissen die Fürsten und laut Myouga halten sie sich aus diesem Grund normalerweise peinlich genau an die Etikette und die Gesetze die sie von ihren Vorfahren übernommen hatten. Und einmal mehr stellt sich Inu Yasha die Frage, warum zum Teufel, Sesshomaru ihm niemals etwas darüber erzählt hat. Vermutlich hat er nicht angenommen, dass sein Bruder einmal so sehr an Bedeutung gewinnen würde, dass es notwendig wäre, ihn mit den gängigen Regeln vertraut zu machen. Dieser arrogante Mistkerl! Nun ja, wenn er ehrlich ist, dann hat ihn das bisher auch nie interessiert. Nicht bis jetzt! Jetzt sieht das anders aus. Jetzt wünscht er fast, Myoga hätte ihm noch viel mehr erzählt, aber so muss er eben mit dem vorlieb nehmen, was er weiß. Nein, diesmal werde ich meiner Familie keine Schande machen! Diesmal werde ich mich wie ein wirklicher Fürstensohn verhalten und das bedeutet, ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um einen Krieg zu verhindern! Mit grimmiger Entschlossenheit sprintet er weiter. Da plötzlich weiten sich seine Augen als eine nur allzu bekannte Witterung in seine Nase steigt. Er ist es! Er kommt! Aber... Inu Yasha stutzt. Da ist noch etwas; etwas... Ungewohntes. Aber ich habe das schon einmal gerochen. Es ist fast so als ob... Urplötzlich wird er aus seinen Gedanken gerissen, als eine mächtige Aura über ihn und seine Freunde hereinbricht und ihn unsanft von den Füßen holt, während vor ihm die Bäume wie Streichhölzer abgeknickt werden. Nur dank seiner ausgezeichneten Reflexe gelingt es Inu Yasha noch rechtzeitig aus dem Weg zu springen, bevor er und die beiden Frauen, die er trägt, von den herabfallenden Wipfeln erschlagen werden. „Verdammt noch mal!“, schimpft Inu Yasha irritiert, „Was war das denn?“ Nun haben auch die anderen zu ihm aufgeholt. Geschlossen geht ihr Blick entlang der breiten Schneise die der gewaltige, weiße Hund, der sie gerade passiert hat, in den Wald gefräst hat. „Ich glaube, das war gerade Sesshomaru“, meint Miroku abschätzend. Ärgerlich dreht sich Inu Yasha zu ihm um: „Das hab ich selbst gesehen! Aber was hat der Kerl denn nun wieder vor? So sauer hab ich ihn schon lange nicht mehr erlebt.“ „Was auch immer es ist, er ist jedenfalls auf direktem Weg zum Ostpalast“, bemerkt Miroku sachlich. „Seh ich auch!“, brummt Inu Yasha, „Ich kann nur hoffen, er hat nicht irgendwas saublödes vor!“ „Vielleicht kann Yaeba uns ja was darüber sagen“, meint Kagome und weist in die entgegengesetzte Richtung aus der gerade der Anführer des Streunerrudels mit flinken Sprüngen angerannt kommt. Er scheint es wirklich mächtig eilig zu haben. Schon will er an Inu Yasha und den anderen vorbeieilen, als der Hanyou ihm entschlossen den Weg verstellt. „Hey, wohin so eilig!“, ruft er energisch. Abrupt kommt der Youkai zum Stehen. „Inu Yasha-sama! Kagome-san!“, meint er überrascht, „Ich habe nicht erwartet, euch zu treffen. Wart ihr erfolgreich?“ „Wie man ja wohl sieht!“, meint Inu Yasha und zeigt hinter sich auf die Miko, die er achtlos zu Boden fallen gelassen hat, „Und was ist mit dir? Wie ich sehe hast du Sesshomaru gefunden. Ich möchte mal wissen, was du ihm erzählt hast, dass er so völlig außer sich ist.“ Nun blickt Yaeba ein bisschen unbehaglich drein: „Ich kann Euch leider auf die Schnelle nicht alles wiedergeben, was ich ihm sagte, aber er weiß nun, dass Arashitsume hinter all dem steckt und nachdem ihm klar wurde, wie weitreichend sein Verrat ist, wurde er sehr wütend.“ „Und was hat er jetzt vor?“, fragt Inu Yasha. Ernst schaut der Streuner ihn an: „Er wird Arashitsume töten!“ Inu Yashas Miene hellt sich auf. „Na bitte, endlich mal ne gute Idee. Wurde ja auch mal Zeit. Dann haben wir gleich eine Sorge weniger.“ Yaeba schüttelt energisch den Kopf: „Im Gegenteil! Das ist ein großes Problem! Wenn er ihn jetzt so von Sinnen, wie er gerade ist, angreift, ohne offene Anklage, ohne Beweise, ohne formelle Herausforderung, dann wird Arashitsume das als Kriegserklärung deuten und seine Truppen zu seiner Verteidigung vorschicken. Und wenn Sesshomarus Soldaten sehen, dass ihr Fürst angegriffen wird...“ „Ja, ja, ich versteh schon!“, Inu Yashas Gesicht legt sich in Falten, „Dann gibt es Krieg!“ „So ist es!“, bestätigt Yaeba ernst, „Wir müssen ihn aufhalten, ehe es zu spät ist.“ Schon will er sich wieder zum Gehen wenden, doch Inu Yashas Stimme hält ihn zurück: „Moment mal! Wir müssen gar nichts, damit das klar ist! Ich werde mich darum kümmern und ihr haltet euch da gefälligst raus, verstanden?“ Irritiert hält Yaeba inne. Dann blickt er den Hanyou ernst an: „Inu Yasha-sama, wir haben keine Zeit für solche Machtkämpfe. Während wir hier reden, kommt Sesshomaru dem Palast immer näher. Ich bin nicht ganz unschuldig an seinem jetzigen Zustand. Ich muss dafür sorgen, dass er keinen Schaden anrichtet. Außerdem glaube ich nicht, dass irgendeiner von uns ein wirklicher Gegner für ihn wäre, in seinem jetzigen Zustand. Aber gemeinsam können wir es vielleicht schaffen, ihn so lange aufzuhalten, bis er wieder zu Sinnen kommt.“ Schon wendet er sich wieder zum Gehen. Hinter ihm hört man Inu Yasha vernehmlich ausatmen. „Yaeba!“ Der Anführer der Streuner hält noch einmal inne und dreht sich wieder zu ihm um. Und schon im nächsten Augenblick trifft ihn der wütende Hieb einer Faust mit voller Wucht am Kinn und befördert ihn äußerst unsanft zu Boden. Ein wenig verdattert blickt der Youkai zu dem Hanyou hoch. Vor Wut bebend steht Inu Yasha über ihm und seine Augen funkeln vor Zorn. „Ich habe gesagt, du sollst dich da raushalten, verdammt noch mal!“, schreit er, „Sesshomaru ist meine Sache! Ich bin sein einziger Bruder und du bist nur ein Streuner! Und ich werde jeden fertig machen, der auch nur Hand an ihn legt! War das deutlich genug?“ Mit großen Augen schauen die Umstehenden den aufgebrachten Hanyou an. Einen solchen Ausbruch sind sie von ihm überhaupt nicht gewohnt. Seit wann gerät er denn so sehr in Rage, wenn es um seinen Bruder geht? Yaeba bringt kein Wort hervor. Einen Moment lang scheint er zu überlegen was er davon halten soll, doch dann weiten sich seine Augen etwas und er senkt ergeben den Blick: „Wie Ihr befehlt, Inu Yasha-sama!“ Verstimmt schnauft Inu Yasha aus: „Gut, das wir das geklärt haben! Du kannst dich solange nützlich machen und Kagome und die anderen zusammen mit diesem Weib da zum Palast bringen, während ich meinen dämlichen Bruder wieder zur Vernunft bringe!“ Er wendet sich zum gehen, dann fügt er noch einmal etwas leiser hinzu: „Nebenbei bemerkt, bin ich hier der Einzige, der ihn im Augenblick noch aufhalten kann... und darf!“ Dann atmet er noch einmal aus und schon im nächsten Augenblick sprintet er los; der breiten Baumschneise folgend, die sein Bruder hinterlassen hat. Mit klopfendem Herzen schaut Kagome ihm nach. Will er sich wirklich mit Sesshomaru in seiner wahren Form anlegen? Nur allzu gut erinnert sie sich an das letzte Mal, als die beiden sich so gegenübergestanden haben. Sesshomaru hat damals seinen linken Arm eingebüßt doch das hat ihn seitdem nicht weniger gefährlich gemacht. Und gerade jetzt scheint er nicht mal mehr Herr seiner Sinne zu sein, sondern nur noch eine reißende Bestie. Was will Inu Yasha denn so gegen ihn ausrichten? Besorgt tauscht sie mit ihren Freunden Blicke aus. „Warum muss er nur immer den Helden spielen?“, fragt sie besorgt, „Wir müssen ihm helfen!“ Sango und Miroku nicken entschlossen. Doch plötzlich legt sich eine Hand auf Kagomes Schulter. Sie wendet sich um und nun sieht sie wie Yaeba leicht den Kopf schüttelt. „Nein!“, sagt er ernst, „Wir sollten tun was er sagt!“ Er wirkt ein wenig niedergeschlagen. „Wir dürfen uns da nicht einmischen!“ „Aber Sesshomaru könnte ihn töten!“, will sie besorgt einwenden. Doch Yaebas Miene bleibt hart: „Das mag sein. Aber er hat recht, er ist der Einzige, der ihn im Moment aufhalten darf.“ Verständnislos schauen die anderen ihn an. „Warum das?“, fragt Miroku. „Sesshomaru ist noch immer ein Fürst“, erklärt Yaeba, „Wenn ihn jemand von niedrigerem Rang besiegen würde, würde er sein Gesicht verlieren. Dazu zählen auch wir Streuner. Und wenn einer der anderen Fürsten mit ihm kämpfen würde, würde der Westen das als Herausforderung ansehen. Die Gesetze sind sehr streng, was die Kampfhandlungen zwischen den Clans angeht.“ Er senkt den Blick, „Inu Yasha-sama hat das richtig erkannt, dass in diesem Fall nur ein Mitglied von Sesshomaru-samas Familie berechtigt ist, ihn aufzuhalten. Er wird ihm alleine gegenübertreten müssen, auch wenn das bedeutet, dass er vielleicht bei dem Versuch stirbt. Ich muss gestehen, Inu Yasha-sama ist schneller erwachsen geworden als ich das angenommen habe. Es ist sehr ehrenvoll von ihm, dass er sein Leben dafür opfert.“ „So ein Blödsinn!“, Kagomes ärgerlicher Ausbruch lässt den Anführer der Streuner aufblicken. Das Mädchen steht aufrecht und mit geballten Fäusten da, aber ihr Gesicht ist bleich und sie zittert ein wenig. „Da kennst du Inu Yasha aber schlecht! So einfach lässt er sich nicht töten! Er hat schon oft mit Sesshomaru gekämpft und bisher hat der es nicht geschafft, ihn umzubringen. Inu Yasha ist nicht der Typ der sich so leicht geschlagen gibt. Ich bin sicher, er findet einen Weg, um Sesshomaru aufzuhalten. Und wir sollten inzwischen lieber unseren Teil erfüllen und ihm vertrauen. Er verlässt sich schließlich auf uns!“ Sango und Miroku nicken zustimmend. Ein wenig verwundert betrachtet Yaeba die sonderbare, kleine Kampftruppe vor sich, doch dann muss er ein klein wenig schmunzeln. Es scheint wohl, als hätte sich Inu Yasha seinen Respekt bereits verdient. Hanaki, ich glaube, du hättest deine helle Freude an diesem Sohn des Inu Taishou! „Was hat mein Name mit der Sache zu tun!“, fährt Yarinuyuki den vor ihr am Boden liegenden Youkai an. Noch immer blitzen ihre Augen eisig, aber sie scheint fest entschlossen, eine Antwort auf ihre Frage zu bekommen, ehe sie den Youkai von allen irdischen Leiden erlöst. „So ziemlich alles“, brummt Samushi. So wie es aussieht, wäre es sehr unklug, sich noch länger zu sträuben. Noch einmal wirft er Kegawa einen finsteren Blick zu und dann beginnt er zu erzählen. „Kegawa und ich sind lange Zeit mit Hanaki-hime und den anderen Streunern umhergezogen. Doch obwohl wir damals unserer Heimat den Rücken gekehrt hatten, haben wir niemals einen Hehl daraus gemacht, wem unsere Treue nach wie vor galt. Hanaki-hime wusste genau, dass unsere gemeinsame Reise allein darauf beruhte, dass sie versprochen hatte, uns zu beschützen, und wir nicht von ihr loskommen konnten. „Es war eher eine... Koexistenz als eine Gefolgschaft. Doch sie begnügte sich damit. Sie wusste, sie war eine Higashi-aitsu und wir würden den alten Groll zwischen unseren Völkern nicht so leicht begraben können. Unsere Loyalität galt noch immer unserem Clan und wir dachten auch nicht, dass sich daran jemals etwas ändern würde. „Vor ungefähr fünfzig Jahren hörten wir das Gerücht, dass Ishikoke, unsere Fürstin, Eure Mutter, getötet worden sei; und zwar von Eurem Vater Inu Taihyouga.“ Für einen kurzen Moment zuckt eine Regung über Yarinuyukis Gesicht, doch dann friert ihre Miene wieder ein. „Wir konnten es zunächst nicht glauben“, fährt Samushi fort, „Das machte keinen Sinn. Also beschlossen wir uns heimlich in unsere Heimat zu begeben und herauszubekommen, was an diesen Gerüchten dran war. Wir mussten extrem vorsichtig dabei sein, denn dieser Vorfall hatte für einiges Aufsehen gesorgt. Schließlich fanden wir heraus, dass es tatsächlich stimmte und das er es getan hatte, nachdem Sie ihm keinen Erben geboren hatte, sondern eine Tochter. Euch, Yarinuyuki-hime!“ Mit steinerner Miene blickt die Nordfürstin ihn an. „Ich weiß, was mein Vater getan hat“, entgegnet sie scharf, „Das ist nichts Neues für mich! Mein Vater verachtete Frauen! Und daran war nur diese Hanaki schuld! Ihr Hass auf sie war so stark, dass er auch meine Mutter nicht am Leben ließ! Doch es ist weder an dir, noch an mir, seine Entscheidung anzuzweifeln!“ Nun hebt Samushi den Kopf und sein Gesicht spiegelt unterdrückten Ärger wieder: „Glaubt Ihr, ich wüsste das nicht? Wie käme ich dazu, die Entscheidungen meines Fürsten in Frage zu stellen? Wer bin ich denn? Und trotzdem waren wir schwer erschüttert darüber, wie auch viele andere in unserem Clan. Aber auch das war es nicht, was uns die Achtung vor ihm genommen hat, sondern das was er außerdem tat!“ Yarinuyuki legt die Stirn in Falten: „Wovon sprichst du?“ Samushi schnauft verächtlich auf: „Es wundert mich gar nicht, dass man Euch das verschwiegen hat, Yarinuyuki-hime.“ Wieder packt sie ihn und zieht ihn hoch. „Mir was verschwiegen? Hör auf in Rätseln zu reden, verdammt!“ Doch nun wird Samushs Blick hart und er schaut sie direkt an: „Sagt, Yarinuyuki-hime, könnt Ihr Euch an Eure Ni-banme no Shussei erinnern; Eure „Zweite Geburt“?“ Hier scheint sie einen Augenblick zu stutzen. Doch Samushi redet schon weiter: „Ihr wisst, dass jedes Kind unseres Clans dieses Ritual durchlaufen muss, ohne Ausnahme! „Wenn das Kind alt genug ist, dass es erste Anweisungen verstehen kann, also meist mit etwa ein paar Monaten, wird es irgendwo in der Wildnis ausgesetzt mit der Aufgabe, die üblichen vier Tage zu überleben und wenn möglich aus eigener Kraft zu seinem Clan zurückzukehren. Nur wenn es das schafft, wird es als würdig angesehen, in unseren Clan aufgenommen zu werden und seinen endgültigen Namen zu erhalten. Dies sorgt dafür, dass nur die stärksten Krieger dem Clan angehören. „Für gewöhnlich schaffen es die meisten Kinder zu überleben, bis ihre Eltern sie nach diesen vier Tagen der Prüfung wieder abholen, oder sogar in ihrer Heimatsiedlung in Empfang nehmen. Doch Inu Taihyouga beschloss in seinem gekränkten Stolz, sich nicht an die Bestimmungen dieser alten Tradition zu halten.“ Samushis Blick wird eisig bei diesen Worten. „Noch in der selben Stunde, in der er Eure Mutter tötete, brachte er Euch eigenhändig hinaus in die unwirtliche Gegend unserer Berge und ließ Euch dort im Schnee zurück, nackt und ohne jegliche Anweisung, wie es sonst üblich wäre!“ Unwillkürlich lockert sich Yarinuyukis Griff und der Youkai plumpst ziemlich unsanft zu Boden. „Was sagst du da?“, fragt die Daiyoukai ungläubig. Samushi richtet sich ein wenig zittrig auf. Noch immer macht ihm seine Wunde zu schaffen und allmählich werden seine Gliedmaßen taub. „Es stimmt!“, bestätigt er, „Wir hörten, dass er es damit begründete, dass Ihr ein Daiyoukai wärt, und dass man von einem seiner Kinder viel mehr erwarten könnte, als von einem gewöhnlichen Kind. Wenn Ihr es tatsächlich wert wärt, in den Clan aufgenommen zu werden, dann würdet Ihr es sogar schaffen, aus eigener Kraft zum Palast zurückzukehren.“ Samushi senkt nun den Blick: „Als wir davon erfuhren..., machten wir uns auf die Suche nach Euch. Wir wussten, dass es keinem aus dem Clan gestattet war, Euch in irgendeiner Form beizustehen. Doch für uns galt das nicht. Aber wir wollten auch gar nichts tun, um Euch zu helfen, es... ließ uns ganz einfach keine Ruhe, nicht zu wissen was aus Euch geworden war. „Schließlich fanden wir Euch. Inzwischen waren drei Tage vergangen und noch immer lagt ihr dort auf dem Berg im Schnee und habt laut geschrien“, hier stockt er erneut und meidet den Blick der Nordfürstin, der mit jedem seiner Worte durchdringender wird. Mit leisen Worten fährt er fort: „Wir waren... erleichtert. Wir hatten keinerlei Zweifel mehr daran, dass Ihr die vier Tage überleben würdet. Und so bezogen wir heimlich Posten in Eurer Nähe, um Euch im Auge zu behalten, jeder Zeit bereit, rasch das Weite zu suchen, wenn wir spüren würden, dass sich Inu Taihyouga näherte, um Euch abzuholen. Doch... er kam nicht!“ Yarinuyukis Augen weiten sich, doch sie sagt kein Wort. Mit zusammengebissenen Zähnen fährt Samushi fort: „Wir warteten den ganzen vierten Tag und auch den nächsten, und den nächsten. Doch Inu Taihyouga ließ sich nicht blicken. Er hatte Euch bereits aufgegeben! Er rechnete gar nicht erst damit, dass Ihr das überleben würdet, geschweige denn, aus eigener Kraft zurückzukommen. Schlimmer noch! Er hatte niemals vorgehabt, nach Euch zu sehen, oder Euch gar zurückzuholen! Für ihn war dies lediglich eine legale Art, Euch loszuwerden.“ Sprachlos starrt die Nordfürstin auf ihn hinunter. Er kann ihren Blick nicht recht deuten, doch es hat den Anschein, als hätte das Gesicht der Daiyoukai ein wenig an Farbe verloren. Müde schaut er sie an: „Wir wurden mit jedem Tag der verging unruhiger. Wir konnte nicht fassen, dass Inu Taihyouga unsere Traditionen so gnadenlos mit Füßen trat. Es wäre seine Pflicht gewesen, zumindest einmal nach Euch zu sehen. Als er dann am achten Tag noch nicht aufgetaucht war... da... beschloss ich etwas zu unternehmen!“, er senkt wieder den Blick, „Ich konnte nicht mit ansehen, wie Ihr immer schwächer wurdet und Euer Geschrei immer mehr zu einem schwachen Wimmern. Ihr hattet schon so lange der Kälte getrotzt. Ohne Essen, ohne Trinken, ohne Wärme, ganz alleine! Ihr hattet Euch unserem Volk mehr als würdig erwiesen. Ich konnte es nicht ertragen, dass das in keinster Weise gewürdigt werden sollte. „Als der Abend des achten Tages hereinbrach, da fasste ich einen Entschluss“, seine Stimme klingt nun sehr schwach und leise, „Ich hob Euch auf und brachte Euch zurück zum Palast Eures Vaters. Ich achtete gut darauf, dass niemand mich bemerkte. Und noch während ich das tat, wuchs mein Hass auf Euren Vater mit jedem Eurer schwachen Herzschläge und im gleichen Maße wie Euer unterkühlter Körper sich wieder erwärmte und ich schwor, dass ich ihm das niemals verzeihen würde!“ Nun blickt er doch wieder zu ihr hoch und sein Blick wird wieder fest: „Der Hanyou aus dem Westen hat völlig recht! Kein Vater lässt sein Kind im Stich! Das ist unverzeihlich! Unser Clan ist bereits so klein und nur aus falschem Stolz ließ er Euch dafür büßen, dass er von einer Frau besiegt wurde, die nichts anderes wollte, als ihre Heimat und ihre Familie zu verteidigen und die ihn nicht tötete, weil es keinen Erben gab, der unseren Clan danach hätte führen können. „Ich konnte nicht akzeptieren, dass er mit diesem ehrlosen Verhalten so ohne weiteres durchkommen sollte. Also brachte ich Euch heimlich zurück in den Palast und legte Euch in sein Zimmer. Nun würde er Euch nicht mehr ignorieren können. „Wie wir später erfuhren, fand er Euch dort und da genau acht Tage vergangen waren, sah er es vermutlich als eine schicksalhafte Fügung an, dass Ihr widererwartend lebend zurückgekehrt wart. Nun blieb ihm nichts anderes mehr über, als Euer Recht auf Leben anzuerkennen und Euch einen Namen zu geben. Und er nannte Euch Yarinuyuki, „Durchhalten im Schnee“!“ Noch immer sagt die Nordfürstin kein Wort, doch ihr Schwert hängt nun nicht mehr ganz so entschlossen über seinem Haupt. Noch einmal hebt Samushi den Kopf. Es fällt ihm schwer, das Zittern seiner tauben Glieder nicht allzu sehr zu zeigen. „Danach kehrten wir wieder zu Hanaki-hime zurück. Noch immer waren wir voller Zorn auf Inu Taihyouga und so beschlossen wir letztlich, doch einen neuen Treueschwur zu leisten und diesmal einer Fürstin, die sich unseren Respekt über viele Jahre hinweg schon längst verdient hatte. Und auch wenn wir unseren Clan nie wirklich aufgegeben haben, so konnten wir die Loyalität zu Inu Taihyouga nicht länger mit unserem Gewissen vereinbaren. „Das war auch der Grund weshalb wir keine Hemmungen hatten, als Tenmaru beschloss, Rache für den Tod seiner Mutter zu nehmen und ihm sogar freudig zur Seite standen. Wir wussten, wenn Ihr seine Nachfolge antreten würdet, dann würdet Ihr unserem Volk keine Schande machen, denn in niemanden sonst fließt das Erbe unseres Clans so stark wie in Euch, Yarinuyuki-hime!“ Er senkt den Blick: „Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, Euch das jemals zu erzählen und mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen.“ Alle Augen ruhen nun auf der Fürstin des Nordens, die vernehmlich ein und ausatmet. Es scheint, als müsse sie sich gerade davon abhalten, ihrem ersten Impuls zu folgen. Dann fletscht sie die Zähne und funkelt auf den verletzten Youkai vor ihr hinab. „Das... ändert überhaupt nichts!“, zischt sie grimmig. „Das hätte ich auch nicht erwartet“, kommt die ruhige Antwort. „Niemand hat euch befohlen, euch einzumischen und mich zu retten!“, schnaubt sie erneut. „Auch das ist uns bewusst, Yarinuyuki-hime“, antwortet der Youkai müde. Sie beugt sich zu ihm hinab und mustert ihn mit kalten Augen, doch das eisige Leuchten ist aus ihnen verschwunden. „Du hättest das gar nicht tun brauchen!“, knurrt sie scharf. „Weder war es deine Pflicht, noch deine Aufgabe und gebracht hat es dir auch nicht das Geringste!“ Samushi blickt zu Boden: „Das weiß ich!“ „Und trotzdem hast du es getan!“, es ist eine Feststellung. „Ja“, Samushis Stimme ist nun kaum noch zu hören. Direkt vor ihm ragt das harte Gesicht der Nordfürstin auf und er wagt noch immer nicht, ihren durchdringenden Blick zu erwidern. Ein tiefes Grollen klingt in Yarinuyukis Kehle während sie ihn so mustert. Dann schließlich lässt sie vernehmlich die Luft entweichen und richtet sich wieder auf. „Was auch immer du getan hast damals“, sagt sie mit ernstem Bedacht, „bewahrt dich nicht vor deiner Strafe für dein Vergehen. Aber im Augenblick habe ich keine Zeit, mich mit der angemessenen Höhe deines Strafmaßes zu befassen. Es gibt bedeutend wichtigere Dinge, um die ich mich jetzt kümmern muss, Streuner!“, ihr Blick wird hart. Dann wendet sie sich an Itakouri: „Lass unsere Leute zusammenrufen! Sie sollen mir zum Ostpalast folgen. Und bewache mir diese beiden! Lass sie unter keinen Umständen entwischen! Wenn ich wiederkomme, werde ich mich weiter mit ihnen befassen!“ „Ja, Yarinuyuki-hime!“, nickt der Befehlshaber des Nordheers kurz. „Und, Itakouri, was du hier heute gehört hast, das wird niemand erfahren, klar!“ „Natürlich, Yarinuyuki-hime!“, bestätigt er erneut. Dann fragt er noch einmal zögernd: „Was soll mit den anderen geschehen?“ Ihr Blick streift kurz über die beiden Youkais, die sich schon in ihrem Gewahrsam befinden. „Die bleiben wo sie sind! Wenn ich wieder zurück bin, wird einer von ihnen sterben, also lasst sie nicht entwischen! Und das da“, ihr verächtlicher Blick schwenkt hinüber zu dem reglosen Kossoridoku, „werde ich selbst mitnehmen! Er wird mir darüber Auskunft geben, welcher von diesen beiden dreckigen, kleinen Streithähnen mich angelogen hat! Ich werde ihn unterwegs befragen und wenn ich nicht höre, was ich wissen will, wird er sich wünschen, bei dem Streuner geblieben zu sein!“ Mit diesen Worten wendet sie sich von Samushi ab und geht zu dem noch immer reglosen Kossoridoku hinüber. Ohne lange zu überlegen hebt sie eine Hand und ein sprühender Nebel aus glitzernden Eiskristallen bildet sich um ihre Finger. Nur wenige Sekunden vergehen und aus den kleinen Kristallen formt sich eine etwa ein Schritt lange Lanze aus Eis. Ohne zu zögern holt sie mit dem kaltglitzernden Speer aus und nur ein leichter Schwung ihrer Hand genügt, um ihn direkt durch den Rücken des Streuners zu jagen. Ein leichtes Zucken geht durch Kossoridokus Körper, doch das ist seine einzige Reaktion. Ganz im Gegenteil zu Dokutoge. Ein heftiger Ruck lässt ihn mit gefletschten Zähnen nach vorne schnellen, so dass sein Bewacher alle Mühe hat ihn festzuhalten. Doch auch Itakouri hat seine Bewegung aus den Augenwinkeln bemerkt und hat reagiert. Mit einem zielsicheren Schlag seiner Faust bringt er den zornigen Youkai aus dem Westen zum Halten. Dokutoge keucht auf, aber kein Wort kommt über seine Lippen. Yarinuyuki indessen scheint von diesem unwillkürlichen Ausbruch keine Notiz zu nehmen. Ein weiterer Eisspeer erscheint in ihrer Hand und noch ein zweiter in der anderen. Wieder holt sie unbarmherzig aus und rammt die beiden Spieße von links und rechts diagonal durch den Körper des wehrlosen Youkais vor ihr. Nun ähnelt das makabere Gebilde einem groteskem Eiskristall dessen Zentrum der reglose Körper des Streuners ist. Ein leicht gequältes Knurren dringt aus Dokutoges Kehle. „Aufhören!“, ruft er energisch, „Tot... ist er Euch von keinem Nutzen, Yarinuyuki-sama!“ Doch die Fürstin ignoriert ihn weiterhin. Mit kräftigen Klauen hält Itakouri den aufgebrachten Gefangenen im Zaum. „Schweig besser!“, ermahnt er ihn mit leichter Belustigung, „Dem Kerl passiert schon nichts. Die Bannstäbe dienen lediglich dazu, ihn gut zu verwahren.“ Nun wendet sich die Fürstin wieder zu ihnen um. Mit einer leichten Handbewegung veranlasst sie den ruhiggestellten Streuner, sich ein Stück in die Luft zu erheben. Dann wirft sie noch einen kühlen Blick in die Runde und ohne ein weiteres Wort zu verschwenden, setzt sie sich mit geschmeidigen Schritten in Bewegung und ist schon Augenblicke später, mitsamt ihres hinterdreinschwebenden Gefangenen, aus den Augen der anderen verschwunden. Ein wenig verunsichert blickt Itakouri ihr hinterher. Erwartet sie wirklich, dass nur er und seine zwei Untergebenen diese vier Gefangenen bewachen? Alleine zwei von ihnen sind bestimmt mindestens so stark wie er. Zwar sind beide verletzt, aber trotzdem sollte man sie besser nicht unterschätzen. Gerade will er damit beginnen, sich eine Strategie zurechtzulegen, um diesen Befehl befolgen zu können, als er plötzlich hinter ihm das heftige Aufflackern einer Aura vernimmt. Blitzschnell wendet er sich um, doch da ist es bereits zu spät. Einen halben Augenblick später huscht eine Gestalt an ihm vorbei und er weiß, noch ehe er es sieht, dass der Nishi-aitsu sich mit Höchstgeschwindigkeit auf die Fährte seiner Herrin gesetzt hat. Dazu muss er nicht einmal den benommen am Boden liegenden Soldaten sehen, der diesmal die Erfüllung seiner Pflicht wohl schmählichst versäumt hat. Itakouris Miene verfinstert sich augenblicklich. Hier gibt es keine Zeit zum Überlegen. Er muss handeln. Auf der Stelle! Er muss diesen miesen Köter aus dem Westen zurückholen, oder er hat sein Leben verwirkt. Schon will er sich daran machen ihn zu verfolgen, doch er hat nicht damit gerechnet, was für ein eingespieltes Team die Streuner aus seiner Heimat sind. Es genügt ein Blick der bedeutsam zwischen den beiden hin und her geht und nur einen Wimpernschlag später taucht Kegawa mit kampfbereiter Miene direkt vor ihm auf und versperrt ihm den Weg. „Du!“, knurrt Itakouri herausfordernd und bringt seinen Speer in Angriffshaltung. Doch Kegawa macht keine Anstalten, aus dem Weg zu gehen. „Itakouri!“, der energische Ruf, lässt den Befehlshaber des Nordheers herumfahren. In einiger Entfernung steht Samushi, die Hand auf die heftig blutende Wunde in seinem Leib gepresst und blitzt ihn mit bleichem Gesicht an. „Itakouri“, wiederholt dieser, nachdem er die Aufmerksamkeit des Nordkriegers hat, „Lass ihn laufen!“ Itakouri fletscht die Zähne: „Kommt nicht in Frage! Der miese Köter entkommt mir nicht und du wirst das nicht verhindern!“ Samushis Blick wird finster: „Du solltest dir besser deine Situation klarmachen. Ich weiß, dass du uns bewachen sollst, aber glaubst du wirklich, das wird dir gelingen?“, seine Augen funkeln gefährlich, trotz seiner offensichtlichen Schwäche, „Das lassen wir nicht zu, verlass dich drauf! Es wäre das Klügste wenn du das einfach einsiehst und ihn laufen lässt!“ „Was bildest du dir ein, Streuner!“, schreit Itakouri nun wütend, „Wer glaubst du, dass du bist, dass du mir Befehle erteilen kannst? Dass du Hauptmann bist, ist Ewigkeiten her und ich diene noch immer meiner Fürstin. Und das heißt, ich habe ihrem Befehl zu folgen! Und nichts was du tust, wird mich daran hindern! Ich befolge ihre Anweisungen oder sterbe bei dem Versuch, so einfach ist das!“ Nun kommt Samushi einige Schritte auf ihn zu und seine Ernsthaftigkeit ist unverkennbar: „Du hast recht Itakouri! Ich bin nicht mehr der Hauptmann, das bist du jetzt! Das bedeutet, du hast auch eine Verantwortung! Ich kann sie nicht länger beschützen, das musst du jetzt tun! Sie braucht dich! Also tu einmal im Leben was intelligentes und schick diesen Vollidioten“, er macht eine verächtliche Handbewegung in Richtung des Soldaten, der sich von Dokutoge hat überrumpeln lassen, „zu unseren Truppen, damit sie sich beim Ostpalast einfinden und dann begleite uns ebenfalls da hin. So kannst du uns auch im Auge behalten und müsstest nicht gegen deine Befehle verstoßen. Keine Sorge, wir haben gar nicht vor, zu flüchten!“, er schmunzelt ein wenig. Man kann sehen wie es hinter Itakouris Stirn heftig arbeitet. „Und was ist mit diesem Nishi-aitsu?“, stößt er giftig hervor, „Ich kann nicht zulassen, dass er mir entwischt! Es würde mich das Leben kosten!“ Verächtlich schaut Samushi ihn an: „Itakouri, du bist ein Narr! Um den brauchst du dir keine Sorgen machen. Hast du nicht seinen Blick gesehen? Der hat geht nirgendwo anders hin, als dort wo auch Yarinuyuki-hime hingeht!“ „Was macht dich da so sicher?“, schnappt Itakouri bissig. Samushi verdreht die Augen: „Na, weil sein Sohn bei ihr ist!“ Für einen kurzen Moment scheint Itakouri zu zögern. Soll er es wagen und seinem ehemaligen Hauptmann vertrauen? Hat er eine andere Wahl? Samushis Blick wird eisig: „Was ist nun? Triff endlich eine Entscheidung, verdammt noch mal! Oder müssen wir das weiter... ausdiskutieren?“ Er lässt vernehmlich die Knöchel knacken. Grimmig verzieht Itakouri das Gesicht. Er wirft einen hastigen Blick in die Runde. Noch immer befindet er sich zwischen Samushi und Kegawa und selbst wenn Samushi verletzt ist, Itakouri zweifelt nicht daran, dass der Streuner bis zum allerletzten Blutstropfen kämpfen wird. Einer der Soldaten bewacht noch immer den Higashi-aitsu, der sich bisher nicht von der Stelle gerührt hat. Aber wenn es jetzt zum Kampf kommt, könnte er ebenfalls entkommen und vermutlich wird er beide Krieger brauchen, um die beiden Streuner aus seiner Heimat zu überwältigen. Außerdem muss irgendjemand noch immer ihre Truppen informieren. So wie es aussieht, bleibt ihm kaum eine andere Wahl als Samushis Angebot anzunehmen. Aber kann er ihm auch wirklich trauen? Wenn man nach seiner Geschichte geht, scheint ihm viel daran gelegen zu sein, dass seiner ehemaligen Heimat und ihren Bewohnern, kein Schaden zugefügt wird. Scheinbar muss er es wohl riskieren. Einen langen Moment scheint der Befehlshaber des Nordens zu überlegen, doch dann fletscht er die Zähne und stößt einen unterdrückten Wutschrei aus. Aber dann lässt er seinen Speer sinken. Boshaft blitzt er Samushi an: „Ich hasse dich!“ Samushi schmunzelt. „Ich denke, damit kann ich leben!“ Mit verbissenen Mienen starren die fünf Krieger aus dem Osten hinüber zum nahen Wald. Es ist weniger das laute Knacken und auch nicht das Umknicken einer beträchtlichen Anzahl von Bäumen, das sie beunruhigt. Es ist eher die drückende, beklemmende Aura grimmiger Wut die nun immer stärker zu ihnen hinüberschwappt und die neblige Morgenluft schwer macht wie zähflüssiger Honig, dass es einen sogar Überwindung kostet, schon allein Hand und Fuß zu heben. Es liegt nicht in der Natur der Soldaten, vor einem nahenden Kampf, Furcht zu empfinden, aber dennoch sind mit einem gut funktionierenden Überlebensinstinkt ausgestattet und das was dort gerade im unaufhaltsamen Lauf auf sie zuprescht, kann ohne Zweifel ihren raschen Tod bedeuten. Doch keinem von ihnen würde es einfallen, dem Befehl ihres Herren zu widersprechen. Sie werden hier die Stellung halten, auch wenn gerade ihre winzige Hoffnung auf Erfolg, oder nur auf Überleben, ihnen den Rücken gekehrt hat und sich auf dem Weg zurück zum Palast befindet; auf direktem Befehl ihres Fürsten. Doch auch das spielt keine Rolle. Sie werden trotz allem den Palast verteidigen und wenn es sie ihr Leben kostet, was es höchstwahrscheinlich tun wird. Doch eine Alternative gibt es nicht! Das Knacken wird lauter und die Soldaten heben entschlossen ihre Waffen. Nur noch Sekunden, dann ist er hier! Hier, kaum eine Meile vom Palast entfernt und hier muss es enden! Sie fassen ihre Speere und Schwerter fester und dann ist er da! Mit gewaltiger Wucht bricht er aus den umherfliegenden Splittern umgerissener Bäume hervor, umwirbelt von einer zornig roten Aura die einen niederreißenden Sturm mit sich bringt. Er ist groß; über zehn Schritt hoch und die gewaltigen Tatzen zertreten Felsbrocken unter sich als wären es Brotkrumen. Ein grüner Dunst quillt aus seinem Rachen und die gebleckten Lefzen bilden eine schauerliche Harmonie mit den tiefroten Augen in denen kaum ein Funke Verstand verblieben zu sein scheint. Die Soldaten haben nie zuvor einen Daiyoukai in seinem Zorn erlebt, doch allein schon der Anblick der gigantischen Bestie, die nun direkt auf sie zusteuert, lässt ihnen die Knie weich werden und jagt ihnen einen eisigen Schauer über den Rücken. Doch ohne länger zu zögern, löst sich ihre Starre und geschlossen stürmen sie auf ihn zu und versperren ihm tollkühn den Weg. Der riesige Hund scheint kaum davon Notiz zu nehmen, als seine Zähne den ersten zu fassen bekommen und ihn nach einem kurzen, heftigen Biss achtlos beiseite schleudert. Sein Vormarsch ist ungebremst. Nun sehen die anderen ihre Chance. Gemeinsam fallen sie todesmutig über die tobende Furie her und mit jeder Kraft die sie aufbringen können, versuchen sie ihre Schwerter und Speere in seinen Körper zu rammen. Doch das erweist sich als schwieriger als erwartet. Blitzartig fährt der riesige Kopf herum und schnappt nach dem Nächsten. Nur ein rascher Sprung zur Seite bewahrt den Krieger davor, von seinen scharfen Zähnen zermalmt zu werden. Dieses kurze Ablenkung nutzen zwei weitere und versuchen mit ihren Waffen die ungeschützte Flanke des riesigen Hundes zu treffen. Doch die Reflexe der hünenhaften Gestalt sind nicht zu unterschätzen. Innerhalb kürzester Zeit reißt der Daiyoukai seinen Kopf herum und fegt die beiden lästigen Störenfriede von seinem Rücken. Nur ein blitzartiges Schnappen später und der zweite Soldat erliegt den kräftigen Kiefern des Dämonenhundes. Ein Gutes hat die Sache allerdings, denn sein Lauf hat sich verlangsamt und nun bleibt er stehen. Ein tiefes, tödliches Knurren dringt aus seiner Kehle und der Blick der die verbliebenen drei Soldaten durchbohrt, ist mörderisch. Aber die Krieger sind erfahrene Kämpfer und so genügt nur ein kurzer Blickwechsel und sie haben den Daiyoukai eingekreist. Nun leuchten auch ihre Augen in einem gefährlichen Purpur und um die Klingen ihrer Waffen beginnen nun beängstigende Blitze zu zucken. Das jedoch schreckt den mächtigen Hund scheinbar in keinster Weise. Ohne kaum einen Moment länger zu zögern, stürzt er auf den Nächstbesten zu, um ihm den Garaus zu machen. Sogleich reagieren die anderen und versuchen ihn von hinten zu attackieren, während der dritte ihn mit kampfbereiter Miene vorne in Empfang nimmt. Mit einem blitzschnellen Hieb schlägt er nach dem Kopf der gewaltigen Bestie, kaum, dass sie ihn erreicht. Ein prasselndes Blitzgewitter geht auf den riesigen Hund nieder, doch selbst das scheint ihn nicht im Geringsten zu interessieren. Mit gefletschten Reißzähnen stößt er den verwegenen Krieger vor ihm einfach nieder und zerreißt ihn in grimmiger Wut praktisch in der Luft. Währenddessen haben die beiden verbliebenen Youkais ihren übermächtigen Gegner flankiert, der sich gerade wieder zu ihnen umdrehen will, und mit langjähriger Erfahrung zielen sie direkt auf die empfindlichen Punkte des Daiyoukais. Doch dieser muss lediglich einen geschickten Sprung über sie hinweg machen, um ihrem Angriff zu entkommen. Noch immer erschüttert der Klang seines Knurrens die gesamte Ebene und die zügellose Wut in seinen Augen wird durch die dreisten Attacken womöglich nur noch mehr angestachelt. Keiner von diesen lästigen Angreifern wird den nächsten Tag erleben, das steht außer Frage! Der tödliche Atem, den der mächtige Hund ausstößt, lässt bereits die verbliebenen umstehenden Bäume welken und vergehen und die ätzenden Spuren seines Geifers fressen groteske Löcher in die Erde vor ihm. Nur für einen kurzen Moment hält die Gestalt inne, um seine Gegner in grimmigen Augenschein zu nehmen, doch dann von einem Moment auf den anderen stößt sie sich ab und stürmt erneut auf die beiden frechen Wesen zu, die es gewagt haben, ihn von seinem Ziel abzulenken. Zu allem entschlossen blicken die bereits heftig keuchenden Krieger der herannahenden Sturmattacke entgegen. Ein wilder Wutschrei entfährt ihnen und dann stürzen sie ihm entgegen, die Waffen gehoben, bereit, ihrem Ende zu begegnen. Ein hartes Aufeinandertreffen von Youkai und reißzahnbewehrter Hundeschnauze folgt und die Körper der beiden werden in hohem Bogen durch die Luft geschleudert und stürzen unter einem schmerzhaften Aufstöhnen hart zu Boden. Es ist ihr Glück, dass sie zu benommen sind, um sich zu rühren, denn nun da die lästige Störung beseitigt ist, gibt es nichts mehr, was den mächtigen Hund daran hindern kann, seinen Weg fortzusetzen. Sogleich wendet er sich um und schlägt erneut den Weg Richtung Ostpalast ein. Schon setzen sich die kräftigen Pfoten wieder in Bewegung und wollen gerade an Geschwindigkeit zunehmen, als auf einmal ein Schrei ertönt: „Kaze no Kizu!“, und unmittelbar darauf eine gewaltige Energiewelle, wie ein Sturm, über die Ebene rauscht, dabei einen tiefen Spalt im Boden hinterlässt, direkt vor der Nase des Dämonenhundes entlangfegt und ihn damit unwillkürlich aber recht effektiv erneut zum Halten bringt. Zunächst scheint der Daiyoukai von dem urplötzlichen Hindernis ein wenig irritiert zu sein, doch dann richtet er sich wieder zu seiner vollen Größe auf und mit einen wütenden Knurren in der Kehle fährt er zu dem Verursacher dieser Attacke herum. Ein Stück entfernt steht Inu Yasha. In der rechten Hand hält er die mächtige, hell leuchtende Klinge Tessaigas und mit todernster Miene und entschlossen funkelnden Augen starrt er nun zu der gewaltigen Gestalt hinüber. Er fletscht die Zähne und nimmt eine wachsame Kampfhaltung ein.. „Keinen Schritt weiter, oder das nächste Mal ziele ich nicht daneben!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)