Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Kapitel 48: Loyalitäten ----------------------- Vorsichtig schiebt sich eine kleine, grüne Gestalt an den Gebäuden in der Nähe des Ostpalastes entlang. Jaken, hält wachsam die Augen offen. Es grenzt wahrlich an ein Wunder, dass man ihn noch nicht bemerkt hat. Doch anscheinend sind die Ostyoukais momentan mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Kein Wunder, bei einem solch mächtigem Gegner wie dem Heer des Westens. In der vergangenen Stunde konnte er beobachten, wie die Soldaten des Ostclans sich immer mehr zusammengefunden haben. Ein großer Teil der Krieger ist also gerade auf dem Weg, um seinen Herren zu töten. Hah, sie werden sich noch sehr wundern! Sesshomaru-sama wird sie alle ohne größere Probleme erledigen. Es gibt niemanden, der es mit ihm aufnehmen könnte! Um ihn muss er sich wohl keine Sorgen machen. Stattdessen sollte er wohl besser so schnell wie möglich, seinen eigenen Auftrag erfüllen. Bei diesem Gedanken gerät Jaken immer mehr ins Schwitzen. Wo, um alles in der Welt, mag Rin bloß stecken? Bestimmt irgendwo im Palast, aber wo? Bisher ist er nur um das Hauptgebäude herumgeschlichen und hat die Ohren aufgesperrt, um zu hören, ob vielleicht irgendjemand über ein Menschenmädchen redet. Doch die Ostyoukais sind mit völlig anderen Sachen beschäftigt. Es ist wahrlich Glück, dass die Bedrohung von außerhalb offenbar so gewaltig ist, dass eine kleine, unscheinbare Dämonenaura wie seine, nicht weiter ins Gewicht fällt. Das erlaubt ihm die ungestörte Suche, nach dem Mündel seines Herren, solange man ihn natürlich nicht entdeckt! Und genau da liegt das Problem. Wenn er es wagen würde, den Palast zu betreten, wird man ihn bestimmt früher oder später bemerken. Es wäre sicher leichter, sich einzuschleichen, wenn er wüsste, wohin er muss. Doch leider ist er noch nie zuvor hier im Ostpalast gewesen und selbst wenn, würde er noch immer nicht wissen, wo man Rin untergebracht hat. Es ist zum verzweifeln! Kraftlos sackt Jaken in sich zusammen und kommt auf dem Hintern zu sitzen. Wie soll er die Kleine bloß finden, und lebt sie überhaupt noch? Ist es nicht eher wahrscheinlich, dass man sie bereits gefunden und umgebracht hat, so wie die Lage gerade ist und jetzt, da Sesshomaru-sama sie nicht beschützen kann. Nein, ruft er sich selbst zur Ordnung. Ich darf die Hoffnung nicht aufgeben. Sesshomaru-sama verlässt sich auf mich. Ich muss Rin unbedingt finden. Ich dürfte Sesshomaru-sama nicht mehr unter die Augen treten, wenn ich nicht wenigstens herausgefunden habe, was aus ihr geworden ist. Aber wie? Ein wenig ratlos blickt er sich um. Er befindet sich anscheinend direkt neben dem Kampfplatz des Palastes. Hinter ihm erstreckt sich eine größere Parkanlage und direkt vor ihm ist der Palast. Dort vorne scheint auch eine Tür zu sein. Ein Blick in die Runde sagt ihm, dass nirgendwo irgendwelche Youkais zu sehen sind. Soll er es wagen? Im Moment kann er wohl recht unbemerkt den Palast betreten, doch was dann? Plötzlich vernimmt er direkt neben sich eine helle Stimme: „Nanu, du bist doch Sesshomaru-samas Gehilfe, oder täusche ich mich da?“ Erschrocken zuckt Jaken zusammen. Panisch beginnt er sich umzusehen und der Schweiß bricht ihm aus. Er ist ertappt! Doch so sehr er auch umherschaut, er kann niemanden entdecken, zu dem diese Stimme gehören könnte. „Hier unten bin ich!“, hört er die Stimme nun erneut und gleich blickt er hinunter zu seinen Füßen. Dort sitzt eine winzige Gestalt und guckt zu ihm hoch. Jaken kommt nun etwas dichter an die Gestalt heran und nimmt sie kritisch in Augenschein. „Ein Floh-Dämon?“, meint er verwundert, „Du musst Myoga sein.“ Der kleine Floh nickt. „So ist es!“, bestätigt er, „Aber ich hatte angenommen, Sesshomaru-sama hätte dich mit einem wichtigen Auftrag betreut. Ich bin überrascht, dich hier zu treffe. Ist Sesshomaru-sama auch hier? Ich muss ihm etwas äußerst Wichtiges mitteilen. Es geht um den Streuner Tenmaru.“ „Psst!“, macht Jaken und blickt sich hektisch um, „Nicht so laut, sonst werden wir noch entdeckt! Das ganze Schloss scheint in Aufruhr zu sein. Sesshomaru-sama hat sein gesamtes Herr hierherbefohlen und nun macht der Ostclan mobil. Und ich muss unbedingt Rin finden, sonst wird mich Sesshomaru-sama bei lebendigem Leibe häuten, oder Schlimmeres!“ Verblüfft schaut Myoga ihn an. „Das gesamte Heer des Westens ist hier? Das ist nicht gut. Die kleinste Provokation könnte zur Eskalation führen.“ „Und aus diesem Grunde, soll ich Rin so weit wie möglich vom Schloss wegbringen“, jammert Jaken, „Doch ich weiß nicht wo sie ist!“ „Hast du schon in ihrem Quartier nachgesehen?“, fragt Myoga. „Ich weiß doch nicht, wo das ist?“, kommt die verzweifelte Antwort. „Das ist kein Problem“, meint Myoga nun, „Ich zeig dir den Weg. Ich hätte nur eine kleine Bitte.“ Jaken guckt ihn groß an: „Was für eine Bitte?“ Myoga schaut ihn etwas peinlich berührt an: „Ähm, dürfte ich vielleicht... also, ich könnte wirklich eine Stärkung gebrauchen und diesmal frage ich lieber vorher. Die letzten Stunden waren wirklich kein Zuckerschlecken. Ich wäre beinah erschlagen und ertränkt worden, aber zum Glück ist der Fluss längst nicht so reißend wie es den Anschein hat. Es hat nur eine kleine Weile gedauert, bis ich wieder hier war. Aber jetzt bräuchte ich wirklich mal einen guten Schluck.“ Ein wenig skeptisch schaut Jaken ihn an. Der kleine Floh sieht tatsächlich ziemlich mitgenommen aus. Seine Haut ist fast schneeweiß und seine Kleidung ist noch immer nass. Ein bisschen unbehaglich, ist ihm schon dabei, einen Floh-Dämon zu verköstigen, doch wenn er ihm helfen kann, Rin zu finden, ist es das Risiko wert. „Na schön, von mir aus“, meint er. Myogas Augen leuchten. „Danke vielmals!“, strahlt er und dann piekt er seinen Saugrüssel in Jakens Halsseite. Nach einigen tiefen Schlucken, lässt er von ihm ab. „Ah, das war gut! Also dann, lass uns Rin suchen! Und du kannst mir inzwischen erzählen, was ich bisher verpasst habe.“ Wachsam machen sich die beiden auf den Weg. Die Hintertür des Palastes scheint momentan weder verschlossen, noch bewacht zu sein, doch das wird nicht lange so bleiben. So nutzen sie die Gunst der Stunde um hineinzugelangen. Jaken ist erleichtert. Vielleicht werde ich jetzt doch nicht getötet! Ein harter Tritt Samushis lässt Kossoridokus Knöchel in einem unnatürlichen Winkel abknicken. Mit ungerührter Miene beobachtet Kegawa seinen Freund dabei, wie er noch immer seine Wut an ihrem ehemaligen Kameraden auslässt. Das geht nun schon eine ganze Weile lang so. Es ist ein wenig lästig, dass der Westyoukai über solch erstaunliche Regenerationsfähigkeiten verfügt. Die Knochenbrüche heilen innerhalb kurzer Zeit wieder zusammen. Andererseits kommt es ihnen auch gelegen. Ihr Zorn auf den Weststreuner ist noch längst nicht verraucht und so bietet seine Heilfähigkeit ausreichend Möglichkeit, sich abzureagieren. Wenn sie alle Knochen durchhaben, können sie einfach wieder von vorne anfangen. Aber Kegawa weiß aus Erfahrung, dass das nicht ewig so weitergehen wird. Mit jeder Verletzung verbraucht der Youkai mehr Energie und in nicht allzu langer Zeit, werden die Knochen erst einmal gebrochen bleiben, bis er Gelegenheit findet, sich zu erholen. Falls! Kegawa hegt starke Zweifel daran, dass es soweit kommen wird. Sein ehemaliger Kommandant hat noch immer nicht genug davon, ihn zu quälen. Wer kann es ihm verdenken. Dank Kossoridoku gibt es nun nichts mehr wo sie beide hingehen können. Kein Rudel, keinen Schutz und keine Perspektive. Mal ganz abgesehen davon, dass dank ihm die Person sterben musste, der die beiden Nordyoukais den allergrößten Respekt entgegenbrachten und der sie auf ewig die Treue geschworen haben, nachdem... Der Nordyoukai senkt den Blick. Wohin sollen diese Gedanken führen? Die Chancen, dass sie jetzt nach dem Tod Inu Taihyougas wieder zurück zu ihrem Stamm können, sind nahezu verschwindend gering. Sie beide sind ohne zu zögern Tenmaru gefolgt, als es darum ging, Hanakis Tod zu rächen. Möglich, dass Kossoridoku und diese Miko und auch Arashitsume dabei ihre Finger im Spiel hatten, doch das ändert nichts daran, dass sie beide dabei geholfen haben, ihren ehemaligen Fürsten zu töten. Der Nordyoukai beißt die Zähne zusammen. Das wird Yarinuyuki uns sicher nicht verzeihen! Die einzige Chance, auf so etwas wie Nachsicht zu hoffen, besteht im Grunde nur in der einen Sache, die Samushi auf keinen Fall zur Sprache bringen will. Nicht, dass er nicht bereits versucht hätte, ihn dazu zu überreden, aber sein Gefährte bleibt stur. Gut, er kann seine Gründe verstehen, aber trotzdem... Wenn auch nur der Hauch einer Chance besteht, dass sie das alles hier überleben können, indem einige Personen ihren Stolz herunterschlucken müssen, dann sollte man es wenigstens versuchen. Immerhin sind sie Nordyoukai, und Nordyoukai sind dazu geschaffen, zu überleben! Kegawas Blick geht hinüber zum Horizont. Die Sonne geht bereits auf. „Samushi“, sagt er, „denk daran, dass wir noch einen Auftrag haben.“ Samushi hält inne und blickt ebenfalls hinauf zum Himmel. Einen Moment scheint er noch zu überlegen, dann tritt er den am Boden Liegenden noch einmal in die Rippen und dann schnaubt er verstimmt. „Also schön“, brummt er, „Schaffen wir dieses miese Stück Dreck hoch zum Schloss.“ Er hockt sich neben Kossoridoku hinab, packt grob seine zerzausten und blutverklebten Haare und zieht seinen Kopf in die Höhe. Dann zischt er ihm zu: „Ich mach das nur, weil Yaeba sich gerade diesen Hanyou unterordnet. Wenn es nach mir ginge, würde ich noch was ganz anderes mit dir machen. Aber so lautet der Auftrag, dich hoch zum Ostpalast zu bringen. Ich schätze jedoch, die Chancen, dass dein Auftraggeber für dich in die Bresche springen wird, sind eher gering.“ Doch der Westyoukai reagiert nicht, sondern hängt nur kraftlos in Samushis Griff und blickt mit verschleiertem Blick ins Leere. „Sinnlos“, meint Kegwa abfällig, „Der ist völlig weggetreten.“ Doch plötzlich versteift sich Samushis Körper und unsanft lässt er Kossoridoku wieder zu Boden plumpsen. Im selben Moment ist er auch schon wieder auf den Beinen und blickt sich angespannt um. Und nun bemerkt auch Kegawa es. Eine mächtige Aura ist zu spüren und ein bekannter Geruch dringt an seine Nase. Auch seine Schultern verspannen sich nun und ratsuchend blickt er zu seinem Kameraden hinüber. „Spürst du das?“, fragt er beunruhigt. Samushis Gesicht ist ernst: „Klar doch! So ein Mist!“ „Wenn wir uns beeilen, können wir den Kerl noch hoch zum Schloss bringen. Vielleicht kommen wir noch rechtzeitig weg.“, meint Kegawa hastig, doch Samushi winkt ab. „Zu spät! Sie hat uns schon bemerkt. Sie kommt direkt hierher. Weglaufen hat jetzt keinen Sinn mehr.“ Ein wenig unschlüssig tritt Kegawa von einem Fuß auf den anderen und beobachtet seinen Freund der nur mit verschränkten Armen dasteht und sich nicht vom Fleck rührt. „Und was willst du jetzt machen?“, fragt er etwas nervös, „Willst du sie uns einfach umlegen lassen?“ „Hast du etwa Schiss?“, kommt die scharfe Rückfrage. Kegawa kratzt sich ein wenig verlegen am Kopf. „Nicht direkt, aber ich hänge trotzdem ein wenig am Leben. Weißt du, mit der Zeit gewöhnt man sich so daran.“ Nun blickt Samushi ihn ernst an: „Kegawa, du weißt genau so gut wie ich, dass das hier irgendwann nicht länger zu vermeiden war. Also bringen wir es endlich hinter uns! Ich sterbe lieber hier und heute bei dem Versuch, die Angelegenheit zu klären, als mein Leben lang auf der Flucht zu sein.“ Für einen kurzen Moment scheint Kegawa zu überlegen, doch dann nickt er: „Du hast recht! Aber wie willst du sie dazu bringen, uns überhaupt zuzuhören? Vielleicht... wenn du ihr erzählst...“ „Kommt nicht in Frage!“, schnappt Samushi ärgerlich, „Wie oft denn noch? Ich werde nicht vor ihr betteln! Das würde doch bloß wie eine billige Ausrede wirken und es gibt keine Garantie dafür, dass sie sich überhaupt etwas daraus macht. Außerdem ist es besser wenn sie es niemals erfährt. Wenn das rauskommt, richtet es nur unnötigen Schaden an ihrem Ruf an.“ Gerade will Kegawa etwas darauf erwidern, doch er kommt nicht mehr dazu. Direkt vor ihnen aus dem Wald treten nun mehrere Personen, allen voran die zornige Fürstin des Nordens. Hinter ihr folgen Dokutoge und Sokudo, beide bewacht von je einem stämmigen Nordkrieger. Den Schluss der Gruppe bildet Itakouri und nun stehen die Neuankömmlinge auf der Lichtung und grimmige Blicke fliegen zu den beiden Streunern und ihrer verwundeten Beute hinüber. „Also hab ich mich doch nicht getäuscht!“, grollt Yarinuyuki und ihre Augen funkeln kalt, „Ihr gehört ebenfalls zu den Streunern, nicht wahr?“ Die beiden sagen kein Wort, doch Itakouri antwortet nun an ihrer statt: „Ja, das sind Samushi und Kegawa, ehemaliger Hauptmann und Vizehauptmann des Nordheeres und beides Verräter!“, ein genüssliches Grinsen legt sich auf sein Gesicht bei diesen Worten. Er hat noch nicht die Prügel vergessen, die er erst kürzlich durch Samushi kassiert hat und es bereitet ihm sichtlich Genugtuung, die beiden nun ihrerseits am Haken zappeln zu sehen. „Sie waren es, die damals den Befehl Eures Vater missachteten und gemeinsam mit der Daiyoukai aus dem Osten geflohen sind. Und sie waren es auch, die Euren Vater nach dem Zweikampf mit eben dieser Frau angriffen und gnadenlos ermordeten. Dafür verdienen sie den Tod!“ Verächtlich funkelt Samushi den Befehlshaber an. „Ich hab dir vorhin schon gesagt, dass du keine Ahnung hast, Itakouri. Also halt besser die Klappe, eh ich mit dir das gleiche anstelle, wie mit diesem verräterischen Ostspion hier!“ Mit diesen Worten setzt er seinen Fuß vernehmlich auf Kossoridokus Rücken. Nun hat auch Dokutoge den am Boden Liegenden erkannt und seine Augen weiten sich erschrocken. Er ist es tatsächlich! Es ist sein Sohn! Und wie es aussieht, befindet er sich momentan in einem ziemlich bedenklichen Zustand. Einem Reflex folgend will er zu ihm gehen, doch sein Wächter hat aufgepasst und hält ihn mit energischem Griff zurück. Eine Faust findet ihr Ziel und dem Westyoukai knicken einmal mehr die Knie ein. Sokudo neben ihm hat seine Reaktion bemerkt und grinst verstohlen. „Offenbar versucht da jemand, Zeugen verschwinden zu lassen!“ Doch weiter kommt er nicht, denn ein eisiger Wind scheint gerade über die Lichtung zu ziehen und gipfelt nun in einem Strudel aus bläulichen Energieschwaden die sich um die Fürstin des Nordens zusammenziehen. Ihre Augen leuchten eisig blau und lange Reißzähne schieben sich unter ihren Lippen hervor. Ihr Atem geht heftig und ihre Zähne sind gefletscht. „Ihr!“, grollt sie tödlich, „Ihr kommt mir gerade recht! Ich werde euch in Stücke reißen!“ Kegawa blickt seinen Freund unsicher an: „Hast du noch mehr so tolle Ideen?“ Doch schon sieht er wie sich die Fürstin des Nordens wie ein Pfeil von der Stelle abstößt, mit einer geschmeidigen Bewegung ihr Schwert zieht und direkt auf die drei losgeht. „Ja!“, nickt Samushi hastig, „Lass dich nicht kriegen!“ Mit diesen Worten packt er Kossoridoku am Arm und zerrt ihn unsanft aus dem Weg, nur einen Sekundenbruchteil bevor das Schwert der Fürstin direkt an eben dieser Stelle auf den Boden auftrifft und die Lichtung in eine einzige Eisfläche verwandelt. Auch Kegawa ist ausgewichen und ein ganzes Stück zur Seite gesprungen. „Tolle Idee!“, bemerkt er trocken. Doch schon muss er wieder Acht geben, denn mit atemberaubender Geschwindigkeit ist Yarinuyuki ihm gefolgt und schlägt erneut nach ihm. In letzter Sekunde kann er den Schlag ausweichen und nun hat er alle Mühe, den wütenden Hieben der Nordfürstin zu entgehen. Kegawas Herz schlägt bis zum Hals. Er weiß nur allzu gut, wozu ihr Schwert in der Lage ist. Hyouamejin, das Schwert ihres Vaters, das alles was es schneidet in Eis verwandelt. Wenn sie ihn erwischt, ist es aus! Mit Mühe und Not versucht er ihr zu entkommen, doch es scheint wirklich nur noch eine Frage der Zeit, dass er seinem Schicksal nicht mehr entgehen kann. Auf einmal vernimmt er einen lauten Ruf neben sich. „Yarinuyuki-hime! Hört uns an!“, es ist Samushi. Doch die Nordfürstin lässt sich davon in keinster Weise ablenken. Mit ungebremster Kraft schlägt sie weiter nach Kegawa und pulverisiert dabei mehrere Bäume zu sprühenden Schneeflocken. Zufrieden beobachtet Sokudo das Schauspiel. Es wird nicht mehr lange dauern, ehe diese beiden Streuner, und mit ihnen ihr verräterischer Zeuge, erledigt sind. Besser könnte es gar nicht laufen. Diese Miko wird vermutlich inzwischen kurzen Prozess mit dem Hanyou und seinen Freunden gemacht haben, und damit wären dann alle Beweise, die seinen Herrn überführen könnten, beseitigt. Durch diese Zufriedenheit beflügelt wendet er sich an Itakouri. „Willst du deiner Herrin nicht helfen, die Bastarde zu erledigen?“ Itakouri, der das Treiben bisher schweigend beobachtet hat, wendet sich nun langsam zu ihm um. Kühl mustert er ihn, dann meint er verächtlich: „Glaubst du wirklich, sie braucht meine Hilfe? Die drei sind keinerlei Problem für sie. Und ich hänge an meinem Leben.“ Dann wendet der Befehlshaber sich wieder dem Kampf zu. Nein, er weiß genau, solange seine Herrin nicht in Gefahr ist, hat er sich tunlichst aus ihrem Kampf herauszuhalten. Im Moment sieht es jedoch weniger danach aus, als wäre seine Hilfe irgendwie von Nöten. Yarinuyuki scheucht Kegawa wütend über die Lichtung und nur seine jahrelang trainierten Reflexe, bewahren ihn noch davor, von ihrer Klinge zerstückelt zu werden, doch lange wird er das Tempo nicht mehr durchhalten können. Er ist fast am Ende seiner Kräfte und die Daiyoukai, ist kaum erschöpft. Einmal mehr holt sie zum Schlag aus und diesmal wird er dem Hieb nicht mehr entgehen können, das weiß er. Die Klinge saust hernieder und Kegawa rechnet jeden Moment damit, eingefroren und pulverisiert zu werden. Doch kurz bevor die Klinge ihn trifft, fängt eine stabile Lanze die Wucht des Schlages ab und bewahrt ihn so davor, aus dem Leben zu scheiden. Grimmig trotzt Samushi Yarinuyukis Blick, während er seine Waffe vor sich hält um den Hieb der Nordfürstin abzuwehren. Die Macht ihrer Klinge überträgt sich auf den Schaft seiner Waffe und nur wenige Momente später sind seine Hände am Stab festgefroren. Samushi beißt die Zähne zusammen, doch er weicht ihrem Blick nicht aus. „Ich bat Euch, uns anzuhören!“, grollt er erneut, diesmal direkt in ihr zorniges Gesicht. Doch Yarinuyuki holt nur mit einer Klaue aus und fegt ihn spielend beiseite. Jedoch in der Zwischenzeit hat auch Kegawa wieder Abstand gewonnen und er schafft es, seinen Freund aufzufangen, ehe er unsanft auf dem kalten Boden aufschlägt. Ein Stück neben ihnen liegt Kossoridoku auf der Erde und rührt sich nicht. Samushi richtet sich wieder auf und funkelt die Fürstin entschlossen an. Dann dringt ein Grollen aus seiner Kehle und sein Nacken spannt sich an. Nur wenige Augenblicke verlieren seine Hände ihre unnatürlich blasse Farbe, sondern werden wieder kräftig durchblutet und das Eis tropft nun als Wasser auf den Boden. Dann streckt er die gerade noch eingefrorenen Finger und packt dann wieder seine Waffe. Ernst blickt er Yarinuyuki an, die nun wieder auf ihn zu kommt, noch immer entschlossen, sie beide zu töten. „Yarinuyuki-hime!“, ruft er erneut, „Lasst Euch erklären!“ Sein Blick huscht kurz hinüber zu Dokutoge. „Wie ich sehe, hat der Nishi-aitsu Euch gefunden. Also wisst Ihr sicher auch, dass der Bastard Arashitsume hinter der ganzen Angelegenheit die Fäden gezogen hat.“ „Das ist eine böswillige Verleugnung!“, empört sich Sokudo, doch Samushi ignoriert ihn. Stattdessen weichen er und Kegawa ein Stück weiter zurück vor der Nordfürstin die noch immer direkt auf sie zukommt. „Eine Schwarze Miko hat den Tod Eures Vaters herbeigeführt. Sesshomarus Bruder ist in eben diesem Moment auf der Suche nach ihr.“ Nun mischt sich Itakouri doch ein. „Ihr seid solche Heuchler!“, schreit er erbost, „Ich war ebenfalls da, falls ihr euch erinnert! Ich habe euch gesehen! Als dieser Tenmaru losrannte, habt auch ihr euch ohne zu zögern auf Inu Taihyouga-sama gestürzt. Ihr habt ihn getötet und ihr hattet Vergnügen daran! Das war überdeutlich zu erkennen! Ihr seid nichts weiter als elende Verräter!“ Für einen Augenblick werden die Gesichter der beiden Streuner hart. Doch dann wendet sich Samushi wieder Yarinuyuki zu, die nun langsam, wenn auch nicht weniger entschlossen, auf sie zukommt. Ihre Augen funkeln noch immer eisig und ihr Schwert ist berechnend zum Schlag erhoben. Es steht außer Frage, dass sie ihr diesmal nicht mehr entkommen werden. Ernst schaut Samushi ihr nun entgegen. „Das leugne ich auch überhaupt nicht!“, sagt er hart, „Aber bevor Ihr uns tötet, lasst Euch wenigstens erklären, weshalb wir es taten.“ „Was sollten mich eure Gründe kümmern?“, entgegnet Yarinuyuki kalt und nun hat sie sie erreicht und baut sich direkt vor ihnen auf und hebt ihr Schwert. Seine Lanze noch immer zum Schutz erhoben steht Samushi da. Hart beißt er die Kiefer aufeinander und blickt hinauf zu ihrer Waffe. Dann wirft er aus den Augenwinkeln einen Blick auf Kegawa der sich wachsam hinter ihm postiert hat. Einen Augenblick scheint er mit sich zu ringen, doch dann trifft er eine Entscheidung. Mit einem leichten ausatmen sinkt er auf die Knie hinab und blickt dann zu ihr hoch; dabei stützt er sich auf seinen Speer. „Yarinuyuki-hime!“, sagt er ernst, „Ihr habt Recht! Ihr habt jedes Recht, zornig auf uns zu sein, doch ich versichere Euch, wir taten es nur zum Wohl des Nordreichs!“ Nun hält die Daiyoukai doch einen Moment inne. Ihre Zähne sind gefletscht und das Schwert in ihrer Hand zittert vor Wut. „Ich frage dich!“, quetscht sie mühsam beherrscht hervor, „Inwiefern war der Tod meines Vaters zum Wohle des Nordreichs?“ Ernsthaft blickt der Youkai zu ihr hoch. „Yarinuyuki-hime, ich habe mehr als sechshundert Jahre dem Norden treu gedient. Ich weiß was unseren Clan auszeichnet. Ich lebte, kämpfte und blutete für mein Volk. Ich hatte niemals Zweifel an unserer Lebensweise und ich bin noch immer davon überzeugt, dass der Norden die stärksten und ehrenvollsten Krieger aller Clans beheimatet. Und aus diesem Grund konnte ich es nicht akzeptieren, dass unser Volk ins Verderben gestürzt worden wäre.“ Itakouri und seine Krieger halten sprachlos den Atem an. Dass dieser Streuner sich tatsächlich erdreistet, ihren ehemaligen Fürsten derartig zu beleidigen. Das ist mit Sicherheit sein Todesurteil! Und sie scheinen Recht zu behalten. Kaum sind die Worte verklungen, nimmt die wütende Aura um die Nordfürstin erheblich an Intensität zu. Bedrohlich neigt sie sich nun zu ihm hinab und als sie spricht entblößt sie sie nadelspitze Reißzähne. „Ins Verderben?“, zischt sie tödlich, „Dafür werde ich dir die Zunge herausreißen, Köter!“ Doch Samushi trotzt ihrem Blick mit nicht weniger Entschlossenheit. „Tut, was Ihr nicht lassen könnt, doch ich bin der Meinung, Ihr solltet zumindest wissen wofür Ihr uns bestraft!“ Ein kräftiger Schlag mit ihrer Klaue befördert den Streuner äußerst unsanft ein paar Meter Entfernung auf den Boden. Kegawa ballt unwillkürlich die Hand zur Faust und sein Herz schlägt bis zum Hals. Doch Samushi rappelt sich schnaufend wieder auf und hält sich die heftig blutende Wange, aber in seinen Augen liegt noch immer der gleiche Trotz. „Ich bin überzeugt, Ihr wisst genau wovon ich rede, Yarinuyuki-hime!“, meint er grimmig, „Bitte, zwingt mich nicht dazu, es auszusprechen!“ Sein Kopf ruckt einmal kurz in Itakouris Richtung. Für einen kurzen Augenblick hält die Nordfürstin inne und ihre Mundwinkel erschlaffen ein wenig. Langsam lässt sie ihr Schwert sinken. Dann atmet sie einmal ärgerlich durch und legt die Stirn in Falten. „Also schön!“, grollt sie verstimmt, „Sag schon was du sagen willst, doch glaube nicht, du würdest damit deiner Strafe auch nur irgendwie entgehen!“ Samushi erhebt sich wieder und speit einen blutigen Spuckefleck auf das Eis: „Wenn ich das wollte, wäre ich schon längst nicht mehr hier!“ Verdammt, ist der Kerl dreist! Itakouri kann es kaum fassen. Er hatte schon wieder völlig vergessen, warum er den Kerl damals so verabscheut hat und.... so sehr bewundert! Samushi, der furchtloseste und bemerkenswerteste Hauptmann und Befehlshaber, den der Norden je gesehen hatte! Bis zu seinem unrühmlichen Verrat war er sein großes Idol, sein heimlicher Rivale, doch erst als er in Ungnade fiel, zusammen mit seinem Vizekommandanten, war der Weg für ihn und seine Ambitionen frei. Nun ist er der Befehlshaber des Nordheers und doch schafft es dieser Ausgestoßene, ihn wie einen unmündigen Welpen dastehen zu lassen. So wie es aussieht, wird er niemals seine Klasse erreichen. Wahrscheinlich wird erst sein Tod dafür sorgen, dass sein noch immer schillernder Ruf, wenn auch nur heimlich geflüstert, allmählich verblasst. Und so wie es momentan aussieht, könnte das tatsächlich sehr bald der Fall sein. Samushi steht der Nordfürstin nun direkt gegenüber, die ihn finster im Auge behält. Ohne große Umschweife beginnt er zu erzählen. „Weder mein Kamerad noch ich streiten ab, dass wir damals gegen den Befehl Eures Vaters gehandelt haben. Aber diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Doch letztlich beschlossen wir, dass es die einzige Möglichkeit war Inu Taihyouga-sama vor sich selbst zu beschützen. Euer Vater war damals fest entschlossen, die Ostprinzessin Hanaki zu seiner Frau zu nehmen und ich vermute, inzwischen habt Ihr auch herausgefunden weshalb.“ Yarinuyukis Miene erstarrt kaum merklich, doch das reicht Samushi als Bestätigung. „Ich habe also recht“, nickt er, „Aber auch wir konnten diese Entscheidung zunächst nicht verstehen. Es war nicht verwunderlich, dass er gerade mich und Kegawa auswählte, um seine zukünftige Braut abzuholen. Immerhin waren wir seine höchsten Offiziere. Doch warum er uns tatsächlich ausgewählt hatte, sollten wir erst später erfahren. Von all seinen Kriegern sprach er uns die größte... Selbstbeherrschung zu.“ Yarinuyukis Augen weiten sich ein wenig, doch sie sagt kein Wort. Aber Samushi redet schon weiter. „Wir sollten sie zurückbegleiten, doch schon sehr rasch wurde uns klar, was unser Fürst so sehr an ihr... schätzte.“ Ein verstohlener Blick geht hinüber zu Itakouri und den anderen. Er hatte zwar gehofft, offen mit ihr reden zu können, wenn es einmal dazu kommen sollte, doch dieser Wunsch bleibt ihm wohl verwehrt. So muss er darauf achten, dass er in ihrer Gegenwart nichts abwertendes über ihren Vater sagt. Sie verteidigt ihn noch immer. Wenn sie wüsste! Möglichst leise fährt er fort. „Innerhalb kürzester Zeit waren auch wir ihr verfallen. Doch widererwartend nutzte sie es nicht zu ihrem Vorteil, und glaubt mir, sie hätte zu diesem Zeitpunkt alles von uns fordern können! Aber stattdessen versuchte sie nur auf uns einzureden. Sie beschwor uns, sie nicht zu Inu Taihyouga zu bringen, denn das was uns hier gerade widerfuhr, würde ihn noch um ein vielfaches mehr treffen, und ohne dass sie es verhindern können würde, wäre er bald nur noch eine Marionette des Ostens. Soweit wollte sie es nicht kommen lassen, auch um ihr eigenes Reich zu schützen, sollte Inu Taihyouga dahinterkommen, dass man ihn benutzen würde. „Sie flehte uns praktisch an, sie gehen zu lassen und es fiel uns wirklich schwer, ihrer Bitte zu widerstehen, doch wir blieben hart. Schließlich waren wir unserem Herrn zur Treue verpflichtet. Und ich rechne ihr noch immer hoch an, dass sie uns nicht einfach umgebracht hat und geflohen ist“, den letzten Satz scheint er eher zu sich selbst zu sagen. Dann blickt er wieder auf: „Es vergingen einige Tage in denen wir uns gegenseitig davon abhalten mussten... über sie herzufallen; mal davon abgesehen, dass uns das niemals gelungen wäre. Aber je schwerer es uns wurde zu widerstehen, umso fester wurde unser Entschluss, dass wir unseren Fürsten nicht dem selben Schicksal aussetzen konnten. „Schließlich trafen wir eine harte Entscheidung. Wir gestatteten ihr, zu fliehen. Sie war über alle Maßen dankbar. Doch wir wussten, es würde unser Todesurteil bedeuten, wenn wir mit leeren Händen heim kämen. Wir waren bereit, das zu akzeptieren als Strafe für unsere Schwäche. Doch als sie uns dann anbot, mit ihr zu kommen... Ich glaube das war der Moment in dem wir wirklich schwach wurden. Wir willigten ein. „Sie versprach uns immer zu beschützen, wenn wir loyal zu ihr sein würden. Das war ihre einzige Bedingung. Und wir entschlossen uns dazu, ein Leben als Ausgestoßene zu leben, wenn wir dafür unseren Clan vor Schaden bewahren konnten. Uns war immer klar, dass wir uns unserem Vergehen einmal stellen mussten, aber wir bereuen es nicht und wir würden jederzeit wieder so entscheiden, denn ob Ihr es glaubt oder nicht, das Wohlergehen unseres Reiches liegt uns noch immer am Herzen!“ Hier verstummt er. Einen langen Moment herrscht Schweigen über der Lichtung. Dann hört man Yarinuyuki vernehmlich ein und ausatmen. „Und das soll ich dir glauben?“, fragt sie scharf, „Es mag ja vielleicht sein, dass ihr es getan habt, um meinen Vater... vor einem Fehler zu bewahren, aber das stand euch in keinster Weise zu!“ Samushi senkt den Blick: „Das ist uns bewusst!“ Nun schnellt Yarinuyukis Klaue blitzschnell vor, packt den Streuner am Gewand und hebt ihn mühelos in die Luft. Eisig funkelt sie ihn an. „Tu nicht so selbstgefällig, elender Köter! Deine bisherigen Beleidigungen reichen dir wohl noch nicht. Und bevor ich dich in kleine Fetzen reiße, will ich von dir die Wahrheit hören! Wenn das alles nur dazu diente, meinen Vater zu schützen, warum habt ihr dann mitgeholfen, ihn feige zu ermorden? Wenn ihr angeblich so ehrenhaft und clanestreu gehandelt habt, warum habt ihr dann euren Treueschwur gebrochen, und euren Fürsten umgebracht?“ Doch nun wendet Samushi den Blick ab. Yarinuyuki zieht ihn nun dicht an sich heran und ihre Augen glühen: „Rede, verdammt!“ Samushi schnaubt einmal verächtlich und dann schaut er sie wieder an: „Weil mein Schwur meinem Clan gilt und nicht ihm!“ Das bedrohliche Knurren in ihrer Kehle nimmt zu und dann schleudert sie den Youkai vor sich zu Boden, so dass er einmal schmerzhaft aufstöhnt. „Du räudiger Köter!“, schreit sie wütend und ihre Augen leuchten kaltblau, „Mein Vater war der Clan! Er war sein Herz! Seine Seele! Dem Clan dienen, heißt seinem Fürsten dienen! Und den Fürsten verraten, heißt den Clan verraten!“ Mit diesen Worten bildet sich eine kaltes Glimmen um ihre linke Klaue und blitzschnell rammt sie ihre Krallen in seinen Magen. Samushi stöhnt auf und er spuckt ein Schwall Blut aus. An der Stelle wo sie ihn verletzt hat, bildet sich nun eine Eisschicht, die sich immer mehr ausbreitet. Doch der Youkai gibt nicht auf. Trotz seiner Schmerzen konzentriert er sich angestrengt und vertreibt durch seine Willenskraft die Kälte, die von seinem Körper Besitz ergriffen hat. Nach wenigen Momenten ist von der Vereisung nichts mehr zu sehen, doch das hat auch den Nachteil, dass die Wunde wieder zu bluten anfängt. Verbissen blickt er wieder zu ihr hoch. Doch dann lächelt er ein wenig. „Yarinuyuki-hime, ihr seit wahrhaftig eine würdige Nachfolgerin Eures Vaters. Das Erbe des Nordclans ist bei Euch in guten Händen. Unsere Entscheidung war also richtig!“ Yarinuyuki fletscht nun die Zähne. Dann packt sie ihn erneut am Gewand und zerrt ihn hoch. „Ich sagte, du sollst nicht so selbstgefällig daherreden! Du tust gerade so, als wäre das dein Verdienst! Willst du mich herabsetzen? Das wird dir schlecht bekommen, verlass dich drauf! Es genügt schon, dass du versuchst meinen Vater herabzusetzen. Mein Vater war ein würdiger Fürst! Er achtete unsere Gesetze. Es gab niemanden der ehrenvoller war als er! Er war stark und er war stolz und jedem der etwas anderes behauptet, werde ich sämtliche Körperteile abhacken!“ Wütend schleudert sie ihn zu Boden und dann hebt sie entschlossen ihr Schwert. Ihr Blick ist tödlich. Doch Samushi zeigt sich noch immer unbeeindruckt davon. „Es stimmt was Ihr sagt!“, erwidert er nun, „Inu Taihyouga achtete unsere Gesetze sehr genau, ebenso wie die Gesetze des ehrenvollen Zweikampfes! Und er legte immer schon sehr viel Wert auf Tradition, wie Ihr wisst. Die Regeln des ehrenhaften Zweikampfes zwischen Fürsten sind klar. Wenn dabei einer der Fürsten getötet wird, hat sein Nachfolger das Recht, Vergeltung zu üben. Das war auch der Grund weshalb er Hanaki-hime nicht verzeihen konnte, was damals vor 250 Jahren geschehen ist. „Nicht, dass sie sich einmischte, denn da Inu Taiarashi noch keinen Nachfolger bestimmt hatte, stand dieses Recht sowohl ihr als auch ihrem Bruder zu. Doch nachdem sie ihn besiegt hatte, verschonte sie ihn und ließ ihn am Leben. Diese Demütigung konnte er ihr nicht vergeben.“ Nun blickt Samushi die Nordfürstin, die noch immer zähneknirschend vor ihm steht, durchdringend an. „Ich versichere Euch, Yarinuyuki-hime, Hanaki-hime war sich immer bewusst, dass sie Euren Vater schwer gekränkt hatte und sie bereute das sehr. Doch sie wagte es nicht, ihn aufzusuchen und die Angelegenheit mit ihm zu klären, aus den selben Gründen weshalb sie es ablehnte, seine Frau zu werden. Deshalb hielt sie sich immer gut verborgen vor ihm, bis sie schließlich vor einigen Tagen verraten wurde von diesem elenden Bastard dort!“ Zornig zeigt er auf den besinnungslosen Kossoridoku. „Dank ihm gelang es Inu Taihyouga, unser Rudel aufzuspüren mit der Absicht, Hanaki-hime für ihre Taten büßen zu lassen. Und sie war zunächst auch durchaus bereit, jede Strafe zu ertragen. Doch als wir hinzukamen und Inu Taihyouga uns erkannte, beschloss er uns alle zu töten. Zum einen als Strafe für unseren Ungehorsam und zum anderen wollte er damit Hanaki-hime treffen. Er wollte Rache an allem was ihr lieb und teuer war. Und die Ehre gebot es ihr, dass sie uns davor schützte. Also forderte sie Ihn zum Zweikampf um ihren Zwist ein für allemal zu klären unter der Bedingung, dass er uns verschonen würde. Und ebenfalls die Ehre gebot es Inu Taihyouga diese Herausforderung anzunehmen. „Damit unterwarf er sich den üblichen Regeln, so wie es von ihm nicht anders zu erwarten war. Was danach passierte, wird Euch dieser da“, er zeigt auf Dokutoge, „vermutlich schon erzählt haben.“ Er keucht einmal auf, wegen der zunehmenden Schmerzen durch seine Wunde, doch er ist ein wenig erstaunt, dass sie ihn noch immer sprechen lässt. Ernst blickt er zu ihr hoch: „Yarinuyuki-hime, inzwischen wisst ihr sicher schon, dass unsere Anführerin einen Sohn hatte. Es wurde lange Zeit geheimgehalten von ihr und Yaeba, doch wir wussten es alle, wenn wir auch vorgaben, nichts zu wissen. Nach ihrem Tod war nun offiziell Yaeba der Anführer unseres Rudels doch eigentlich war es nun Tenmaru. Und obwohl er damit gegen ihren ausdrücklichen Befehl handelte, war seine erste Handlung nach ihrem Tod, dafür Vergeltung an Inu Taihyouga zu üben, wie es einem Nachfolger nach dem Gesetz des ehrenvollen Zweikampfes unter Fürsten zustand. Es war also sein gutes Recht, Rache zu üben und da wir Hanaki-hime die Treue geschworen hatten und nun Teil ihres Rudels waren, war es einfach eine Selbstverständlichkeit, dass wir den Absichten unseres neuen Anführers folgten, selbst wenn wir uns anschließend wieder unserem offiziellen Anführer Yaeba unterordneten.“ „Ihr seht also, unser Rudel hat im Grunde nichts falsches getan. Wir handelten treu nach Tradition und Gesetz. Ich... bitte Euch Yarinuyuki-hime“, hier stockt er für einen Moment um seinen Stolz einmal beiseite zu schieben, „Lasst nicht zu, dass es nur durch diese lange Reihe an Missverständnissen zum Krieg kommt! Auch wenn mein Treueschwur nun einem anderen Fürsten gehört, mein Herz steht noch immer zu meiner Heimat! Ich will nicht, dass unser Volk zu Schaden kommt. Und deshalb will ich auch verhindern, dass es zum Krieg kommt. „Mit Sicherheit würden unsere Krieger tapfer kämpfen und ihren Beitrag leisten, aber zu welchem Preis? Unser Clan ist der kleinste der drei. Jedes einzelne Leben ist kostbar! Deshalb habe ich auch beschlossen, zu verhindern, dass es dazu kommt. Und wenn das bedeutet, dass ich vorübergehend auf die Befehle dieses Hanyous hören muss und diesen Verräter da zum Ostpalast bringen soll, um den Mörder Arashitsume des Verrats zu überführen, dann werde ich auch das tun!“ Für einen Augenblick halten die Umstehenden den Atem an. Wie wird die Fürstin des Nordens reagieren? Yarinuyuki steht hoch aufgerichtet da und die Hand um ihren Schwertgriff zittert vor unterdrückter Wut. Man kann praktisch dabei zusehen, wie die bläuliche Aura um sie zunimmt. Scharfe Reißzähne sind fest aufeinandergebissen und ein bedrohliches Knurren dringt aus ihrer Kehle. Mit kalt glühenden Augen durchbohrt sie ihn und doch scheint sie zu zögern. „Du jämmerlicher Köter!“, knurrt sie gepresst, „Du wagst es, mich über unsere Gesetze belehren zu wollen? Du? Ein Gesetzloser? Ein Ausgestoßener? Ein rang- und ehrloser Streuner? Dir sollte doch wohl klar sein, dass unsere Gesetze nicht für dich und deinesgleichen gelten! Ihr habt keine Rechte! Wage es nicht, das für dich in Anspruch zu nehmen! Ihr seid nichts weiter als Verbrecher, und deine Rudelführerin war keine Fürstin und somit war es auch nicht ihr Sohn! Und ihr seid nur ein Haufen von Verrätern und Abtrünnigen die meinen Vater ermordet haben, nicht mehr und nicht weniger! Und dafür werde ich euch nun zur Verantwortung ziehen!“ Wieder hebt sie ihr Schwert und diesmal erkennt man, dass es ihr ernst ist. Samushi beißt die Zähne zusammen und blickt zu Boden. Verdammt, er hat es zumindest versucht. Was sonst kann er nun noch tun, um sie zu überzeugen? Scheinbar lässt sie sich wirklich nicht umstimmen. Zu dumm, nun wird er wohl darauf vertrauen müssen, dass der Hanyou diese Miko überwältigt hat. Ihren Auftrag konnten sie leider nicht mehr erfüllen. „Verdammt, Samushi, sei doch nicht so stur!“, fliegt auf einmal Kegawas energischer Ruf über den Platz. Unwillkürlich ruckt Samushis Kopf hoch. Selbst Yarinuyuki scheint nun einen Moment innezuhalten. Aufgebracht steht der andere Nordyoukai da und seine Augen funkeln ärgerlich: „Hast du vergessen, wem wir die Treue geschworen haben und warum? Denk an unseren Auftrag! Willst du wortbrüchig werden? Soll der Kleine umsonst gestorben sein? Nun schluck deinen bescheuerten Stolz runter und erzähl es ihr!“ Doch Samushi wirft ihm nur einen vernichtenden Blick zu. „Halt dich da raus, Kegawa!“, faucht er. Augenblicklich wendet sich Yarinuyuki wieder Samushi zu: „Was sollst du mir erzählen!“, blitzschnell packt sie ihn mit ihren scharfen Klauen am Hals und hebt ihn hoch, „Ich verlange eine Antwort!“ Doch Samushi beißt sich auf die Lippen und meidet ihren Blick. „Welchen Unterschied würde das jetzt noch machen? Ihr seid doch eh entschlossen, uns zu töten!“ Allmählich wird ihm nun ein wenig schummerig zumute, der enorme Blutverlust zehrt immer mehr an seinen Kräften. Urplötzlich leuchten Yarinuyukis Augen grimmig auf und mit einer weitaushohlenden Schwungbewegung schleudert sie den Youkai vor sich so sehr zu Boden, dass er ein Stück in die Erde gerammt wird. „Das war ein Befehl!“, schreit sie zornig. Eine halbe Sekunde später spürt er die eisige Klinge ihres Schwertes an seiner Kehle und ihr wutschnaubendes Gesicht ragt direkt vor ihr auf. „Du erzählst mir jetzt auf der Stelle, was ich wissen will, sonst werde ich dich nicht nur töten, sondern ich werde dafür sorgen, dass dir das, was du mit dem Nishi-aitsu da angestellt hast, wie eine Gesundheitsmassage vorkommen wird. Und bevor ich dich endlich von deinen Leiden erlöse, werde ich dich dabei zusehen lassen, wie ich deinem Freund dort bei lebendigem Leibe die Knochen aus dem Körper schneiden werde! Also rede endlich, verdammt noch mal!“ Samushi schluckt ein wenig. Ihre Worte sind keine leeren Drohungen, das weiß er. Im Grunde ist ihm gleich, was mit ihm passieren wird, aber es bereitet ihm dennoch ein wenig Unbehagen, dass sein Kamerad leiden soll, weil er sich so starrköpfig stellt. Kegawa ist stark, aber nicht so stark. Immer hat er treu zu ihm gehalten. Das hat er nicht verdient! Schweren Herzens hebt Samushi den Kopf und blickt sie an. „Yarinuyuki-hime, wisst Ihr wie Ihr zu Eurem Namen gekommen seid?“ Schweigend sitzt Arashitsume in seinem Thronsaal auf einem seiner Kniekissen und hat die Augen geschlossen. Um ihn herum herrscht Ruhe. Er ist alleine, keiner seiner Untergebenen ist im Augenblick anwesend. Doch das ist auch nicht weiter schlimm. Trotzdem weiß er ganz genau, was jeder von ihnen im Augenblick macht. Wenn er sich nur stark genug konzentriert, kann er jeden Gedanken hier in seinem Schloss hören. Es ist also völlig unnötig, seine Leute mit so etwas unsinnigem wie Botengängen oder dergleichen zu betreuen, wenn allein ein Gedanke genügt um seine Anweisungen unverzüglich zu übermitteln. Doch heute fällt es Arashitsume ein wenig schwerer, sich zu konzentrieren, denn er ist noch immer viel zu wütend. Sein ganzer, schöner Plan, den er über Jahre, ach was, Jahrhunderte geplant hat, wurde mit einem Schlag zunichte gemacht und das nur, weil sein dummer Neffe sich urplötzlich aus falschverstandenem Pflichtgefühl für seinen Vater geopfert hat, der weder irgendwelche Gefühle für ihn aufgebracht hat, noch bereit gewesen wäre, ihn irgendwann einmal anzuerkennen. Dafür hat er wohlwissend damals schon gesorgt. Diese erbärmliche Kreatur! Wie konnte er nur so töricht sein und all das, was er ihm großzügigerweise angeboten hat, einfach in den Wind schlagen? Der Knabe hatte so viel Großmut gar nicht verdient! Nun ist er tot und Arashitsume ist notgedrungen dazu gezwungen, seine Pläne zu ändern. Sokudo sollte seine kleine Nachricht inzwischen der Fürstin des Nordens übermittelt haben. Er wird sich beizeiten bei ihm melden und ihm ihren Entschluss mitteilen. Sicher wird sie über Tenmarus Tod nicht begeistert sein. Das Mädchen ist einfach zu berechenbar. Wenn Sokudo seine Sache gut gemacht hat, wird sie nun einen ziemlichen Zorn auf Sesshomaru haben. Das kommt ihm nur zugute. Ein paar schlagkräftige Nordsoldaten in der Hinterhand zu haben, ist genau das, was seinem Heer gegen die Armee des Westens noch fehlt. Mit Sicherheit wird sich Yarinuyuki nicht mit ihm verbünden, aber wenn sie ebenfalls den Westen als Feind betrachtet, wird auch das seinen Zweck erfüllen. Die Chancen stehen zwar nicht sehr hoch, dass seine Soldaten in der Lage sein werden, Sesshomaru noch im Vorfeld auszuschalten, dazu ist der Westfürst einfach zu mächtig, aber sie können ihn womöglich solange aufhalten, bis seine Verteidigungseinheiten ausreichend platziert sind. Die Verluste dabei, sind vermutlich zu verschmerzen. Erneut lässt er seinen Geist in seinem Palast und seiner Umgebung umherschweifen um zu überprüfen, ob auch jeder seiner Untergebenen weiß, was er zu tun hat, aber zu seiner Zufriedenheit, sind seine Leute ausgezeichnet geschult. Dieser Palast wird eine uneinnehmbare Festung sein, sollte es zum Kampf kommen. Und das wird es voraussichtlich! Doch nicht ohne Grund liegt der Ostpalast in das Gebirge eingebettet. An dieser Bastion werden sich die Wellen des Westheeres brechen wie ein warmer Sommerregen. Keiner dieser dreckigen Nishi-aitsu wird in der Lage sein, auch nur einen Fuß in seinen Palast zu setzen, geschweige denn eine Hand an ihn, den Fürsten, zu legen. Keiner! Die einzige Sorge, die ihm bleibt, ist der Fürst des Westens selbst. Arashitsumes Stirn legt sich ein wenig in Falten. Nur sehr ungern möchte er es auf ein direktes Kräftemessen mit dem Sohn des Inu Taishou ankommen lassen. Die Macht seines Vaters war legendär und nur jemand mit Selbstmordabsichten hätte ihn herausgefordert. Und auch wenn Sesshomaru bei weitem nicht an seine Stärke heranreicht, so tut man gut, den Daiyoukai aus dem Westen nicht zu unterschätzen, wenn einem sein Leben lieb ist. Zu Arashitsumes Bedauern fällt ihm gerade einfach nichts brauchbares ein, was er tun kann, wenn alle Stricke reißen und der Fürst des Westens tatsächlich versucht, hier einzudringen. Also wird er wohl sein möglichstes tun müssen, um ihn gegebenenfalls, daran zu hindern. Aber wozu hat er schließlich seine Soldaten! Sie wurden nur zu diesem einen Zweck geboren: Um ihren Fürsten zu schützen und heute werden sie ihre Bestimmung erfüllen. Einmal mehr lässt er seine Gedanken durch seinen Palast wandern, suchend und lauschend nach jedem Gedanken den er finden kann. Da, auf einmal stutzt er. Was ist das? Diese Gedanken... Er lauscht einen Moment lang und dann hellt sich seine Miene auf. Zum ersten Mal seit vielen Stunden legt sich ein triumphierendes Lächeln um seine Lippen und er öffnet die Augen. „Schau mal an!“, meint er leise, „Das ist ja sehr interessant!“ Rasch leert er seinen Geist erneut: „Raimeimaru!“ Nur kurz darauf vernimmt er die Antwort in seinen Gedanken: „Was wünscht Ihr, mein Fürst?“ „Komm auf der Stelle zurück zum Palast! Ich habe einen Auftrag für dich.“ Einen Moment lang scheint die Stimme zu zögern. Dann antwortet sie: „Mein Fürst, ich werde zu Euch kommen sobald es mir möglich ist, doch im Augenblick sollte ich besser bei meinen Leuten sein!“ Arashitsumes Miene verfinstert sich. Schon wieder wagt es jemand, ihm zu widersprechen. Das ist ungeheuerlich! „Was könnte wichtiger sein, als dem Befehl deines Fürsten zu folgen?“, fragt er scharf. Nur wenige Augenblicke später erhält er die Antwort: „Mein Fürst, er kommt! Sesshomaru ist auf dem direkten Wege zum Palast! Und... er scheint zornig zu sein. Er stellt eine unmittelbare Gefahr da. Meine Leute werden ihm alleine nicht gewachsen sein.“ Doch Arashitsume geht gar nicht erst darauf ein: „Wozu dienen meine Soldaten, wenn nicht dazu, meine Feinde zu bekämpfen? Und wozu dient mir mein Hauptmann, wenn er meinen Befehlen nicht gehorcht? Ich will, dass du auf der Stelle zurückkommst! Keine weiteren Widersprüche!“ Ein paar Sekunden lang herrscht Stille, doch dann vernimmt er: „Ja, mein Fürst!“, doch offenbar kommen sie dem Betreffenden nur schwer über die Lippen. Arashitsume öffnet die Augen. Wieder stiehlt sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Du bist also zornig, Sesshomaru? Könnte es sein, dass du seinen Tod auf einmal doch bereust? Hast du doch mehr Gefühle als du vorgibst? Willst du Rache? Willst du mich töten? Das wird dir nicht gelingen! Ich werde dich vernichten und du selbst wirst schuld an deinem Untergang sein! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)