Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Kapitel 26: Die Ruhe vor dem Sturm ---------------------------------- Eine fast greifbare Stille liegt über dem Vorplatz des Palastes. Wie gebannt starren die dort postierten Youkais geschlossen auf das mächtige Steintor. Keiner von ihnen wagt den Blick abzuwenden. Jede Unaufmerksamkeit könnte fatal sein. Etwas befindet sich dort auf der anderen Seite des Tores und es reicht aus, um sämtliche Ostyoukais in Alarmbereitschaft zu versetzen. Die drückende Last einer gewaltigen Aura liegt schwer über dem Platz und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihr Verursacher durch dieses Tor schreiten wird. Da plötzlich erschüttert ein mächtiger Schlag das Tor. Sämtliche Ostyoukais zucken zusammen, doch sie sind nichtsdestotrotz kampfbereit. Ein zweiter Schlag versetzt die gewaltigen Flügel in Schwingungen. Unmittelbar ertönt eine laute Stimme: „Verdammt noch mal, macht gefälligst endlich auf! Sonst reiß ich euch eure Tür aus den Angeln!“ Die Stimme ist unverkennbar weiblich, obwohl sie ein wenig tiefer ist, als man annehmen könnte. Vielleicht liegt das auch nur an der seltsamen Sprechweise, denn in jedem der Worte schwingt ein dumpfes Knurren mit. In vorderster Reihe steht der Befehlshaber Raimeimaru und lässt das Tor nicht aus den Augen. Seine Kiefer sind hart aufeinandergepresst. Schließlich blickt er hinüber zu einigen Youkais neben dem Eingang und gibt ihnen einen stummen Wink. Rasch machen sie sich daran, das gewaltige Tor zu öffnen. Die mächtigen Flügel teilen sich und geben den Blick auf den Hohlweg frei. Der schmale Weg ist angefüllt mit Youkais. Nordyoukais! Scheinbar über hundert von ihnen drängen sich dort draußen zusammen. Allesamt sind sie in pelzartige Gewänder gekleidet und die Schattierungen ihrer Haartracht reicht von schmutzigem Grau bis hin zu blendendem Weiß. Allesamt sind sie gut gerüstet und auch ebenso gut bewaffnet. Und allesamt bewegen sie sich nun auf das geöffnete Tor zu. Doch allen voran schreitet eine hochgewachsene, imposante Gestalt. Sie trägt einen Kimono dessen Farbe von einem eisigen Blau in ein grelles Weiß übergeht und auf den unzählige feine Silberornamente aufgestickt sind die im trüben Tageslicht ein wenig unwirklich schimmern. Dazu trägt sie einen weitausladenden Hakama in dem sich die Farben des Kimonos wiederfinden. Ein prächtig verzierter, silberdurchwirkter Gürtel in dem ein langes, schmales Schwert steckt, rundet das Bild ab. Über ihre Schulter und quer über ihre Brust zieht sich ein langer, silberner Pelz und eine lange Mähne aus ebenso silbernen Haaren fällt ihren Rücken hinab. Ein kunstvoller, kammartiger Haarschmuck ziert ihr Haupt und grenzt den Pony, der in kinnlangen Fransen an ihrem Gesicht herabfällt, vom Rest der Frisur ab. Über die schmalen Wangenknochen und ihrer Haut mit dem ungewöhnlich bleichen Teint ziehen sich mehrere nachtblaue Sprenkel und unter den Ponyfransen zeichnet sich ein blitzendes, helles Eiskristallsymbol ab. Unnatürlich eisblaue Augen mustern ihre Umgebung mit zunehmender Skepsis und ein verächtlicher Zug legt sich um die blassrosa Lippen. Erhobenen Hauptes durchschreitet die Fürstin des Nordens das Tor. Sofort tritt Raimeimaru ihr entgegen. „Fürstin Yarinuyuki, wir haben Euch erst morgen erwartet.“ Augenblicklich ruckt ihr Kopf in seine Richtung und ein ärgerliches Funkeln glimmt in ihren Augen. „Wer hat dir erlaubt, mich anzusprechen, Lakai?“ Fast beiläufig streckt sie eine Hand aus und ein seltsamer weißer Dunst entsteht um ihre Finger. Es kostet sie kaum einen Gedanken als sie einen Schauer aus nadelspitzen Eiskristallen auf den Youkai abschießt. Nur Augenblicke später bohren sich die Spitzen schmerzlich in seinen Körper und holen Raireimaru von seinen Füßen, sodass er keuchend auf dem Rücken zu liegen kommt. Die anderen Ostyoukais fletschen die Zähne, wagen aber nicht einzugreifen. Die Nordyoukais grinsen hämisch und vereinzelt ist sogar ein Lachen zu hören. Verächtlich schaut die Nordfürstin auf den Befehlshaber der Ostyoukais herab und setzt sich dann wieder in Bewegung. „Idiot! Als ob ich auch nur eine einzige Sekunde verschwenden würde, wenn sich mir die Gelegenheit, bietet dieses elende Pack ein für allemal auszulöschen.“ Mit festen Schritten schreitet sie die Treppe zum Palasteingang hinauf. Kurz vor dem Eintritt hebt sie leicht die Hand und die Youkais, die ihr folgen, bleiben stehen. „Ihr wartet hier!“, sagt sie energisch. Unter einigem mürrischen Gemurmel machen es sich nun die Nordyoukais auf dem Vorplatz gemütlich. In vielen kleinen und größeren Grüppchen setzen sie sich hin und werden nur mit hasserfüllten Blicken von den umstehenden Ostyoukais beobachtet, die allerdings nicht ihre Posten verlassen. Zielstrebig durchquert die Fürstin den Torbogen zum Empfangssaal. Ihr Blick ist unverwandt auf das Ende des Raumes gerichtet. Den wachhabenden Leibwächtern an der Seite schenkt sie keine Beachtung. Stattdessen blickt sie direkt zu Arashitsume, der wieder auf seinem Thron Platz genommen hat. „Ich grüße Euch, Fürstin Yarinuyuki. Ich bin erfreut, dass Ihr meiner Nachricht so rasch gefolgt seid.“ Doch die Youkaifürstin schneidet ihm heftig das Wort ab: „Haltet Eure durchtriebene Klappe! Soweit kommt das noch, dass ich mich von Euch hierher zitieren lasse! Wo ist er?“ Arashitsumes Lächeln ist schlagartig verschwunden. „Wo ist wer?“, fragt er kühl zurück. Drohend nähert sich die Nordfürstin dem Thron. „Spielt nicht den Ahnungslosen! Wen soll ich wohl meinen? Wo steckt Sesshomaru?“ Arashitsumes Augen werden schmal und sein Mund bildet einen dünnen Strich. „Fürst Sesshomaru ist im Moment noch anderweitig beschäftigt und wird hier erscheinen, wenn es ihm gelegen ist.“ Yarinuyuki verschränkt empört die Arme. „Das könnte ihm wohl so passen! Es war seine Idee den Rat einzuberufen, und nun glänzt er durch Abwesenheit. Eine Frechheit ist das!“ Nun hält es Arashitsume nicht mehr auf seinem Platz. Geschmeidig erhebt er sich und kommt einen Schritt auf die Nordfürstin zu. Er überragt sie um fast einen halben Kopf. Mit stechendem Blick schaut er auf sie hinab. „An Eurer Stelle wäre ich ein wenig vorsichtiger mit dem Gebrauch dieses Wortes.“ Die Nordfürstin stemmt die Arme in die Seite. „Was wollt Ihr damit sagen?“ Im gleichen Maße wie Yarinuyuki lauter wird, wird Arashitsumes Stimme leiser, jedoch auch bedrohlicher. „Ich will damit sagen, wenn Ihr weiter so unverschämt seid, sehe ich mich gezwungen, dem Rechnung zu tragen!“ Laut lacht die Fürstin los. „Ihr beliebt zu scherzen! Arashitsume, Ihr seid ein D...“, hier unterbricht sie sich plötzlich und setzt schließlich mit kontrollierter Miene noch einmal neu an, „eindeutig im Irrtum, wenn Ihr glaubt, dass Ihr mich mit euren haltlosen Drohungen einschüchtern könnt.“ Sie wirft einen kritischen Blick in die Runde dann lächelt sie genüsslich. „Schaut sie Euch nur an, Eure Männer! Wie grimmig sie gucken! Ohne Zweifel würden sie mich am liebsten für meine Frechheiten zur Verantwortung ziehen, doch wie Ihr Euch sicher denken könnt, wäre es ein Fehler, ihnen freie Hand zu geben“, nun wendet sie sich ihm wieder zu, „Es sei denn, Ihr hängt nicht allzu sehr an ihren Leben.“ Schmal starrt Arashitsume sie an. Seine Kiefer sind hart aufeinander gepresst. „Ihr seid ungehobelt und dreist, Yarinuyuki-sama!“, zischt er, „Aber ich durchschaue Euch. Euch ist diese gesamte Farce ebenso zuwider wie mir, aber Ihr hofft, dass ich durch Eure Provokation vergesse was Recht und Sitte ist und das Protokoll missachte, dass mir Höflichkeit Euch gegenüber gebietet. Ihr kennt die Konsequenzen genau so gut wie ich. Wollt Ihr den Krieg so drängend, dass Ihr es wagt, mich derartig zu beleidigen?“ Grimmig starrt er sie an. Doch Yarinuyuki erwidert nur leicht verächtlich seinen Blick. „Ich schätze ich sollte mich wohl geehrt fühlen, dass Ihr mir so tiefgründige Motive unterstellt. Doch ich fürchte ich muss Euch enttäuschen, Arashitsume. Ich kann Euch ganz einfach nicht leiden!“ Das Gesicht des Ostfürsten wird zornesrot. „Ihr wagt es...!“, doch schon wieder unterbricht sie ihn unbeeindruckt: „Ach, regt Euch nicht gleich so auf, Arashitsume. Euch wäre es doch im Grunde ebenfalls lieber, wenn wir die ganze Angelegenheit schnell und sauber erledigen würden, ohne dieses ganze blabla. Dieser Rat ist doch pure Zeitverschwendung! Aber ob Ihr es glaubt oder nicht, ich habe beschlossen mich dem Protokoll zu fügen und dem Ruf eines der Fürsten zu folgen, der von mir verlangt, am Hohen Rat teilzunehmen“, ernst schaut sie ihn an, „Und danach werde ich mit Genuss dafür sorgen, dass die Mörder meines Vaters ihrer gerechten Strafe nicht entgehen. Ich werde ihnen mit meinen eigenen Händen die Kehlen herausreißen! Also zum letzten Mal, wo steckt Sesshomaru?“ Einen Moment lang sagt Arashitsume kein Wort und seine Miene ist unergründlich. Doch dann setzt er wieder ein sanftes Lächeln auf. „Er wird in Kürze da sein. Ich werde ihm ausrichten, dass Ihr nach ihm verlangt. Inzwischen werden meine Leute den Ratsort herrichten. Ich fordere allerdings von Euch, dass Eure Soldaten augenblicklich mein Schloss verlassen! Ich will keinen von ihnen hier haben. Sie können in der näheren Umgebung lagern, aber es ist ratsamer, dass sie nicht in die Nähe meiner Soldaten kommen. Ihr wisst, dass es nur allzu leicht zu einem Zwischenfall kommen könnte. Ich muss Euch sicher nicht daran erinnern, dass unsere Clans sich verabscheuen.“ Yarinuyuki grinst hämisch: „Was denn, Arashitsume? Schiss?“ Arashitsumes Miene ist komplett humorlos: „Mitnichten! Ich sehe nur keinen Grund ein Risiko einzugehen.“ Gelassen wendet sich die Nordfürstin zum Gehen: „Also mir würden da schon ein paar Gründe einfallen. Eure Sorge sollte allerdings unbegründet sein. Meine Krieger gehorchen mir nämlich, wenn ich ihnen das Kämpfen verbiete. Doch womöglich sind Eure Leute nicht ganz so diszipliniert. Aber von mir aus, Ihr sollt Euren Willen haben! Meine Soldaten werden im Wald vor Eurem Schloss lagern und die Einzigen, die etwas von ihnen zu befürchten haben werden, sind diese verdammten Streuner!“ Mit diesen Worten verlässt sie erhobenen Hauptes den Saal und lässt einen zähneknirschenden Arashitsume hinter sich. Wilder Hass steht ihm ins Gesicht geschrieben, als er ihr hinterherstarrt. Dann kaum ist sie außer Sicht, entlädt sich seine Wut und in einem wütenden Grollen zerfetzt er mit einem heftigen Hieb den Thron hinter ihm und mit einem weiteren Hieb stößt er die große Feuerschale um, sodass die glimmenden Holzstücke durch den ganzen Thronsaal schlittern. Mit Sorge haben seine Leibwächter es beobachtet. Sie können die Wut ihres Herren gut nachempfinden, doch keiner wagt es auch nur einen Finger zu rühren, aus Angst der Ärger ihres Fürsten könnte sich auf einen von ihnen entladen. So stehen sie nur eingeschüchtert da und schauen zu, wie ihr Herr seine Wut an der Einrichtung auslässt. Bebend steht Arashitsume in der Mitte des Raumes und seine Augen funkeln gefährlich violett. „Na, warte!“, grollt er leise, „Das wird sie mir büßen! Sie wird noch begreifen, wem man besser Respekt zollt und wen man auf keinen Fall verärgern sollte!“ Der mit groben Steinen gepflasterte Pfad führt hinter dem Palast hinauf zu den Felsen. Ohne sich weiter umzusehen folgt Yaeba diesem Weg. Er weiß, dass sein Ziel bereits hinter der nächsten Felsenkette liegt. Hinter ihm folgt ihm der Streuner Raiuko, ebenfalls ohne ein Wort zu verlieren. Mit gleichmäßigen Schritten, nähern sich die beiden dem Kamm. Schließlich haben sie den Felsenkessel erreicht, der trotz seiner beachtlichen Größe, aus der Entfernung nahezu unsichtbar ist. In seiner Mitte steht ein gewaltiger Monolith aus tiefschwarzem Stein. Unmittelbar vor ihm befindet sich noch ein weiterer Stein, der jedoch ein wenig kleiner ist und davor ein weiterer, der ebenfalls kleiner ist und trotzdem die beiden Neuankömmlinge um ein beträchtliches überragt. Zur rechten und zur linken Seite des großen Monolithen stehen jeweils ein kleinerer, heller Stein und ebenso wie die anderen Steine, sind auch diese beiden perfekt geschnittene und blankgeschliffene Quader. Die einzigen sichtbaren Einkerbungen sind drei Blitzsymbole die sich jedoch nur auf den schwarzen Steinen befinden und unmissverständlich das für Ostyoukais typische Zeichen der Herrscherfamilie darstellen. Nun kommt Yaeba direkt vor dem ersten, schwarzen Monolithen zum Stehen und schweigend betrachtet er die Gedenkstätte. An den Seiten ragen hohe Felswände auf und um die mächtigen Steine wirbelt ein kühler Wind. „Eigenartig, nach so langer Zeit wieder hier zu sein“, vernimmt er hinter sich. Raiuko hat die Hände hinter dem Kopf verschränkt und blickt zu den Monolithen hoch. „Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ich je wieder hierher kommen würde.“ „Ich auch nicht“, sagt Yaeba, „Aber wenn alles gut läuft, steht uns der Weg hierher vielleicht bald wieder offen.“ „Was hast du vor?“, fragt Raiuko. Yaeba wendet sich nicht um, sondern betrachtet weiter die Gedenksteine. „Ich werde vor dem Rat sprechen!“ Fassungslos reißt Raiuko die Augen auf: „Bist du verrückt? Das ist doch glatter Selbstmord! Die lassen dich niemals sprechen!“ „Es ist schon alles arrangiert!“, antwortet Yaeba ruhig, „Ich habe bereits die Erlaubnis von zwei der Fürsten.“ „Im Ernst?“, ungläubig starrt der Streuner ihn an, „Sesshomaru hat dir die Erlaubnis gegeben? Wie hast du denn das geschafft?“ „Das braucht dich nicht interessieren“, stellt Yaeba klar, „Wichtig ist nur, dass ich die Gelegenheit bekomme, vor dem Rat zu sprechen.“ „Das heißt aber noch lange nicht, dass sie dir auch zuhören werden, geschweige denn tun was du willst.“ Nun wendet Yaeba sich ihm zu: „Das ist mir durchaus bewusst. Aber es ist meine Pflicht, es zumindest zu versuchen. Das bin ich Ihr schuldig.“ Er wendet sich wieder zu dem Monolithen vor ihm und legt seine Hand auf die glatte Oberfläche. „Sie sollte auch so einen Stein bekommen“, sagt er leise, „Sie hätte es verdient!“ „Das Einzige, was sie verdient hätte, hat sie bereits erhalten!“, ertönt eine laute, hämische Stimme hinter ihnen. Sofort drehen sich die beiden Streuner zu ihrem Verursacher um. Am Eingang des Kessels steht hoch aufgerichtet und in voller Rüstung Sokudo und blickt boshaft zu ihnen hinüber. Sofort fletscht Raiuko die Zähne: „Sokudo, was hast du hier zu suchen?“ Der Angesprochene erwidert den grimmigen Blick. „Das gleiche könnte ich auch euch fragen. Wer hat euch erlaubt, das Ahnenmal mit eurer Anwesenheit zu entweihen?“ „Wir haben das gleiche Recht, den verstorbenen Fürsten unseren Respekt zu erweisen, wie jeder andere Ostyoukai auch!“, schnaubt Raiuko aufgebracht. „Ihr habt überhaupt keine Rechte!“, schreit Sokudo wütend, „Ihr seid Streuner! Ausgestoßene! Genau wie eure elende Anführerin und es geschieht ihr ganz recht, dass sie sich von Inu Taihyouga hat zerfleischen lassen!“ „Was sagst du da?“, Raiukos Augen beginnen tief violett zu funkeln und er entblößt seine Reißzähne. Schon will er sich auf Sokudo stürzen, doch ein energischer Griff von Yaeba hält ihn zurück. „Beruhige dich!“, kommt der unmissverständliche Befehl, „Dies ist eine Gedenkstätte! Sie darf nicht mit Blut besudelt werden.“ Raiuko zittert vor unterdrückter Wut. Es ist ihm anzusehen wie sehr er um seine Beherrschung ringt. Der Blick den er Sokudo zuwirft ist tödlich. „Feigling!“, lacht Sokudo triumphierend. Doch nun ist auch Yaebas Blick finster geworden und er macht einen Schritt auf Sokudo zu. „Richte Arashitsume aus, dass er keinen Erfolg hat. Uns ist durchaus klar, dass unsere Unversehrtheit in diesem Palast davon abhängt, ob wir uns ruhig verhalten oder nicht. Aber dieser lächerliche Versuch, uns zu provozieren, kommt schon einer Beleidigung gleich. Wir werden nicht leichtfertig unseren Schutz aufs Spiel setzen, nur um unseren Sinn nach Vergeltung zu befriedigen!“ Sokudo macht ein Gesicht, als hätte man ihn geschlagen. „Mieser, dreckiger Köter!“, grollt er, „Was glaubt ihr, wie lange ihr noch dem unvermeidlichen Tod entkommen könnt? Schon eurer kleiner Gefährte hat sein Glück mehr als überstrapaziert, als er einen unserer Soldaten angriff und tötete.“ Yaebas Augen fliegen auf und er starrt Sokudo einen Moment lang sprachlos an. „Tenmaru!“, haucht er, dann ruft er wieder laut „Was ist mit ihm geschehen?“ Sokudo grinst genüsslich: „Machst du dir etwa Sorgen um den Kerl? Das solltest du auch! Die Fürstin des Nordens ist eingetroffen und der Rat wird schon bald beginnen. Ich wurde geschickt, um euch zu holen“, man sieht ihm deutlich an, dass er diese Aufgabe verabscheut, „In Kürze wird über sein und euer Schicksal entschieden werden und danach könnt ihr euch auf etwas gefasst machen!“ Mit diesen Worten dreht der Ostyoukai sich um und verlässt mit schnellen Schritten den Felsenkessel. „Elender Hund!“, grollt Raiuko, „Am liebsten würde ich ihm sämtliche Körperteile abreißen! Wenn es nach ihm ginge, würde er das Urteil selbst vollstrecken. Er hasst dich noch immer.“ Yaeba blickt zu Boden: „Das macht nichts. So wie die Dinge im Moment stehen, sind ihm die Hände gebunden. Aber er hat seine Niederlage gegen Tenmaru sicher weder vergessen, noch verwunden.“ Raiuko schnaubt verächtlich: „Was hat der Kerl jetzt wieder angestellt? Der Kleine macht ständig nur Ärger.“ „Das wüsste ich auch gerne“, mein Yaeba, „Allerdings wissen wir auch, dass er noch lebt. Das wundert mich. Wenn er einen Krieger des Ostens getötet hat, hätten sie ihn sicher nicht am Leben gelassen. Ob das mit diesem Inu Yasha zusammenhängt?“ „Du meinst diesen Hanyou, an dessen Rockzipfel er momentan hängt?“ Yaeba nickt. „Er mag ein Hanyou sein, aber er ist ein Fürstensohn des Westens. Ich glaube vorerst ist Tenmaru in seiner Obhut ganz gut aufgehoben.“ Der zierliche Streuner verdreht die Augen: „Oh bitte, Yaeba, hör auf, ihn ständig in Schutz zu nehmen! Er hat mal wieder Mist gebaut und bringt uns alle in Gefahr. Es wäre nicht das erste Mal. Muss ich dich daran erinnern, wer sich als erstes auf Inu Taihyouga gestürzt hat, nachdem...“ „Nein, musst du nicht!“, unterbricht ihn Yaeba schroff, „Ich habe es noch deutlich vor Augen! Aber das ist erstmal nebensächlich. Im Augenblick ist wichtig, dass wir ihr Andenken bewahren und das wofür sie ihr Leben gegeben hat. Zugegeben, die Chancen stehen schlecht dafür, aber sie hätte gewollt, dass ihr überlebt. Sie hat jeden Einzelnen von euch beschützt und wenn wir jetzt nicht alles tun, um am Leben zu bleiben, besudeln wir ihr Andenken!“ Missmutig verzieht Raiuko das Gesicht: „Ich hab nur den Eindruck, dass Tenmaru das wenig interessiert. Er scheint jedenfalls nicht sehr an seinem Leben zu hängen. Sonst würde er sich nicht andauernd in Schwierigkeiten bringen.“ Doch Yaebas todernste Miene bringt ihn augenblicklich zum Verstummen. „Tenmaru bewahrt ihr Andenken auf andere Weise!“, sagt Yaeba leise, „Gerade kämpft er an einer anderen Front und ich fürchte, dass wir eher mit dem Leben davon kommen werden, als das seine Aufgabe Erfolg haben wird. Lass ihn also in Ruhe!“ Beschwichtigend hebt Raiuko die Hände: „Schon gut! Kann mir ja auch egal sein. Und was machen wir jetzt?“ Yaeba strafft sich. „Wir gehen zurück und stellen sicher, dass keinem unserer Gefährten etwas geschieht, zumindest bis das Urteil gefällt wird.“ „Und wie willst du das anstellen? So wie ich Sokudo einschätze, wartet er nur darauf uns hinterrücks zu ermorden, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet.“ „Das steht nicht zu befürchten. Sokudu untersteht direkt Raimeinmaru als dem Oberbefehlshaber der Garde und Raimeimaru untersteht Arashitsume und im Gegensatz zu Sokudo nimmt Raimeimaru seine Verantwortung äußerst ernst. Ohne Arashitsumes Befehl, wird er niemanden angreifen, oder auch nur einen Angriff gestatten.“ „Es hängt also alles an Arashitsume“, meint Raiuko. „Das kann man so sagen“, nickt Yaeba, „Und wie ich ihn kenne, sind wir nur solange vor ihm sicher, wie wir ihm noch von Nutzen sind.“ Raiuko lacht verächtlich auf. „Als ob wir von irgendwelchem Nutzen für ihn wären.“ „Täusch dich da mal nicht“, meint Yaeba von der Seite, „Was in Arashitsumes Kopf vorgeht, ist nicht immer logisch. Aber solang er einen Vorteil für sich sieht, wird er uns am Leben lassen. Ich mache mir nur Sorgen darüber, dass er bereits versucht uns loszuwerden.“ „Was willst du also tun“, fragt Raiuko. Yaebas Blick wird ernst: „Ich werde einmal mit Inu Yasha sprechen.“ Und sofort nach diesen Worten setzt er sich in Bewegung. Verdutzt schaut Raiuko ihm hinterher. Doch dann kommt wieder Bewegung in ihn. „Hey, warte mal! Was willst du denn von diesem Hanyou? Was versprichst du dir davon? Yaeba, warte!“ Und kurz darauf kehrt wieder Stille zwischen den Gedenktafeln ein. „Das war ausgesprochen dumm von dir, Kagome!“, empört schaut Sango ihre Freundin an. Gerade hat man Miroku und ihr von den vergangenen Ereignissen berichtet und nun macht sie ihrer Sorge Luft. „Du hättest getötet werden können!“ „Ich weiß!“, gibt Kagome kleinlaut zu, „Aber ich konnte doch nicht tatenlos zusehen, wie sie ihn töten. Immerhin hat er mich beschützt.“ „Trotzdem“, meldet sich Miroku zu Wort, „Dich einfach einer ganzen Horde Ostyoukais entgegenzustellen und dann noch dazu den Fürst des Ostens, des Hochverrates zu beschuldigen, das war ja wohl doch etwas zu riskant, oder?“ „Na ja...“, meint Kagome geknickt. „Lasst sie in Ruhe!“, kommt es unwirsch von Inu Yasha der an der Fensterseite des Raumes kniet und scheinbar bisher seinen eigenen Gedanken hinterhergehangen hat. „Und du unterstützt das auch noch?“, fragt Sango entrüstet, „Hast du dir denn gar keine Sorgen um sie gemacht?“ Inu Yasha senkt den Blick. „Natürlich hab ich das. Was denkst du denn?“, brummt er, „Aber ihr ist doch fast nichts passiert. Tenmaru hat doch das Schlimmste verhindert.“ „Na toll!“, schnappt Sango, „Und war wäre gewesen, wenn Tenmaru nun nicht gewesen wäre? Hast du daran mal gedacht?“ Inu Yashas Kopf sinkt noch ein wenig tiefer. „Dann würde ich jetzt vermutlich in der Palastküche stehen und Karotten schnippeln“, Kagome hat die Gelegenheit genutzt, um Partei für ihren Freund zu ergreifen, „In beiden Fällen wäre mir nichts passiert, also hör auf, auf ihm rumzuhacken!“ „Glaubst du wirklich?“, fragt Miroku nachdenklich, „Nach dem was du erzählt hast, scheint Arashitsume einen Grund zu suchen, um uns zu schaden.“ „Wie kommst du darauf?“, fragt Kagome. „Nun, wir wissen jetzt, dass es unüblich ist, dass die Fürsten den Dienern der anderen Fürsten ohne Erlaubnis Befehle erteilen. Ich glaube nicht, dass diese Youkaifrau aus eigenen Antrieb gehandelt hat und auch nicht der Krieger.“ „Du glaubst, Arashitsume steckt dahinter?“ „Das scheint mir plausibel“, nickt Miroku, „Wahrscheinlich hat er damit gerechnet, dass du dich weigern würdest und eine Befehlsverweigerung zieht eine Strafe nach sich.“ „Aber er hat mir doch eigentlich gar nichts zu sagen“, entgegnet Kagome. „Wahrscheinlich hat er darauf vertraut, dass uns das nicht bekannt ist, was ja auch stimmt“, meint Miroku nachdenklich, „Wir sind Menschen. Bestimmt denkt er, dass Inu Yasha uns das nicht erzählt hat, dazu stehen wir zu weit unter ihm im Rang, aus seiner Sicht“, fügt er rasch hinzu. „Du glaubst also, er nimmt uns nicht ernst?“, meint Sango. „Sicher nicht!“, nickt Miroku, „Arashitsume erscheint mir wie jemand, der sehr viel Wert auf Rang und Etikette legt und in seinen Augen sind Menschen völlig unbedeutend.“ „Aber warum will er uns dann loswerden?“, fragt Kagome verwundert, „Glaubst du er weiß, dass ich Inu Yasha befreit habe?“ Miroku schüttelt den Kopf. „Ich glaube, dann hätte er anders auf Inu Yashas Freiheit reagiert. Du sagtest doch, dass er zunächst Sesshomaru verdächtigt hat, weil ihm alles andere völlig abwegig vorkam und er schien es schließlich eingesehen zu haben, dass Inu Yasha sich aus freien Stücken befreit hat.“ „Aber was ist dann der Grund?“ Miroko überlegt kurz. „Vielleicht hatte er es gar nicht auf dich abgesehen.“ Kagome schaut überrascht auf: „Nicht? Aber auf wen dann?“ Miroku legt seine Hände in den Schoß. „Es kommt mir so vor, als würde er versuchen, die Streuner zu einem Fehler zu verleiten. Bestimmt wissen sie, wie die Gepflogenheiten in diesem Schloss sind, immerhin sind es auch Ostyoukais. Wahrscheinlich wollte er sie dazu verleiten, eine Dummheit zu machen, wie zum Beispiel, dich zu beschützen. Dann hätte er einen Grund sie zu töten, obwohl sie noch Inu Yasha unterstehen. Habe ich recht Myoga?“ Der alte Floh sitzt auf Mirokus Kragen und nickt. „Stimmt! Für den Tod eines Untergebenen durch den Untergeben eines anderen Fürsten, kann ein Fürst sofort Vergeltung fordern.“ „Und fast wäre es ja auch soweit gekommen“, fügt Sango hinzu, „Das Schlimmste konnte nur verhindert werden, weil Inu Yasha doch noch eingegriffen hat.“ „Ich glaube, du hast recht!“, meint Kagome und senkt den Blick, „Ich denke, Arashitsume hat es auf Tenmaru abgesehen. Er ist ihm praktisch in die Falle gegangen als er mich beschützt hat. Aber er hat nicht mit Inu Yashas Auftauchen gerechnet. Das hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wahrscheinlich hätte er in aller Ruhe mit Tenmaru abgerechnet und wenn Inu Yasha davon erfahren hätte, wäre es schon zu spät gewesen. Bestimmt war das sein Plan.“ „Ja, aber er hat dich unterschätzt, Kagome!“, sagt Sango ernst, „Ihm ist nicht in den Sinn gekommen, dass Inu Yasha durch einen Menschen hätte befreit werden können. Das ist sein großer Fehler! Wahrscheinlich hat ihn das gehörig in Schwierigkeiten gebracht, dass Inu Yasha plötzlich wieder für seine Untergebenen eintreten konnte, denn wie wir jetzt wissen, hat nun auch Sesshomaru davon erfahren und das hätte Arashitsume bestimmt lieber vermieden.“ Gedankenverloren schaut Kagome zu Boden. Schließlich fragt sie: „Myoga? Was geschieht eigentlich mit dem Untergebenen eines Fürsten, wenn er einen Untergebenen eines andere Fürsten tötet und der Herr des Mörders gerade nicht verfügbar ist? Kann der Fürst dann ganz beliebig mit ihm verfahren?“ Myoga legt die Stirn in Falten: „Na ja, ich denke schon, solange sein Herr nicht für ihn eintritt, kann er mit ihm machen was er will. In den meisten Fällen würde er wahrscheinlich getötet werden, aber manchmal nimmt der Fürst den anderen auch als Ersatz für seinen verlorenen Diener.“ „Und Arashitsume hat nicht damit gerechnet, dass Inu Yasha jemals wieder aus diesem Kerker rauskommt!“, beendet Kagome den Satz, „Wirklich hinterhältig!“ „Und skrupellos!“, fügt Sango hinzu, „Wenn man bedenkt, dass er bereit war, einen seiner Soldaten zu opfern nur um einen Streuner umzubringen.“ Kagome schaut auf. Soll sie es riskieren und ihren Freunden von der nächtlichen Unterhaltung erzählen? Doch sie entschließt sich dagegen. Inu Yasha muss nicht wissen, was Tenmaru von ihm denkt. Bestimmt wäre der Streuner dagegen, dass er es erfährt. Und so viel Taktgefühl ist sie ihm schuldig. Für sie steht außer Frage, dass Arashitsume beabsichtigt, Tenmaru in seine Finger zu bekommen, koste es was es wolle. Offenbar rechnet er nicht damit, dass Tenmaru seine Meinung noch ändern wird und nun zieht er alle Register. Wahrscheinlich könnte Tenmaru im Augenblick gar nicht besser aufgehoben sein, als unter Sesshomarus Obhut, denn an den Untergebenen des Westfürsten, wird sich Arashitsume sicher nicht so ohne weiteres vergreifen. Zumal es noch immer fraglich ist, ob Inu Yasha diese Verhandlung überleben wird. Bei dem Gedanken klopft ihr Herz wieder schneller und die Angst drückt ihr die Kehle zu. Kann es sein, dass Inu Yasha das beabsichtigt hat? Hat er deshalb Tenmaru an Sesshomaru übergeben? Rechnet er damit, nicht unbeschadet aus dieser Sache herauszukommen? Hat er schon aufgegeben? Nein, daran will sie gar nicht erst denken. Und was wäre, wenn Sesshomaru beschließen würde, Tenmaru an Arashitsume zu übergeben? Wird dann Arashitsumes Plan aufgehen, den Westen zu Fall zu bringen? Wird es dann Krieg geben? Alles nur das nicht! Irgendjemandem muss sie von der ganzen Sache erzählen! Takt hin oder her, aber das hier ist zu wichtig und wenn sie es nicht einmal ihren Freunden erzählen kann, wem dann? Sie zittert leicht. „Kagome, ist etwas?“, kommt Sangos behutsame Frage. Tapfer schaut Kagome auf. „Es ist schon ok, Sango-chan! Diese... Aura hier!“, es ist ein schwacher Versuch. Skeptisch schaut ihre Freundin sie an: „Ach, hör schon auf damit! Wir spüren es auch und schön ist es nicht, aber unerträglich ist es auch nicht. Was ist los?“ „Na ja...“ „Hat es etwas mit gestern zu tun? Mir schien du wolltest etwas sagen, aber als Tenmaru aufgetaucht ist, hast du lieber diesen Kram mit der dämonischen Aura erzählt. Also was ist passiert?“ Kagome seufzt. Manchmal wünscht sie sich, dass ihre Freundin nicht so schrecklich scharfsinnig wäre. „Na schön“, gibt sie nach, „Ich erzähl es euch. Ich bin gestern...“, doch weiter kommt sie nicht, denn in genau diesem Moment öffnet sich die Tür und Sesshomaru betritt den Raum. Einen langen, kühlen Blick wirft er in die Runde. Dann sagt er: „Der Rat beginnt in Kürze. Ihr solltet euch irgendwie nützlich machen. Helft in der Küche bei den Vorbereitungen für das Bankett, oder versucht sonst irgendwie dienlich zu sein!“ Ungläubig schauen sie ihn an. Schließlich ist es Inu Yasha der antwortet: „Du hast ihnen gar nichts zu sagen! Das sind immer noch meine Freunde! Also kommandiere sie nicht einfach so herum!“ Nun geht Sesshomarus Blick zu seinem Bruder hinüber. „Ich habe meine Gründe“, sagt er ruhig. „Ach ja, und die wären, bitte schön?“ „Ist das nicht offensichtlich? Ich beabsichtige mit dir unter vier Augen zu sprechen und es wäre unklug, sie in der Zwischenzeit willkürlich im Schloss umherstreifen zu lassen, denkst du nicht auch?“ Zerknirscht blickt Inu Yasha zu Boden. Man merkt ihm an, dass ihm das nicht passt, doch er hat wohl keine andere Wahl. Zum Glück wird ihm die Entscheidung abgenommen. „Ist schon in Ordnung, wir werden in die Küche gehen“, sagt Kagome, „Was sollen wir schließlich solange machen? Mach dir keine Sorgen, wir kommen schon klar.“ Mit diesen Worten schiebt Kagome ihre Freunde möglichst unauffällig zur Tür hinaus. Auch Shippo und Rin folgen und kurz darauf schließt sich die Tür hinter ihnen und die beiden Brüder sind alleine. Leise verebben die Stimmen auf dem Flur. Nun tritt Sesshomaru an das Fenster zum Garten heran. Lange Zeit sagt er kein Wort sondern blickt nur hinaus. Irgendwann ist Inu Yashas Geduld erschöpft. Noch immer kniet er auf dem Boden, wie Myoga ihm eingetrichtert hat, dass es schicklich ist, doch dieses drückende Schweigen zerrt an seinen Nerven. „Also, was willst du von mir?“, fragt er schließlich. Noch immer ist Sesshomarus Blick unverwandt aus dem Fenster gerichtet. Fast macht es den Eindruck als suche er nach den geeigneten Worten. Schließlich sagt er: „Ich kann dich nicht leiden!“ „Das ist mir nicht neu“, brummt Inu Yasha. Doch Sesshomaru redet schon weiter: „Ich sage das nur, damit du keine falschen Schlüsse ziehst. Ich werde gezwungen sein, in den kommenden Verhandlungen für dich Partei zu ergreifen. Das tue ich nur aus politischen Gründen!“ Missmutig blickt Inu Yasha zu Boden. „Bist du nur gekommen, um mir das zu sagen? Das hättest du dir schenken können.“ „Nein, das ist noch nicht alles“, Sesshomaru wendet sich um und blickt nun zur Tür. Täuscht Inu Yasha sich oder versucht sein Bruder, seinem Blick auszuweichen. Verwundert beobachtet Inu Yasha seinen Bruder. Sesshomarus Miene wirkt angespannt und fast schon etwas ausgezehrter als sonst. Er sieht irgendwie müde aus. Während der Hanyou sich noch darüber wundert, fällt ihm ein, dass sein Bruder wahrscheinlich seit Beginn ihrer Reise nicht mehr geschlafen hat. Und nun befinden sie sich in einem fremden Schloss, umringt von unzähligen, feindlichen Youkais und es wird nicht mehr lange dauern, bis sein Bruder über ihn Gericht sitzen wird. Er wird seine Partei ergreifen hat er gesagt. Inu Yasha wird bewusst, dass es sehr ungewöhnlich ist, dass sein Bruder ihm das sagt. Wahrscheinlich hat es auch ihn ungeheuer Überwindung gekostet. Und das ist noch nicht alles. Irgendwas liegt dem stolzen Youkaifürsten schwer auf der Seele, es ist ihm direkt anzusehen. „Was noch?“, stellt Inu Yasha die Frage. Sesshomaru hebt den Kopf. Noch immer meidet er Inu Yashas Blick. „Du hast Arashitsume ganz schön ins Schwitzen gebracht“, sagt er. „Ist das ein Problem für dich?“, meint Inu Yasha bissig. „Nicht direkt!“, kommt die ruhige Antwort. Inu Yasha fährt herum: „Was soll das heißen?“ „Das heißt“, sagt Sesshomaru, „Dass Arashitsume alles in seiner Macht stehende tun wird, um dich umzubringen, weil du ihn herausgefordert und bloßgestellt hast. Aber das hat er sich selbst zuzuschreiben!“ Ein harter Zug fliegt über Sesshomarus Gesicht und dann ist es wieder ausdruckslos. Irritiert blickt Inu Yasha seinen Bruder an. „Soll das heißen, du bist gar nicht sauer auf mich?“ Sesshomaru versteift sich unwillkürlich. „Das soll heißen, dass Arashitsume froh sein kann, dass ich ihn nicht gleich einen Kopf kürzer gemacht habe!“, Sesshomarus Stimme klingt bitter, „Er hat versucht, deine Untergebenen umzubringen und das obwohl sie in seinem Schloss unter diesen Umständen Gastschutz genießen. Zumindest bis zu deiner Verurteilung.“ Nun springt Inu Yasha doch auf. Ärgerlich starrt er seinen Bruder an. „Wenn du glaubst, dass ich mich so einfach...!“ „Halt den Mund!“, der Befehl ist kurz und scharf. Etwas ruhiger redet Sesshomaru weiter, „Ich bin noch nicht fertig!“ Wütend lässt sich Inu Yasha wieder in den Kniesitz plumpsen. „Ausbrüche dieser Art sind genau das, was dich zu Fall bringen kann!“, die Rüge trifft Inu Yasha wie eine Ohrfeige. „Ich nehme an, Myoga hat dich gut unterwiesen“, es ist mehr eine Feststellung als eine Frage. „Ja, hat er!“, knirscht Inu Yasha, „Nicht alles, aber ne ganze Menge.“ „Dann weißt du auch, dass der Rat normalerweise seine Entscheidungen mit einer einfachen Mehrheit trifft.“ Inu Yasha nickt. „Ja, sagte er.“ Doch Sesshomaru fährt schon fort: „Die einzige Ausnahme besteht darin, wenn über einen Fürsten oder jemanden aus seiner Familie gerichtet wird. In diesem Fall müssen alle Ratsmitglieder für eine Verurteilung stimmen.“ Überrascht blickt Inu Yasha auf: „Im Ernst?“ „Ja, und darum sollte dir wohl klar sein, wie du dich vor dem Rat zu verhalten hast.“ Nun wendet Sesshomaru sich doch zu Inu Yasha und schaut ihm direkt ins Gesicht. „So wie du dich vorhin verhalten hast, war es einem Fürstensohn würdig. Offenbar bist du doch dazu in der Lage. Gib mir also keinen Grund, dich verurteilen zu müssen!“ Sprachlos schaut Inu Yasha seinen Bruder an. Ein Lob? Ein Lob aus dem Mund seines Bruders, des Bruders, der ihn hasst? Diese Überraschung muss er erstmal verdauen. Vor Verblüffung klappt ihm die Kinnlade herunter. Offenbar ist sein Erstaunen auch Sesshomaru nicht entgangen, denn der stolze Westfürst wendet sich nun rasch wieder ab und Inu Yasha kann sehen, dass er die Hand fest zur Faust ballt. Noch ehe Inu Yasha seine Sprache wiederfindet, redet Sesshomaru schon weiter. „Ich habe eine Frage! Wie bist du Arashitsumes Fesseln entkommen? Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass du das aus eigener Kraft geschafft hast.“ Misstrauisch verzieht Inu Yasha das Gesicht: „Versuchst du mich auszuhorchen? Erst schmierst du mir Honig ums Maul und dann kommst du mit solchen Fragen. Was soll ich denn davon halten?“ Der weißhaarige Youkaifürst rührt keinen Muskel. Den Rücken zu Inu Yasha gewandt sagt er: „Du musst ja nicht antworten, wenn du nicht willst. Aber du kannst ganz beruhigt sein. Ich habe nicht vor, irgendeinen von deinen Kameraden, dafür zur Verantwortung zu ziehen.“ Überrascht blickt Inu Yasha auf. Also ahnt auch Sesshomaru, dass seine Freunde an seiner Freiheit Anteil haben. Ein wager Verdacht kommt ihm. „Ich will dir auch eine Frage stellen“, sagt er, „Hast du geplant, dass Kagome Myoga begleitet?“ Nun dreht Sesshomaru den Kopf ein wenig in seine Richtung und aus seinen Augenwinkeln blitzt es kurz auf. „Ich habe es... in Erwägung gezogen“, sagt er, „Dieses Mädchen hängt so sehr an dir, dass sie sich auch nicht scheuen würde, in ein Youkaigefängnis zu gehen, nur um dich zu besuchen.“ Sprachlos starrt Inu Yasha ihn an. Nun zieh sich ein leichtes, amüsiertes Lächeln um Sesshomarus Lippen. „Also war es tatsächlich dieses Mädchen, das dir geholfen hat“, stellt er fest. Inu Yasha fühlt sich ertappt. Doch dann wird sein Blick wieder ernst: „Wenn du auch nur daran denkst...!“ „Ich sagte doch schon“, unterbricht Sesshomaru ihn erneut, „Ich habe kein Interesse an deinen Kameraden. Ich habe Wichtigeres um das ich mich kümmern muss. Wenn das Mädchen tatsächlich über Kräfte verfügt, die denen eines Daiyoukais gewachsen sind, solltest du besser gut auf sie aufpassen. Das bedeutet natürlich, dass du die Verhandlung überstehen musst, also benimm dich entsprechend.“ Mit gemischten Gefühlen starrt Inu Yasha seinen Bruder an. „Du hast es geplant, nicht wahr? Du hast geahnt, was sie kann und darauf gebaut, dass sie Myoga begleitet.“ Sesshomaru wendet sich ab. „Vielleicht! Menschen sind manchmal erschreckend berechenbar. Sei froh, dass Arashitsume sich nicht um Menschen schert. Aber so ist seine Ignoranz ihr Schutz.“ Verwirrt blickt Inu Yasha seinen Bruder an. Er wird einfach nicht schlau aus ihm. Was führt er nur im Schilde? Er hilft ihm, er lobt ihn, er versucht seine Freunde zu beschützen und sogar Tenmarus Dienste hat er angenommen. Irgendetwas kann mit ihm nicht stimmen. Ob das Lob vorhin tatsächlich ehrlich gemeint war? War es ihm wirklich möglich, seinen Bruder zu beeindrucken? Irgendwie weiß er nicht recht, ob ihm das gefallen soll oder nicht. Aber er kommt zu dem Schluss, dass er wohl oder übel mit seinem Bruder zusammenarbeiten muss, wenn er unbeschadet aus der Sache herauskommen will. Zu seinem Besten und zu dem Wohl seiner Freunde. Plötzlich fällt ihm noch eine andere Sache ein, die ihm schon die ganze Zeit im Kopf herumgeht. „Ich hab noch eine Frage“, sagt er, „Was sollte das vorhin mit Tenmaru? Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass du ihn tatsächlich in deine Dienste nimmst. Warum ist es dir so wichtig, dass er der Nordfürstin nicht über den Weg läuft?“ Inu Yasha ist nicht entgangen, dass sein Bruder bei der Nennung des Streuners unwillkürlich die Faust geballt hat. „Das hat dich nicht zu interessieren!“, sagt Sesshomaru und diesmal klingt seine Stimme drohend. Doch Inu Yasha gibt nicht auf. „Du magst ihn nicht, du willst nichts mit ihm zu tun haben und doch machst du dir Sorgen um ihn und nimmst ihn in deine Dienste. Tut mir leid, aber das kommt mir schon etwas komisch vor.“ Mit einem wütenden Gesicht fährt Sesshomaru herum. Seine goldenen Augen funkeln vor Ärger. „Ich sagte, das geht dich nichts an! Du weißt gar nichts!“ Nun springt Inu Yasha auf. Auch er ist jetzt wütend und trotzig erwidert er den Blick. „Dann erklär es mir, verdammt! Hüll dich nicht ständig in Schweigen! Du willst, dass ich mich wie ein Fürstensohn benehme, aber du verheimlichst mir alles mögliche. Ich spiel dein Spielchen ja mit, aber dafür kannst du mir auch mal reinen Wein einschenken. Was ist mit Tenmaru? Warum hasst du ihn so und warum soll er sich von der Nordfürstin fernhalten?“ Nie hätte Inu Yasha sich träumen lassen, welche Wirkung seine Worte auf seinen Bruder haben könnten. Sesshomaru steht wie versteinert da und alle Farbe ist aus dem Gesicht gewichen. Wenn Inu Yasha dem Ausdruck in seinem Gesicht einen Namen geben müsste, würde er sagen, es ist Ratlosigkeit. Mehrere Sekunden hält diese Starre an, dann scheint der stolze Youkai sich wieder gefangen haben. Langsam kommt wieder Bewegung in ihn. Unergründliche, goldene Augen blicken Inu Yasha an und dem Hanyou wird bewusst, dass er sein Bruder, zum ersten Mal seit er ihn kennt, so angreifbar erlebt. „Das... ist meine Sache“, sagt Sesshomaru leise. Dann blickt er auf: „Frag das nie wieder!“ Verdutzt beobachtet Inu Yasha wie sich Sesshomaru zum Gehen wendet. „Ich werde jetzt Fürstin Yarinuyuki begrüßen gehen und wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, wird man dich holen. Bis dahin...“ „Ja, ja, bis dahin bleibe ich hier“, meint Inu Yasha verstimmt, „Ich habs ja begriffen.“ „Gut!“ mehr sagt der hochgewachsene Fürst nicht und nur wenige Augenblicke später hat er den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen. Eine Weile schaut Inu Yasha noch auf Tür. Doch dann schlägt er heftig mit der Faust auf den Boden, sodass die Dielen knirschen. „Verdammter Kerl! Wie, zum Teufel, soll man aus dem bloß schlau werden?“ In diesem Moment vernimmt er eine Stimme vor der Tür. „Inu Yasha-sama, dürfte ich Euch um eine Unterredung bitten?“ Verwundert schaut Inu Yasha auf. Yaeba! Was kann er wollen? Nun, es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. „Von mir aus, komm rein!“, ruft er. Nun öffnet sich die Tür und der Streuner betritt den Raum. Für einen Augenblick scheint er zu zögern, doch dann sinkt er vor dem Hanyou auf ein Knie hinab und senkt den Kopf. Inu Yasha verdreht die Augen. „Oh man, daran werd ich mich wohl nie gewöhnen! Komm hoch!“ Der Streuner erhebt sich. „Also los!“, seufzt Inu Yasha, „Was willst du?“ Nun blickt Yaeba ihn ernst an. Wieder scheint er einen Augenblick zu zögern. Dann sagt er: „Fürst Inu Yasha, es gibt da etwas um das ich Euch bitten möchte!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)