Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Kapitel 2: Futaba ----------------- Dunkles, schmieriges Blut färbt die klauenbewehrte Hand des schlanken Dämons rot als er einen weiteren Brocken Fleisch aus der aufgerissenen Seite der toten Kuh herausreißt und hungrig davon abbeißt. Es muss wirklich eine Ewigkeit her sein, dass er einen solchen Leckerbissen zu sich genommen hat. Die kläglichen, kleinen Mahlzeiten die er in letzter Zeit gezwungen war, zu sich zu nehmen, reichten gerade so, um seinen gröbsten Hunger zu stillen. Heute kann er sich seit langen einmal wieder satt essen und dennoch bleibt ihm fast jeder Bissen im Hals stecken. Schweigend und niedergeschlagen schlingt Tenmaru den Fleischbrocken hinunter. So mächtig! Er hatte ja keine Ahnung, wie mächtig der Fürst des Westens wirklich ist. Allein schon die wenigen Augenblicke, als er ihm gegenüberstand, hatten ausgereicht um ihm einen Schauer nach dem anderen über den Rücken zu jagen. Was hatte er denn auch erwartet? Noch einmal lässt Tenmaru die vergangenen Ereignisse Revue passieren. Er zweifelt keinen Augenblick daran, dass er ihn augenblicklich getötet hätte, wenn er noch länger geblieben wäre. Er lässt den Kopf hängen. Yaeba, das ist Wahnsinn! Ich werde es niemals schaffen in seine Dienste zu treten. Er steht doch so viel über mir. Er wird mich töten noch bevor ich sein Vertrauen gewonnen habe. Welchen Dienst könnte ich ihm schon erweisen? Er ist einfach viel zu mächtig! Lustlos bohrt er ein weiteres Stück Fleisch aus der Bauchdecke der toten Kuh heraus. Aber das ist ja auch kein Wunder! Immerhin ist er ein echter Daiyoukai, ein Fürst, und ich bin nur ein... Er schüttelt resigniert den Kopf. Ich werde es nicht schaffen, Yaeba, ich habe versagt! Ich kann den Wunsch meines Hauptmanns... nicht erfüllen. Frustriert ballt er seine Hand zur Faust und quetscht dabei den Fleischbrocken so zusammen, dass das Blut ihm zwischen den Fingern hervorquillt. Dann mit einem plötzlich aufkeimenden Anflug von Ärger, schleudert er den blutigen Klumpen zwischen die Bäume. Verdammt! Niemals im Leben wird mich Sesshomaru als würdig ansehen! Niemals! In diesem Augenblick steigt ihm plötzlich ein schwacher Geruch in die Nase und sein Kopf fährt ruckartig herum. Seine Stirn legt sich in Falten und unter seinen Lippen entblößen sich leicht ein paar scharfe Reißzähne. Menschen! Verflixt, durch den strengen Geruch des Blutes hat er sie nicht früher bemerkt, doch jetzt dringt ihm der widerliche Geruch von Menschen ganz eindeutig in die Nase. Und da ist noch etwas anderes, etwas das zwar irgendwie nach Mensch riecht, aber dann auch wieder nicht. Tenmarus Miene verfinstert sich. Hanyou! Das Wort schießt ihm sofort durch den Kopf. Er kann sich nicht irren. Dieses Wesen riecht eindeutig nach Mensch und zugleich nach Dämon. Verächtlich speit er einen roten Fleck Spucke aus. Er mag ja vielleicht unter den Dämonen der Clans nicht viel gelten, aber er ist immer noch ein wahrer Youkai und kein halbblütiger Hanyou. Mehr wert als dieser Missgriff der Natur ist er allemal; das ist er doch, oder? Es muss so sein! Es ist so! Nein, diesem Halbdämon wird er zeigen was einen wahren Youkai ausmacht! Offenbar ist er zusammen mit diesen Menschen gekommen, um ihn zu suchen, denn sie steuern nun direkt auf sein Versteck zu. Aber das werden sie noch bereuen! Er wird sie wärmstens empfangen und dann werden sie sich wünschen, sich niemals mit einem echten Youkai angelegt zu haben. Sein Blick geht rasch in die Runde und nur einen Moment später ist er zwischen den Büschen verschwunden. Nur noch die ausgeblutete Kuh liegt noch auf dem kühlen Waldboden. Nur kurz darauf tauchen Inu Yasha und die anderen auf der kleinen Lichtung auf. Sogleich haben sie die tote Kuh entdeckt. Kirara faucht leise und ihr Fell sträubt sich. Ihre empfindlichen Sinne reagieren heftig auf den Gestank der toten Kuh. Ebenso Inu Yashas. Der Hanyou zieht die Nase kraus. „Puh, was für ein Gestank! Der Dämon muss gerade noch hier gewesen sein.“ Vorsichtig tritt Miroku an die tote Kuh heran. „Sieht ganz so aus, als hätten wir ihn beim Essen gestört, er kann noch nicht weit weg sein.“ Aufmerksam spähen sie zwischen den Bäumen hindurch. Es herrscht eine bedrückende Stille. „Ich habe ein ganz ungutes Gefühl“, meint Sango, „Er muss noch in der Nähe sein.“ Wachsam hat sie ihren Knochenbumerang griffbereit. Kagome hat inzwischen einen Pfeil auf ihren Bogen gelegt und versucht sich so weit wie möglich in Inu Yashas Nähe aufzuhalten. Der kleine Fuchsdämon, Shippo, hat sich dicht an ihre Beine gedrängt; ihm behagt diese beängstigende Atmosphäre gar nicht. Inu Yasha hebt den Kopf. Er schnuppert in die Luft. „Du hast recht. Ich kann ihn riechen, den Kerl. Er steckt hier noch irgendwo und liegt bestimmt auf der Lauer, aber nicht mehr lange.“ Wachsam sehen sich alle um, doch alles bleibt still; zu still. Einige Augenblicke vergehen, in denen nichts geschieht. Schließlich fragt Kagome vorsichtig: „Seid ihr sicher, dass dieser Dämon noch in der Nähe ist?“ Sango nickt: „Bestimmt! Wir haben ihn beim Essen gestört und machen ihm nun seine Beute streitig. Das lässt er sich sicher nicht so einfach gefallen.“ Angewidert späht Inu Yasha zu der toten Kuh hinüber. „Wie kann der nur so was essen? Dieser Geruch ist ja nicht zum aushalten! Wenn er klug ist, sieht er zu, dass er Land gewinnt und sucht sich irgendwo anders was Vernünftiges zu Essen. So was da kann doch höchstens irgendein streunendes Tier runterbekommen.“ In genau diesem Augenblick nimmt Inu Yasha eine rasche Bewegung über sich wahr und schaut auf. Seine Augen weiten sich erschrocken und nur einen Wimpernschlag später bohrt ihn ein heftiger Tritt hart in den Boden. Überrumpelt keucht er auf während Kagome vor Schreck leicht aufschreit. Benommen blickt Inu Yasha hoch. Über ihm steht ein wutschnaubender, grauhaariger Youkai mit gefletschten Reißzähnen und purpurfunkelnden Augen. „Wen nennst du hier ein streunendes Tier, Hanyou!“, grollt er gefährlich. Im ersten Moment ist Inu Yasha zu perplex um zu reagieren und so kann der aufgebrachte Youkai vor ihm die Gelegenheit nutzen und ihm einen weiteren wuchtigen Schlag verpassen. Inu Yasha keucht auf, doch nun sind seine Kampfgeister wieder geweckt. Den nächsten wütenden Schlag pariert er mit der bloßen Faust und dann rettet er sich mit einer Rückwärtsrolle und kommt wieder auf die Beine. Verärgert wischt er sich ein wenig Blut aus dem Mundwinkel. „Na warte, das hast du nicht umsonst gemacht, du Mistkerl! Jetzt kannst du was erleben!“ Wie aufs Stichwort greift nun Sango in den Kampf ein. „Hiraikotsu!“, ruft sie und schon schleudert sie zielsicher ihre Waffe nach dem Gegner. Doch der schlanke Youkai reagiert blitzschnell und mit seinem linken Unterarm pariert er die Wucht des Bumerangs und schleudert ihn beiseite. Nun wendet er sich Sango zu. Seine roten Augen leuchten bedrohlich. Die Dämonenjägerin geht sogleich in Verteidigungsposition. „Nicht so hastig! Ich bin dein Gegner!“, Inu Yasha hat sich wieder gefangen und stürzt sich auf den Youkai, „Sankontessou!“ Mit gezückten Klauen geht die gefährliche Attacke auf ihn nieder. Doch zu seiner Überraschung weicht der fremde Youkai dem Angriff ohne große Probleme aus. Verdammt!, denkt Inu Yasha bei sich, Er ist schnell. Aber das wird ihm nichts nützen. Ich kann auch anders! Der Kopf des Youkais fährt herum: „Viel zu langsam, du dreckiges Halbblut! Da musst du dich schon mehr anstrengen.“ Inu Yasha funkelt wütend zurück. „Wart’s nur ab! Du wirst dich gleich noch wundern!“ Der schlanke Youkai beobachtet ihn nur spöttisch: „Das will ich sehen!“ Mit diesen Worten greift er an seinen Gürtel und zieht zwei schmale, blanke Dolche aus ihren Scheiden und streckt sie vor sich aus. Ein eigenartiges, bläuliches Schimmern geht von ihnen aus. Er vollführt ein paar geschmeidige Gesten und dann überkreuzt er die beiden Klingen und nimmt eine lauernde Kampfhaltung ein, wobei er Inu Yasha und die anderen wachsam im Auge behält. Inu Yasha grinst hämisch: „Lass besser die Zahnstocher beiseite! Ich zeig dir mal wie ein richtiges Schwert aussieht!“ Mit diesen Worten ergreift er Tessaigas Griff an seiner Seite und zieht es aus der Scheide. Sogleich liegt die mächtige Waffe groß und hellschimmernd in seiner Hand. Die Augen des Youkais werden schmal. „Glaubst du wirklich es kommt auf die Größe an? Wichtig ist nur wie man damit umgeht!“, und mit diesen Worten stößt er sich ab und sprintet direkt auf Inu Yasha zu. „Er greift wirklich an!“, stellt Sango aufgeregt fest. „Ja“, bestätigt Miroku, „er sucht die direkte Konfrontation mit Tessaiga.“ Auch Inu Yasha erkennt den Angriff und geht in Stellung. Augenblicke später ist der Fremde bei ihm und schon greift er an. Ein wahrer Hagel an flinken Stichen und Schnitten geht auf ihn nieder und er hat alle Mühe sie alle zu parieren. Sein Gegner bewegt sich so flink, und seine Hiebe sind so gezielt, dass er ihm kaum mit dem Auge folgen kann. Immer wieder muss er beiseite springen um einem präzisen Stich zu entgehen. Verflixt, der Kerl ist gut! Krampfhaft ist Inu Yasha bemüht, mehr Raum zwischen sich und seinen Gegner zu bringen. Es ärgert ihn maßlos, so in die Enge getrieben zu werden. Aber das wird er sich nicht länger gefallen lassen. Schon gar nicht von einem der ihn ein ‚dreckiges Halbblut’ schimpft! Einmal mehr springt er aus dem Weg, aber noch in der Luft wirbelt er herum und schwingt sein Schwert nach seinem Gegner. Eine aufblitzende Energiewelle löst sich von der mächtigen Klinge und rollt dem Youkai entgegen. „Kaze no Kizu!“, ruft Inu Yasha und beobachtet befriedigt wie sich für einen Moment großes Erstaunen im Gesicht des fremden Youkais breit macht. Hastig bricht dieser seinen jüngsten Angriff ab und weicht der Energieentladung im letzen Moment aus. Was war denn das?, fragt sich Tenmaru verblüfft? Das wäre ja beinah schief gegangen. Das Schwert dieses Hanyous ist kein gewöhnliches Schwert. Aber woher hat so eine verwerfliche Kreatur eine solch mächtige Waffe? Er schüttelt innerlich den Kopf. Nein, er darf sich davon nicht einschüchtern lassen. Auf keinen Fall! „Nicht übel, Hanyou, aber dein Schwert kann es trotzdem nicht mit meinen Futaba (Doppelzahn) aufnehmen. Mach dich schon mal auf dein Ende gefasst!“ Mit tödlichem Blick fixiert der Youkai Inu Yasha. Dann stellt er sich aufrecht hin und breitet leicht die Arme aus wobei er sich konzentriert. Auf einmal nimmt das bläuliche Schimmern an den Klingen immer stärker zu. Wabernde, blaue Energienebel umhüllen die Klingen und bilden einen gleißenden Bogen der von einer Dolchspitze zur anderen reicht. Ein bedrohliches Knistern ist zu hören. Um die Mundwinkel des Youkais legt sich ein leichtes, hämisches Lächeln. Skeptisch beobachtet Inu Yasha seinen Gegner. Was hat er vor? Das Leuchten um die Klingen wird kein gutes Zeichen sein. Dieser Youkai gibt ihm Rätsel auf. Er steht nur da und hat die Arme leicht gebreitet; in jeder Hand eine leuchtende Klinge. Und dabei grinst er ihm nur so selbstsicher entgegen, also wenn das nicht nach einer Art Falle riecht... „Was ist, Hanyou, hast du Schiss bekommen? Warum kommst du nicht her?“ „Pah“, schnaubt Inu Yasha verächtlich, „halt mich nicht für blöde! Du wartest doch bloß darauf, dass ich angreife. Aber damit du es nur weißt, Tessaiga kann dich auch bequem von hier aus erledigen! Mach dein Testament!“, und schon holt er aus, „Kaze no Kizu!“ Und wieder wirbelt dem fremden Youkai eine gewaltige Energieentladung entgegen. Für einen Sekundenbruchteil zuckt Tenmaru zusammen. Irgendwas stört ihn und er kann nicht sagen was. Es sind nicht die walzenden Energiemassen die ihm entgegen rasen. Er kann ihnen ausweichen, das weiß er. Schon macht er sich bereit den Angriff zurückzuschlagen. Er wird es schaffen; denn der kleinste Zweifel wird sein Untergang sein. Die Energie, die ihm entgegenströmt, schlägt fast alles was ihm je untergekommen ist. Was für eine Macht! Konzentriert hebt er seine Klingen; das Leuchten wird stärker. Nur noch ein Stückchen näher. Die Welle der Energie hat ihn schon fast erreicht. Im letzten Augenblick fliegen Tenmarus Augen auf und mit einer blitzartigen Bewegung hebt er seine Waffen gemeinsam zum Schlag. „Nibai no Kamikizu!“, ruft er und mit einem gleichzeitig ausgeführten, überkreuzten Schlag durchtrennen seine Dolche den Wirbel des Kaze no Kizu der auf ihn zurast und zerteilt ihn in vier Teile die augenblicklich auseinanderreißen und wirkungslos an ihm vorbeirauschen. Inu Yasha bleibt der Mund offen stehen vor Überraschung. „Ich fasse es nicht“, meint Sango ungläubig, „Er hat das Kaze no Kizu einfach zerschnitten! Was für eine Kraft muss in diesen Dolchen stecken, dass er mit Tessaigas Macht mithalten kann.“ „Frag lieber welche Macht dieser Youkai besitzen muss, dass er solch eine Attacke ausführen kann“, entgegnet Miroku ernst. Noch immer steht Inu Yasha verdattert da. Sein Gegner grinst ihn nun hämisch an. "Was ist los, Hanyou, war das schon deine beste Attacke? Mehr hast du nicht zu bieten?“ Er geht erneut in Kampfposition, „Wenn das schon alles war, dann mach dich besser bereit zu sterben!“ Augenblicklich fasst Inu Yasha sich wieder. „Träum weiter, du Spinner, ich bin noch lange nicht geschlagen! Das haben schon ganz andere versucht!“ Der schlanke Youkai bleckt die Zähne und grinst. „Mach dich nicht lächerlich, Hanyou!“ Und sogleich springt er wieder los. Das gefährliche Leuchten seiner Klingen malt helle Linien in die Luft. Grimmig schaut Inu Yasha ihm entgegen; Tessaiga zum Angriff bereit. Er kann sich nicht helfen, aber diese abwertende Bezeichnung trifft ihn mehr, als er sich eingestehen mag. „Nenn mich nicht immer ‚Hanyou’, du Großmaul, oder ich treibe es dir mit Tessaiga aus. Ich habe einen Namen, verdammt noch mal!“ Unter gefährlichem Knistern treffen die Klingen aufeinander. Das jugendliche Gesicht des Youkais ist direkt vor ihm. Kühle, violette Augen funkeln Inu Yasha an. „Ach ja, und der wäre, Hanyou?“, kommt die gehässige Frage. Der junge Halbdämon fletscht wütend die Zähne während er mit dem fremden Youkai Kräfte misst. „Mein Name ist Inu Yasha!“, grollt er, „Aber den brauchst du dir nicht zu merken, denn gleich bist du sowieso Futter für die Würmer!“ Mit diesen Worten stößt er den fremden Youkai mit aller Kraft von sich, sodass er ein paar Schritte entfernt unsanft auf dem Boden zu liegen kommt. Sofort setzt Inu Yasha ihm wütend nach; Tessaiga gefährlich zum Schlag erhoben. Benommen schaut Tenmaru ihm entgegen. Da ist es schon wieder dieses seltsame Gefühl, dass ihn irgendetwas an der ganzen Sache stört. Aber was nur? Es ist, als müsse er sich an irgendwas erinnern. Inu Yasha. Er kennt diesen Namen irgendwoher. Genauso wie den Namen Tessaiga. Und im gleichen Moment kommt ihm die Erinnerung. Das Schwert Tessaiga, er hat schon manches darüber gehört. Es soll eines der legendären Schwerter sein. Einst gehörte es dem Fürsten des Westclans; Inu Taisho! Aber was tut dieses mächtige Schwert nun hier in den Händen dieses Hanyous? Warum besitzt es nicht sein Sohn Sesshomaru? Wer ist dieser Inu Yasha, der so dreist dieses Schwert sein Eigen nennt? Es sei denn... Er hat einmal Gerüchte gehört über einen Hanyou der angeblich... Tenmarus Augen fliegen auf. Das kann nicht sein! Sind die Geschichten am Ende doch wahr? Aber das würde ja bedeuten, dass... Hastig zieht er die Luft ein um von seinem sensiblen Geruchssinn eine Bestätigung für seine Vermutung zu bekommen. Noch immer stürmt der aufgebrachte Hanyou mit erhobenem Schwert auf ihn zu. Sein Blick zeigt, dass er zu allem entschlossen ist. Da, das ist sie, die unverkennbare Note! Diesen Geruch erkennt er sofort. Es riecht ganz unverkennbar nach Hund! Warum ist ihm das bloß nicht vorher aufgefallen? Also ist es tatsächlich wahr! Tenmaru erbleicht. Schon hat Inu Yasha ihn erreicht, wild entschlossen seinem Gegner den Garaus zu machen. Doch zu seiner grenzenlosen Überraschung lässt der schlanke Youkai plötzlich kraftlos seine Waffen fallen, und ruft: „Wartet!“ In diesem Wort liegt auf einmal ein solches Flehen, dass Inu Yasha tatsächlich einen Augenblick innehält. Verdutzt blickt er zu seinem Gegner der vor ihm auf dem Boden hockt. Aber noch weitaus mehr erstaunt ihn das, was als nächstes passiert. Der fremde Youkai sinkt vor ihm auf die Knie und senkt sein Gesicht zum Boden. „Mein Fürst!“, flüstert er mit einem ängstlichen Beben in der Stimme, „Vergebt mir meinen unziemlichen Angriff auf Euch und meine unverzeihlichen Beleidigungen. Ich hatte keine Ahnung, dass Ihr es seid! Ich weiß, ich habe kein Recht Euch um Verzeihung zu bitten! Ich unterwerfe mich ganz Eurem Urteilsspruch!“ Einen langen Moment stehen Inu Yasha und die anderen nur sprachlos auf der Lichtung und starren den fremden Youkai an, dessen Verhalten sich so urplötzlich und frappierend verändert hat. Noch immer steht Inu Yasha vor ihm, Tessaiga zum Schlag erhoben und verdattert in der Bewegung eingefroren. Es dauert eine Weile eh er seine Sprache wiederfindet. Mit großen Augen blickt er auf den Youkai herab: „Häh?“ Auch Miroku, Kagome und Sango beobachten den unterwürfigen Youkai der sich gerade noch ein heißes Gefecht mit Inu Yasha geliefert hat. „Das soll einer verstehen!“, wundert sich Miroku kopfschüttend. Nun meldet sich Shippo zu Wort der sich grad hinter Kagome vorschiebt: „Hat er Inu Yasha gerade ‚Fürst’ genannt?“ „Hat sich fast so angehört!“, meint Sango. Auch Kagome ist verwundert. Inu Yasha ein Fürst? Was hat das zu bedeuten? Inu Yasha nimmt nun sein Schwert herunter; offenbar ist sein Gegner nicht mehr bereit zu kämpfen. Nun verpasst er ihm einen skeptischen Stoß mit dem Fuß: „Hey du, hast du ne Meise? Was soll der Blödsinn?“ Der Youkai hebt ein wenig den Kopf: „Ich hatte kein Recht Euch anzugreifen! Ich werde jede Strafe akzeptieren, die Ihr mir auferlegt!“ Hilfesuchend wendet sich Inu Yasha zu den anderen um: „Ist der Kerl bekloppt?“ „Scheint nicht so“, entgegnet Miroku, „Offenbar hält er dich für einen Fürsten oder so. Vermutlich verwechselt er dich mit irgendjemanden. Aber ich schätze darüber können wir froh sein.“ Langsam kommen die anderen etwas näher um den seltsamen Fremden genauer in Augenschein zu nehmen. Seine Hände sind nach wie vor blutverkrustet von seinem grausigen Mahl aber er kniet noch immer vor Inu Yasha und hat den Blick zum Boden gesenkt. Er macht den Eindruck als würde er ein unausweichliches Schicksal erwarten. Wenn man es genau nimmt, bietet er einen fast grotesken Anblick. „Nein!“, kommt es plötzlich bestimmt von dem Knieenden, „Es ist ganz sicher kein Irrtum!“, die Umstehenden horchen auf, „Es besteht kein Zweifel! Ihr müsst Inu Yasha sein, der Sohn des Fürsten Inu Taisho. So ist es doch, oder?“ Ein wenig verlegen meint Inu Yasha: „Na ja, schon, aber...“ „Na also!“, kommt die entschlossene Antwort, „Somit seit Ihr also auch ein Fürst und somit... steht Euch das Recht zu... über mich zu richten!“ Bei diesen Worten lässt der Youkai erneut den Kopf hängen. „Ich soll was tun?“, kommt es verständnislos von Inu Yasha, „Wieso richten? Wer bist du überhaupt, wenn ich mal fragen darf?“ Der schlanke Youkai hebt ein wenig unsicher den Kopf. Dies ist bei weitem nicht die Reaktion die er erwartet hat, aber er folgert daraus, dass er zunächst mal um eine Bestrafung für sein Fehlverhalten herumkommt. Offenbar gibt es hier ein kleines Missverständnis und es scheint klug zu sein, zunächst mal die Fronten zu klären ehe man sich wohlmöglich in weitere Unannehmlichkeiten bringt. „Mein Name ist Tenmaru“, antwortet er folgsam, „Verzeiht mir meine Unhöflichkeit!“ Inu Yasha verzieht gereizt den Mund: „Hör auf da am Boden rumzukriechen! Das sieht doch lächerlich aus.“ Unsicher erhebt Tenmaru sich wieder und wirft dabei Inu Yasha einen wachsamen Blick zu. „Sag mal, warum hast du Inu Yasha einen ‚Fürst’ genannt?“, erklingt auf einmal eine helle, neugierige Stimme neben ihm. Sein Blick geht herum und er nimmt nun zum ersten Mal dieses seltsam gewandete Menschenmädchen näher wahr. Wieder entblößt er reflexartig seine Reißzähne. Doch Inu Yasha ist wachsam: „Bleib weg von ihm, Kagome, der Typ ist gefährlich!“ Sicherheitshalber tritt er rasch schützend zwischen sie und den Youkai. Tenmarus Lippen erschlaffen verwundert. Das ist alles sehr seltsam. So viele neue Eindrücke die es zu verarbeiten gilt. Gerade musste er feststellen, dass der Halbbruder vom Fürsten des Westclans tatsächlich ein Hanyou ist, wie die Gerüchte immer behauptet haben. Aber nicht nur das, dieser Halbdämon ist sich seiner herrschaftlichen Abstammung offenbar gar nicht bewusst. Und hinzu kommt noch, dass er mit Menschen reist und sie sogar beschützt. Das macht die ganze Angelegenheit nur noch komplizierter. Dieser Inu Yasha mag vielleicht nur ein Halbdämon sein, aber er versteht es, zu kämpfen. Tenmaru ist sich nicht sicher, wie der Kampf wohl letztendlich ausgegangen wäre. Vielleicht hätte er ihn besiegen können, aber womöglich auch nicht. Nun, er wird keine Gelegenheit haben, das herauszufinden, denn trotz allem ist dieser Inu Yasha ein wahrer Sohn des mächtigen Youkaifürsten Inu Taisho. Zuerst gilt es wohl herauszufinden wie Sesshomaru zu seinem Bruder steht, denn auf keinen Fall möchte er den Fürsten des Westclans gegen sich aufbringen, weil er seinen Bruder getötet hat. Rasch bemüht Tenmaru sich, ein etwas freundlicheres Gesicht aufzulegen. „Verzeiht, ich wollte eure Gefolgsleute nicht bedrohen“, entschuldigt er sich. Miroku und Sango sehen sich an. „Gefolgsleute?“ „Wir sind nicht seine Gefolgsleute“, empört sich Shippo plötzlich in seinem Stolz gekränkt, „Wir sind seine Freunde!“ Dafür fängt er sich einen missmutigen Blick von Inu Yasha ein: „Halt die Klappe, Shippo!“ Doch Tenmaru hebt überrascht die Brauen: „Freunde? Aber das sind... Menschen!“ Die leichte Spur von Verachtung, die in diesem Wort liegt, ist noch immer zu erkennen. „Hast du vielleicht was dagegen?“, kommt es bedrohlich von Inu Yasha. Schon baut er sich wieder streitlustig vor dem fremden Youkai auf. „Beruhig dich wieder, Inu Yasha!“, hält Kagome ihren aufbrausenden Freund zurück, „Lass ihn doch erst mal erzählen.“ „Was erzählen?“, pflaumt er zurück. „Na, warum er dich wie einen Fürsten behandelt.“ Nun scheint Inu Yasha in seiner Würde gekränkt zu sein „Was ist so verkehrt daran?“, giftet er. „Gar nichts, nur dass es noch nie zuvor vorgekommen ist!“, gibt sie unverblümt zurück. Beleidigt verschränkt Inu Yasha die Arme: „Das bedeutet aber nicht, dass es nicht schon längst mal Zeit dazu gewesen wäre.“ „Hört ihn euch an!“, feixt Shippo ungeniert, „Und schon hat er wieder einen Anflug von Größenwahn.“ „Größenwahn?“, ruckartig geht Inu Yashas Kopf herum, „Ich geb dir gleich Größenwahn, du Sprücheklopfer!“, sofort nimmt er die Verfolgung von Shippo auf, der verzweifelt versucht, sich vor Inu Yashas Zugriff zu retten, indem er immer wieder um die Gruppe seiner Freunde herumrennt. „Kagomeee!“, ruft er verzweifelt. Das Mädchen seufzt und schüttelt leicht den Kopf. „Immer das Gleiche!“ Ein energisches „SITZ!“, holt den Hanyou unverzüglich auf den Boden der Tatsachen zurück, kaum dass er wieder an ihr vorbeikommt. Mit lautem Rumps, schlägt der Halbdämon am Boden zu ihren Füßen auf. „Und du wunderst dich, warum man dich nicht wie einen Fürsten behandelt“, meint sie tadelnd. Verblüfft hat Tenmaru die Szene verfolgt. Er versteht die Welt nicht mehr. Wieso lässt sich Inu Yasha von diesem Menschenmädchen Befehle erteilen? Offenbar bin ich viel zu lange nicht mehr unter anderen Leuten gewesen. Vielleicht sollte ich lernen, wie man sich in dieser Gegend verhält. Auch wenn Sesshomaru mich abweist... ich habe keine Ahnung wo ich sonst hinsoll. Vielleicht können diese Leute mir helfen. Mit diesem Entschluss bückt er sich, hebt seine beiden Dolche auf und steckt sie mit einer geschmeidigen Bewegung zurück in ihre Scheiden. „Ich habe zwar schon davon gehört, aber ich wollte es nie glauben, dass Dämonen und Menschen Freunde sein können“, sagt er, „Wie kann so etwas gut gehen?“, in seinen Worten liegt nichts weiter als Neugierde. Zum ersten Mal fällt der kleinen Gruppe auf wie angenehm seine Stimme im Grunde klingt. Wenn man es genau nimmt, wirkt er trotz seiner blutverkrusteten Hände und der abgewetzten Kleidung recht attraktiv. Sein Gesicht ist ebenmäßig und seine tiefvioletten Augen blicken aufmerksam in die Gegend. „Das ist ne lange Geschichte“, meint Kagome entgegenkommend, „Wenn du magst, erzählen wir sie dir.“ Doch gleich legt Inu Yasha sein Veto ein: „Nein!“, schüttelt er energisch den Kopf und schaut ihr fest in die Augen, „Schlepp doch nicht immer irgendwelche Typen mit! Besonders nicht, wenn es gefährliche Youkai sind.“ „Nur die Ruhe!“, beschwichtigt sie ihn, „Er tut uns schon nichts. Du bist sein Fürst, schon vergessen?“ Inu Yasha klappt verblüfft den Mund zu, doch dann fügt er sich schmollend wie üblich in sein Schicksal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)