Sternennacht von Kaiden (Lass sie dir deinen Weg weisen) ================================================================================ Kapitel 2: Zwischenspiel 01 --------------------------- Es war eine Woche vergangen, seit Inari sich mit seiner Gefolgschaft auf den Weg nach Tusukuru gemacht hatte. Dort jedoch wusste noch niemand etwas von dieser Reise, da man vermeiden wollte, dass sich Hakuoro und seine Berater von langer Hand auf das Treffen mit den Abgesandten vorbereiten konnte. Denn es gab bei den Sho ein Sprichwort: Je länger man Zeit hat, um über seine Worte nachzudenken, umso wahrscheinlicher wird man lügen, um in einem besseren Licht da zu stehen. Um nachzudenken und um seinem Image als Frauenheld treu zu bleiben, was ihm großes Vergnügen bereitete, ließ sich Inari von fünf Sklaven seines Harems in seinem Privatgemach an Bord des Hauptschiffes verwöhnen. Während er in Gedanken versunken war, bat jemand um ein Gespräch. „Bist du das Falve? Komm doch rein.“ „A-Aber es ist untersagt, den Harem zu betreten. So gerne...“ Der Angesprochene unterbrach sich, als Elora die Tür zum Harem öffnete – Inari hatte sie mit einem Wink dazu aufgefordert – und ihn lächelnd in das Allerheiligste zog, während seine Begleiter, der Captain des Schiffs und der Anführer der begleitenden Samurai-Truppen einfach vor verschlossener Tür zurückgelassen wurden. Der Captain hatte so etwas bereits erwartet, schließlich waren sie hier auf Inaris bevorzugtem Schiff und er kannte sein Verhalten. Der Samurai, Aronn, war darüber jedoch sehr verärgert. Wie konnte ein so verwöhnter und arroganter Bengel je Imperator werden? Nicht, dass es soweit kommen sollte, wenn es nach ihm ging. Denn er gehörte der Senatsfraktion an, die sich dafür aussprach, den Nachfolger für den kinderlosen Sho VI. unter den Senatoren zu wählen, wobei sein Onkel dritten Grades große Chancen für einen Sieg hatte. Durch die verschlossene Tür versuchte er auf sich aufmerksam zu machen. „Inari-sama, wir nähern uns der Küste und...“ „Schon in Ordnung, Aronn. Falve wird mir alles erzählen. Und ich bin mir sicher, dass der Captain sowieso am besten wissen wird, was zu tun ist.“ Durch die Unterbrechung war Aronn kurz verwirrt worden. Nachdem er seine Gedanken wieder gesammelt hatte, hörte er aus dem Gemach das Kichern der Sklavinnen und wusste, dass ihm Inari nicht mehr zuhören würde. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und stolzierte davon, der Captain folgte ihm wortlos – mit einem leichten Lächeln. Im Gemach fühlte sich Falve derzeit sehr unwohl. Obwohl er ein außerordentlich talentierter Kämpfer war und zur Elite-Einheit innerhalb des Sho-Militärs gehörte, gab es doch etwas, vor dem er Angst hatte: Frauen. Er wusste nicht, woher diese Angst kam, aber sobald er es mit einer Frau zu tun bekam, blockierte sein Denken und er wusste nicht mehr, was zu tun war. Daher saß er nun auch verkrampft auf einem Seidenkissen Inaris Kissenberg gegenüber, in dem er es sich gemütlich gemacht hatte – umringt von seinen Sklavinnen. Die Tatsache, dass sich zwei der Sklavinnen an Falve schmiegten, machte es für ihn auch nicht einfacher. „Ähm... ihr beiden... ähm... es... bitte... könntet ihr... weggehen?“ Falves gestammelte Bitte fand bei den beiden keine Reaktion, außer dass sie ihn verwundert ansahen. „Wenn du ihnen etwas befehlen willst, musst du schon ihre Namen sagen, Falve.“ Er vergaß für einen Augenblick seine Ängstlichkeit, als Inari das verhasste Thema anschnitt. „Ich würde sie ja gerne bei ihren Namen nennen, aber leider kenne ich sie nicht, weil es für niedere Sklaven verboten ist, Namen zu tragen. Und ich werde nicht diese idiotischen Pseudonamen benutzen, die man ihnen gegeben hat.“ Dies war ein weiterer besonderer Charakterzug, den Inari an seinem Freund mochte: Der Hass auf unnütze Gesetz, vor allem auf dieses. Falve konnte nicht wissen, dass sein Freund seine 'Sklavinnen' weitaus besser behandelte, als er es eigentlich tun sollte. Auch nicht, dass er allen seinen Sklaven ihre Namen hatte behalten lassen oder ihnen erlaubt hatte, für sich eigene Namen zu wählen. Die nächste Stunde genoß es Inari, seinen Freund zu necken und sich zu vergnügen. Sobald sie in Tusukuru ankommen würden, wäre es für ihn an der Zeit, einen weiteren Schritt seines Planes in die Tat umzusetzen. Aber solange es nicht unbedingt nötig war, wollte er Falve aus seiner Verschwörung heraushalten. Die Namen der Sklaven: Echte Namen waren den Sklaven in der Anfangszeit von Sho verboten worden, da diese auf die unterlegenen Familien hindeuteten und Sho I. wollte diese Erinnerungen zum Wohle des Neuanfangs unterbinden. Heuzutage hatte dieses Gesetz keine Grundlage mehr, aber trotzdem gefiel es dem Adel, den Niederen etwas so selbstverständliches wie einen Namen vorenthalten zu können. Natürlich musste man die Sklaven irgendwie anreden und so wurden die Pseudonamen eingeführt: Namen, die sich auf Verhalten oder Aussehen der Person bezogen, um sie identifizieren und ansprechen zu können. Zu einem hatte Inari Elora. Sie hatte diesen Namen bereits getragen, als sie zur Sklavin wurde und hatte ihn lediglich ablegen müssen. In der Öffentlichkeit wurde sie wegen ihres purpurnen Auges einfach 'Purpur' genannt. Dann gab es da Vima. Sie war ein Albino, das bedeutet, dass ihre Haare farblos, ihre Augen rot und ihre Haut elfenbeinweiß waren. Wegen ihrer Andersartigkeit war sie von ihrer Familie in die Sklaverei verkauft worden, als man ihr ein großzügiges Angebot gemacht hatte. Man hatte sie als Exot Inari vor drei Jahren zum Geburtstag geschenkt und 'Weiß' genannt. Asta war seit je her als Konkubine ausgebildet worden und trug den Beinamen 'Schwinge' da sie es liebte, sich in Kleidern aus Federn zu hüllen. Den Namen Asta hatte sie sich selbst gewählt, nachdem Inari sie darum gebeten hatte. Silva, die kaum ein Wort sprach, wurde einfach 'Stille' genannt. Ihren Namen verdankte sie der Tatsache, dass Inari es amüsant fand, dass sie sich immer in seinem Silberbesteck bestaunte. Soyomina, genannt 'Talisman' wegen des Amuletts um ihren Hals, war die einzige Tochter eines ermordeten Sektenanführers, der gegen Sho opponiert hatte. Inari hatte sich ihrer unschuldigen Seele angenommen, um sie so vor dem grauenhaften Schicksal der Hinrichtung retten zu können. Er hatte ihre Familie ebenfalls während seiner Kindheit gekannt und mit der Anweisung, Soyomina zu seiner Sklavin zu machen, hatte er den letzten Wunsch ihres Vaters erfüllt, sich um sie zu kümmern. Und zuletzt gab es da noch Kaiden, die einzige Sklavin, die nicht mit auf die Reise gegangen war. Sie war weniger eine Sklavin, als Inaris Adjutantin und Beraterin. Sie erfüllte für ihn Missionen, von denen niemand etwas erfahren durfte. Und was das Wichtigste war: Sie gab sich nicht unterwürfig, sondern verteidigte Inari und seine Ehre mit aller Macht – notfalls mit dem Schwert, dass ihr den Namen 'Klinge' eingetragen hatte. Später am Tag in der Hafenstadt von Tusukuru: Als plötzlich die drei großen Kriegsschiffe der Sho am Horizont erschienen waren, hatte man in der Hafenstadt das Wachregiment mobilisiert und Großalarm gegeben. Obwohl die Diplomatenflagge gehisst war, wusste man nie, zu welchen hinterhältigen Tricks ein Feind greifen würde. Aber nachdem Inari alleine von Bord gegangen war und dem Kommandanten die Lage erklärt hatte, verschwand die angepannte Atmosphäre schnell wieder und die Gäste aus dem fremden Land wurden freundlich begrüßt. Inari schlenderte zusammen mit Elora und Stille im Beisein des Regimentskommandanten den Hafen entlang und unterhielten sich über unterschiedliche Themen. Wie sich herausstellte, war der Kommandant früher selbst zu See gefahren und so hatte Inari ihm einen Rundgang auf einem seiner Schiffe angeboten, die der Kommandant aber höflich abgelehnt hatte. Während sie sich unterhielten, ging langsam die Sonne am Horizont unter. „Ich danke euch dafür, dass ihr euren Aufbruch bis übermorgen verschoben habt. Der Berater des Imperators wird morgen eintreffen und euch sicher zum Palast geleiten, Lord Inari.“ Der Kommandant wusste, dass diese Leute keinen zusätzlichen Schutz brauchten. Die Schwarze Garde, so hatte man ihm die Samurai vorgestellt, gehörten zur Elite der Sho und sie machten auch einen sehr professionellen Eindruck. Aber es war besser, wenn diese Gruppe von einem bekannten Berater des Imperators begleitet wurde, damit es nicht unerwünschte Zwischenfälle auf dem Weg gab, wenn diese unbekannte Gruppe Samurai sich auf dem Weg zum Palast befand. Dem Abend verbrachte Inari im Haus des Bürgermeisters und feierte – gegen den ausdrücklichen Rat von Aronn, der ihn vor einem möglichen Attentat gewarnt hatte. Inari jedoch hatte diesen Einwand wohlwissend abgewiesen, dass er keine Informationen bekommen würde, wenn er von griesgrämig dreinschauenden Samurai bewacht worden wäre. Und tatsächlich erfuhr er so einiges über Tusukuru und den Imperator Hakuoro, dass die Spione nicht für nötig gefunden hatten, nach Sho zu senden. So erfuhr er, dass der Imperator als Fremder in dieses Land gekommen war und unter anderem großes Geschick darin besaß, aus seinen Feinden Freunde zu machen. Außerdem waren seine taktischen und strategischen Fähigkeiten scheinbar viel weiter ausgebildet, als man in Sho momentan dachte. Wie es schien, war Tusukuru wirklich der richtige Ort für Inaris Plan. Wieder einmal hatte ihn seine Eingebung den richtigen Weg gewiesen. *** *** *** Anmerkungen: So, das zweite Kapitel ist fertig. Ist zwar sogar noch kürzer als das erste, aber es sollte auch nur eine Überleitung darstellen. Anfangs wollte ich längere Szenen im Gemach und in der Hafenstadt machen, habe mich aber dazu entschieden, die Szenen etwas abgewandelt im Palast abspielen zu lassen, wenn die bekannten Utawarerumono-Charaktere anwesend sind. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)