Dryaden von winterspross (Wichtelgeschichte für LumCheng) ================================================================================ Kapitel 5: Fünf: Glaurung ------------------------- Er durchsuchte den ganzen Baum, fand Glaurung aber schließlich außerhalb der schützenden Rinde auf dem Boden sitzend. „Ich mag es nicht, eingesperrt zu sein“, grinste er ihn zur Begrüßung entschuldigend an. Magellan ließ sich neben ihm auf die Erde fallen, achtete aber auf einen gewissen Abstand. Wieder einmal wunderte er sich über diesen schönen Jungen, der so wenig über das Menschsein und alltägliche Umgangsformen zu wissen schien. Außer ihnen hatte sich niemand herausgewagt, es war unheimlich ruhig, nur das Gras wogte sanft im Wind. Beide hatten Zeit, ihre Gedanken zu ordnen. „Wer bist du?“, durchbrach irgendwann Magellan die Stille. „Ich bin Glaurung. Aber das weißt du doch schon.“ Ein Grinsen lag auf den Lippen des anderen. Hatte der überhaupt einen anderen Gesichtsausdruck in petto? Anscheinend nicht, denn Magellan bemerkte nun erst jetzt, dass in den Goldaugen ein gequältes Glitzern lag. Hatte Glaurung etwa Schmerzen? Ganz sachte berührte er den Oberarm des Jungen, der sofort zusammenzuckte. Das Grinsen verschwand trotzdem nicht. „Es hat mich wohl etwas stärker mitgenommen, als ich gedacht habe“, murmelte er. Ein rostroter Schauer lief über seinen nur halb mit Kleidung bedeckten Arm. „Ich meine, die Idioten plattzumachen.“ „Also warst es wirklich du?“ Magellan war noch nicht bereit zu glauben. Das hier war absolut unmöglich. Es gab keine Drachen, nicht hier, hier gab es nur den Baum, die Organisation und die Dryaden. „Beweise es mir.“ „Und wie soll ich das machen? Soll ich Feuer für dich spucken?“ Der Drachenjunge lächelte ihn breit an. „Ich tue doch alles für dich.“ Da wusste Magellan, wieso Glaurung stets ein Grinsen auf den Lippen hatte: Er konnte gar nicht anders. Wie ein Krokodil, das andauernd zu lächeln scheint, sah es auch bei ihm so aus. Wahrscheinlich war ihm eher nach Weinen oder Schreien zu Mute, doch er konnte es einfach nicht, ganz einfach, weil er kein Mensch war. Es ergab alles einen Sinn: das seltsame Verhalten, das Auflauern auf dem Gang, der Akzent, der keiner war, weil er einfach der Ausdruck dessen war, dass Glaurung nicht recht wusste, was er mit Stimmbändern anfangen sollte, sein Unwillen sich zu bewegen, weil dieser Körper nicht der war, in dem er geboren worden war. Nun hatte er keine Angst mehr: Sie war einem ungläubigen Staunen gewichen. „Was ist?“, wollte der Drache wissen. „Danke, dass du das für mich gemacht hast. Danke, dass du mein Zuhause gerettet hast. Ich brauche keine Beweise, wenn du so etwas Großartiges tun kannst.“ Magellan zweifelte keine Sekunde daran, dass Glaurung nur für ihn gekämpft hatte, etwas, was ihn mit großem Stolz erfüllte. Vorsichtig rückte er näher zu ihm hin und nahm ihn in die Arme, immer darauf bedacht, seine Verletzung nicht zu berühren, und vergrub seine Nase in der roten Haarflut des anderen. „Danke, danke, danke.“ Zum ersten Mal seit ihrer Begegnung ernsthaft verwirrt legte Glaurung den Kopf auf Magellans Schulter. Er spürte das bebende Herz des Anführers der Dryaden und schloss glücklich die Augen. „Danke, dass du mich magst.“ Mochte er diesen Jungen? Die Wärme, die von ihm ausging, war betörend. Nein, es war Hitze, die langsam über die nackte Haut zu ihm herüberkroch. Glaurung schien zu glühen. „Hast du Fieber?“, murmelte Magellan. „Nein, ich freue mich“, antwortete der Drache und damit war alles gesagt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)