Raftel (1) von sakemaki (When Spirits Are Calling My Name ...) ================================================================================ 59 - Raftel ----------- So musste es sein, wenn sich ein Kreis schloss. Man sagte im Allgemeinen, der Anfang wäre dunkel. Das Ende ebenso. Ein einziger Funke einem Glühwürmchen gleich flammte kurz auf, gab einzelne Konturen frei und ließ sich dann beim Erlöschen wieder von der Dunkelheit verschlucken. Der graue Admiral paffte perplex an seiner Zigarre. Allmählich und mit viel Ruhe spulte er die vergangenen Bilder in seinem Kopf immer wieder und wieder ab, nur allein um zu verstehen, was in den Augenblicken davor geschehen war. Eiskalt war es gewesen. Und finster. Schon seinem Schicksal ergeben, war er umhergequalmt und hatte seinen nahenden Erfrierungstod akzeptiert. Beinah wären ihm die Augen aus dem Kopf gekullert, als er diesen Grünhaarigen im Eis erspähte. Jeden hätte er antreffen können. Jeden! Aber ausgerechnet Roronoa Zoro lag da weit vor ihm wie ein Käfer auf dem Rücken und alle Viere von sich gestreckt mitten auf dem blanken Eis, als gäbe es nichts wichtigeres als dort ein gemütliches Nickerchen zu halten. Oder war er einfach nur tot? Langsam näherte sich der Raucher dem Entdeckten. Nein! Der Pirat lebte. Smoker fühlte sich in seiner These bestätigt, dass Piraten wie Unkraut gedeihen würden. Man könnte sie stets ausreißen, aber nie vernichten. Sie keimten und gediehen immer und ewig. Schlug man einen tot, kamen mindestens gefühlte hundert von dieser Spezies nach. Die Piratenjagd war ein Fass ohne Boden, doch irgendwann fand jedes Fass einmal seinen passenden Boden. Davon war er überzeugt. Das gefundene Objekt musste genauer betrachtet werden. Und dann waren dort diese grünen Funken. Sie tanzen empor und strebten engelsgleich dem Himmel entgegen. Dort verblassten und verglimmten sie. „Ach, so einer bist du also. Nun wird mir einiges klar“, dachte der Admiral bei sich. „Eines von diesen Kalikindern, von denen man immer in den geheimen CP-Akten liest.“ Die Erkenntnis fürs erste bei sich behaltend, hatte sich dann letztendlich Smoker dem dort Liegenden genähert. Nur wenige ausgetauschte Sätze später waren sie zum Ringporneglyph marschiert. Die Kombination war gut. Smoker wusste den Weg und Zoro war der Schlüssel. Zumindest wurde es so von den Hanyôs behauptet, dass sie der Schlüssel zu irgendetwas wären. Inmitten des Ringporneglyphes stoppte der Marsch. Ab dann wurde es bizarr, als dem Admiral nicht mehr klar wurde, warum Zoro irgendwelche Notizen aus einem zerfledderten Heft las. Plötzlich drehte sich die die Welt um sie herum, als würden sie im Auge eines Tornados sitzen und als dann plötzlich der Pirat „Stopp!“ brüllte, war es schwarz geworden. Es müsste das Ende sein, doch dafür war es zu realistisch. Smoker spürte einen harten Steinfußboden unter seinen Gliedern. Es war windstill und auch die Kälte schien weit außerhalb dieses Ortes zu liegen. Smoker beschloss, dass es Zeit für mehr Licht als nur das Glimmen seiner Zigarre war. Er zog kräftiger daran und erspähte in der Kürze des Aufflammens eine einsam verlorene Fackel in der Nähe. Mit einem Raucharm holte er sie zu sich und entzündete sie. Tatsächlich war dieses ein Gebäude, wie im flackernden Schein der Flamme gewahr wurde. Es mochte wohl ein Turm oder ein Treppenhaus aus großen grauen Steinquadern sein. Wie ein Schneckenhaus wendelte sich die Treppe an den Außenmauern nach oben in unbekannte Höhen. Der Lichtschein reichte bei weitem nicht, um über seinem Kopf hoch oben eine Raumdecke ausmachen zu können. Dazwischen lagen Stockwerke, die man nur durch große Rundbögen in den Wänden hindurch erahnen konnte. Da es jedoch in direkter Nähe nirgends ein Fenster zu geben schien, war zu vermuten, dass hier unten am Fuße des Gebäudes die Katakomben sein müssten. Es sollte weniger die Neugier, als der Drang nach irgendeiner Tat gegen die Langeweile gewesen sein, was ihn letztendlich von seinem Sitzplatz hinweg zog. Jemand wie er, der allem Anschein nach nichts mehr zu verlieren hatte, war frei zu tun und zu lassen, was er wollte. Das Schicksal des Piraten interessierte ihn nicht sonderlich. Dieser lag gekrümmt über seinem Notizheft komaartig schlafend unmittelbar vor ihm und zeigte nicht ein Minimum an Bewegung. Also war er los gequalmt. Beständig und lautlos wie heraufziehender Nebel erklomm er Stufe um Stufe und nahm jedes Stockwerk in Augenschein. Jede der Etagen verlor sich in einer Vielzahl an Gängen und Räumen, die irgendwann allesamt an ihre örtlichen Außengrenzen stießen. Schnell wurde dem Entdecker klar, dass er, abgesehen von dem Piraten unten im Kellergeschoss, absolut allein war. Diese gesamte Turmanlage mit verwinkelten Nebengebäuden war dem Fels mühselig geraubt und von den Bewohnern später verlassen worden. Es gab nicht ein einziges vergessenes Möbelstück, nicht mal einen einsamen Nagel in der Wand, der nähere Auskunft über den Verbleib der einstigen hier Lebenden geben konnte. Hier und da verlor sich die ein oder andere abgebrannte Fackel in den Fluren. Die Entdeckungstour endete obig in der Turmspitze, von der aus man die sehr übersichtlich kleine, karge Insel aus massivem Fels gut betrachten konnte. Von weitem vermochte man nur blanken Stein erkennen zu können. Doch aus der Nähe entdeckte man überall im Gestein Kuppeln, Weg, Balkone, Gärten und so manches architektonisches Allerlei. Dort oben auf der Turmbalustrade verweilte er und dachte wieder einmal über das Denken nach. Es führte nach einer gefühlten Ewigkeit dazu, dass diese Insel, sollte sie tatsächlich Raftel heißen, eine ziemliche Enttäuschung war. Mythen und Halbwissen puzzelten sich zusammen, dass angeblich dieser Ort die Antwort auf alle Fragen von höchster kultureller Bedeutung wäre. Sogar One Piece sollte hier versteckt worden sein. Aber diese gesamte Insel war wie leergefegt. Entweder war schon jemand hier gewesen und hatte das Rätsel gelüftet oder es musste noch etwas mehr dahinter stecken. Obgleich Smoker in der Marinenahrungskette recht weit unten stand, schlüpften immer mal Informationen durch das viel zu große Netzwerk des Verwaltungswasserkopfs auch in die hintersten Winkel der kleinsten Marinestation. Was waren da nicht alles für Geheimakten über seinen Schreibtisch durchgeflutscht. Viel gab es da zu lesen. Selbst eine interne Cipherpol-Einheit war mit dem Thema Raftel und deren mysteriösen Kali-Kindern beschäftigt worden. Man sollte herausgefunden haben, dass Raftel die Heimat dieser Kinder wäre. Wie nannten sie sich doch gleich in ihrer Sprache? Hanyôs. Vieles sagte man ihnen nach, aber wenn Smoker so an den Schwerstkriminellen einige Stockwerke tiefer dachte, bezweifelte er doch arg, dass Zoro all diese Eigenschaften zu erfüllen vermochte. Der mochte zwar nicht blöde sein, aber eine Intelligenzbestie war der freilich auch nicht. Zudem galten alle Hanyôs als ausgerottet, obwohl sicher der eine oder andere Abkömmling ohne es zu ahnen auf dieser Welt existieren könnte. Vielleicht war der Grüne auch so ein allerletztes Exemplar aus dem Tal der Ahnungslosen. Der Admiral wollte sich von all diesen Spekulationen heraushalten. So etwas interessierte ihn nicht sonderlich. Mythologie war eine Wissenschaft für Verrückte und Spinner. Und so besann er sich auf die für ihn weit spannendere Fragestellung, wie es nun weitergehen würde. Ein leichter Nebel aus schwefligem Gelb und blutigem Rot umhüllte die schwarze Insel. Das Wasser klatschte unruhig ölig gegen den Fels und dröhnte in den Ohren. Es war schwer zu sagen, ob es die Farbe von bleiernem Grau oder eher von nächtlichem Blau stammte. Vieles hatte der Qualmer schon gesehen, doch diese surreale Kombination war auch ihm neu. Als hätte ein Künstler seine Ölfarbenpalette vermengt auf den Horizont geklatscht. Und obgleich der Farbrausch einem wilden Chaos glich, so hatte es in sich eine gewisse Logik. Man konnte sich in diesen Farben verlieren. Es war, als würde man einen ewigen schrägen Traum träumen, wenn man zu lange auf eine Stelle starrte. Mit viel Willenskraft riss sich der Raucher aus dem erstarrten Blick los und seine Augen schweiften ziellos umher. Da fiel es dem Betrachter von der Turmspitze aus nun doch auf, dass etwas dieses Farbchaos unterbrach. Ein dunkler Punkt stand auf dem Wasser und rührte sich zuerst nicht. Smoker kniff seine Augen zusammen und spähte in die bizarre Farbtheorie hinab. Der Punkt hatte eine aufrecht längliche Form. Doch er als Betrachter war zu weit entfernt, um das Geheimnis lüften zu können. Also schwebte er hinunter und platzierte sich in dem Wehrgang, der in den Fels gehauen oberhalb der Brandung einmal um die ganze Insel verlief. Von hier aus sah man, dass unten zwischen den Brandungswellen ein langer steinerner Anlegesteg weit hinaus ins Meer führte. Der Admiral war angstfrei, misstraute aber dem Meerwasser. Würde seine Qualmwolke Wasser abbekommen, lägen seine Teufelskräfte brach danieder. Sicherer schien es, in voller Gestalt über den Steg zu gehen. Schnell endete der Steg und das ölig wirkende Wasser platschte schwerfällig gegen den nackten Stein. Der Punkt war nun deutlich zu erkennen und vielleicht gute drei Dutzend Meter weiter draußen. „Roronoa, was zum Teufel machst du da?“ Smoker staunte nicht schlecht darüber, wie Zoro unbemerkt dorthin gelangen und mitten auf dem Wasser stehen konnte. Jedoch war er gut darin, persönliche Gefühlsregungen zu verbergen. In welche Richtung mochte dieser Steg gehen? Was lag hinter dem Horizont? Tatsächlich drehte sich der Angesprochene um, blickte aber emotionslos auf den Admiral. Noch nie hatte Smoker so leere Augen gesehen. Irgendetwas absolut Unbegreifliches für ihn lief hier vollkommen verquer. Doch noch bevor er eine Entscheidung treffen konnte, nahm ihm Zoro diese Aufgabe ab. Er drehte sich wieder um und ging weiter. Weiter über das dort draußen aalglatte Meer dem ungewissen Horizont entgegen. Seine Körperhaltung sprach Bände. Da war kein Stolz in einem aufrechten Gang zu erkennen. Wie ein alter, gebrochener Mann mit hängenden Schultern ging der Pirat langsam aber zielstrebig einem unbekannten Ort entgegen. Der Admiral guckte ihm fragend hinterher und machte sich dann selbst auf den Rückweg zur Insel. Reisende sollte man nicht aufhalten. Vielleicht gäbe es ja doch irgendetwas in den Gemäuern zu entdecken. Bedrohlich erhob sich die Festung und zeichnete sich düster gegen das Chaosfirmament ab. Wie ein Fingerzeig ragte eine einzelne Säule am Fuße der Insel kerzengerade in die Luft. Ein merkwürdiges Gebilde. Es erregte die Aufmerksamkeit Smokers, doch es gab seinen Sinn nicht preis. Für ihn selbst gab es hier draußen nichts weiter zu tun. Der Platz war nicht einladend, der Pirat stand da draußen verloren auf dem Wasser und es gab auch nichts weiter Spannendes zu sehen. Also ging er zurück und durchforschte noch einmal ohne Hast das Gebäude. Irgendwann sollte er auch wieder dorthin gelangen, wo Zoro und er gestrandet waren: Unten in den Katakomben. Erstaunlicher Weise hatte der Pirat dort sein zerfleddertes Notizheft einfach achtlos auf dem Boden liegengelassen als wäre es eine alte ausgelesene Zeitung. Die Bedeutung dieses Schriftstückes schien in seiner Wichtigkeit stark gesunken zu sein. Es war nicht die Neugier des Admirals, sondern eher seine berufliche Prägung, Feindesdinge zu untersuchen. Er schob die lose Blattsammlung wieder zu einem Haufen und begann die ersten Zeilen zu lesen. Man sollte immer wissen, was der Feind geplant hatte und die Papiere könnten Aufschluss geben. Eine reine Routinearbeit. Die Schrift kam ihm merkwürdig bekannt vor und erst auf der mittlerweile zweiten, gar dritten Seite fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, dass es Tashigis Handschrift war. Ihr Stil war nicht linientreu. Eher mal impulsiv, dann kurz und abgehackt oder ein anderes Mal wieder lang und ausschweifend. Eben so, wie es gerade ihre Gefühlslinie gewesen war. Ohne es zu wollen, vertiefte sich der qualmende Leser immer mehr und mehr in die Lektüre eines Lebensabschnittes seines Feindes und er begann zu begreifen, dass er nicht nur seine ehemals Untergebene falsch eingeschätzt hatte, sondern es hatten sich auch für sie ganz neue Facette aufgetan, von denen sie früher nicht zu träumen vermochte. Die Reise auf der Sunny spiegelte viele neue Dinge wieder und widerlegte Gerüchte über die Strohhutbande. Auch musste Smoker feststellen, dass Piraten tatsächlich nicht gleich Piraten waren. Besonders die Strohhutbande rückte in ein ganz anderes Licht. Als er mit dem Lesen endete, verfiel er sofort in fiebrige Hast. Wenn Zoro tatsächlich ein Hanyô war, dann befand sich sein Erinnerungsvermögen gerade auf der Ebene „Tabula Rasa“ und er würde schnurstracks über das Wasser zum Dorf der Bekloppten und Bescheuerten marschieren. Das wäre mehr als ungünstig, denn es würde zugleich für Smoker bedeuten, dass er auf immer und ewig hier auf Raftel gefangen säße. Nichts und niemand könnten ihn aus diesem Zeitgefüge in eine andere Zeit zurückholen. Reisende sollte man vielleicht doch nicht aufhalten. Tashigis Aufzeichnungen waren das reinste Lösungsbuch für dieses abstruse Adventure. Schnell war er wieder unten an dem langen Anlegesteg angekommen. Zoro war schon weit, weit weg. „Nicht schlecht. Die lange Strecke in der kurzen Zeit?“, dachte sich der Qualmer und merkte im selben Moment wie aberwitzig und unpassend dieser Gedanke doch war. Freiwillig würde der Pirat sich sicherlich nicht wieder nach Raftel zurückbewegen, also schoss der Admiral lange Qualmarme über das Meer und hoffte innig, dass sich doch bitte kein Meerwassertropfen in seinen Qualm zu verirren mochten. Es mochte ein Wunder gewesen sein, wie Smoker es tatsächlich unter allergrößter Anstrengung geschafft hatte, Zoro zurück ans Ufer auf den Steg zu holen. Heftig keuchend musterte er seinen alten Feind, der wie ein Schluck Wasser in der Kurve vor ihm stand und leer auf den Boden starrte. Ein Schwertkämpfer ohne Stolz und Schwerter. Ein Pirat ohne Vergangenheit. Ein Mann ohne Namen. Mit Zoro ihm Schlepptau verzog sich der Admiral wieder ins Innere der Festung. Es war ihm dort wesentlich behaglicher als hier am Meerwasser, welches ihn tödlich lähmen könnte. Egal, was er auch tat. Der Mann ohne Namen zeigte keine Regung. Er stand da und starrte ins Leere. Es musste doch eine Lösung geben, wie der Namenlose wieder seine Erinnerungen zurückerlangen könnte. Seufzend griff er zu Tashigis Buch, setzte sich auf den Boden und begann das Heft laut und deutlich vorzulesen. Zwischendurch beäugte er argwöhnisch sein Ein-Mann-Publikum, welches wenigstens das Lauschen nicht verlernt hatte. Er las und las. Und nach dem gefühlten hundertsten Durchgang war die Kehle des Lesers so ausgedörrt wie eine Sandwüste und so rau wie ein Reibeisen. Wenn die Motivation eine Leiter wäre, so hätte Smoker an dessen Fuße noch ein Loch in die Tiefe graben können, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen. Entnervt von der Hoffnungslosigkeit schmetterte er das Geschreibsel Zoro vor die Füße. „Ach, lies doch selbst!“ Die Augen kullerten dem sonst so abgeklärten Admiral aus dem Kopf, als sein Gegenüber doch tatsächlich mit einer Hand behutsam das Heft ergriff und sich zum Lesen zurechtlegte. Seit jeher galt Smoker als eiskalt und abgebrüht, doch Raftels Atmosphäre und das Farbchaos raubten ihm jedwilligen Verstand. „Du hast mich die ganze Zeit verarscht!“, platze Smoker nun endgültig der Kragen. „Wovon redest du?“ gab der Pirat desinteressiert zurück. „Vom Eis, von deiner Apathie, deinem Gang übers Wasser …“, stammelte der Angesprochene vollkommen fassungslos. Zorn und Kapitulation zugleich lagen in seiner Stimme. Doch Zoros Gesichtsausdruck sprach Bände, dass er sich an nichts erinnern könnte und bei den Worten „Gang übers Wasser“ hätte man meinen können, er unterstelle Smoker Wahnvorstellungen. Das Thema wurde jäh in einen andere Richtung gelenkt, denn für den Marineangehörigen gab es nur ein einzigen großen Wunsch: Endlich fort von alledem. Doch der Hanyô zuckte nur mit den Schultern. Er wisse zwar Dank Smoker wieder von seiner Vergangenheit, aber wie er sie aus dieser Misere befreien könnte, wäre auch ihm nicht bewusst. Letztendlich waren es die Informationen aus Tashigis Buch, welche den Raucher davon abhielten, dem Piraten für diese Antwort an die Gurgel zu gehen. Sie hatten ihm ein ganz neues, unbekanntes Bild über die Strohhutbande und deren Ambitionen eröffnet, wie er es von Piraten niemals erwartet und gekannt hätte. „Ich will mir noch einmal etwas dort draußen ansehen. Vielleicht bringt es uns von der Insel weg“, seufzte Smoker und qualmte davon. Zoro, der immer noch ein wenig planlos war, aber auf Smokers Gesellschaft verzichten wollte, begann sich auf eigenen Faust auf der Insel umzusehen. Die Festung war magisch und vertraut zugleich. Als wäre er schon unzählige Male hier gewesen, schritt er bedächtig durch die Hallen und Gänge. Erinnerungsfetzen blitzen vor seinen Augen auf, die er nicht recht festhalten und einordnen konnte. Ja, er war schon mal hier. Aber zu einer anderen Zeit in einem anderen Leben. Soweit konnte er sich nicht so recht zurückerinnern. Man sollte sich auch nicht ewig an Altes hängen. Was passiert war, war passiert. Es war getan und vorbei. Zoros Gang endete draußen beim Admiral, der in die Ferne über das Meer starrte und zugleich einen hohen steilen Pfahl am Fuße der Insel mit den Augen vermaß. Ohne große Worte gab der Qualmer dem Piraten zu verstehen, dass es sich tatsächlich um ein Seezeichen handeln müsste, welches einen unbekannten Weg wies. Es gab nichts anderes für die beiden zu tun. Also zogen sie über das Meer. Zoro ging zu Fuß und Smoker rauschte neben ihm her. Schon bald durchbrachen sie das Ringporneglyph und die Szenerie änderte sich schlagartig. Vorbei waren der bunte Farbenrausch und das ölige Wasser. Die Dunkelheit ergriff sie wieder und das Meer wurde öde und schwarz. Ewig war der Weg, aber das Seezeichen erfüllte seinen Sinn und Zweck. Bald war Raftel aus ihren Augen verschwunden, doch am Horizont tauchte schemenhaft eine neue Festung auf. „Ist es nicht interessant? Wenn wir von unserem direkten Kurs abweichen, so verschwindet das Ziel. Man kann also nur zu diesem Ziel gelangen, wenn man sich exakt an das Seezeichen hält. Somit muss Raftel bedeutend für die Navigation sein“, dachte Smoker laut vor sich her. „Und wohin soll der Kurs führen?“, erwiderte Zoro. „Zum verlorenen Königreich. Zumindest wurde es uns so als Anekdote im Navigationsunterricht an der Marineakademie gelehrt. Die achte Route startet beim Seezeichen von Raftel und verbindet die beiden Insel. Das verlorene Königreich besitzt selbst kein Magnetfeld, liegt im Calm Belt und kann daher nicht angesegelt werden. Der Trick liegt also darin, Raftel zu finden. Das ist geschickt.“ Dem Piraten war es egal, wem Smoker nun die Ehre zuteil brachte, als geschickt betitelt zu werden. Er hoffte, am neuen Ziel auch neue Antworten zu finden. Nichts war ihm lieber, als endlich in sein altes Leben zurückzukehren. Und dann waren sie da. Die Ruinen des vergessenen Königreiches zeugten von großer Macht und Prunk. Es musste einmal ein herrliches Anwesen gewesen sein. Doch nun war der Glanz erloschen und die alten Mauern wirkten fahl und ergraut. Gezeichnet von Wind und Wetter hatte sich dieser Ort einst zum Schlafen gebettet und war seitdem nie mehr erwacht. Sie durchstreiften das Areal. Ein großes Eingangstor ließ sich knarrend und ächzend öffnen und gab den Weg in einen großen Saal frei. „Wo suchen wir zuerst?“ fragte Zoro. „Was suchen wir genau?“ erwiderte Smoker zynisch. „Keine Ahnung! Irgendwas…“, kam es nur knapp und lapidar zurück. „Irgendwas …“, wiederholte Smoker murmelnd und wusste nicht mehr so recht, ob die ganze Sache zum Weinen oder zum Lachen war. Die Entscheidung, in welche Richtung sie sich nun begeben sollten, wurde ihnen abgenommen. Zoro spürte die Anwesenheit einer Person und spähte aufmerksam in einen der Gänge. Irgendwo dort kam ihnen jemand auf direktem Wege entgegen. „Endlich. Ich habe auf eure Ankunft gewartet“, hallte eine müde Stimme den Flur entlang und dann tauchte die Gestalt auf. Sie war fledermausartig und klein, aber schlank gewachsen. Ein langer Reisemantel bedeckte seinen Körper. Sein Haupt war kahl. „Kivi?“ begrüßte der Pirat den Ankömmling erstaunt. „Du erinnerst dich. Das ist gut. Ich dachte schon, alles wäre verloren“, gab dieser zurück. Für Smoker sprach der kleine Mann mit dem Fledermauskopf in Rätseln, so wie ihm alles ein riesengroßes Rätsel war. „Wer bitte ist das schon wieder?“, fragte er genervt den Piraten. Noch bevor eine Antwort erfolgen konnte, hatte Kivi sie beide aufgefordert, ihm zu folgen und begann dabei zu sprechen. Er sprach soviel, als hätte er noch nie in seinem Leben mit jemanden gesprochen und er müsste nun sein ganzes Wissen an seine beiden Gesprächspartner weitergeben, ob es diesen nun passen würde oder nicht. Zwischendurch stellte er ihnen Fragen, die er aber sofort selbst beantwortete und gab ihnen keine Gelegenheit auf eine Gegenfrage. „Es ist gut, dass ihr nun endlich einmal da seid. Ihr wollt heim? Ha, wer will das nicht? Woher ich das weiß? Nun, ich bin der Träger des blauen Prismas. Es ist das Prisma des Wissens. Demnach trage ich die schwere Bürde alles zu wissen. Ich weiß alle Geheimnisse, alle Rätsel. Ich weiß, was ihr denkt und vorhabt. Ich weiß alle Anfänge und Enden mit sämtlichen logischen Ausgängen. Weiß, weiß, weiß … Einfach alles! Das ist ein Fluch. Mein Schädel platzt. Doch es geht nun endlich zu ende. Ich bin müde dieser ganzen Krisen und der Zankereien. Seit es die Dreiteilung der Prismen gibt, gab es keinen einzigen Tag Frieden. Es wird nun das Ende der Primenträger geben und ihr werdet mir dabei unfreiwillig helfen.“ Smoker und Zoro wechselten einen Blickkontakt aus, dass ihnen Kivis Rede zu wirr war. Doch der Fledermausartige redete ungefragt wie ein Wasserfall weiter: „Es ist ganz einfach. Das, was das verlorene Königreich genannt wird, ist nur verloren, weil es nicht Obacht gegeben hatte. Das Königreich ging unter, als sich das weiße Licht in drei Prismen teilte. Das weiße Licht, welches all unser Leben regelt. Wir brauchen es zum Leben, wie wir auch das Wasser brauchen. Ohne das Wasser und das weiße Licht sind wir nichts. Alles klar? Für mehr Erklärung haben wir keine Zeit. Wenn sich die Prismen wieder vereinen, hat der Spuk ein Ende und ihr könnt zurück in euer altes Leben. Das Ende der Prismenträger-Ära. Welch großartiger Gedanke! So, wir sind da!“ Nach einem kurzen Weg durch ungezählte Räume, hatten sie einen dreieckigen Saal erreicht. Die Wände waren allesamt gleichlang und schimmerten glänzend. Erst bei genauer Betrachtung sah man, dass es sich um Spiegelwände handelte. Kivi sprudelte weiter: „Wir sind also Drei. In mir ruhte das blaue Prisma, das Rote war einst mal Yurenda und die fette Kröte, deren Name ich gar nicht mehr wissen will, aber noch muss, hat das Gelbe. Die Sache ist einfach: Besiegt Sammakko, bringt das Prisma hierher und alles ist beendet.“ „Yurenda WAR einst mal das rote Prisma?“ wiederholte Zoro fragend, während Smoker sich dezent im Hintergrund zurückhielt. Er hoffte auf eine Chance, seinen Kopf noch aus dieser Schlinge ziehen und sich abseilen zu können, denn diese Situation war im schlichtweg zu konfus. „Hast du es denn immer noch nicht geschnallt, Zoro? Hast du dich nie gefragt, warum du Geister sehen und Gefühlswellen spüren kannst? Oder warum du deine Freunde in eine komplett andere Zeitdimension senden konntest? Noch nie? Oder warum Yurenda dich aufgesucht hatte? Hast du dich nie gefragt, was dich von den anderen Hanyôs abhebt oder warum du überhaupt über dein wahres Schicksal in Kenntnis gesetzt wurdest? Warum bist du hier? Hanyôs können in einer Parallelwelt wandeln und Teufelskräfte aufheben. Und damit hat es sich. Du hast eine Einzigartigkeit an dir. Nämlich als das rote Prisma sich einen neuen Träger gesucht hatte. Darum hat dich Yurenda alle die Jahre gesucht, denn sie will ihr Prisma, was ja eigentlich nicht ihres ist, denn Prismen suchen sich ihre Träger und nicht umgekehrt, zurück haben. Und als sie dich dann traf, ist alles aus den Fugen geraten. Denn es setzte sich nun etwas frei, was du halt nie gewusst hattest. Yurenda ist dafür über Leichen gegangen und übt schon lange nicht mehr treu ihr Amt aus. Sie hat es missbraucht, um dich zu finden. Sammakko haben wir dieses Eis zu verdanken. Das gelbe Prisma kann nur einmal erwachen. Würde er das wollen, so gäbe es unsere Welt nicht mehr. Sie wäre für immer zerstört. Also lässt er mit seiner Eispanzer-Teufelskraft alles unter dem Eis verschwinden, schickt seine schwarzen Panzerreiter los und versucht so ein Druckmittel gegen Rot und Blau zu haben. Wenn solche Dinge passieren, dass sich die Prismen durch ihre Träger gegen sich selbst richten, dann ist das Ende nahe. Dann wird es Zeit, sie wieder zu vereinen. Unzählige Versuche in der Vergangenheit, haben nicht funktioniert. Die Zeit war noch nicht reif, aber jetzt ist sie es. Verstehst du, du gehörst zu uns. Rot hat dich erwählt, denn du findest als Halbdämon des Wassers den Weg hierher. Das rote Prisma war es, was dich bewahrt hat, bei der Giraffe auf Rice Island zu landen. Und meine Zeit geht auch zu ende. Blau wird mich verlassen. Das spüre ich. Hilf uns! Versuche dich zu erinnern! Bitte!“ Kivi hatte sich in Rage geredet, dass es seinem Publikum unmöglich war, etwas gehaltvolles aus den Sätzen zu entnehmen. Doch am Ende seiner langen, langen Rede wirkte er verbraucht und abgespannt, aber auch erlöst. In seiner typischen Haltung mit verschränkten Armen vor der Brust, blickte der Halbdämon die kleine Fledermaus an. Nein, es waren zu viele Informationen, um sie alle zeitgleich verarbeiten zu können, doch der Auftrag war klar und unabwendbar. Also gab es nichts weiter zu tun, als Kivi zuzustimmen und sich auf den Weg zumachen. Smoker konnte nur insgeheim staunen, wie jemanden, der gerade gar nichts mehr gewusst hatte, sich nun an viel mehr zu erinnern schien, als je zuvor. Er überlegte, was denn nun tatsächlich sein Part noch sein könnte, wo doch die Rollen klar verteilt waren. Kivi würde hier warten und sich aus allem heraushalten und Zoro würde sich auf den Weg zur Kröte machen. Hier ebenfalls zu warten, erschien dem Admiral als unfähig und zeitverschwenderisch. So ergab er sich dem Gedanken, mit Zoro zu ziehen und Ergebnisse mitzuerleben, als sie nur einfach abzuwarten. Während sich beide nach draußen begaben, bog der Halbdämon kurz vor dem großen Eingangstor, durch welches sie gekommen waren, in einen kleinen, unscheinbaren Gang ab. Smoker blickte ihm kopfschüttelnd nach und seufzte: „Roronoa, da geht’s lang nach draußen. Auch wenn du nun um einiges an mystischen Sonderbarkeiten reicher geworden bist, den Weg findest du immer noch nicht.“ „Darum geht es mir auch nicht“, sprach dieser und stieß zugleich eine alte Holztür auf, die schwere Mühe hatte, sich in den Angeln zu halten. Was dahinter durch das einfallende fahle Licht zum Vorscheinen kam, war atemberaubend. „Also doch…!“ kam es aus beiden Mündern zugleich. In der kleinen Saalkammer stand mittig ein hoher, grauer Steinquader eingebettet in unzählige Goldmünzen, Schmuckstücke, Schatztruhen und Waffen. Der Quader thronte fast in all dem Reichtum, doch der Hanyô beachtete den Schatz nicht weiter, erklomm einen Geldhügel, um näher an den Quader zu kommen. Dabei trat er gelegentlich eine Münzlawine frei, die Smoker fast unter sich begraben hätte, hätte dieser nicht ein waghalsiges Ausweichmanöver vollzogen. Zoro war jedoch blind für die Probleme des Qualmers. Respektvoll berührten seine Hände das Porneglyph, welches an der Stelle des Hautkontaktes einen grünen Schimmer bekam. Der Schimmer legte sich in alle Schriftzeichen und sie erstrahlten magisch zum Leben erweckt. Die Porneglyphen, eine längst vergessene Schrift der Hanyôs. „Steht dort etwas besonderes?“ bohrt Smoker gespielt desinteressiert. Die Hände des Piraten tasteten langsam Zeile für Zeile ab. Dann trat er vorsichtig wieder von den Münzbergen herab. „Für jemanden wie dich? Nein. Mit diesen Zeilen kannst du nichts anfangen. Du würdest die Nachricht wohl nicht weitertragen, weil es für dich nicht wichtig ist. Aber bedien’ dich an Rogers Schatz. Ohne einen Hanyô wirst du hier wohl kaum wieder hergelangen und das One Piece begaffen können“, gab der Angesprochene zurück. „Hey, sei nicht so arrogant. Hätte man mir als Kleinkind nicht so eine Teufelsfrucht eingetrichtert, so wären wir artverwandt.“ Es schwappte eine Art von Frust in Smokers Unterton, den er nur schwer verbergen konnte. „Wir sind artverwandt, aber die Teufelsfrucht nahm dir all deine dämonischen Kräfte. Der eine so, der andere so“, zuckte Zoro nur mit den Schultern. Und damit verließen sie die Ruinen des verlorenen Königreiches und alledem, was es in sich an Geheimnissen verbarg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)