Raftel (1) von sakemaki (When Spirits Are Calling My Name ...) ================================================================================ 54 - Zwielicht -------------- Mit schief gelegtem Kopf, einer hochgezogenen Augenbraue, verschränkten Armen vor dem Brustkorb und einem großen Fragezeichen über dem Haupt bestaunte Franky eine blecherne Panzerfußgruppe in glänzendem Schwarz, die sich ihren Weg durch die Menschenmassen bahnte. Sie sahen dermaßen frisch poliert aus, als wären sie gerade eben erst aus der Produktion vom Fließband gesprungen. Fast ausnahmslos blickte jenen Dunklen die Menge neugierig hinterher. Es war Rushhour und alle Einkaufstraßen waren über und über verstopft. Der Schiffsbauer war sich hundertprozentig sicher, dass er von diesen schwarzen Gestalten schon gehört hatte, doch der Groschen brauchte seine Zeit, bis er im Geiste rund gefeilt war und endlich langsam fiel. „Wir kriegen Probleme!“ polterte er in seiner üblichen Art los und erreichte dadurch die notwendige Aufmerksamkeit beim Schiffskoch, der gerade noch mit dem Kanonier ein ernstes Wort sprach. Usopps Gejammer über schmerzende Knochen und einer Prise Mitleid ging ihm gehörig auf die Nerven. Und das alles nur, weil sich die Langnase nicht im Stande sah, sein selbst erstandenes Werkzeug nun auch noch zum Schiff zu schleppen. „Was ist?“ fragte Sanji abgelenkt. „Die dunklen Ritter da drüben. Sind das nicht die, die dich damals auf der Redline verfolgt hatten?“ gab er Auskunft und schob die Frage sogleich an den Scharfschützen weiter. „Waaahhh!“ brachte dieser bei dem Anblick der Schwarzen nur hervor und verschwand klappernd wie eine Klapperschlange hinter Frankys breitem Kreuz. „Hey, lass den Scheiß!“ brüllt nun dieser wiederum los. Usopp war ein wahrer Angsthase und konnte mit dieser plumpdummen Art wirklich tierisch nerven. Ein Feuerzeug klickte. Zigarettenqualm verströmt seinen urtypischen Duft. Sanji zog langsam genüsslich an einem Glimmstängel, wie er es immer tat, wenn er zwar die Situation überblickt, aber eine Lösung noch nicht gefunden hatte. Und hier musste einerseits schnell, andererseits wohlbedacht gehandelt werden. Er wusste aus Berichten, dass mit diesen gepanzerten Riesen nicht gut Kirschen essen war. Einen Kampf zwischen all diesen Menschen und in diesem labyrinthartigen Areal zu beginnen, glich einem Himmelfahrtskommando. Vielleicht würde gar eine Panik ausbrechen und alles in einem Fiasko enden. „Was meint ihr? Unauffällig die anderen suchen und dann abhauen?“ teilte er seine Überlegungen mit. „Wie soll das gehen? Wir sind hier in einer Millionenstadt. Der Rest von uns kann überall sein. Wir sollten heimlich zur Sunny laufen und aufpassen, dass der Feind sie nicht vor uns noch im Hafen versenkt“, warf Usopp ein. Franky nickte zustimmend, denn der Kanonier hatte recht. Niemals würden sie hier ihre Nakama finden. Der Schutz ihres Piratenschiffs und das ruhige Ausharren, bis alle wieder zur vereinbarten Zeit dort eintreffen würden, war die einzige Möglichkeit, die sich ihnen bot. Also nahmen sie die Beine in die Hand und suchten den direkten Rückzug. Bereits an Bord der Sunny langweilte sich eine Piratenkapitän in der Schiffsbibliothek und maulte seiner Navigatorin die Ohren zu. „Och menno, Nami! Warum mussten wir denn schon wieder zurückgehen?“ „Weil du dein Taschengeld bereits verfuttert hast und allein den Weg nie zurückgefunden hättest“, kam die schnelle schnippische Antwort. Die vereinbarte Zeit zur Weiterfahrt rückte langsam näher und das war Grund genug, die Seekarten zu studieren. „Hol mir doch mal die Seekarten dort drüben!“ befahl sie ihm unter Androhung von Kopfnüssen und Luffy gab sich trollend nach. Das musikalische Skelett gebot beiden, ihren Streit beizulegen. Es lass die Zeitung, die Nami immer sofort auf ihrem Schreibtisch bunkerte. Die Welt dort draußen war unheimlich. Die Revolutionäre lieferten sich wilde Schlachten mit den Überresten der Marineeinheiten im Süden. Seit Yurenda die Regierungsgeschicke lenkte, hatte sie alle Organe der Weltregierung aufgelöst, konnte es aber nicht Verhindern, dass sich große Teile der Marine abspalteten und nun ihre eigenen Regeln aufstellten und Truppen zusammenzogen. Von Norden her rückte das Eis immer näher und dehnte sich schon über den Calm Belt aus. Bald würden beide Fronten auf der Grandline zusammentreffen. Was dann geschehen würde, mochte sich niemand ausmalen. Es herrschte Chaos auf den Weltmeeren. Ganze Völker wurden zu einer Wanderung gezwungen. Das alles beunruhigte Brook. Er hatte in den letzten Jahrzehnten viel gehört und gesehen, aber so etwas war eine noch nie da gewesene Bedrohung. Nami bedankte sich bei ihm, als er begann ihr die gefährlichen Seerouten aus den aktuellen Meldungen der Zeitung zu diktieren. Daraus schloss sie, dass die Überfahrt zur nächsten Insel nicht leicht werden würde. Die Gruppe würde einige Umwege in Kauf nehmen müssen. In der Zwischenzeit war Robin oben im Tempel längst zu ihrer neuen Entdeckung gestürmt und hatte ihre Freunde noch an der Pforte stehen lassen. Zielstrebig war sie in die dunkle Mitte des Zuckerhutgebäudes gelaufen und untersuchte nun akribisch wie ein kleines Kind ihren Fund. Im Fackelschein glitten ihre Finger aufgeregt über kalten, aalglatten Stein. Die Nässe des Regens ließ die Oberfläche des großen Quaders inmitten des Raumes geheimnisvoll glänzen. Er war so groß, dass er knapp bis an die Decke reichte. Weiter war hier nichts zu entdecken. Die Wände innerhalb dieses Tempels waren spiegelglatt, schwarz und schlossen sich über ihren Köpfen zu einer Rundung ab. Immer wieder und wieder ertasteten die Fingerkuppen der Archäologin die dort in Stein gemeißelten antiken Schriftzeichen, als müsste sie sich selbst durch das Ertasten davon überzeugen, dass sie real waren. Schweiß stand ihr auf der Stirn und eine Hitzewelle jagte auf ihrem Rücken abwechselnd die Kälteschauer. Ihre Hektik und Aufregung gaben ihren Begleitern deutliche Zeichen, dass dieses hier ein ganz besonderes Porneglyph sein musste. Womöglich war es sogar das wichtigste Porneglyph überhaupt. Aber ob es den ersehnten Schlüssel zur Wahrheit brachte? Robin gab außer wirren Selbstgesprächen nichts von sich Preis. Das Rentier fürchtete schon, sie wäre komplett närrisch geworden und versuchte sie in Gespräche zu verwickeln. Doch sie war der Welt um sich herum total entglitten und nicht ansprechbar. Die Inschrift des Porneglyphs musste genial einzigartig sein. Die Anderen wurden langsam ungeduldig. Eine ungemessene Zeitspanne hatten sie hier oben im Regen verbracht, sich durchweichen und die feuchte Dunkelheit ertragen lassen. Es gab wohl kaum einen unangenehmeren Aufenthaltsort als eine Tempelruine auf einer Nachtinsel bei kühlem Regenwetter. Obendrein mahnte nun auch noch Zoro seine Gefährten zur Eile. Andernfalls würden sie hier oben in wenigen Minuten einen ungemütlichen Empfang von unliebsamen Feinden bekommen. „Gleich, gleich“, winkte Robin desinteressiert ab, die langsam ihren Verstand wieder sammeln konnte und ihren kühlen Kopf und den messerscharfen Verstand wiederfand. Wie wild schrieb sie Notizen in ihr kleines Heft. Unbeeindruckt schnippte der Schwertkämpfer angespannt mit dem Daumen eines seiner Schwerter aus der Saya. Mochte die antike Geschichte noch so sensationell sein, momentan näherten sich andere Probleme dem Berggipfel. Er spürte die Seele des gelben Prismenträgers, der sich hinter schwarzen Panzern versteckte. Der Feind war nicht unbezwingbar, aber lästig, zumal der Grund dieser Verfolgungsplage im vollkommen unklar blieb. Chopper und Tashigi beobachteten die Situation nervös und zuckten zusammen, als Zoro noch hinzufügte: „Is’ jetzt eh zu spät. Sie kommen gerade die letzten Treppenstufen hoch.“ Doch Robin ließ sich durch nichts und niemanden beirren. „Einen ganz kleinen Moment noch!“ sagte sie ernsthaft bestimmt „Robin!“ kam es aus Tashigis und Choppers Mund gleichzeitig. Sie konnten nicht verstehen, dass ihre Mitstreiterin sämtliche Warnungen vor dem drohenden Feind in den Wind schlug. Doch die Archäologin las nur mit ruhiger, kraftvoller Stimme den letzten Absatz auf dem Steinquader vor: „Im Jahre 402 stellten die Bewohner der Wassergärten von Ren Island ihren Handel mit Teufelsfrüchten ein und wurden von Kalis Kindern, den Wächtern Raftels, in eine ferne Zeit erhoben. Den Kindern sei hier an Ort und Stelle ein Denkmal gesetzt, die ihre Macht niemals ausnutzten, um die Welt zu spalten. Auf das sie in Ewigkeit ihrer Route folgen und schweigen. Sollen sie niemals vergessen und verblassen.“ Robin triumphierte wie eine Schneekönigin. Endlich bekam sie lang gesuchte Antworten auf viele ungelöste Fragen. Das Jahr 402. Es war das Jahr, wo die große Geschichtslücke begann. Die Inschrift klang wundersam und geheimnisvoll, doch sie war just in diesem Moment entschlüsselt. Trotz intensivster Forschung konnte geologisch nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht geklärt werden, wie die Grandline sich bildete und ihre heutige Struktur annahm. Eine Vielzahl an Theorien überflutete den wissenschaftlichen Markt der Möglichkeiten. Grob genommen lässt sich sagen, dass die wichtigsten Meeresströmungen vor vielen tausend Jahren ihre Richtung änderten. Aus einer ehemaligen Nord-Süd-Richtung über die magnetischen Pole hinweg verlagerte sich die Strömung von Westen nach Osten auf der Höhe des Äquators entlang. Das blieb nicht ohne Folgen für die Geographie und Natur der Welt. Große Teile der Polgesteine wurden mitgerissen. Ihre magnetischen Reste verblieben als neue Inseln und Orte dort, wo die heutige Grandline als fünfter Ozean verläuft. Ein Hauptgrund, weshalb jede Insel dort ein eigenes magnetisches Feld und Jahreszeiten hat. Die Grandline selbst wiederum nagt mit ihrem Wellengang heftig an der Redline und versucht sie zu durchbrechen. Im Jahre 0 hatte man dann endlich das Portal am Reverse Mountain fertig stellen und die Grandline erschließen können. Kolonien schossen wie Pilze aus dem Boden. Seit der Besiedelung der des fünften Ozeans zählte man die aktuelle Zeitrechnung. Ein wahrer Boom zog ganze Völker von der schwindenden Redline hinaus in das ferne Ungewisse. Heute wie damals war es ein gefährliches Abenteuer und brachte schon in den Anfängen der Kolonialisierung vielen Auswanderern den nassen Tod. Nicht zuletzt, da die Erfindung des Logport erst gute zwei Jahrzehnte später das Licht der Welt erblickte. Ab da wurde das Reisen zielgerichteter. Die antiken Zeichnungen an den Innenwänden des Hofes zeigten ausführlich das Leben eines Volkes von Wassergeistern namens Mizuashura, welche zur Gattung der Ashura angehörten. Schon weit vor dem Jahre 0 lebten sie an den Polen zwischen Eis und Kälte und hegten und pflegten dort in großen Wassergärten Teufelsfrüchte. Als einzige Wesen in einer menschlichen Gestalt konnten sie sowohl über, als auch unter Wasser problemlos leben und sich jedem Lebensraum anpassen. Auch konnte sie Teufelsfrüchte wie normales Obst essen, ohne deren Auswirkungen zu spüren wie beispielsweise die Schwimmfähigkeit zu verlieren. Sie waren äußerlich absolut nicht von Menschen zu unterscheiden. Die Mizuashura bildeten kein zusammenhängendes Volk, sondern lebten sehr verstreut, teilweise sehr abgelegen und einsam. Es kam vor, dass sie sich unter die Menschen mischten, um nicht als Eremit sein Dasein fristen zu müssen. Dennoch blieben sie in ihrer Art sehr stolz, gar eingebildet, und sahen auf die Menschen herab. Und so blieb es nicht aus, dass es den einen oder anderen Nachkommen gab, der zur einen Hälfte Wassergeist und zur anderen Hälfte Mensch war. Sie kamen mit Haaren in allen Grünschattierungen des Meeres zur Welt und bei manch einem schlugen sonderbare magische Fähigkeiten durch. Von den Wassergeistern nicht als vollständigen Ashura anerkannt und verspottet, fanden sie dort keinen Platz. Die Menschen fürchteten sich wiederum vor diesen Mischlingen und schimpften sie Kalis Kinder, da sie glaubten, schwarze Flecken, neun Arme und drei Köpfe bei diesen Kindern zu sehen. Sie waren Hanyôs und diesen bot man unter menschlichen Dächern keinen Schutz an. „Das Kind hat den Fluch des Wassers“, munkelte man unter sich und zeigte mit Fingern auf sie. Verzweifelte Eltern gaben ihren verstoßenen Sprösslingen dann Teufelsfrüchte zu essen, die sie von den dämonischen Kräften bereinigten. Tatsächlich gelang dieses, aber die Stellung des Kindes änderte sich oft trotz allem nicht. Die veränderten Meeresströmungen verlagerten die Anbaugebiete der Teufelsfrüchte, so dass sie fortan nur noch auf der Grandline wuchsen. Als die ersten Siedler auf der Grandline die Teufelsfrüchte und deren mystischen Kräfte für sich entdeckten, wurden sie zu Beginn verteufelt. Erst knapp hundert Jahre später sollte ein florierender Markt auf einem Atoll namens Ren Island mit diesem seltenen Obst erblühen. Menschen strebten nach Macht und die Teufelsfrüchte halfen ihnen dabei. Viele Städte verdankten ihren rasanten Aufstieg allein Teufelsfruchtbesitzern, die ihre Kräfte perfektionierten und sich selbst zu Göttern erhoben. Es war nicht zu ergründen, weshalb ausgerechnet im Jahre 402 diesem Treiben ein Ende gesetzt und die Geschichte für 300 Jahre ausgelöscht wurde, jedoch schienen die Erbauer der Porneglyphe diese Lösung als die einzig Richtige zu sehen. Robin wusste, dass noch mehr Porneglyphe auf sie warteten. Schon bald würde sie wissen, was mit Ren Island tatsächlich geschah und warum es damals sein musste. Garantiert würden die Fäden der Geschichte den besonderen Wille der Menschen mit dem „D“ im Namen erklären und das verlorene Königreich aufdecken. Hundertprozentig würden sich diese Fäden alle miteinander verknüpfen lassen. Auch würde sie schon bald dahinter kommen, welche Kraft genau diese Kali Kinder besäßen, wenn die Weltregierung für deren Ausrottung so großen Aufwand betrieb. Zumindest schien es Sinn zu machen, dieser traurigen Geschichte hier oben ein Mahnmal zu setzen. Namida City, die Stadt der Tränen. Sie hieß wohl nicht allein des Regenwetters so. Aber das Interessanteste an diesen ganzen Erkenntnissen war gar nicht mal die gemeißelte antike Schrift, sondern die krakelige Handschrift eines Schmierfinken darunter, der mitten unter die versteinerten Sätze mit einem unsauberen Pinselstrich in grellstem Grün seine Nachricht gezogen hatte: „Den Kindern geht es gut und sie lassen schön grüßen …“ Robin konnte sich keinen Reim darauf machen. Wer mochte das geschrieben haben? Gab es noch mehr solcher Kinder? Dann wäre es doch eine interessante Frage, weshalb dann ausgerechnet Zoro von all diesen Kindern auserwählt war. Worin lag hier der entscheidende Unterschied? Sie wandte sich fragend an ihre Freunde. Erst jetzt bemerkte sie, dass diese sich bereits gefechtsfertig gemacht und sich nicht so sehr der wissenschaftlichen Arbeit gewidmet hatten, wie sie es eben getan hatte. Ein großer historischer Moment war an der ahnungslosen Gruppe vorübergezogen, die nur Augen für die ersten auftauchenden Feinde hatte. Ein fliegender Speer aus dem Hinterhalt verfehlte Tashigis Kopf nur knapp und eröffnete den Kampf. So tollpatschig sie auch war, umso besser und geschickter zog sie ihre Schwerttechnik präzise durch. Es erstaunte sie selbst, wie gut sie mit ihrem neuen Katana zurecht kam. Es milderte den Schmerz über das verlorene alte Schwert. Das Rentier hatte sich Dank eines Rumble Balls vergrößert und schlug tapfer den Weg frei. Wie eine Boxmaschine haute es eine um die andere wandelnde Rüstung um. Die Archäologin hatte gelesen, was sie wollte. Eine glückliche Erfolgswelle erfasste sie innerlich. Schnell drehte sie sich um die eigene Achse, kreuzte die Arme und ließ weitere Arme wie frische Triebe überall aus den schwarzen Rüstungen sprießen. Ein kurzes Knacken und nachhaltiges Scheppern besiegelte das Ende der Panzerriesen. Doch es sollte nicht reichen. Neue Ritter stürmten empor. Und noch eine andere sonderbare Beobachtung machten sie: Zerschlagene Rüstungen setzten sich wieder zusammen. Dieser Zustand war mehr als beunruhigend. Aus den Augenwinkeln heraus hatte Zoro im Kampf sowohl die neue Fähigkeit des Feindes, als auch seine tapfer kämpfenden Freunde beobachtet. Sie könnten noch lange so weiterkämpfend bis ihre Kräfte versiegen würden. Oder sie müssten sich eine Schneise schlagen und dann rennen, was das Zeug hielt. Beides waren keine guten Alternativen. Zoro grübelte über einen guten Plan nach, während er sich durch die feindlichen Reihen schlug. Am Einfachsten wäre es, man könnte einfach unsichtbar allen entschwinden. Einfach entschwinden… Noch ein Schlag und noch ein Schlag. Wieder prasselten Panzerscherben zu Boden und setzten sich schnell wieder zusammen. Diese Magie musste doch irgendwie zu stoppen sein! Später würde er nicht mehr sagen können, welche innere Stimme ihn veranlasst hatte, seine Schwerter zurück in die Saya zu stecken. Vor seinen Augen tauchte alles um ihn herum in einen weichen Lichtschein. Sanfte Konturen zeichneten sich auf Tempel, Außenmauer, Boden und Rüstungen ab. Die Regentropfen schluckten dieses Licht und funkelten wie Diamanten. Die Welt verlangsamte sich. Geräusche entschwanden. Die Welt versank in einem Zwielicht ohne Lichtquelle von außen. Weiterhin herrschte auf dieser Nachtinsel finsterste Nacht. Keine Sonne oder Mond erreichten dieses Eiland. Dennoch war überall diese seltsame Dämmerung, die so beschützend wohlig warm wirkte. „Zoro!“ rief es irgendwo her und holte ihn zurück in die Kälte, die Dunkelheit und die Nässe. Sofort waren der Lärm und das Schlachtengetümmel wieder da. Es schmerzte in seinen Ohren. So plötzlich war er wieder in die Realität zurückgekehrt. Er machte einen Befreiungsschlag und stellte beim Umsehen fest, dass Chopper ihn gerufen haben musste, denn dieser sah ihn schockiert an. „Seit wann träumst du ihm Kampf?“ fragte dieser noch verdattert. „Es ist nichts“, murmelte er zurück. Das Zwielicht. Suchend blickte er sich um, doch es blieb nass und dunkel wie bisher. Er dachte an seine Träume und auch an die Situation in Lysø. Dort war er in Parallelwelten gewandelt und hatte es auch geschafft in eine solche Yurenda mitzureißen. Soviel war schon mal klar. Besonders letztere Aktion war gelungen, weil er es einfach wollte. Plötzlich war es einfach da gewesen, was er nicht erklären konnte. Aber diese Parallelwelten waren kalt, schwarz, verschwommen und schwindelerregend. Die Dämmerung war anders gewesen. Warm, weich und hilfreich. Die Perfektion einer gefundenen Kraft. Geistesgegenwärtig starrte er auf seine Faust, als könnte sie hier und jetzt etwas an allem ändern oder etwas bewirken. Dann drehte er sich um und rannte auf seine Freunde zu, die mittlerweile im Kampfgetümmel auf dem Innenhof weit verstreut waren. Man sah ihnen die ersten Anzeichen einer Erschöpfung an. Besonders Tashigi litt unter den Strapazen. Nein, sie mussten hier heraus und weg. „Los, greift meine Hand!“ rief er gegen den Lärm klirrender Schwerter und Rüstungen an. „Was? Bist du nun total durchgeknallt?“ rief das Rentier aus, doch es wurde nur vom Schwertkämpfer am Geweih gepackt und mitgerissen. Tashigi riss es fast von den Füßen, als sich Zoros Arm um ihre Taille legte und fortzog. Robins Teufelskraft Hände ergriffen sein Handgelenk. „Das Dämmerlicht …?“ wunderte sich Tashigi. „Wahnsinn…Wie machst du das?“ erstaunte sich Robin daran, als sich die Gruppe langsam in ein weiches Zwielicht tauchen ließ. Zoro schüttelte nur den Kopf als Zeichen, dass er selbst keine Antwort wusste. Unter ihren Füßen hatte sich ein großer violetter Lichtschein gebildet, der immer wechselnde Lichter aussandte, die sich wie ein Blumenmuster anordneten. Die Welt versank im Zwielicht und stand verstummt still. Mit jedem Schritt, den sie taten, wanderte das Lichtgebilde zu ihren Füßen mit und hielt sie in dieser mystischen Sphäre fest. Der Spuk endete nur wenige Minuten später unten am Fuße der Rolltreppe, und als die gepanzerten Ritter das Verschwinden ihre Feindes bemerkt hatten, waren die Piraten längst schon durch alle Gassen in Richtung ihres Piratenschiffes geflohen. Keineswegs wäre Zoro jemals im stand gewesen, die Welt anzuhalten. Er tat lediglich das, was auf dem Porneglyph gestanden hatte: Er hatte den Ort in eine ferne Zeit erhoben. Damit war nichts anderes gemeint, als dass sich die Kinder Kalis in selbst erschaffenen Parallelwelten bewegen konnten. Zudem konnte sie auch Menschen und Ort in diesen Parallelwelten zwischenparken, solange sie dieses wollten. Das ganze hatte nur einen Haken: Je mehr sie von ihrer Kraft gebrauch machten, desto mehr Teile ihrer Erinnerung verschwanden. Und so verlorenen sie sich dann erinnerungslos selbst zwischen Realität und Illusion und kehrten meist nie wieder zurück. Für Außenstehende sah es aber eher so als, als wäre da an Ort und Stelle ein Teil der Welt verschwunden. Alsbald hafteten den Hanyô an, sie könnten Zeitreisen unternehmen, was niemals der Fall gewesen war. Dennoch war das ein Grund, weshalb sie gefürchtet wurden. Kurzum: Für Zoro war zwar wieder ein persönliches Rätsel gelöst worden, zugleich aber auch neue Probleme entstanden. Wie lebte man ohne Erinnerungen? Wie viel verlor man davon, wenn man seine Kraft gebrauchte? Wenn er in Tashigis Aufzeichnungen blätterte, musste er sich eingestehen, dass er vieles von dem Erzählten selbst nicht mehr wusste, obwohl er es doch erst ihr vor ein paar Tagen anvertraut hatte. „Wer keine Vergangenheit hat, hat auch keine Zukunft“, sagte ein altes Sprichwort. Und je mehr er vergessen würde, desto mehr musste Zoro die Wahrheit dieses Sprüchleins schmerzlich erkennen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)