Raftel (1) von sakemaki (When Spirits Are Calling My Name ...) ================================================================================ 53 - Treppen ------------ Der Morgenregen prasselte leise und gleichmäßig in feinen Tröpfchen gegen die großen Fensterscheiben des Luxuszimmers im Grand Hotel. Das sanfte Rauschen durchdrang die Stille des Raumes, mischte sich mit den ruhigen Atemzügen der dort im Bett Schlafenden und wog sie in ihrem Ruhen weiter. Dennoch war jeder Traum irgendwann einmal zu Ende geträumt und der Tagesanbruch holte sie unweigerlich wieder zurück in den Alltag. Ihr Schlaf war tief und fest gewesen. Zwar konnte sie sich nicht mehr an ihre Traumbilder erinnern, doch es war kein Alptraum darunter, denn als sie ausgeruht erwachte, räkelte sie sich im Halbschlaf genüsslich in den dicken Federkissen und schmeckte noch nimmer eine Nuance von Salz auf ihren Lippen. Sie kicherte kurz auf und lächelte, als sie die letzte Nacht noch einmal Revue passieren ließ. Dachte dabei an zärtliche Berührungen, leidenschaftliche Küsse und wilde Liebe. Dabei strich sie sich unbewusst einmal über die Lippen, um ihre Erinnerungen aufzufrischen. „Zoro…?“ fragte sie verschlafen, während sie sich unter der Decke herumdrehte und die Hand nach ihm ausstreckte. Doch sie griff ins Leere. Der Platz neben ihr im Bett war verlassen. Tashigi war schlagartig wach und schreckte hoch. Tatsächlich war die zweite Decke zurückgeschlagen und die andere Betthälfte verwaist. Das kalte Laken gab einen stummen Hinweis, dass ihr Freund schon längere Zeit abwesend sein musste. Sie blinzelte umher. Draußen war es dunkel wie gehabt. Aber der Regen war gewichen und hatte ein leichtes Tröpfeln zurückgelassen. Endlich hatte man nun einen der äußerst seltenen Ausblicke über die halbe Insel und das umliegende, weite Meer. Doch das scherte sie nicht weiter im Geringsten. Sie war allein in dem Zimmer und es gab nirgends eine Nachricht, warum das so war. Nicht mal ein einfacher gekritzelter Satz von ihm war auf einem Stück Papier geschrieben worden. Gegenüber auf dem Couchtisch stand ein Tablett mit Frühstück und ein paar aktuelle Zeitungen lagen dabei. In der Nähe der Tür war ein rollender Kleiderständer mit ihren frisch gewaschenen Klamotten. Der Zimmerservice musste es vor kurzer Zeit hier abgestellt haben. Langsam schlurfte sie in ihre Bettdecke gehüllt hinüber zur Polstersitzecke. Die pompöse Couch bot gute Gelegenheit zum bequemen Herumlümmeln. Der Tee in der Kanne war kalt und das Teelicht darunter im Stövchen längstens erloschen. Wie lange hatte sie geschlafen? Die Uhr auf dem Schreibtisch gab ihr die Antwort, als diese plötzlich elfmal hintereinander lang schlug. Elf Uhr mittags schon? Während sie an einem trockenen Croissant nagte und kalten Tee trank, blätterte sie in der Zeitung umher ohne die Inhalte wahrzunehmen. Wie war das doch gleich gestern noch gewesen? Der fremde Hanyô hatte Zoro zu einem Gespräch eingeladen. Vielleicht dauerte das Gespräch noch und Zoro war noch nicht zurück? Oder vielleicht hatte er sich auf dem Rückweg im Hotel verlaufen? Oder vielleicht …? Hach, herrje … Da waren sie wieder: Diese ganzen „Vielleichts“. Sie schüttelte ihren Kopf, um diese fragenden Gedanken loszuwerden. Im Boulevardteil überflog sie die Überschriften über Stars und Sternchen der örtlichen Künstlerszene. Die meisten Namen kannte sie nicht. Auch die Gesichter auf den Fotos hatte sie zuvor noch nie gesehen. Klatsch und Tratsch hatte sie seit jeher noch nie groß interessiert. Doch an der einen Schlagzeile blieb sie dann doch hängen und ließ sie nachdenklich werden: „SCHAUSPIELERIN SACHIKO SITZENGELASSEN!“ Und nur eine Zeile kaum kleiner darunter: „Verlobter verließ hochschwangeren Theaterstar am gestrigen Abend wegen 15 Jahre jüngeren Geliebten!“ Es war nicht das Schicksals Sachikos, was Tashigi traurig werden ließ, sondern der Hauch einer Parallelen zu ihr selbst. Schwanger sitzengelassen. Ebenso wie diese Schauspielerin saß sie hier nun ganz allein in einem Zimmer und war allein und verlassen. Nein, Zoro war sicher nicht so, hoffte sie. Dennoch hatte sie sich von ihrem nicht greifbaren, inneren Gefühl verleiten lassen, ihm kein Sterbenswort von der Schwangerschaft zu sagen aus Angst vor einem großen Reinfall. Niemals hätte sie ihren Freund als Familienmenschen eingeschätzt und sie selbst hatte auch niemals auch nur einen einzigen Gedanken an ein Kind verschwendet. Dazu war sie zu sehr auf eine Marinekarriere bestrebt gewesen. Nun aber hatte sich ihr Leben im letzten Dreivierteljahr komplett um 180° gedreht und Zoro hatte in der vergangenen Nacht kein Wort darüber verloren, ob ein Kind nun erfreulich oder unerfreulich wäre. Vermutlich musste er diesen Zustand erst einmal für sich allein verdauen. Aber sie deshalb hier sitzenlassen? Nein, so würde er es nicht machen. Bestimmt nicht. Sicher gab es eine Erklärung dafür, dass er nicht hier war. Und sicherlich mochte er ihr wohl hoffentlich nicht unterstellen, ihm ein Balg anhängen zu wollen. Nein, bestimmt nicht. Noch ein stilles Stoßgebet ging gen Himmel. Spätestens auf der Sunny würden sie sich wieder sehen. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Die Teetasse war geleert und das Croissant aufgegessen. Sie entledigte sich der herrlich kuscheligen Decke und machte sich im Bad frisch. Der heiße Wasserstrahl aus dem Duschkopf prickelte massierend auf ihrer Haut. Es tat so gut und entspannte sie. Obwohl sie fast geweint hatte, blickte ihr aus dem Spiegel über dem Waschbecken eine hübsche, junge Frau entgegen, die eigentlich zufrieden sein müsste. Die Narbe war fast vollkommen verblasst, ebenso der Schmetterlingsabdruck. Sie wirkte ohne Brille viel jugendlicher und sanfter. Früher hatte sie davon nie Notiz genommen. Stets hatte sie alle Bemühungen unternommen, ernst und hart zu sein. Oft hatte sie versagt und im stillen Kämmerlein über sich selbst und ihre akute Dummheit geheult. Smoker hatte sie dafür manchmal aufgezogen. Verdammt noch mal! Warum hatten früher nur so viele andere Meinungen einen so großen Einfluss auf sie? Zoro hatte recht: Sie bildete sich viel ein, was es gar nicht gab. Sie hatte schon vieles überstanden und auch oft ohne Hilfe. Sie würde auch dieses hier meistern. Egal wie. Irgendwie … Sie verließ das Bad, kleidete sich an und warf noch einmal einen prüfenden Blick durch das Zimmer. Sollte sie auf ihn warten? Sie war ratlos. Mit dem gefassten Beschluss, hier keine Aufgabe mehr zu haben, ging sie aus der Hotelzimmertür hinaus auf den Gang und dann hinüber zum Lift. Ohne Shigure fühlte sie sich schutzlos und nackt. Doch das edle Katana war im Kampf für immer in die heiligen Jagdgründe übergegangen und es würde nie zurückkommen. Was Shigure damals alles für sie getan, würde Kashû nun in Zukunft tun dürfen, sprach sie zu sich selbst. Sie schluckte Zweifel gegenüber ihren eigenen Fähigkeiten hinunter. Mit etwas Training würde sie Kashû schon beherrschen lernen. Da war sie sich sicher. Es war Zeit, wieder Haltung und Disziplin anzunehmen. Das hatte sie seit ihrem Marineausstieg schleifen lassen. Es war Zeit, endlich auf eigenen, festen Füßen zu stehen und seinen Lebensweg zu gehen. Noch im Fahrstuhl zählte sie ihre letzten Berry zusammen. Viel war es nicht mehr, aber für eine kleine Shoppingtour würde es noch reichen. Dringend bräuchte sie eine neue Hose. Ihre aktuellen Beinkleider begannen am Bauch zu spannen. Sie war bereits im dritten Monat. Bald würde es schwer werden, das Bäuchlein zu verstecken. Aber was soll`s. Dann sollten eben alle bescheid wissen. Mit Wut knallte sie einmal mit der geballten Faust an die Fahrstuhlwand, dass es dem Liftboy ganz unheimlich zumute wurde. Von Tashigi musste er sich anfahren lassen, nicht so blöde zu glotzen. Pah, sie würde schon klar kommen. Ernst, stark und diszipliniert wollte sie sein. So wie früher, nur besser. Und Zoro? Der würde sich gehörig was anhören dürfen, wenn sie den wieder zu Gesicht bekommen würde. Der sollte nur mal sehen. Für wenig Geld kaufte sie sich eine Fahrkarte für den Untergrundzug ohne genau zu wissen, wo lang die einzelnen Linien sie bringen würden. Hauptsache erstmal weg und irgendwann zur Thousand Sunny, wo ein Nachfolgerschwert auf seinen neuen Einsatz wartete. Eine innere Stimme befahl dem Schwertkämpfer, sich bereits schon mit dem Gongschlag der Zimmeruhr um halb neun aus dem Bett zu hieven, obgleich man noch weit länger hätte schlafen können. Doch er wollte das Gespräch mit dem trommelnden Hanyô schnell abhaken, also blieben ihm da nicht viele Wahlmöglichkeiten. Bald musste die Sunny weiter, weil der Logport aufgeladen war, doch der Weg lag in Finsternis und Unwissenheit. Er gähnte herzhaft, als er zur Tür trottete. Bevor er das Zimmer hinter sich ließ, warf er noch mal einen versichernden Blick auf Tashigi. Sie schlief ruhig und fest und das sollte sie auch noch weiterhin eine Weile tun. Wer wusste schon, wann sie später wieder festen Boden oder wenigstens ruhige Gewässer unter dem Kiel hätten. Er vermutete, dass Gespräch würde nicht allzu lange dauern. Bis sie wieder wach würde, wäre er wohl wieder zurück. Gleich an der nächsten Flurecke stieß er mit einem jungen Pagen zusammen, der einen Frühstückswagen vor sich her schob. Er gebot diesem, mindestens ein Tablett davon in sein Zimmer zu liefern und auf gar keinen Fall Tashigi zu wecken, was der Page von Dienst aus höflich auch sofort befolgte. Der Schwertkämpfer überlegte einen Moment. Seine Süße mochte es nicht, in dreckigen Kleidern herumzulaufen und gestern hatten sie ihm Kampf gewaltig etwas abbekommen. „Ihr Klamotten kannste auch mal mitnehmen zum Waschen“, gab er dem nun loswetzenden Zimmerboy noch mit auf den Weg mit. Dann trottete Zoro mit den Händen in den Hosentaschen, einem schlafzerknitterten Gesicht und einer Laune so schlecht wie das Wetter dieser Insel los. Das Hotel war verwinkelter, als vorher angenommen. Ständig zweigte sich ein Gang ab und die sahen allesamt gleich aus. Bordeauxroter Teppichboden, weiße Türen und beigegestreifte Tapeten. Dazwischen goldene Kerzenleuchter. Aber vielleicht war es auch immer derselbe Gang, der sich zu einem Kreis schloss. Wer weiß das schon? Und da er weder einen Namen seiner Gastgeber wusste, noch jemanden in den Gängen antraf, konnte er auch niemandem um Rat fragen. Das Problem erledigte sich nach einer langen Irrwanderung durch die Hoteletage von allein, als eine Tür aufgestoßen wurde und eine laut lachende und böse witzelnde Sängerin der „Subs“ heraustrat. Sie machte zu dem Trommler-Hanyô noch einige schwarzhumorige Witze und verabschiedete sich. Beim Wegdrehen entdeckte sie den Schwertkämpfer, der etwas unschlüssig mitten auf dem Gang verharrte und die ganze Szene beobachtet hatte. „Hey, dein Gast ist da!“ flötete sie übertrieben fröhlich, machte auf dem Absatz kehrt und schritt im Marschtempo zum Aufzug. Das Gespräch dauerte nur eine Kaffeetassenlänge. Viel konnte der Gastgeber nicht von sich Preis geben. Er wusste einfach nichts mehr. Als er seine Macht entdeckte und beherrschen lernte, hatte er nicht die Kehrseite der Medaille bedacht. Je mehr Zauber er nutze, desto mehr vergaß er. Seinen Namen, seine Heimat, seine Herkunft. Daher nannte ihn jeder, wie er wollte. Nur wenig war ihm als Erinnerungsfetzen geblieben. Nur dieses Lied, was er auswendig kannte und wie eine Hymne klang, spukte in seinem Kopf ewig und ewig umher. Aber wenn er Zoro einen Tipp geben könnte, dann solle er mal den höchsten Punkt von Namida City besuchen. Und er sollte die Archäologin mitnehmen. Die könnte ihm helfen. Warum? Das hatte er auch vergessen. Es war schon zum Verzweifeln und Zoro unterdrückte in seiner ernsten, verschlossenen Art ein Seufzen. Manchmal fühlte er sich nur umgeben von Idioten, die alles besser wussten, aber dann doch nichts zur Lösung seines Problems beitragen konnten. Oder er steckte noch in seiner Parallelwelt und hatte es selbst noch nicht bemerkt. Und wenn er dann mal aufwachen würde, dann läge er noch an Deck der Going Merry irgendwo im East Blue. Die Grandline wäre noch in weiter Ferne. Ja, der East Blue. Da war damals die Welt noch so klein und in Ordnung gewesen. Die beiden Gleichgesinnten verabschiedeten sich knapp und der Schwertkämpfer wandte sich zum Gehen. Wo war noch mal der Ausgang? Während er sich umsah und so tat, als würde er zielgerichtet durch die Gänge schlendern, wurde er stutzig: Tashigi verließ das Zimmer. Während er darüber nachdachte, wohin sie so schnell aufbrechen mochte, beschleunigte er seine Schritte. Sein Irrlauf durch die Flure kostete wertvolle Zeit und so war es vorausschaubar, dass er zu spät kam. Die Fahrstuhltür schlug im vor der Nase zu und fuhr mit ihr nach unten. Bis das dumme Ding wieder oben angelangt war, war Tashigi schon längst unten ausgestiegen und mit dem nächst besten Untergrundzug auf und davon. Er machte seinem Ärger Luft und schlug einmal wütend gegen die Metalltür. Das hinterließ eine leichte Delle, machte den Lift aber auch nicht schneller. Endlich ebenfalls unten angekommen verrieten ihm seine Kräfte, dass sie längst weg war. Er würde sie definitiv zur Rede stellen, was dieser fluchartige Aufbruch von ihr zu bedeuten hätte. Darauf könnte sie Gift nehmen. Verärgert trat er durch den Haupteingang auf die Geschäftsstraße hinaus und witterte konzentriert um sich. Er benötigte Robins Hilfe und würde sie nun dringend aufsuchen müssen. Ja, da waren ihre Gefühlswellen. Querfeldein sicherlich nicht sehr weit von ihm entfernt. Und so ging er los, um sie zu finden. Tashigi kam gut voran. Schnell hatte sie den Streckenfahrplan aus unzähligen bunten Linien durchschaut. Nur noch einmal Umsteigen und dann müsste sie in der Nähe der Sunny sein. Eine halbe Stunde später betrat sie das Deck ihres geliebten Piratenschiffs und begab sich in die großzügige Kabine, wo die Damen der Mannschaft ihre Unterkunft hatten. Unter dem Bett kramte sie das gesuchte Katana hervor. Mit Vorsicht entfernte sie die schützende Wolldecke, die es umgab. Sie zog es sachte es aus der Saya und prüfte das wertvolle Schwert von oben bis unten. Der herrliche Wellenschliff erinnerte tatsächlich an eine verträumte Blumenwiese und machten somit seinem Namen Kashû, dem Blumenland, alle Ehre. Der feine Glanz war so sanft wie Blütenblätter von Frühblühern. Aber das Tsuka-Ito war durch die groben Behandlungen seines Vorbesitzers so stark beansprucht, dass es besser ausgetauscht und neu gewickelt werden müsste. Es war keine leichte Arbeit, so einen Schwertgriff mit einem neuen Band kunstvoll und praktikabel zugleich einzuwickeln. Das erforderte viel Kraft, Übung und das Auge eines Meisters. Sie würde also nicht nur nach neuer Bekleidung, sondern auch nach einem Waffenmeister Ausschau halten müssen. Mit dem neuen Schwert bewaffnet ging sie zurück aufs Deck und traf überraschen den Bordarzt, der bereits einige wichtige Heilmittel eingekauft hatte und diese nun in seiner Schiffspraxis verstaute. Beide begrüßten sich überschwänglich und das Rentier begann sofort von einem riesiggroßen Kräuter- und Gewürzbazar zu erzählen. Die Düfte der Kräuter dort waren betörend und die Farben der Gewürze unglaublich vielfältig. Da musste er einfach zugreifen und das eine oder andere gehandelte Schnäppchen schlagen. Sie beschlossen, zusammen loszubummeln, ihre wenigen Besorgungen zu erledigen und dann weiter die Insel zu erkunden. Das ging zunehmend schneller und mobiler, nachdem Tashigi das Rentier in die Geheimnisse der U-Bahn-Fahrerei eingewiesen hatte. Chopper staunte mit kuchentellergroßen Augen. So etwas hätte er in seinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten. Nach unzähligen gesuchten Sehenswürdigkeiten landeten sie in einem kleinen Eckcafe, wo sie sich bei einem großen Eisbecher mit Sahne stärkten. „Na, ihr beiden, schmeckt´s?“ fragte eine weibliche Stimme fröhlich. „Ohja! Super!“ mampfte das Rentier und drehte sich dann erst um. „Hey Robin! Zoro! Setzt euch doch“, lud er die beiden Neuankömmlinge an ihren Tisch ein, ohne zu registrieren, dass sich Tashigis Miene auf einen Schlag verfinsterte. „Wieso bist du abgehauen?“ kam es anstelle einer Begrüßung recht patzig von Zoro heraus. „Wieso bist DU abgehauen?“ kam es ebenso patzig, aber wesentlich lauter von Tashigi zurück. Und von einem Moment zum Nächsten brach ein Streit los, der an den Ausbruch eines Weltkrieges erinnerte. Ein laut gebrülltes Wort gab das Andere. Man begann bei Alpha und endete bei Omega. Cafegäste setzen sich an entfernte Tische. Passanten blickten im Vorbeigehen mehr als verwundert auf das sich mit Worten duellierende Pärchen und blieben teilweise sogar stehen. Selbst dem Ober war es zu gefährlich, sich in diesen Streit einzumischen, um diesen zu schlichten. Also versteckte er sich hinter seinem Tablett. Chopper krallte sich erschrocken an der Tischkante fest. Er konnte nicht wissen, was zu dieser Auseinandersetzung führt. Robin lächelte gepflegt und holte sich mit ihren Rankenarmen das bestellte Kännchen Kaffee vom Tresen. Man könnte ja nie wissen, wann die beiden fertig wären. „Was ist denn bloß los mit denen?“ Das Rentier war fassungslos. „Hey, jetzt hört damit auf!“ brüllte es noch hinterher. „Klarer Fall von falscher Kommunikation. Zoro redet von Natur aus zu wenig und Tashigi zu viel“, amüsierte sich die Archäologin. Sie ließ Arme wachsen, fesselte beide sanft und bugsierte die beiden Aufgebrachten auf verschiedene Stühle. Danach waren beide wieder frei, zwar leiser, aber nicht ruhiger. „Ich denke, wir wollten noch auf den Berggipfel klettern und das Geheimnis lüften?“ fragte Robin in die Runde. Tashigi und Chopper wurden als Unwissende kurz über den neuen Sachverhalt aufgeklärt und dann zogen sie nach los. Irgendwo musste es doch einen Weg nach oben geben. Die Suche nach einem Aufstieg zum Berggipfel wurde zu einer länger andauernden Odyssey. Befragte Einheimische kannten keinen Weg hinauf. Ratschläge endeten in Sackgassen. Auch ein Blick auf die Kartenquader brachte keinen Abbruch der Prozedur. Dort waren viele Treppen und Straßen verzeichnet, die sich den Berghang hinaufschlängelten, doch bis ganz nach oben führte keiner. Immer wieder probierten sie den einen oder anderen Weg und landeten schließlich in einem gehobenen Wohnviertel auf einer Treppe, die neben einer Zweiten parallel in einer Tunnelröhre verlief und sich von allein bewegte. „Coool!“ brach Chopper begeistert heraus, hüpfte etwas unbeholfen auf eine Stufe und ließ sich auf ihr begeistert aufwärts tragen. Die restliche Gruppe folgte ihm stumm. Die eintönige Suche nach dem richtigen Weg hatte ihre Neugier ermüdet. Die Rolltreppe bot Abwechselung und interessante Einblicke in Hinterhöfe, Häuserwinkel und Wohnungen. Dazu prasselte gleichmäßig der Regen auf das Röhrendach. In regelmäßigen Abständen endete die Rolltreppe und führte über einen kurzen Absatz mit einer weiteren Treppe noch höher hinauf. Die Fahrten dauerten ewig. Je höher sie kamen, desto weniger Menschen trafen sie an und bald waren sie ganz allein. Noch zwei Etagen weiter erklommen sie wieder einen Absatz, von wo keine Fahrtreppe mehr weiter führte, aber genau gegenüber eine große, unscheinbare Doppelschwingtür den Durchgang behindert. Der Schwertkämpfer rüttelte an der Klinge. Verschlossen. Doch von einem inneren Gefühl geleitet, trat er ohne Zögern die hinderliche Pforte ein. Klirrend und scheppernd zerbrach sie, doch hier oben in aller Abgeschiedenheit hat niemand Notiz davon und so würde wohl auch kein Ärger folgen. Zum Erstaunen aller tauchte dahinter eine alte Steintreppe auf. Die Stufen waren mühsam heraus gemeißelt worden und mussten schon uralt sein. Regen und unzählige Besucher aus vergangenen Tagen hatten sie ausgetreten und blank gewaschen. Der Niederschlag ließ die Steine glatt glänzen und rann über die Kanten in den Abgrund. Die Breite maß gut Platz für zwei Personen nebeneinander. Noch eine größere Entdeckung jedoch waren die Tempellampen aus Stein, die wie Perlen auf der Schnur nebeneinander aufgereiht zu beiden Seiten der Treppe hinaufliefen und sie wie ruhende Wächter flankierten. In ihnen brannten grünliche Lichter, eingefasst in kleinen Glaskugeln. Feuerflämmchen waren es nicht. Es erinnerte eher an kleine Sterne. Der ganze Aufstieg wirkte mysteriös, aber vertraut. Die Gruppe tauschte Blicke aus und machte sich an den Aufstieg. Als Zoro mit dem ersten Schritt seinen Fuß auf die antiken Steine setzte, zogen feine violette Schwaden vom Boden hoch und ein fast unmerkliches Leuchten wie kleine, violette Blitze flitzen in den allen Mauerwerksfugen gen Gipfel. Chopper sprang vor Schreck Tashigi auf den Arm. Nein, niemals würde er sich an diesen Hokuspokus von dem Schwertkämpfer gewöhnen können. Teufelskräfte waren das eine, aber so was Dämonisches war ihm einfach zu unheimlich. Robin bemerkte nur trocken: „Ich glaube, hier sind wir richtig!“ und ging abenteuerlustig die Stufen weiter nach oben. Zoro kommentierte die Situation gar nicht. Obwohl sie allein waren, wurde er den Verdacht nicht los, aus jeder einzelnen Lampe heraus auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden. Der Regen nahm zu. Bald waren sie durchnässt bis auf die Knochen. Obwohl der grünliche Schein in den Steinlaternen die Stufen in ein seltsames Licht tauchten, nahm der Niederschlag der Gruppe die Sicht. Das Ende des Aufstiegs lag in unendlicher Dunkelheit. Ziemlich geschlaucht vom Treppensteigen passierten sie ein verfallenes Steintor, welches von Robin sogleich eingehend begutachtet wurde. Dann folgte noch ein Tor und noch eines. Das Rentier staunte, wie die Archäologin trotz des vielen Wassers vom Himmel mit einem Bleistift Notizen in ein klatschnasses Büchlein schreiben konnte. Und dann waren sie endlich oben. Eine antike Tempelanlage tat sich vor ihnen auf. Das Areal in Kreisform mochte nicht viele Meter Durchmesser haben. Vielleicht zwanzig, höchstens dreißig Meter. Ein überschaubarer Fleck. Die runden Außenmauern lagen zum größten Teil umgestürzt dar. Nur hier und da standen sie noch in seiner vollkommenen Höhe von geschätzten vier Meter. Bunte, kryptische Bildnisse auf der Mauerinnenseite erzählten eine lange Geschichte. Im oberen Drittel wölbte sich die Mauer wie ein Lilienblatt nach innen zum Hof und bildete einen kunstvollen Säulengang. Der Innenhof verlief rings um ein kuppelartiges Gebäude und war von Efeu überzogen, das vom Regen voll wie ein Schwamm und glitschig wie eine Rutschbahn war. Das Kuppelgebäude in der Mitte entpuppte sich äußerlich als zur Schnecke gedrehter Zuckerhut. Eine Eingangstür gab es nicht, sondern man betrat den finsteren Innenraum durch eine große, kreisrunde Öffnung. „Kannst du damit etwas anfangen?“ rief Zoro sich Robin zuwenden gegen Wind an. „Bestimmt, aber es wird etwas dauern. Die Relikte sind sehr verwittert. Man erkennt kaum etwas. Und die Lichtverhältnisse sind auch dürftig“, rief die Angesprochene zurück und machte sich sofort an die Arbeit. „Na, das kann eine Weile dauern“, merkte Chopper an. Tashigi nickte zustimmend. Sie zitterte. Der Regen war einfach nur ekelhaft nass und kalt. Planlos trotteten sie beide hinter dem Schwertkämpfer hinterher, der sich zu einem letzten, erhaltenen Stück des Säulengangs aufgemacht hatte. Kalt war es dort auch, aber wenigstens windgeschützt und trocken. Robin brauchte sehr viel mehr Zeit, als sie es selbst geschätzt hätte. Längst war Zoro im Schneidersitz eingeschlafen und auch Tashigi und Chopper nickten immer wieder in einen Schlaf hinweg. Erst nach Stunden hatte Robin die Untersuchung der Außenwände abgeschlossen und ließ ein erstauntes „Aha!“ oder „ Unglaublich!“ verlauten. Doch ein laut entsetztes „Oh, nein!“ weckte die Schlafende. Sie entdeckten ihre Mitstreiterin am Eingang des Zuckerhutes. In ihren Händen eine Fackel, die den Innenraum ausleuchtete. „Was ist los?“ kam es nur von den Drei erweckten. Doch als sie keine Antwort erhielten, sprangen sie auf und liefen zum Eingang. Was sie dort sahen, machte sie sprachlos und gab Robins erstauntem Ausruf eine Berechtigung. Ein schwarzer Stiefel fuhr durch die zerbrochenen Glasscherben, schob etwas Metall beiseite und verharrte dann. Eine Handvoll Augenpaare untersuchten die zerborstene Doppelschwingtür, die über viele Jahre das Geheimnis einer verborgenen Treppe für sich behalten hatte. Doch die Versiegelung war nun schändlich zerbrochen und das Geheimnis kurz vor der Enthüllung. Ein kurzer Blickaustausch, dann setzten sich formiert Panzerreiter im langsamen Gleichschritt in Bewegung und stapften mit gezückten Waffen zuvor die Steintreppe empor wie bereits die fremden Eindringlinge. Begleitet von grünem Sternenschein aus Steinlaternen, der drohend, aber auch Hilfe suchend zu glimmen und glühen begann, legte sich wie ein Ring das Unheil um den alten Tempel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)