Raftel (1) von sakemaki (When Spirits Are Calling My Name ...) ================================================================================ 31 - Kribbeln ------------- Ein zarter Hauch hellerer Farbnuancen zeichnete sich am Nachthimmel östlich über der Redline ab. Sie gewannen an Kraft, bis erste vereinzelte Strahlen der Morgensonne das dunkle Firmament zerrissen und den Weg für eine fahle rosa Sonnenscheibe freikämpften. Diffuses Licht leuchtete über eine eiskalte Polarlandschaft. Ein letztes Polarlicht löste sich blass auf. Kaum wiederzuerkennen war die Redline nach dem Flockentanz, der zum Morgengrauen ausgesetzt hatte. Ein jeder, der jetzt nicht mehr an die frische Luft vor die Tür musste, hatte sich in irgendwelche Winkel und Ritzen verkrochen, um der Kälte zu trotzen. Selbst die Dauerparty oben auf dem Klippen im Dörfchen kam nun zu einer Schlafenspause, in welcher die Kneipiers Vorräte auffüllten, Müll beseitigten oder einfach nur mal die Tischplatten abwischten oder mit dem Besen durchfegten. Wenn der Mob ausgeschlafen hätte, dann könnte es weitergehen. Die ersten Hochrechnungen an Umsätzen ließen Wirtsaugen wie Gold leuchten und alle ihre Müdigkeit und Anstrengung vergessen. Drunten in dem kleinen Hafen hatte die Kälte Planken und Taue der vor Anker liegenden Schiffe mit Eis überzogen, ebenso die Holzplanken und auch die steile Treppe hinunter zu den Anlegestellen. Für so manch einen war das der sichere Absturz auf dem Weg zu seinem Schiff oder bereits der zweite Absturz, wenn er schon den ersten durch Alkoholkonsum hinter sich gebracht hatte. Der Hafenmeister rieb sich über so viele gebrochene Knochen eifrig die Hände. Da sprang doch sicher Beute für ihn heraus. Ansonsten war es ungewöhnlich ruhig in dem kleinen Hafen. Nur das Plätschern der Wellen gegen die Schiffsrümpfe war zu vernehmen, die bei dem leichtem Wellengang auf- und abwogen wie eine Schaukel. Es war friedlich und still. Bis plötzlich erst ein lautes Rufen, gefolgt von lautem Geschrei und Poltern die Lieblichkeit des frischen Morgens vollkommen in den Tod jagte. „Ha, wir sind fast da! Sanji, ich habe Hunger! Gibt’s schon Frühstück? Wa- ?! Scheiße, ist das glatt hier!“ Und schon hopste Luffy wie ein Gummiball die einzelnen Stufen gen Tiefe. Nami kreischt ihn wutschnaubend vom oberen Treppenabsatz über sein Ungeschick an, während sich die restliche Strohhutmitglieder die Köpfe vor soviel Dummheit hielten. Solche Dinge beherrschte einfach nur Luffy. Wohl kaum jemand sonst. Fast ganz am anderen Ende der Pier lag die Sunny, wo hinüberwehende Fetzen des Krachs das Signal für Zoro waren, sich aufzurappeln. Längst hatte er gemerkt, dass die Truppe auf dem Rückmarsch war, aber bei der hellwachen Stimmung seiner Freunde wäre es besser, sich nicht sofort über den Weg zu laufen. Lang genug hatte er den Geräuschen gelauscht und deren Gefühle wallen lassen, nun öffnete er allmählich die Augen und blinzelte verschlafen umher. Es war durch die Dämmerung bereits so hell, dass man problemlos Umrisse von Gegenständen im Raum erkennen und die Schrift auf den Buchrücken der Medizinliteratur entziffern konnte. Weiter standen auf Choppers Schreibtisch einige Reagenzgläser in Haltern, Stehkolben und Tiegel, die zum Teil mit unbekannten chemischen Verbindungen gefüllt waren. Der kleine Arzt war wirklich sehr gründlich mit seiner Arbeit, denn sein Zimmer war sehr ordentlich aufgeräumt und alles an Utensilien in Reih’ und Glied wie mit dem Geodreieck in die Regale sortiert. Staubkörner suchte man hier bisher vergeblich. Tashigis dreckiger Kleiderhaufen mitten auf dem Zimmerfußboden wirkte vollkommen deplaziert. Sicher würde das Rentier ihr verzeihen, denn er mochte sie sehr und würde jeden ihrer Schritte in Richtung Genesung begrüßen. Zoro schob seinen verletzten Arm unter der Decke hervor. Der Verband hatte sich gelockert und deutete darauf hin, dass ein Verbandswechsel angemessen wäre. Zumindest würde Chopper darauf bestehen. Ihm selbst war es vollkommen egal. So eine Schramme war eine Nebensächlichkeit und mittlerweile Alltag. Er rutsche etwas höher auf der Krankenliege und lehnte sich rücklings an die Wand. Unter der Decke seitlich auf der Pritsche regte sich nun etwas. Tashigi war durch diese Bewegung erwacht und lugte schlaftrunken hervor. „Ich muss los, Süße!“ drang ein Flüstern an ihr Ohr. „Hm...“ klang es missbilligend unter der Decke hervor. Sie rekelte sich an ihm empor, bis ihr Kopf nahe seines Halses lag. Zwei Arme schlangen sich entrüstet um seinen Oberkörper und zwei Beine klammerten sich um die Seinigen. Um gar keinen Preis sollte das neu entdeckte Kuscheltier wieder verloren gehen. Sein Shirt, welches sie trug, war ihr viel zu groß. Der weite Halsausschnitt mit der offenen Knopfleiste gab den Blick auf viel blasse Haut ihres Schulterbereiches frei und rutschte nun noch einseitig den halben Oberarm herunter. Das war eindeutig zuviel Haut. Ein sanfter Hauch ihres Atmens kitzelte seine Hals und ihre Haare streichelten seine Wange wie die feinste Versuchung. Perplex schielte Zoro auf diese klammernde Verführung. Dafür, dass es ihr vor einigen Stunden noch sehr schlecht ging, hatte sich das Blatt eben augenscheinlich rapide gewendet. Entweder war sie aus ihrer Traumwelt noch nicht zurückgekehrt und nahm ihr süßes Spiel mit ihm gerade gar nicht wahr oder ... Nein, ihr Herz sprach eine ganz andere Sprache, was sie innerlich begehrte und er war definitiv das Corpus Delicti. Ganz böse Falle! Schnell zog er die Decke über sie beide so hoch, dass nur noch ihr Kopf herausschaute. Dabei verdrängt er, dass Hitze- und Kälteschauer auf seinem Rücken Fangen spielten, sein Herz in seinem Brustkorb vor lauter Schlagen Platzangst bekam und seine Fantasien im Kopf übelst aus sämtlichen Schienen sprangen. Und was machte dieses dreiste Weib? Lauschte seinem aufgewühlten Herzschlag und lachte leise. „Bist du nervös?“ Dabei blickte sie ihn mit diesem unschuldigen Engelsblick an, dass man gar nicht glauben mochte, was für ein kleines, süßes Biest sich hinter dieser Tarnmaske verbarg. Natürlich war er unglaublich nervös, was es nun geschickt zu überspielen galt. Und Angriff war schon immer die beste Verteidigung! „Nö, du vielleicht?“ Seine Hände glitten unter die Decke zu ihren Schulterblättern, dann über ihre schmalen Lenden bis dorthin, wo das Shirt endete und das Badetuch begann. Dabei fixierte er seinen Blick auf ihre Haupt, um eine Reaktion zu deuten. Ein heißes Kribbeln entbrannte unter ihrer Haut, wo sie die Berührungen spürte, und zogen eine unsichtbare Spur den Rücken zu Tale. Sie genoss jedes Tasten und zog es auf wie ein Schwamm das Wasser aufziehen würde. Als sich sanfte Fingerspitzen vorsichtig unter das Tuch wagten und eine Entdeckungsreise auf ihrer nackten Haut ertasteten, wurde Tashigi schlagartig klar, dass sie hier ein dummes und gefährliches Spiel begonnen hatte. Solche Spiele konnte man vielleicht aus jugendlichem Leichtsinn heraus mit unerfahrenen Rotzlöffeln aus der Nachbarschaft spielen, aber wohl kaum mit einem ausgewachsenen Kerl. Der hätte sicher andere Vorstellungen. Es durchzuckte sie wie ein Blitzschlag und ihr Gesicht ließ sich mit einem Kessel Glühwein vergleichen: dunkelrot und kochend heiß. Reflexartig gab sie ihre Umklammerung auf und zog die Arme mit geballten Fäusten schützend an ihren Oberkörper. Dabei verbarg sie ihr Gesicht in seinem Hemd, denn dieser Farbzustand war ihr furchtbar peinlich. Überhaupt war ihr nun diese ganze Situation mehr als peinlich. Was war denn verdammt noch mal einfach in sie gefahren? Sie hielt nur noch still wie ein steifes Brett und wartete, was da nun noch folgen würde. Bestimmt nichts Gutes. Und bestimmt wollte er sich nun einfach nur eine süße Belohung abholen, dass er sie seit der Donnersteppe bis hierher im Schlepptau gehabt hatte. Wie blöde und vertrauensselig sie doch gewesen war. Liebe machte eben blind. Nun war es Zoro, der den Spaß auf seiner Seite hatte. Und amüsierte sich, wie sie da so lag und die wildesten Vorstellungen ihr einen Streich spielten. Was ging nur manchmal in ihrem kleinen Köpfchen alles so ab? Hach, man konnte sie so herrlich aufziehen. Er nutzte die Gunst der Stunde, um seiner menschlichen Fessel zu entkommen und saß nun geschickt herausgerollt auf der Liegenkante. Sie hatte sich hingegen unter der Decke mit dem Rücken zu ihm zusammengerollt und schob ein schlechtes Gewissen vor sich her. Noch für eine kurze Weile sah er zu ihr. Dann stand er auf und ging. „Sieh zu, dass du wieder schnell auf die Beine kommst!“ hörte sie noch leise seine Bitte, gefolgt von dem Klappern der schließenden Tür. Kaum hatte er eiligst die Tür hinter sich ins Schloss fallen lassen, lehnte er sich rücklings gegen jenige, legte mit geschlossenen Augen den Kopf in den Nacken gegen das harte Holz und atmete tief durch. Einmal, zweimal, dreimal. Was war das denn eben? Nur ein paar Sekunden später und er wäre keinen Deut besser gewesen als die schmierigen Kerle oben aus der Kneipe. Nur ein paar Sekunden ... „Ich habe mich total einwickeln lassen!“ tadelte er sich innerlich selbst. Das durfte ihm nicht noch einmal passieren. Was fiel diesem Weib überhaupt ein? Sie machte ihn kirre und wenn es so weiter gehen würde, dann wäre sich mit Sicherheit sein Untergang. Die Schuld bei Tashigi suchend, stapfte er aus der Essküche heraus Richtung Hauptmast. „Die ist doch komplett irre!“ grummelte er vor sich her. Abrupt stoppte er und dachte sich sauer: „Die will mich ärgern!“ Wütend schnaubte er kurz und kletterte dann zum Krähennest empor. „Die muss doch echt kapieren, dass zwischen uns einfach nichts laufen kann. Das passt doch hinten und vorne nicht“, spukten Ausflüchte in seinem Kopf weiter. Er schmiss die Einstiegsluke krachend hinter sich zu, schnappte sich eine Hantel und starrte durch die Fenster die lange Kaimauer entlang, die sich unterhalb erstreckte. Dringend brauchte er jetzt Ablenkung. Aber er fand sie einfach nicht, so sehr er sich auch bemühte. Die Gedanken wanden sich wie Schlangen und verknoteten sich zu einem großen Wirrwarr, dass er Kopfschmerzen bekam. Unten auf der Pier rutschten und schlitterten mehr oder weniger geschickt die Crew der Thousand Sunny heran. Bald wäre hier wieder Leben in der Bude. Zoro grinste bei dem Anblick der bunten Schar. Luffy, Usopp und Chopper schlitterten um die Wette und fanden die ungeplante Eisbahn einfach nur lustig. Sanji war arg bemüht, die beiden Damen des Teams seine charmante Hilfe anzubieten und unterzuhaken, damit sie nicht auf dem Eis stürzten. Eins ums andere bekam er einen Korb von Nami und Robin, die souverän und trittsicher über das Eis gingen, als würden sie schweben. Hinten dran folgte ihnen allen Franky, der eine Miene zog, als würde er bereuen, in diesem Kindergarten gelandet zu sein. Obwohl sie alle schon so lange beisammen waren, Abenteuer durchstanden hatten und reifer geworden waren, so waren sie im tiefsten ihres Herzens immer noch die Alten. Und das machte sie liebenswert. Bis auf Sanji. Dem hatte der Schwertkämpfer ewigen Hass geschworen. Sicher war der Koch im Kampf ein guter Mitstreiter, aber wie konnte man nur so baggern, dass es eimerweise tropfte? Da musste man doch cholerisch reagieren! Wie hielten die Mädels das überhaupt aus mit dem? Nun ja, sie hatten einen hervorragenden Weg gefunden, seine Dummheit auszunutzen und als Haus- und Hofdiener nutze er den Frauen allemal. Die Mannschaft hatte ihr Schiff erreicht. „Zoro!“ brüllte der Strohhutjunge lachend. „Wir sind wieder da!“ Der Angesprochene legte die Hantel an ihren alten Platz zurück und seufzte. Auf diese Logik wäre er bei dem Krach wohl nie gekommen, resümierte er zynisch. Er erhob sich nun doch und kletterte wieder hinab. Auf der Merry hatte ein Sprung hinunter gereicht, doch der Masten der Sunny war doppelt so hoch. Nicht, dass ihn so etwas stören würde, aber als er einfach aus Faulheit heruntergesprungen war und doch einen empfindlichen Dellenabdruck im Rasendeck hinterlassen hatte, gab es eine Gardinenpredigt von Franky, wie schädlich und schändlich das für die Sunny wäre. Einen Disput mit dem Cyborg sollte man stets aus dem Wege gehen, wenn man nicht für niedere Reparaturarbeiten eingespannt werden wollte. Also wurde nun geklettert, zumindest wenn der Schiffsbauer in der Nähe war. Nun waren die ganze Mannschaft wieder vereint und drängelten sich an ihren Esstisch mit einer Tasse Morgenkaffee in den Händen. „Hey, Zoro! Chopper und Usopp haben schon alles erzählt von der irren Orakeltreppe und so! Das war bestimmt ein cooles Abenteuer!“ sprudelte Luffy los und Zoro dachte nur, dass diese praktische wäre. So müsse er selber nichts mehr ergänzen. „Und die haben erzählt, dass du noch so cool Dinge kannst!“ Der Kapitän strahlte vor Neugier wie die Sonne selbst, während der Schwertkämpfer für den Bruchteil der Sekunde Farbe im Gesicht verlor. Konnten die beiden Idioten nicht einmal im Suff die Klappe halten? Er starrte böse auf die beiden Tratschtüten hinüber, die beschämt so taten, als hätten sie nichts angestellt. „Was kannst du denn so?“ plapperte Luffy weiter und schaffte es nebenbei, seinen Kaffee in einem Zug zu leeren. Erst zu spät merkte er, dass das Getränk noch kochend heiß war. Und so spuckte er zeternd die schwarze Brühe wieder in die Tasse zurück. Vom Rest der Crew kam nur ein stummer Seufzer. „Geister sehen, Teufelskräfte durch Berührung blocken und Gefühle von anderen lesen“ kam es nur kurz und knapp aus Zoros Mund. Er füllte sich derweilen wie ein Alien angestarrt. „Cool! Was fühle ich denn so?“ Der Gummijunge war Feuer und Flamme und machte dabei Augen so groß wie Pizzateller. „Das du eben total neugierig und aufgeregt bist!“ antwortete der Schwertkämpfer genervt und hoffte, dass Luffy nicht weiter Details wissen wollte. Die ganze Aktion wurde ihm nun extrem unangenehm. „Hey, das stimmt sogar!“ Der Captain konnte es nicht fassen, während die Restmannschaft fast geschlossen von ihren Stühlen fiel. Für diese Analyse hätte man definitiv keine Zauberkräfte gebraucht. Das hätte ein jeder mit einem Funken Menschenkenntnis deuten können. Luffy war einfach nur kindisch blöde in solchen Situationen. „Na schön, Marimo! Wenn du in meinem Gefühlshaushalt rumstocherst, dann kannst du dein blaues Wunder erleben!“ brüllte plötzlich Sanji laut in die Runde. Dieser aktuelle Geistesblitz hatte ihn vom Stuhl gerissen und er hob drohend die Faust gegen Zoro, der einfach nur hinter seiner Tasse dreckig hervorgrinste: „Du bist doch schon längst durchanalysiert. Da gab’s ja nicht viel zu stochern!“ Für den Koch war die Antwort mehr als genug, um von Zorn und Weißglut angereichert sich ohne Vorwarnung auf seinen Rivalen stürzen. Fäuste flogen, Schwert krachte gegen heftige Kicks. Rücksichtslos schepperten Tassen zu Boden. Die beiden Streithähne hatten sich wiedergefunden wie eh und je. Der Navigatorin wurde es zu bunt und brüllt die beiden an, den Kampf zu beenden. Auch der Schiffsbauer hatte sich nun von seinem Platz erhoben. Die Streithähne waren ihm egal, aber seine Sorge galt einzig und allein dem Schiff. Das würde er sich von diesen beiden jungen Hüpfern um keinen Preis klein schlagen lassen. Der einzige, der seinen Spaß hatte und sich über seine wiedervereinte Mannschaft freute, war Luffy. Er lachte aus vollem Hals und gab dann das Kommando zum Weitersegeln, denn er wollte unbedingt diese tolle Sommerinsel sehen. Leicht wäre sie zu finden, denn sie wäre so langgestreckt, dass sie von der Grandline über den Calm Belt bis in den North Blue reichen würde. Nami verdrehte die Augen. Sie war totmüde und wollte nur noch in ihre Bett. Weiterfahren könnten sie auch, wenn sie alle ausgeschlafen wären, mischte sie sich in Luffys Pläne mit ein. Ihr schlackerten die Ohren, als nun Chopper naiv sagte, er würde mal nach seiner Patientin sehen. Patientin? Hatten sie Gäste an Bord? Das Rentier merkte nun siedend heiß, dass es sich verraten hatte und dieser Fehler nicht rückgängig zu machen war. Stotternd und schwitzend bastelte er einen Satz zusammen, dass er doch erwähnte hätte, wie sie in der Donnerebene auf Tashigi getroffen wären und die, nun ja, war nun hier! „Was?“ Nami war außer sich. „Was macht DIE hier auf unserem Schiff? Weißt du was DIE letztes Mal hier alles gemacht hat?“ Sie spukte Gift und Galle. Der kleine Arzt bettelte seinen Kapitän an, sie bleiben zu lassen, denn ihr Zustand wäre äußerst bedenklich und außerdem wäre es ihr zu verdanken, dass Luffy frei wäre. Franky und Usopp nickten zustimmend. Beide hatten Tashigis schlecht körperlichen Zustand wahrgenommen. Selbst Robin schloss sich der Diagnose des Arztes an. Nami starrte fassungslos in die Runde. Sie konnte niemanden für ihren Standpunkt gewinnen. Allein Sanji war etwas skeptisch. Hatte er doch von früher die Marinesoldatin nur als dumm und tollpatschig in Erinnerung und mit ihrem Modegeschmack und ihrer Brille so dick wie Biergläser war sie nicht gerade ein Topmodel. Doch bei dem Gedanken, in Zukunft drei Damen an Bord verwöhnen zu können, strahlte sein Herzauge im schönsten Pink wie eine Neonreklame. Es war nun plötzlich der Moment, wo Luffy sehr ernst sein konnte. Stille kehrte ein und alle Blicken hafteten an ihm. Er dachte kurz nach und verkündete dann: „Sie bleibt, bis sie gesund ist. Dann will ich mit ihr reden!“ Damit war die Entscheidung gefallen. Nami musste aufgeben. Sie kannte ihren Chef viel zu gut. Einwände würden in seinem Gehörgang keinen Platz finden. Und so verzog sich jeder aus der Truppe in sein Bett, um sich noch ein paar Stunden Schlaf vor der Weiterreise zu gönnen. Tashigi hatte nicht wieder einschlafen können, obwohl sie es sich wieder gemütlich gemacht hatte. Sie war noch zu sehr aufgewühlt gewesen. Ihre Arme hatte sie um ihren Leib geschlagen, als würde man ihr das Shirt in der nächsten Sekunde wegnehmen. Sein Shirt! Es roch nach ihm, wie die Decke und das Kopfkissen. Sie bildete sich ein, seine Wärme und Nähe zu spüren. Ebenso seine Hände auf ihrem Rücken und ihrer Haut. Ihre Fantasie jagte ihre wohlige Schauer über den Rücken. Sie schloss die Augen und genoss dieses Gefühl. Seit langem fühlte sie sich wieder etwas glücklicher und zufriedener. Natürlich war ihr die Ankunft der Crew auf dem Schiff nicht verborgen geblieben. Auch hatte sie die Gespräche genau belauscht. Es war merkwürdig. Vor ein einem guten Vierteljahr war sie noch auf der Jagd nach der Bande gewesen und nun lag sie hier wie ein Mitglied im Krankenzimmer und wurde umsorgt. Ein Stoßgebet schickte sie flehend zum Himmel, als Luffy seine Entscheidung fällt. Für seine positive Antwort war sie ihm unendlich dankbar. Plötzlich ging die Tür auf. Chopper schlich sich herein, um fürsorglich nach seiner Patientin zu sehen. Überglücklich fiel er ihr um den Hals, als sie sich aufsetzte und ihm einen „Guten Morgen“ wünschte. Sie sprach mit ihm und machte gar nicht so einen schlimmen Suizideindruck wie noch vor ein paar Stunden! Seine Freude war grenzenlos. Natürlich versprach er, ihr Kleidung in Usopps Waschautomat zu werfen und begann auch sogleich, sie gründlich zu untersuchen. Er verordnete eine strenge Bettruhe, Medikamente und eine Diät, damit sich ihr Magen wieder an regelmäßiges Essen gewöhnen würde. Während er den Diätplan für Sanjis Kochplanung schrieb und die richtige Dosis Medizin ermittelte, hatte sich die junge Frau in das Reich der Träume verabschiedet. Es war der gesunde Schlaf der Genesung. Chopper lächelte. Er wusste nicht, was Zoro so gemacht hatte, aber irgendwas musste es gewesen sein. Ganz so, wie er ihn darum gebeten hatte, ihr zu helfen. Alles andere war uninteressant. Mit dem Diätplan verließ er strahlend den Raum und pappte noch ein weiteres Schild von außen an seine Praxistür: „Absolute Ruhezone!“ peinlichst achtete er nun genau darauf, dass sich die Crew daran hielten. Die nächsten Tage schlief Tashigi fast ausnahmslos durch. Selten war sie wach, um einen köstlichen Happen von Sanjis Spezialitäten zu kosten oder den Gang zur Toilette anzutreten. Sie freute sich sogar, dass gelegentlich mal Usopp oder Franky seine Kopf in den Raum stecke und sich nach ihrem Wohlbefinden erkundigte, wenn es das Rentier nicht mitbekam. Doch den, den sie am sehnlichsten erwartete, ließ sich nicht blicken. Das machte sie traurig. „Du fühlst doch, dass ich traurig bin! Du fehlst mir so!“ dachte sie, doch Zoro tauchte nicht auf. Und so verging wieder ein Tag um den nächsten. Eines Nachts wachte sie. Etwas hatte sie geweckt. Sie lauschte und hörte Schritte nebenan im Essraum, die sich entfernten. Erst im nächsten Moment wurde ihr gewahr, dass in dem Raum ein sanfter Lichtschein flackerte. Sie drehte sich um und konnte schemenhaft eine Kerzenflamme erkennen. Was war denn da der Rest, wo die Kerze drin steckte? Wo war denn nur ihre verflixte Brille? Unbeholfen patsche sie auf den Schreibtisch zu, wo ihre Brille und das mysteriöse Feuer waren. Mehrmals setzte sie die Brille auf und ab, putze sie und hielt es für einen Traum, was sich da durch ihre Brillengläser scharf sehen ließ. Sie streckte gar die Hand aus und tippte mit dem Zeigefinger hinein. Zarteste Schokoladensahne klebte nun daran. Sie steckte den Finger in den Mund und leckte ihn genüsslich ab. Wie süß das schmeckte! Sie schloss die Augen und ließ diesen himmlischen Genuss auf der Zunge zergehen. Der Biskuitboden war lockerleicht wie Zuckerwatte. So ein herrliches Tortenstück hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nie genascht. Sanji hatte wirklich unschlagbare Kochkünste. Das musste man ihm lassen. Bedächtig aß sie die Hälfte des Stückes auf, bis zu der Stelle, wo recht windschief die brennende Kerze oben in die weiche Sahnemasse hineingesteckt war. Dabei schweifte ihr Blick an der Wand über dem Schreibtisch entlang, wo der Kalender hing. Sie erstarrte für einen Moment. Hatte sie so viele Tage verschlafen? Seit Ende September befand sie sich an Bord und es waren fast mehr als 10 Tage vergangen. Als sie zuvor mal zwischendurch aufgewacht war, hatte sie dem Kalender keine große Beachtung geschenkt. Doch da war es nun rot auf weiß über die Zahlen durchgekreuzt: Es war die Nacht vom 5. auf den 6. Oktober. Erst jetzt machte es „Klick“ und der zuvor noch rundgefeilte Groschen fiel endlich. Ein Geburtstagskuchen! Sie schlug die Hand vor den Mund und heulte vor Freude. Es konnte nur einen geben, der ihr Geburtsdatum wissen konnte, und dass er genau DAS wusste, war mehr als erstaunlich. „Das ist so süß von dir...!“ sprach sie leise zu sich selbst. „Danke!“ kam eine wohlbekannte Stimme aus der Zimmerecke hinter ihr. Sie schrak auf und wagte es kaum, sich umzudrehen. Hatte sie nicht vorhin Schritte weggehen gehört? Dann fuhr sie doch herum, wobei sie sich so ungeschickt anstellte, dass der Tortenrest samt Kerze seinen Absturz zum Fußboden suchte und das Licht erlosch. Aber in der kurzen Sequenz hatte sie ihn noch dort mit dem Rücken zur Wand gelehnt auf dem Fußboden sitzen sehen. Die Arme auf die Knie gestützt und frech grinsend. Doch nun herrschte absolute Dunkelheit. „Du bist und bleibst eine kleine, dumme Nuss!“ wurde sie lachend getadelt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)