Raftel (1) von sakemaki (When Spirits Are Calling My Name ...) ================================================================================ 27 - Die Heerscharen des gelben Primsas --------------------------------------- In den öden Weiten der Donnerebene hatte sich nichts verändert. Am Himmel vollführten grelle Blitze mit lautem Donnern einen wilden Tanz umher und blendeten den pechschwarzen Horizont. Das Flackerlicht stach bestialisch in den Augen. Jeder Schritt wirbelte die graue Asche empor und in der Gruppe um Zoro hoffte jeder, dass bald einmal die Herberge samt Krämerladen vor ihnen auftauchen würde. Der Weg war nicht weit, aber beschwerlich und sie hatten das Gefühl, das Unwetter hätte sich seit dem Verschwinden des Orakels verstärkt. Mit zusammengekniffenen Augen musterte der Schwertkämpfer die Umgebung. Nichts war mehr hier. Kein Lebewesen. Kein Leben und keine Hoffnung. Kein einziges Gefühl konnte er ausmachen bis auf die seiner Begleiter. Längst hatte er feststellen können, dass dieses Unwetter nicht normal war. Und das lag sicher nicht nur am fehlenden Regen. Wenn man in die schwarzen Wolken sah, empfand man plötzlich eine große Leere in sich. Jegliche Motivation war verschwunden. Doch es war nicht so wie damals bei den Negativgeistern Peronas. Diese Wolken lockten und verführten einen, wenn man sie zu lange betrachtete. Das Bedürfnis, die Welt hinter sich zu lassen und in ihnen in Ruhe und Frieden zu versinken, war eine herrliches Versprechen. Doch Zoro wusste, dass in den Wolken anderes steckte. Was es genau war, konnte er sich nicht erklären. Ihm reichte es fürs erste, dass sie abgrundtief Böse waren. Natürlich hatte er am Tor zum Orakel gelogen, dass ihn alles nicht interessierte. Er hatte genau darüber nachgedacht, wusste aber nicht, wie man alle die Probleme lösen konnte oder was einem vielleicht jemals die Antworten nützen würde. Mal daher gesponnen, er wäre tatsächlich so ein Kali-Kind: Was brachte es ihm? Seinen Traum und sein Versprechen würde er mit oder ohne dieser Tatsache erfüllen. Und danach? Was wäre dann seine Aufgabe? Es war ihm viel zu absurd, dass er einer der Letzten sein sollte, der als Schlüssel zum One Piece auserwählt war. Es hätte doch auch wen anderes treffen können, oder etwa nicht? Warum sollte er diesen Tritt in den Fettnapf wieder einmal an den Hacken haben? Nein, das tat nun wirklich alles nicht Not. Er schüttelte innerlich seinen Kopf. Das könnten andere tun, aber er nicht. Ne, kein Bock! Er blinzelte zu seinen drei Begleitern hinüber, um deren Verfassung zu spüren. Usopp grübelte neben ihm über den Orakelspruch einher. Er war sehr damit beschäftigt und zur Freude Zoros still. Zynisch dachte er sich, dass der Job des Weltretters doch ideal für die Langnase wäre. Dann stünde er im Mittelpunkt, hätte mindestens seine erträumten 8000 Mann unter seinem Befehl und endlich seinen Traum erfüllt. Vielleicht könnte man ja was an der Sache zu Usopps Gunsten drehen ... Chopper trottete treudoof etwas schräg vor ihm neben Tashigi. Auf der Wendeltreppe war Zoro etwas bewusst geworden, was er lange nicht gesehen hatte und nun wie Schuppen von seinen Augen fiel. Das Rentier war gealtert. Hier und da war sein Fell struppiger, sein Gang ohne RumbleBalls behebiger und seine Schnauze langsam aber sicher weiß geworden. Wenn der Arzt wirklich noch jemals zu den Besten zählen wollte, dann müsste er sich dringend beeilen. Doch eben streifte er nur wie ein Hund neben Tashigi einher und ließ sich ab und zu von ihren Fingerspitzen kraulen. Er betrachtete sie mit ihrem knöchellangen, beigen Ledermantel, der von oben bis unten nicht durch einen Reißverschluss oder Knöpfe, sondern durch ein kunstvolles Geflecht langer Lederbänder zusammengehalten wurde. Der Kragen war hochgeschlagen und reichte ihr bis über Nasenspitze, so dass sie gerade man über den Kragenrand sehen konnte. Die weite Kapuze hatte war zurückgeschlagen. Ihre einst so glänzenden Haare waren zerstrubbelt und hingen wie filzige Strähnen herunter. Sie erweckte den Eindruck eines zersausten Spatzes und nicht einer einst lebensfrohen, jungen Marinesoldatin. Sie trug noch immer ihre lilaumrahmte Brille mit den dicken Gläsern. Die fahle Haut und die dunklen Augenränder konnten nicht von der Narbe quer über ihr Gesicht ablenken. Chopper hatte damals die Wunde zwar hervorragend genäht, doch man würde sie noch sehr lange sehen. Ihre dunklen Augen starrten tot den Weg vor sich entlang. Mit großer Trauer in sich gekehrt erfüllte sie das Bild einer Schicksalslosen. Zoro ertappte sich dabei, dass er den violetten Schimmer ihrer Augen vermisste, der diese sanfte Wärme in ihrem Blick erzeugte. Es war ihr zeitweilliges, gutmütiges Gesicht eines Engels, das ihm alles verzieh, egal wie übel es auch sein mochte. Was mochte Tashigis persönlicher Traum sein? Sie hatte mal irgendwas von Schwertern gefaselt. Stattdessen hatte sie nun erst mal ein Trauma. Ob sie jemals wieder die Alte werden würde? Obwohl ihre Zickereien ihn sehr genervt hatten, so missfiel ihm ihre derzeitige Depressivität um so mehr. Ihr Mantel verbarg ihr Innerstes. Für Fremde schien es geheimnisvoll zu sein, doch er wusste es besser, dass sie sich nur hinter dieser Fassade versteckte. Der Schwertkämpfer war überrascht, dass er sich für ihre Vorlieben und ihr Wohlbefinden interessierte, wobei es ihm noch vor gut zwei Monaten vollkommen egal gewesen war. Vielleicht sollte er sie mal bei der passenden Gelegenheit fragen? Vermutlich würde sie noch länger bei seiner Gruppe bleiben. Da wäre es besser zu wissen, mit wem man so durch die Gegend reiste. Versprochen war nun mal versprochen! Warum auch immer... „Heureka!“ rief Usopp so plötzlich heraus, dass ihn seine drei Begleiter erstaunt ansahen, während sie über den staubigen Weg zurück zum Gasthaus bei dem Blitzableiter schlürften. „Wo ist Heu?“ fragte das Rentier vor Hunger. „Nirgends, Trottel! „Heureka!“ bedeutet soviel wie „Ich hab’s“, belehrte ihn der Kanonier. „Was hast du denn? Fehlt die was?“ erkundigte sich nun das Rentier in seiner Funktion als Arzt besorgt. Der Scharfschütze rollte genervt die Augen über soviel kombinatorisches Defizit des Arztes und überlegte, wie es das Rentier überhaupt jemals geschafft haben möge, sich die ganzen medizinischen Kenntnisse anzueignen. Er beschloss, nicht weiter auf Choppers Frage einzugehen und begann mit seinen Ausführungen über die Interpretation des Orakelspruchs. Ob es der Rest nun hören wollte oder nicht. Allerdings gingen sie im Gewittergrollen der Donnersteppe unter und er verschob sie bereits nach dem ersten Satz erst einmal bis zur Unterkunft, welche unscheinbar am Horizont auftauchte. Er wollte keinen weiteren Gedanken über diese Hütte verschwenden, als Zoro plötzlich stehen blieb. Natürlich wurde er gefragt, was los wäre und er gab nur die knappe Antwort, dass das Haus plötzlich leer stünde. Im Großen und Ganzen sicherlich nichts ungewöhnliches. Doch der Schwertkämpfer sprach von Flucht und nicht von einem Picknickausflug des Spionagewirts. Etwas wäre dort merkwürdig, jedoch könnte er keine weiteren Personen spüren. Sie verharrten eine Weile und beobachteten in dem Flackerlicht der Blitze das Häuschen. Erst als sie sich exakt sicher waren, dass dort nichts Unberechenbares vor sich ging, näherten sie sich vorsichtig dem Gebäude. Die Tür war nicht abgeschlossen, so dass sie unbehelligt eintraten. Der kleine Verkaufsraum mit seinen viel zu vollen Regalen und den Tischen schien unverändert und vertraut wie bei ihrer Abreise vor ein paar Stunden. Erst Usopps ungläubiger Blick auf den über dem Tresen hängenden Kalender ließ sie erbleichen. Sie waren volle vier Tage unterwegs gewesen, doch ihnen war es nur wie ein Nachmittag vorgekommen. Choppers Hunger siegte über den Verstand. Er trabte hinter den Tresen, durchwühlte mit der Schnauze die halboffenen Leinensäcke mit Obst und Gemüse und begann zu fressen. Natürlich fing er sich Protest von dem Kanonier ein, der diese Essensmanieren zum einen nicht wirklich appetitlich fand, wie das Rentier dort herumsabberte, und zum anderen auch etwas abhaben wollte. Zoro ermahnte beide, sich zu benehmen, schwang sich geschickt oben auf den Tresen im Schneidersitz und kramte die DenDenMushi zwischen den Papierunterlagen hervor. Er ließ sich mit der Sunny verbinden und staunte nicht schlecht als nach einem Verbindungsknacken am anderen Ende Usopps Stimme zu hören war: „Hallo, wir sind leider nicht da! Sprechen sie doch etwas in unser Ton-Dial...“ Er warf der Langnase einen Blick zu, der verärgert und eine Erklärungserwartung zugleich war. Natürlich pries der Hobbytüfftler seine großartige Erfindung sofort an. Wer hätte sonst schon einen DenDenMushi-Aufnahme-Apparat? Die Idee kam ihm eines Nachts, als er Wache gehalten hatte. Kein Anruf würde einem so jemals wieder entgehen. Zoro seufzte. Wie großartig die Erfindung auch wäre, die Crew war nicht an Board. So würde sich ein Zusammentreffen der beiden Gruppen verzögern. Es war noch nicht mal klar, wie weit entfernt sie sich alle voneinander befanden. Koushirou hatte ihm einst gesagt: „Bedenke nicht nur, wie du beginnst, sondern auch wie du es beendest!“ Natürlich hatte er über das Ende der Mission nicht nachgedacht. Weise Ratschläge offenbarten immer erst hinterher ihren Sinn, wenn es meist zu spät war. Aber war es so nicht immer? Das Rentier hatte nun seinen Magen mehr als gefüllt. Es legte sich an Ort und Stelle auf den weichen Teppich zum Ruhen. In letzter Zeit war alles furchtbar anstrengend für ihn. Manchmal stakste er mehr umher, als einen flotten Schritt zu haben. Heute war er besonders erschöpft, dabei hatte er doch in der Vergangenheit viel mehr an Kilometern zu Fuß zurückgelegt. Aus den Augenwinkeln, ohne seine Besorgtheit zu zeigen, musterte der Schwertkämpfer den kleinen Arzt. Dieser nahm immer seltener seine Chibi-Form an und schlief mehr als sonst. Es schien, als würde die Teufelsfrucht ihre Wirkung verlieren und die menschlichen Zügen und Verwandlungen verblassen lassen. War das möglich? Als ob die Langnase Zoros Gedanken lesen könnte, fragte sie das Rentier: „Geht es dir nicht gut, Chopper?“ „Doch, alles prima, Usopp! Aber ich bin einfach nur müde. Wir sind doch sicher noch ein Weilchen hier, oder?“ Er lachte, machte sich auf dem Boden wieder gemütlich und wackelte zufrieden mit den Ohren. „Klar, Chopper! Das sind wir!“ bestätigte ihm Zoro mit einem beruhigenden Lächeln, was Usopp aber schnell für sich enttarnte. Sie beide dachten über den kleinen Arzt wohl ähnlich. Dessen Zustand war bedenklich. Tashigi hatte alles aus der Mitte des Raumes heraus schweigend beobachtet. Die junge Frau stand dort wie bestellt und nicht abgeholt und fühlte sich auch selbst ziemlich unsicher, was sie nun tun sollte. Sie bemerkte, dass etwas nicht mit Chopper stimmte, traute sich aber auch nicht recht, eine Frage zu stellen. Erst nach einer Weile brachte sie ein schüchternes „Wie geht’s nun weiter?“ hervor. Die beiden Piraten sahen vom Rentier zur ihr herüber und der Scharfschützer informierte sie, dass sie nun warten würden, bis sie jemanden auf der Sunny erreichen würden. Eine andere Möglichkeit hätten sie nicht. Tashigi äußerte Zweifel, ob sie tatsächlich an Bord willkommen wäre, doch sie wurde beschwichtigt, dass das sicher schon in Ordnung kommen würde. Erst Mal ginge es nur darum, überhaupt wieder an Bord zu gelangen. Sie alle waren sich einig und jeder begann, sich irgendwie in dem Gasthaus zu beschäftigen. Zoro und Chopper schliefen, Usopp füllte seine Erfindertasche mit allerlei Nützlichem und Unnützlichem auf, während sich Tashigi etwas Obst runterwürgte. Obgleich sie ziemlich abgemagert und hungrig war, bekam sie doch keinen rechten Bissen runter. Sie begann die Dokumente zu durchforsten und stieß auf interessante Einträge im Gästebuch. So kamen hier viele Reisende vorbei, die zum Orakel wollten. Aber sie kehrten nie zurück. Sie holte Usopp hinzu und zeigte ihm die Daten. Nun blätterten sie gemeinsam herum. Tatsächlich kehrte niemand wieder. In diesem Haus war in der Vergangenheit den Eintragungen nach Endstation gewesen. Sie konnten sich nicht erklären, was mit all den Menschen passiert sein mochte. Erst ein Brief, der dem Scharfschützen aus den Seiten zu Boden fiel, brachte Antworten. Zwar nicht der Brief selbst, denn dieser enthielt nur eine Bestellliste über Lebensmittel, jedoch entdeckte man nun unter dem Tresen versteckt zwischen Fässern und Säcken Stapel von Büchern. Akribisch waren hier lange Namenslisten geführt mit den Tagen der Ankunft und Abreise. Als Reiseziel war jedes Mal das Orakel angegeben. „Nanu? War hier eine Völkerwanderung unterwegs?“ Usopp grübelte und fragte sich, wohin sie weitergegangen sein könnten. „Fällt dir nichts auf? Schau mal, hinter den meisten Eintragungen sind Markierungen. Hier zum Beispiel ist jedes Mal ein Sternchen hinter dem Wort „Orakel“. Und es war auch alles am selben Tag.“ Tashigi deutete auf die Listen mit den Sternchen. Sie konnten sich keinen Reim darauf machen. Manchmal waren es nur einige Dutzende, manchmal ganze Hundertschaften. Entsetzt stellte die ehemalige Marinesoldatin fest, dass die Märsche anscheinend mit größter Unterstützung der Marine als Geleitschutz von statten gingen. Pro bewachte Person, die in den Listen das Codewort „Einheit“ inne hatten, waren sogar 1000 Berri von einer Organisation namens „Gelbes Prisma“ bezahlt worden. Tashigi wurde schlecht bei dem Gedanken daran, was ihre Fantasien ihr eben als Lösung vorlogen. Sie äußerte ihren Verdacht dem Kanonier gegenüber, dass es nicht um Abenteurern oder Schicksalswissenden ging, sondern hier ganze Massen von Gefangenen in Märschen durch die Gegend verfrachtet wurden. Sie wollte sich nicht ausmalen, was dort draußen am Haus der Stille mit ihnen passiert wäre, wollte aber das Buch für Robin mitnehmen. Vielleicht könnte sie etwas damit anfangen. Usopp nickte und begann ihr nun zu erzählen, was er vorhin schon berichten wollte: „Pass auf, dass klingt sicherlich nun alles sehr abgedreht. Aber es passt alles zusammen. Wir waren damals bei einer Wahrsagerin in Loguetown. Kennst du die vielleicht? Du warst doch dort stationiert. Sie hieß Serafina...“ Das Schulterzucken der jungen Frau ließ die Langnase unbeirrt weiterfahren. „Na egal! Auf jeden Fall denke ich, dass ich ihr Kartenrätsel und auch den Orakelspruch so gut wie gelöst habe!“ Er klopfte sich selbstlobend auf die Brust und fügte dann noch in einem leisen Nebensatz hinzu: „Naja, fast ...!“ Über Tashigis vereiste Miene huschte der Hauch eines Lachens. So langsam verstand sie, warum die Strohhüte keine normalen Piraten, sondern ganz anders waren. Jeder von ihnen war eine Persönlichkeit mit Macken, aber auch brillanten Fähigkeiten. Obendrein waren sie im Grunde genommen gar nicht mal so verkehrt, besaßen eine korrekte Auffassung von wahrer Gerechtigkeit und waren äußerst liebenswert. Und obwohl sie alle für sich allein ihren Träumen nachjagten, so verband sie doch eine unschlagbare Freundschaft. Was ein beneidenswertes Team! Doch nun lauschte sie wieder den Worten des Kanoniers, der sich mit Zettel und Stift bewaffnet hatte. Er begann, Serafinas Karten nachzuzeichnen, um seiner Zuhörerin die Sachlage zu verdeutlichen. „Also, Serafinas Karten haben mehr verraten, als ich dachte. Da waren Vergangenheitskarten. Die erzählten, dass wir als Crew blind waren vor einigen Gefahren und auch vor uns selbst. Besonders unser Kapitän wandelte wie ein abgedrehter Narr naiv umher. Das führte dazu, dass unsere Crew auseinanderbrach, Luffy gefangen wurde und Chopper und Zoro uns verließen. Aber Zoro ist eigentlich ein wichtiger Schlüssel zu allem, was er aber damals noch nicht wusste, weil ja seine Kräfte erst erwachen. Und die Gegenwartskarten haben das bestätigt. Wir können uns einfach nicht vorstellen, dass er uns vielleicht mal in den Rücken fallen wird und anderes tun muss. Das wird schwer werden für uns, aber es ist um unserer Freundschaft Willen. Die Zukunftskarte mit dem Stern der Wahrheit weiß ich noch nicht.“ Er holte tief Luft, denn zum Atmen war er noch nicht gekommen. Ohne Rücksicht auf Tashigis Verwirrtheit plapperte er wie eine Wassermühle weiter. „Und dann war da das Orakel und seine Reime. Wir waren damals dort, wo Raftel sein müsste und da waren nur die komischen Porneglyphen mit dem komischen Satz, dass man was zum Brennen bräuchte. Total klar! Die Kerze des Kerzenmachers! Die müssen wir finden! Die Grandline hat sieben Routen, die bei Raftel zusammenlaufen, aber das Orakel sprach von einer achten Route. Die kommt bestimmt, wenn die Kerze dort brennt. So, und nun kommt Zoros Job: Der ist nämlich so wichtig, denn der hat nämlich irgendwas mit der Kerze dort bei Raftel tun, dass sich der Weg öffnet. Ha, ich bin ein Genie! Aber ich weiß noch nicht, wer Rot, Gelb und Blau sind. Die müssen saumächtig sein...“, Usopp strahlte wie eine Uranstück. Tashigi starrte ihn an wie das achte Weltwunder. Sie hatte der Erzählung folgen können. Sicherlich klang alles logisch, aber das war definitiv schräg. „Hast du mal nachgedacht, Märchenbücher zu schreiben?“ fragte sie vorsichtig. „Hey, diese Kombination der Fakten war echt kniffelig!“ beschwerte sich der Scharfschütze beleidigt. „Weiß er das auch, dass er das kann?“ Mit einem Kopfnicken deutete sie zu Zoro hinüber, der mittels Tiefschlaf von allem nichts mitbekommen hatte. „Du hast den Haken an der Sache gefunden! Ha, endlich mal jemand, der mir tatsächlich zuhört und mitdenkt!“ Obwohl Usopp noch bis vor Kurzem überhaupt nicht mit Tashigis Anwesenheit zufrieden war, so schien sie tatsächlich keine Gefahr zu sein. Sonst hätten sie Zoro und Chopper wohl auch nie mitgenommen. Obendrein schätzte er sie auch nicht gerade als dumm ein, nur vollkommen schusselig und verpeilt. Das ginge ja noch. Plötzlich schrak der Schwertkämpfer wie von der Tarantel gestochen aus allen Träumen hoch und löste eines seiner Katana aus der Saya, um es schneller ziehen zu können. „Merkt ihr Schnarchnasen denn gar nichts? Da kommt ein halbes Heer auf uns zu!“ fuhr er äußerst barsch seine Mitstreiter an. „Hoch mit dir, Chopper! Hier ist gleich die Hölle los!“ „Hey, wer ist hier eine Schnarchnase?“ beschwerte sich der notorische Lügner beim Schwertkämpfer, doch insgeheim musste er ihm recht gegeben. Sie hatten sich nicht um ihr Umfeld geschert. Auch wenn eben noch niemand auszumachen war: Wenn Zoro sagte, da kämen welche, dann war es auch so. Ein unglaubliches Gespür! „Was? Da kommt wer? Was machen wir jetzt?“ Das Rentier hatte sich vor Aufregung wieder in seine Chibi-Form gewandelt und versteckte sich, natürlich verkehrt herum, hinter dem Tresen. Die kleine Hotelhütte in Form einer umgedrehten Reisschüssel begann langsam zu erzittern. Erst war es nur ein leises Vibrieren, doch es wurde stärker und stärker. Als erstes klapperten die Teller im Schrank und es klirrten die Glaswaren. Dann wackelten die Möbel und zu guter Letzt ruckelten alles an Mobiliar und weiteren Gegenständen von einer Wand zur anderen. Der Kanonier glaubte zum Überfluss noch an ein Erdbeben, doch Tashigi entgegnete ihm ungewöhnlich ruhig, dass dieses sicherlich nicht so wäre. Es würden sich wohl eine ungewöhnliche große Menge an Angreifern nähern, die den Boden zum Beben brächten und sie wandte sich an Zoro. „Wie viele könnten es sein?“ „Zu viele, als dass ich es auseinander halten könnte, obwohl es sich eigentlich nur wie ein einziger anfühlt“, antwortete er in seiner üblichen Knappheit und fügte hinzu: „Wir schlagen uns einfach durch!“ Die Ernsthaftigkeit dieser Aussage wurde um so mehr von seinem diabolischen Grinsen unterstrichen. Usopps und Choppers anklagenden Worten, dass er nun wohl vollkommen wahnsinnig wäre, prallten an ihm wie gewöhnlich ab. Er stand bereits in der geöffneten Tür, starrte in das Blitzlichtgewitter und erwartete das, was dort auch immer kommen möge. Sie machten sich alle vier mit gezogenen Waffen kampfbereit bis auf Chopper, der anstelle einer Waffe seine RumbleBalls in den Hufen hielt und auf den richtigen Moment der Einnahme lauerte. So eine Kugel hielt nicht lange: Da musste der Einsatz wohl überlegt sein. Und dann kamen die Angreifer zu ihnen herangeprescht. Dem Zittern und Beben der Erde folgte ein lautes, ständiges Donnern und Wackeln. Es war lauter als die Donner der Wolken und betäubte ihre Ohren. Eine Hundertschaft an gepanzerten Reitern näherte sich rasend der Unterkunft. Es war nicht zu sagen, ob die Rüstungen grau oder schwarz waren, jedoch waren sie vom Staub überzogen. Sie trugen seltsam anmutende Atemmasken und Brillen. Gesichter waren nicht zu erkennen, doch deutlich stach trotz der Dunkelheit ein gelbes Dreieck auf jeder Stirn hervor. Es war eben so gleichseitig mit der Spitze nach oben, wie sie es bereits auf dem Handrücken des Spions entdeckt hatten. Als Waffe dienten ihnen kurze dünne Lanzen mit Metallspitzen. Die Pferde trugen nur ein einfaches Trensenhalfter und einen gepanzerten Sattel. Sie waren recht groß und hatten sicherlich eine Rückenhöhe von gut fast zwei Metern. Der Körper wirkte zierlich und schlank, aber die Hufe entsprachen der Größe von Kuchenplatten, die alles zerstampften. Ihre Augen waren schneeweiß und schienen blind. Maul und Nüstern waren mit Aschestaub verklebt. Ebenso das klatschnasse, verschwitze Fell. Es war ein erbärmlicher und grausamer Anblick zu gleich. Dennoch war die Geschwindigkeit der Tiere hoch und deren Kampfbereitschaft durch Befehle ihrer Reiter ungebrochen. Die aufgewirbelte Aschewolke schluckte das letzte bisschen Licht der Blitze und nahm allen den Atem. Schon bald war das ganze nahe Gebiet um die Hütte herum in einer dichten Staubwolke gehüllt. Selbst Usopps Feuerbälle hatten keine Möglichkeit, die Dunkelheit zu durchdringen. Tapfer versuchten die Piraten einen Fluchtweg durch die angreifende Schar zu schlagen, doch es war fast aussichtslos, den Reitern auf ihren hohen Rössern vom Boden aus etwas entgegen zu setzen. Sie hatten erkannt, dass die Feuerattacken des Scharfschützen, zwar die Pferde blenden und zum Scheuen bringen konnten, aber die Wolke nahm ihnen jegliche Sicht und Atemluft. Schon nach ein paar Minuten waren sie keine Gruppe mehr, sondern getrennt in einem unübersichtlichen Pulk aus Dreck, Reitern, fliegenden Lanzen und Donner. Der Staub biss ihnen in die Augen, verstopfte ihren Atemwege und ließ sie übelst husten. Zoro hatte es geschafft, nicht nur einen der Reiter vom Pferd zu ziehen, sondern auch eine wichtige Entdeckung zu machen: Die Ritter waren von innen hohl und nur eine einfach Rüstung. Daher kam also seine Einschätzung, dass es sich wie eine einzige Person anfühlte. Jemand musste wohl ganz allein diese Rüstungen durch Gedanken und Gefühle lenken. Geistesgegenwärtig griff er einem vorbeipreschenden Pferd in die Zügel. Obgleich er ein paar Meter mitgeschliffen wurde, so reichte seine Kraft tatsächlich, das Tier zu stoppen und diesen Ritter ebenfalls herunter zu ziehen. Innerlich fluchend suchte er seine Mitstreiter. Sie hatten schon so viele Kämpfe geschlagen, aber das hier war echt nicht mehr von dieser Welt. Was auch immer diese Heerschar von ihnen wollte, es war garantiert nur auf ihren Tod ausgelegt. Kompromisse waren wohl kaum erwünscht. Hier war definitiv der sichere Rückzug angesagt. Genervt zog er den störrischen Gaul am Zügel hinterher. Jeder Angreifer wurde mit einem Schlag zerlegt. Im Prinzip waren es keine schweren Gegner. Sie waren nur schnell, verdammt viele und nutzen den Vorteil der Dunkelheit, zumal sie anscheinend keine Atemluft benötigten. Ansonsten waren sie nicht sehr schlau und hatten als Hauptschwachstelle die Pferde unter sich. Bei seiner Suche auf dem kämpfenden Schlachtfeld entdeckte er tatsächlich Usopp, der unter zerstörten Rüstungen Schutz suchte und aus dieser Deckung heraus wie ein Irrer feuerte. Er riss ihn aus diesem vorläufigem Schutz heraus, brüllte ihm zu „Rauf da!“ und überhörte dessen Widerworte, indem er ihn unsanft in den Sattel schob. Kurze Zeit später folgte ein ziemlich ausgeknocktes Rentier, welches sich nur mit Mühe an dem Kanonier festhalten konnte. Mit der Faust angedrohter Worte, einer Kopfnuss und einem unsanften Tritt in das Hinterteil durch Zoro überzeugten das Pferdchen nun doch endlich, Usopp und Chopper hoffentlich sicher aus dem Tumult zu befördern. Einen Augenblick später galoppierte es mit kleineren Bucklern hinweg und musste noch ertragen, dass die beiden ihm pausenlos in den Rücken plumpsten. Sie konnten nun mal einfach nicht reiten, obwohl der Schwertkämpfer absolut nicht verstand, was daran so furchtbar schwer sein könnte. Tashigi hatte tapfer einen Reiter nach dem anderen zu Fall bringen können. Sie hatte das Gefühl, die Angreifer würden kein Ende nehmen. Wieder und wieder musste sie Lanzen abwehren und donnernden Hufen ausweichen. Allmählich ließen ihre Kräfte nach und der Staub raubte ihr das letzte bisschen Durchhaltevermögen, zumal ihr Körper durch die Strapazen der letzten Wochen eh gebeutelt war. Einem Schlag durch einen Ritter auf ihren Rücken brachte sie zu Fall, den sie gerade noch mit ihren Händen auf dem Boden abfangen konnte. Mit letzten Kraftreserven richtete sie sich wieder auf, um dem nächsten Angriff standzuhalten, als sie plötzlich unter den Armen gegriffen und hochgezogen wurde. Vollkommen überrascht und verwirrt, ließ sie es mit sich geschehen, dass sie Sekunden später auf dem Rücken eines dieser Pferde saß und samt Ross und Reiter durch das Getümmel galoppierte. Vor Angst, bloß nicht aus dem gestreckten Jagdgalopp herunter zufallen, klammerte sie sich panisch an ihrem Reiter fest. Wie lange sie so über die staubige Donnersteppe dahinflogen, wusste sie nicht. Erst als es in der Ferne heller wurde und auch sämtliche Verfolger abgeschüttelt waren, verfiel das Pferd in holprigen Trab und dann endlich in einen ruhigen Schritt. Tatsächlich hatten sie das Ende der Donnersteppe erreicht. Das Pferd begann nun, sich zu widersetzen. Es schien das Licht der Sonne nicht zu vertragen. Es stoppte, wollte rückwärts gehen und schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf so wild, als würde es von einem Schwarm Bienen angegriffen. Das Reiten machte nun keinen Sinn mehr, denn für das Tier schien die Helligkeit eine ernsthafte Qual zu sein. Der Staub und die Dunkelheit hatten die empfindlichen Augen geschädigt. Sie stoppen, stiegen ab, befreiten das Pferd von Trense und Sattel und entließen es in die Freiheit. Erst jetzt sah man in der aufsteigenden Helligkeit, dass es sicherlich ein hübsches Tier wäre mit seinem ungewöhnlich grau-weiß-gescheckten Fell, wenn es jemals Pflege und Zuwendung erhalten hätte. Sie sahen ihm nach, bis es in Staub und Dunkelheit verschwand. „Du hast mich schon wieder gerettet. Warum?“ murmelte Tashigi peinlich berührt. Verlegen starrte sie abwechselnd in die Ferne und dann wieder auf den Boden. Lange standen sie so nebeneinander und schwiegen. Sie hatte sich in ihren Mantel eingemummelt und die Hände in den weiten Taschen vergraben. Er stand wie gewöhnlich mit verschränkten Armen da und starrte in die gefährlichen Wolken. „Muss alles einen Grund haben?“ kam es nun doch nach einer halben Ewigkeit von Zoro. „Du weichst der Frage aus!“ „Vielleicht!“ „Darf ich dich was fragen?“ „Du machst es sowieso. Außerdem brauche ich ja nicht antworten.“ „Stimmt das, was Usopp so über dich erzählt hat und das du so ... anders bist?“ „Der erzählt viel, wenn der Tag lang ist! Was heißt „anders“?“ Die Angesprochene wusste nicht, wie sie es ihm erklären sollte, da sie einfach nicht die richtigen Worte fand, obwohl sie fest davon ausgehen konnte, dass er sie genau verstanden hatte. Verlegen starrte sie wieder auf den Boden. Er hatte sie aus den Augenwinkeln gemustert, wie da so stand, als wäre sie überflüssig. Sich nun ihr zugewandt sagte er: „Würde es denn jetzt etwas ändern an der ganzen Konstellation, wenn es so wäre?“ Sie schüttelte stumm den Kopf ohne aufzusehen. Nein, es würde nichts ändern. Hosted by Animexx e.V. 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