Globetrotter von -Soul_Diver- (Wir brauchen keine Chemie, keinen Kompass, keinen Reiseführer, keine Landkarte... und kein Viagra!) ================================================================================ Prolog: Dis-Sensio ------------------ Es war ein wunderbarer Dienstagmorgen in Uranoke Sho. Die Sonne ging langsam auf und warf ein warmes, in tausenden Facetten schimmerndes Glänzen auf das Meer und die Wellenkämme, die sanft an den unzähligen kleinen Sandbuchten und Anlegeplätzen am Hafen hochleckten, von denen das Morgenlicht abperlte wie Tropfen flüssigen Goldes. Es war angenehm warm, und eine milde Meeresbrise ließ die blühenden Bäume in der 'Stadt der tausend Seekristalle' leise murmeln. Obwohl es erst sechs Uhr am Morgen war, zeigte Uranoke Sho bereits alle Anzeichen einer geschäftigen Hafenstadt- sie vibrierte vor Leben. Vor allem am Pier und den Ankerplätzen herrschte schon überall emsiges Treiben- Schiffe, Frachter und Kutter liefen ein und aus, Händler brachten ihre Ware auf den Markt, fettwänstige Kaschmir-Gurus feilschten um die Preise, Arbeiter zäumten ihre Lasttiere auf, um die erstandenen Güter unbeschadet nach Hause zu bringen, vielzüngiges Geschwätz und Geplapper erfüllte in unzähligen verschiedenen Sprachen die Morgenluft wie lautstarke Musik, die man sogar noch bis in die direkt am Hafen anliegende Kisekino Umi-Allee hören konnte, 'das' Wahrzeichen für Uranoke Sho schlechthin, gleich nach der berühmten Hafenstraße. Tja. Wie gesagt- es hätte ein richtig unverschämt schöner Morgen sein können. Im Amt für Internationale Arbeitsvermittlung in besagter Kisekino Umi-Allee sah es jedoch vollkommen anders aus. "Waaas??!! Es hat sich immer noch niemand auf meine Anzeige gemeldet??", rief ich fassungslos aus und wirbelte mit gekonnt dramatischer Geste zum Meldeschalter herum, um der einzigen Angestellten, die hier gerade ihre Schicht zu schieben hatte, möglichst anklagend ins Gesicht zu sehen, "Dabei hängt die Anzeige doch schon seit fast einem Monat hier aus, ist es nicht so? Dann kann das doch gar nicht sein! Das-... das ist ja fast schon irreal!" Die leicht magersüchtig wirkende, offensichtlich sehr von meiner Gegenwart angeödete Schreibtischfurie blickte mich aus verständnislosen Schildkrötenaugen an und unterdrückte ein herzhaftes Gähnen. "So leid es mir tut, Herr de Flourite, es ist nun mal so, dass sich noch kein Interessent hier bei mir eingetragen hat! Wenn bis jetzt niemand auf Ihre Anzeige reagiert hat, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben! Wenn ich was dran ändern könnte, hätte ich's schon längst getan! Und jetzt gucken Sie mich um Gotteswillen nicht so an, als hätte ich Ihr Seelenheil verschuldet! Kommen Sie doch einfach morgen wieder, vielleicht hat sich bis dahin jemand gemeldet!" Die Sitzung schien beendet. Ich stand da wie ein fehlgeleiteter Stalaktit, während die Spottdrossel ein wenig in den Schubladen ihres Schreibtischs herumkramte und eine zerknitterte Frauenzeitschrift zutage förderte, auf deren Titelblatt ein lächelndes Bikinigirl und die fette Überschrift Ihr erster Sex mit dem Traumtypen- so kriegen Sie ihn! zu sehen war. Ich konnte nur noch blinzeln. "Ja, aber-... ja aber, ich-..." Die Schreibtischfurie seufzte unwillig. "Herr de Flourite, bitte! Das hier ist das Amt für Internationale Arbeitsvermittlung, und kein Bedürftigenheim! Ich komme mir langsam vor wie ein Tonband, das einer Stelle hängengeblieben ist und sich jetzt ständig wiederholt! Wenn bis jetzt kein Interessent auf Ihre Anzeige reagiert hat, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben!" Ich fühlte mich unter dem barschen Tonfall dieser Vogelscheuche allmählich schlapp wie ein matschiger Teebeutel, sodass ich mich mit einem theatralischen Seufzer auf den Stuhl vor dem Schalter sinken ließ. "Hach, meine Teuerste, ich weiß einfach nicht, woran es liegt! Was mach ich denn bloß falsch?", seufzte ich melancholisch und versuchte es auf die alte 'Wehmütiger Italiener'-Masche, "Fehlt meiner Anzeige womöglich irgendetwas? Ist sie vielleicht nicht zwischenmenschlich genug? Hat sie die falsche Farbe? Drücke ich mich nicht seriös genug aus? Ich bin doch nur ein armer kleiner Auftragsarzt, der einen tapferen Mann dafür entlohnen will, dass er mir auf meinen langen, harten Reisen über den Globus alles Böse von der Wäsche hält-... das ist Opernstoff, das fährt mir ins Herz wie Grießbrei, glauben Sie mir!" Die Vogelscheuche musterte mich skeptisch. "So?" "Jawohl!", bekräftigte ich und schlug mir kriegerisch auf die Brust, "Ich bin gerade erst gestern von einer höchst gefährlichen Mission im Dschungel von N'Galia zurückgekommen, und ich war von Giftpfeilen durchbohrt, von Moskitos zerstochen, von allerhand gefährlichem Gewürm fast zu Brei zerquetscht, dreimal bei lebendigem Leib gefressen und wieder ausgespuckt, und da dachte ich mir, Fye, dachte ich, wieso schaffst du dir nicht langsam mal--... ..." Ich hielt verwundert inne, als ich bemerkte, dass das Gesicht der Vogelscheuche während meiner Suada allmählich einen ziemlich ungesund wirkenden Grünton angenommen hatte. Ach so. Eine der ganz spillerigen Sorte also. Schließlich griff sie mit trockener Miene in die Schublade ihres Schreibtischs und hielt mir einen Wisch unter die Nase. Leibwächter und Reisebegleiter gesucht!! Ich bin ein momentan mittelloser Auftragsarzt und suche dringnd. berufssoliden Leibwächter für praxisbedgt. Reisen, er sollte mögl. auch selbst Reiseerfahrung besitzen u. über weite Strecken über Land zu trampen bereit sein. Bezahlung nach Absprache. Bei Interesse bitte schriftl. reagieren oder melden bei FYE DE FLOURITE, momentan wohnhaft in: Hotel Grande Hafenstraße 31 Uranoke Sho "Das hier", sagte sie, "Haben Sie getan. Und mehr können Sie vorläufig nicht tun. Also!" Stille. Ich starrte die Vogelscheuche an. "Also?", fragte ich. "Also!", gab sie nur barsch zur Antwort, schlug ihre Frauenzeitschrift auf und ignorierte mich. Ich ließ meine Schultern schicksalsergeben heruntersacken und entschied mich für das einzig Sinnvolle: den Rückzug. Für die Schreibtischfurie war ich ja jetzt offiziell nicht mehr vorhanden, also dann eben zurück ins Hotel. Hoffentlich würde ich wenigstens keinen Auftrag bekommen, solange ich noch keinen Reisebegleiter hatte! Wahrscheinlich, so versicherte ich mir kopfschüttelnd, als ich auf die Straße trat und die sanft von der Sonne gestreichelte Allee hinunterstolperte, konnte ich auch noch bis zum Sankt Nimmerleins-Tag weiterwarten. Du bist ein Auftragsarzt, der weder Geld noch Hirn hat, seine Medizin auf dubiose Weise besorgt und jedes Mal mehr tot als lebendig von seinen Missionen zurückkommt. Nun völlig von meinem anfänglichen Optimismus entzweit stieß ich einen tiefen, tiefen Seufzer aus. Welcher hirnverbrannte Kerl würde sich bloß für diesen Knochenjob melden? Ich betrat das Amt für „Internationale Arbeitsvermittlung“. Warum war es heutzutage so verflucht schwer, einen vernünftigen Job zu bekommen? Mein letzter hatte mir eigentlich recht gut gefallen – aber wieso musste die Firma auch pleite gehen und alle entlassen? Ich hatte auch wirklich Pech in letzter Zeit... Ich überflog die Anzeigen. Immer nur dasselbe... Gärtner, nein danke; Kassierer, sicher nicht; Leibwache und Reisebegleiter, das auch noch; Kellner – Moment. Mein Blick schwenkte zurück auf die letzte Anzeige. Die war neu – okay, ganz so neu nicht mehr...vom letzten Monat – sagte zumindest das Datum. Kein Wunder, dass die komische Hupfdohle am Auskunftschalter das Teil erst jetzt hier dran gepappt hatte... Gestern war es noch nicht hier gewesen. Leibwächter und Reisebegleiter gesucht!! Ich bin ein momentan mittelloser Auftragsarzt und suche dringnd. berufssoliden Leibwächter für praxisbedgt. Reisen, er sollte mögl. auch selbst Reiseerfahrung besitzen u. über weite Strecken über Land zu trampen bereit sein. Bezahlung nach Absprache. Bei Interesse bitte schriftl. reagieren oder melden bei FYE DE FLOURITE, momentan wohnhaft in: Hotel Grande Hafenstraße 31 Uranoke Sho Das klang doch mal nicht schlecht. Zumindest nicht so langweilig wie alles andere. Und außerdem konnte man die Bezahlung aushandeln. Ich hatte zwar keine Ahnung von Medizin, aber davon war ja auch nicht die Rede. Aufgabe war anscheinend bloß, mitzureisen und aufzupassen, dass diesem Arzt nichts passierte. Sicher ein alter seniler Knacker, der typische liebe Onkel Doktor, der nichts mehr alleine geregelt bekam. Und was für ein Name... Fye de Flourite. Das konnte ich ja kaum aussprechen. Schien ein älterer Name zu sein. Allerdings fragte ich mich, weshalb er einen Leibwächter brauchte... Dieser Job klang nach einem Kinderspiel – noch dazu in alle Teile der Welt reisen. Ich wollte zwar nicht unbedingt hier weg, doch ich konnte ja jederzeit wieder hierher zurück kommen. Also warum nicht? Scheinbar war diese Reise sogar umsonst, oder noch besser – ich wurde obendrein dafür bezahlt. Ich riss den Zettel ab und steckte ihn ein. Dann wollen wir dem Doktor doch mal einen Besuch abstatten. Die Adresse war eigentlich auch nicht weit von hier – allerdings schien der Kerl wirklich mittellos zu sein, denn es war die Adresse eines Hotels, eines der billigeren Sorte. Ich machte mich auf den Weg dorthin. Das Hotel lag mitten in der Hafenstraße und eigentlich sah es aus wie alle Häuser hier auch, nur dass 'Hotel' dranstand. Ich kam öfter daran vorbei, wenn ich auf dem Weg zum Hafen war. Und das war beinahe täglich. Zeit genug hab ich ja, dachte ich sarkastisch. Allerdings mochte ich das Meer und vom Hafen aus kam man auch recht schnell an einen abgelegenen Strand mit beeindruckendem Ausblick. Und vor allem hatte man dort seine Ruhe – keine Rentner oder nervige Blagen samt hysterischen Müttern und genervten Vätern, die einem am Strand keine Ruhe ließen. Ich nutzte diesen Ort für mein Training – das schien sich ja jetzt endlich bezahlt zu machen. Von wegen, man konnte keine vier Kampfsportarten gebrauchen... Während mir das ganze durch den Kopf ging, führten mich meine Schritte fast automatisch durch das belebte Straßengewirr und schließlich in die Hafenstraße, die direkt auf das Meer zuging. Doch soweit musste ich nicht mehr. Die angegebene Adresse fand sich ungefähr in der Mitte der Hafenstraße wieder und so dauerte es auch kaum zehn Minuten, bis ich die belebte Straße durchquert hatte und vor dem Hotel stand. Ich betrat das Gebäude und hielt zielstrebig auf die Rezeption zu. Niemand zu sehen, war ja klar. Ungeduldig tippte ich auf die Klingel. Keine Reaktion. Also klingelte ich noch einmal. Und dann wieder. Bis mir ein schlechtgelaunter Portier die Klingel entriss. "Sie funktioniert, falls Sie das festgestellt haben", meinte er missgelaunt. "Was denn?" "Fye De Flourite. Zimmernummer?", blaffte ich zurück. Ich konnte schließlich nichts für seine schlechte Laune... "Fünfzehn", sagte er und warf einen Blick hinter sich. "Müsste auch da sein. Ich melde Sie an", fügte er hinzu. "Nicht nötig, find ich auch allein.“ Damit ließ ich den Portier an seiner Rezeption stehen und stapfte die Treppe hoch in den ersten Stock – ohne auf die Einwände, dass ich doch nicht einfach so hierherum spazieren konnte wie ich wollte, zu achten. Vor Zimmer Nummer fünfzehn blieb ich stehen und klopfte an. Hoffentlich war der Kerl nicht auch noch taub und ich stand hier ewig vor der Tür... Doch überraschenderweise wurde die Tür fast gleich nach meinem Klopfen stürmisch aufgerissen und ein hochgewachsener Blondling mit eisblauen Augen und einem breiten Grinsen auf dem Gesicht strahlte mich an wie eine Supernova. Hatte ich mich in der Tür geirrt? Oder war das ein anderer Bewerber...? Doch ich konnte bei einem kurzen Blick über dessen Schulter niemand anderen im Zimmer sehen. "Fye... de Flourite?", fragte ich etwas verdattert. "Jawollja!", trällerte ich euphorisch zurück und salutierte geckenhaft- allerdings erst, nachdem ich es geschafft hatte, die großzügige Portion an Verwirrung runterzuschlucken, die bis eben noch meinen Hals verklumpt hatte. Du lieber Schreck! Godzilla in Menschengestalt! Hier vor meiner Tür! Okay, Fye, kein Grund zur Beunruhigung, bleib ganz locker. Frag ihn einfach, warum er hier ist und vor allem, warum er dich anstarrt, als wärst du eine bösartige Krebsgeschwulst auf dem sakralen Arsch eines Monsungottes. "SIE sind Fye de Flourite?!!", stieß dieser seltsame schwarzhaarige Kerl fassungslos hervor, anscheinend konnte er es einfach nicht fassen, dass sich solch eine strahlende Erscheinung wie ich hinter diesem altbackenen Namen verbarg. Hatte er sich etwa einen senilen alten Opi vorgestellt? Diese Kunstbanausen! "Ganz genau der bin ich! Kann ich Ihnen helfen? Worum geht es denn?", fuhr ich schließlich verbindlich fort und zauberte mein bewährtes Hallo Fremder, du Freund oder Feind? -Lächeln aus meinem facettenreichen Lächelrepertoire hervor, um mir schon mal eine geringfügige Überlebenschance zu sichern. Bis es plötzlich Klick machte. Kommt der etwa wegen der--... "Ich-... ohhh, OOOOOH, halt, warten Sie!!", rief ich sofort und fuchtelte hastig mit den Händen in der Luft herum, sodass der schwarzhaarige Fremdling entgeistert zurückzuckte, "Sie sind doch nicht etwa-... ooooooooh!!!" "Nein, ich bin nicht Gott", gab er trocken zurück, "Ich werde das ständig gefragt, aber eigentlich bin ich ja wegen Ihrer Anzeige gekommen, doch jetzt sehe ich, dass die Umstände für mich alles andere als ang-..." "Halt, halt, halt!", fuhr ich dazwischen, "Jetzt quatschen Sie doch nicht so viel! Sie sind wirklich wegen meiner Anzeige gekommen? Der Anzeige für einen Reisebegleiter? D-das ist ja phänomenal! Wissen Sie, ich warte jetzt schon seit fast einem Monat, und meine Missionen sind immer so gefährlich und kostenreich, naja, eigentlich bin ich ja mittellos, um ehrlich zu sein, aber das habe ich ja schon in der Anzeige schrieben, obwohl, ich hab genau genommen lange gezögert, ob ich das auch hinschreiben soll, wissen Sie, aber im Endeffekt kostet es ja nichts, die Wahrheit zu sagen, theoretisch gesehen müssten Sie mir nur ein paar Fragen beantworten, wir führen sozusagen ein Vorstellungsgespräch, dann erklär ich Ihnen wie's läuft, und dann- ach ja, hab ich ja fast vergessen, hatten Sie früher auch schon Jobs wie diesen hier, arbeiten Sie schon länger im Leibwächtergewerbe, wenn ja, wie lange, können Sie Ihr Gewissen wirklich mit den Bedingungen vereinbaren, wie heißen Sie und wo wohnen Sie?" Stille. Meine ganze Herzlichkeit schien offenbar im Nichts zu verpuffen, während mich der Kerl nur resigniert anstarrte. "Ich quatsche also viel?", erkundigte er sich schließlich lahm und sah mich an wie ein besonders ekliges Ekzem. Ich blinzelte. "Ääh, ja also, ich wollte Sie nicht beleidigen, wenn Sie das meinen! Ich kann das gut verkraften, wenn Sie einer der gesprächigeren Sorte sind! Quatschköpfe steck ich doch doppelt und dreifach in die Tasche! Wenn da so ein Kerl blöd vor mir rumsteht und einfach nicht die Klappe halten kann und soviel überflüssiges Zeug rausquatscht, bis man ihm nur noch die Zunge rausreißen will, dann bleib ich immer ganz, wie sagt man doch gleich? Dann bleib ich ganz... gechillt und duftig ." Der Schwarzkopf schlug sich mit einem enervierten Ächzen die Hand vor die Stirn. "Ohh ja, natürlich, ist ja ganz interessant-... wissen Sie was? Geben Sie mir einfach diesen verdammten Job und ich quatsche Sie nie wieder voll, damit Sie sich nicht aufregen müssen, Mister Doktor Fye de Flourite." "Sagen wir, Ihnen zuliebe werde ich noch einmal über Ihren unerhörten Redeschwall hinwegsehen", räumte ich mit einem großzügigen Glück gehabt -Lächeln ein, denn ich wollte ihn nicht schon gleich am Anfang zum Teufel jagen. Ich meine, hallo? Dieser Typ schien mir kerngesund, hatte dazu noch Muskeln wie zehn Zuchtbullen, was mir schutztechnisch gesehen sicher einen gewissen Vorteil bringen würde, und, um den Hauptpunkt zu nennen, war er mein erster und wohl auch einziger Bewerber. Jetzt war Fingerspitzengefühl gefragt. "Sagen Sie mir einfach, was ich wissen muss", brummte der Schwarzhaarige soeben, wohl aus unerfindlichen Gründen am Ende seiner Nerven, "Und dann basta schluss aus." "Ja, in Ordnung, gern, aber wollen Sie nicht reinkommen?" "Nein." "Also gut, ich hab ja nur gefragt, na jedenfalls müssen Sie wissen, wie man einen relativ kampfunerfahrenen Arzt beschützt, ich bin nämlich kein logierender Mediziner, sondern quasi ein Wanderarzt, also einer, den man zu sich rufen kann, wenn's denn ein Problem gibt, und nach den letzten Malen war ich so erledigt, dass ich auf keinen Fall mehr allein reisen will, beispielsweise bin ich gerade erst gestern von einer höchst gefährlichen Mission im Dschungel von N'Galia zurückgekommen, und ich war von Giftpfeilen durchbohrt, von Moskitos zerstochen, von allerhand gefährlichem Gewürm fast zu Brei zerquetscht, dreimal bei lebendigem Leib gefressen und wieder ausgespuckt, und da dachte ich mir, wieso sich nicht mal einen Leibwächter ranschaffen? Was die Medizin anbelangt, die ich benutze, ja also, ich besorge sie nicht direkt auf illegale Weise, aber so hundertprozentig wirklich legal ist sie auch nicht wirklich, ich will ja ehrlich sein, aber keine Sorge, ich erklär's Ihnen noch, es ist nicht verboten, nicht richtig jedenfalls-..." Der Kerl starrte von Sekunde zu Sekunde gereizter. Während ich weiterredete, bemerkte ich verwundert, wie eine Ader auf seiner Stirn zu pochen begann. "... aber ich bin sicher, es wird Ihnen genehm sein, sooo unmenschlich sind die Bedingungen ja nun auch wieder nicht, es ist eben gefährlich, wenn man in die schwierigeren Gebiete kommt, die schwerer zu durchqueren sind, denn meistens fehlt mir das Geld für Transportgelegenheiten, ach ja, und wenn wir schon beim Thema Geld sind, wieviel Geld wollen Sie eigentlich für Ihren Job, das heißt, jedes Gehalt kann ich Ihnen nicht auszahlen, ich bin schließlich kein Krö-..." "AAAARRRGH!!!" Ich hielt mitten in meinen Erklärungen inne, als ich plötzlich durch einen lauten Wutschrei unterbrochen wurde und fassungslos registrieren musste, wie der Schwarzhaarige doch tatsächlich kehrtmachte und abhaute-... ja, in der Tat, er haute ab! Mit Schritten, die jedem Kingkong imponiert hätten, stampfte er den Korridor hinunter, allen Anscheins nach Richtung Treppe. Mein einziger Bewerber!! "He-... HE!" "WEICHE, SATAN!!" "Haaaaaaaaaaaaaaalt!!", rief ich entgeistert und stürzte sofort hinter dem Schwarzkopf her, "Bleiben Sie doch stehen, um Gotteswillen, was soll denn das??" "Was das soll?! Ich habe es mir anders überlegt!", knurrte ich zurück, ohne mich umzudrehen und stürmte den Gang herunter. Kein Wunder, der laberte einen ja fast zu Tode. Zur Hölle, das war doch nicht normal. Auch als er sich an meinen Arm hängte, um mich anscheinend zu zwingen anzuhalten, schleifte ich ihn einfach mit. "Hyuu! Also, stark sind Sie ja wirklich!", tönte es begeistert. "Aber wieso wollen Sie denn nicht mehr?" Das klang nicht mehr so begeistert, sondern enttäuscht. "Weil Sie mir jetzt schon auf die Nerven gehen!" Niemals würde ich es länger mit ihm aushalten. Wie war ich bloß auf diese absurde Idee gekommen, mich für diesen Job zu bewerben? Ach ja. Der Name... woher her sollte man da auch wissen, dass hinter diesem nicht etwa ein alter, seniler Onkel steckte, sondern ein komischer, pseudogrinsender, hyperaktiver und absolut nervtötender Blondling?! "He! Das ist aber unhöflich!", protestierte er. "Na und? Das ist nun mal die Wahrheit!", fauchte ich zurück. "Und jetzt lassen Sie mich gefälligst los, verdammt noch mal." Inzwischen war ich am obersten Treppenabsatz angelangt und stehen geblieben. Den – immer noch grinsenden – an mir hängenden Blonden spießte ich mit einem mehr als missgelaunten Blick auf. Jeder andere – so hatte zumindest die Erfahrung gezeigt – wäre schier gestorben, doch bei ihm beschränkte sich die Reaktion erstaunlicherweise darin, dass er kurz verblüfft schien, dann sein Grinsen wieder breiter wurde und ich ihn wohl auch noch bestärkt zu haben, mich jetzt auf keinen Fall gehen zu lassen. Deshalb versuchte ich ihn abzuschütteln, denn dummerweise war das Treppenhaus sehr eng und so fielen wir allenfalls herunter – und darauf hatte ich nun wirklich keine Lust. "Loslassen", blaffte ich ihn an. Das tat er dann zwar, stellte sich mir aber in den Weg. "Aber...Sie können doch jetzt nicht einfach gehen!" Es klang regelrecht ensetzt. "Ach, und warum nicht?", fragte ich zynisch. "Weil Sie der einzige Bewerber sind!", verkündete er. "Na und? Ist Ihr Problem und nicht meines." Den Blick den er aufsetzte würde einen Dackel wahrscheinlich neidisch machen, aber damit war er bei mir an der falschen Adresse. "Gehen Sie aus dem Weg", sagte ich genervt. Oder legte er es wirklich darauf an, dass ich ihn womöglich die Treppe herunterstieß oder an die Wand knallte? Allen Grund und auch Motivation hatte ich ja dazu. Auch hätte ich - falls er bei dieser Aktion draufgehen sollte - nicht unbedingt ein Problem damit. Und außerdem: So viel Geld konnte er mir gar nicht bezahlen, dass ich blieb und ihn aushalten musste. Soviel existierte nicht einmal! Und anscheinend war Leibwächter noch untertrieben... Schutzschild passte da wohl eher, nein danke, nicht mit mir. Und schon gar nicht für diesen Idioten. Ich unterbrach meine Gedanken, weil er immer noch vor mir stand und mich anglotzte als wäre ich ein Außerirdischer oder so. "Wird's bald?", fauchte ich drohend. "Was wird bald was?", fragte ich irritiert zurück. "Lassen Sie mich vorbei, oder es setzt was!", war die geknurrte Antwort, untermalt mit einer ganzen Kaskade ungnädiger Blicke. "Ja, ja-... ja wollen Sie den Job denn nicht?" "NAIEN!! Ich würde mir eher das Rückgrat rausreißen, auf den nächsten Ankerplatz gehen und mit dem erstbesten Trottel Tauziehen damit machen, als bei Ihnen zu arbeiten, Mister!" Ich bekam den Mund nur schwerlich wieder zu. Ein Kerl, der sich in solch farbenfrohen Metaphern ausdrückte, würde bei der Durchführung derselben sicher nicht lange zaudern. "Ja, aber, das tut doch weh!", versuchte ich es schließlich und intonierte mein demütigstes Bitte nicht schlagen -Lächeln, "Kommen Sie schon, ich sehe es Ihnen förmlich an, Sie wollen diesen Job! Sie wollen ihn so sehr, wie ein Hautpilz die Körperflüssigkeit seines Wirts will!" Die Nase des Schwarzhaarigen zuckte. "Sie vergleichen mich also mit einem Hautpilz." "Um Himmelswillen, nein! Sie sind mit Sicherheit ein wenig intelligenter als ein Hautpilz, aber ein Hautpilz ist zumindest so kompromissbereit und lässt sich auskurieren, ohne lange einen auf Oberkotz zu machen!" "ICH BIN KEIN OBERKOTZ!!" Ich packte die Chance beim Schopf und piekte dem Ungeheuer herausfordernd vor die Brust. "Oh doch, sind Sie, aber wissen Sie was? Ich kann auch ein Oberkotz sein, ein so fürchterlicher Oberkotz, dass es mich direkt selbst ankotzt! Ich wette beim Augenlicht meiner Großmutter, dass ich tausendmal oberkotziger bin als Sie!" Das wirkte. Offenbar konnte man diesen Typen mühelos bei seinem Stolz packen. "Was?!! Auf keinen Fall!!" "Dohoooch", reizte ich ihn immer weiter und lächelte mein frechstes Ätsche bätsche ätsch -Lächeln, "Und weil ich tausendmal oberkotziger bin, sage ich: ich werde jetzt so lange auf dieser Treppe stehenbleiben und Sie nicht durchlassen, bis Sie den Job annehmen!" Der Schwarzhaarige stieß ein Grollen aus. "Ach ja?!! Dann murks ich Sie einfach ab!!" "Dann freuen Sie sich schon mal auf den wunderbaren Tod durch stundenlange, multikulturell sadistisch untermalte Folter, die Sie von all meinen Kunden erwartet, die mich noch gebraucht hätten." Ich knallte ihm diese Lüge knüppeldick ins Gesicht, doch er schien es erstaunlicherweise zu schlucken und starrte mich entgeistert an. Um meinen Vorteil gleich weiter auszubauen, stellte ich mich auf der engen Treppe in Position wie ein Sumoringer. "Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie gewinnen werden!", fauchte er sofort. "Oh doch, das glaube ich! Ich oder Sie!", gab ich nur grinsend zurück. Der Kerl starrte mich nur noch für einige Sekunden mit einem fürchterlichen Blick an, bevor er sich auch bereitmachte. "Also schön! Sie wollten es so. Sie oder ich." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)