The waves of time von MorgainePendragon (Eine Geschichte von Liebe, Schmerz und Tod. Und von Wiedergeburt…) ================================================================================ Kapitel 13: - Epilog - ---------------------- Die Welt ist wunderschön. Ja wirklich, das ist sie. Sie ist wahrscheinlich niemals schöner gewesen als an diesem Wintermorgen, der hell und klar heraufdämmert und einen wunderschönen Sonnenaufgang verspricht. Tief unter mir rauscht die See, wild und ungezügelt. Frei. Seit Urzeiten rollen die Wellen gegen die hohen Felsen der walisischen Felsenküste an. Unentwegt und unablässig wie die Zeit selbst, obwohl sie das Land nicht verschlingen können. Nicht in diesem Leben. Und auch nicht in tausend kommenden. Der Wind spielt mit meinem langen, offenen Haar. Ich stehe im Schnee, der das ganze Land wie eine sanfte, ruhige Decke verhüllt und jeden Laut außer dem Dröhnen und Tosen tief unter mir verschlingt. Mir ist nicht kalt. Ich fühle nichts. Gar nichts mehr. Die Welt ist tot. Mein Herz ist tot. Das Atmen tut weh. Ich bin mir jedes einzelnen Atemzugs schmerzlich bewusst. Weißer Raureif steigt vor meinen Augen empor, ein weiteres Anzeichen, dass ich noch lebe. Warum? Oh ja, die Welt ist wunderschön. Sie hat mir unglaubliche, wundervolle, unvergessliche Dinge gezeigt. Sie tat mir weh, diese Welt, aber sie gab mir auch das Gefühl zu leben, für etwas oder jemanden zu leben. Das war immer so gewesen. Seltsam, dass es jetzt nicht mehr möglich war zurückzukehren. Nicht für mich. Und nicht in diesem Leben. Die Wellen rauschen. Die Erde zittert ganz leicht unter meinen Füßen. Schöne Welt. Ja. Blendend geht die rote Sonne am Horizont auf, taucht das Meer in einen goldenen, warmen Schimmer. Geblendet schließe ich die Augen. Natürlich, da gab es Menschen, die mir etwas bedeuteten. Die mich jedoch nie verstehen würden. Egal was ich ihnen erzählen würde. Meine Schwester. Meine geliebte Schwester. Glaub ja nicht, dass ich nicht mitbekomme was dich zur Zeit beschäftigt, sagte sie letztens noch am Telefon zu mir. Und doch hatte ich nie das Gefühl ihr die ganze Bandbreite, die ganze Tragweite meiner Gefühle deutlich machen zu können. Das war einfach nicht möglich. Niemand konnte das verstehen. Ich selbst ja auch nicht wirklich. Es war einfach passiert. Die Gefühle waren einfach… da. Da kommt ein wundervoller Mensch in dein Leben, denkt was du denkst, fühlt was du fühlst, nimmt dir Angst und Hemmungen, gibt dir Kraft allein dadurch dass es ihn gibt, gibt dir ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit, ja sogar der Vertrautheit, das man nie bei einem anderen Menschen vorher gefunden hat. Diese Tatsache schlägt in deinem Leben ein wie ein Meteor, der zu Erde fällt und alles in Brand setzt, heiß, alles verzehrend, alles verändernd… Meine Liebe war zu groß gewesen. Ich hatte einen großen Fehler begangen. Und ich würde ihn immer wieder begehen, wenn ich noch einmal die Wahl hätte. Ich hatte mein Herz komplett aufgegeben, es ihm geschenkt und er hatte es mitgenommen. Mein kleines, zerstörtes Herz. Er hatte es in seinen kalten, toten Händen gehalten, als ich ihn auf jener Lichtung im Wald verließ. Ich hatte es ihm gegeben. Und nichts für mich behalten. Und jetzt war mein Leben zu Ende. Denn ohne mein Herz konnte ich nicht leben. Schöne Welt… Oh ja, wunderschöne, unbarmherzige, kalte, blendende Welt. So blendend schön, dass man nicht hinsehen kann. So schön und furchtbar und unerbittlich wie der kalte Wintermorgen. Ich bin schwach. Ich habe nicht die Kraft weiterzukämpfen. Die Zeit, als ich es allein gekonnt hatte, ist vorbei. Unwiderruflich, seit jenem Moment, als er mir in die Augen gesehen hatte. Mein Atem hatte gestockt, mein Herz war stehen geblieben – im Moment unseres ersten Zusammentreffens, wie auch im Moment seines Todes. Er hatte mich allein gelassen. Ich hatte ihn getötet… Nichts wiegt schwerer als diese Bürde. Ich hatte ihm ein Leid zugefügt. Ich hatte ihm weh getan. Dem Menschen, den ich auf der Welt am meisten liebte. Da halfen keine beschönigenden Worte. Es waren MEINE Hände gewesen, die ihm den Dolch in den Leib gestoßen hatten. Es ist SEIN Blut, das an meiner Kleidung haftet. Ich schaue auf meine Armbanduhr. Nicht das Zeit noch irgendeine Bedeutung hat. Aber ohne Überraschung stelle ich fest, dass die Zeiger unter dem blutverkrusteten Glas still stehen. Es ist vorbei. Liebster, ich habe nicht die Kraft deine Narbe allein zu tragen. Ich habe nicht deine Kraft, verzeih mir, bitte vergib mir. Ich kann nicht ohne dich sein. Ich will es nicht… Tränen, die ich längst vergossen geglaubt hatte, treten aus meinen Augen und laufen über meine Wangen, gefrieren im eisigen Wind, fangen das goldene Morgenlicht ein. In meiner anderen Hand halte ich den Dolch. Ich werde die letzte Reise antreten. Jene, vor der alle Menschen Angst haben. Ich habe auch Angst. Angst vor dem Sterben. Aber nicht vor dem Tod. Ich weiß, dass ich dort, wo ich hingehe nicht allein sein werde. Das größte Geschenk der Welt ist das Leben. Ich will es nicht mehr. Schwach und töricht bin ich und ich weiß dies, unendlich schwach und töricht. Aber es ist mir gleich. Alles ist mir gleich. Nichts ist mehr wichtig. Schöne Welt, ich werde nun gehen. Für mich ist der Vorhang bereits gefallen. Vielleicht ist es mir vergönnt eines Tages wiederzukehren. Und dann… mein Liebster… DANN werden wir vielleicht die Chance haben gemeinsam dieses Leben zu verbringen und uns niemals trennen müssen. Ich werde dich immer lieben, bis ans Ende aller Zeiten. Ich werde nicht bereuen, dass ich dir mein Herz gegeben habe. Denn die wenigen Tage die wir hatten, haben mir so viel gegeben. So unendlich viel. Ich will nicht auf dich verzichten, Liebster. Mein geliebter Kenshin. Du wurdest mir gegeben und gleich wieder genommen. Ich ertrage das einfach nicht. Lauf nicht davon… Stell dich deinen Erinnerungen, Dingen, die dich ängstigen, verfolgen und quälen… Ich sehe ihn vor mir. Er sagt es mit dem ruhigen, unerschütterlichen Ernst, der ihm zu Eigen war. Und dann legt er den Kopf zur Seite. Er lacht… Es ist dieses Lachen, die Erinnerung an dieses Lachen, die mich umbringt. Jede Sekunde, in jeder Stunde seit seinem Tod. Es tut so weh. So unendlich weh… Verzeih mir, mein Liebster. Ich laufe davon. Ich stelle mich nicht, ich bin schwach. Jetzt und hier habe ich keine Kraft mehr. Nicht für mich, nicht für diese schöne Welt, nicht für irgendjemanden. Verzeih mir. Bitte.. Ich weine. Es wird dunkel um mich, als ich die Augen schließe. Ich sehe Tomoe. Sie lächelt mich an. Ich sehe Kaoru. Sie streckt mir die Hand entgegen. In ihren Augen lese ich nur Verständnis. Und ich sehe ihn… Kenshin. Er lächelt nicht. Er empfindet keinen Schmerz mehr. Es ist einfach nur da. Er sieht mich an. Wunderschön. Mit vorwurfsvollem Blick. Resigniert. Eine einzelne Träne löst sich aus seinem Augenwinkel. Er weiß, dass er mich nicht aufhalten kann, dass er der Grund ist, aus dem ich gehen will. Ich sehe sie fallen, seine Träne. Sie fängt das Licht der Sonne ein, ebenso wie es meine taten. Doch im Gegensatz zu meinen eigenen gefriert seine Träne nicht. Denn dort.. wo er ist… existieren weder Kälte, noch Angst. Vergib mir… Kenshin. Aber nimm mich mit. Geh nicht ohne mich. Geh nicht dorthin, wohin ich dir nicht folgen kann. Ich bitte dich. Ich krümme mich vor Schmerz auf jener Klippe im Schnee, so hoch oben über den ewigen Wellen des Meeres. Jetzt hebt er die Hände. Streckt die Arme nach mir aus. Trauer in seinen Augen. Und ich weiß, dass ich es bin, die ihm erneut Schmerz zufügt, indem ich das Leben wegwerfe, das so kostbar ist. Vielleicht bin ich dazu geboren worden dir Schmerz zuzufügen, Liebster. Ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich egoistisch, mein Leben aufzugeben, um bei dir zu sein. Auch das weiß ich nicht. Doch so wie ich dir dein Leben nahm, so werde ich nun auch meines nehmen. Schöne Welt… Alles unwichtig. Alles dunkel ohne dich. Ich sehe dich und du hältst mein Herz in deinen Händen. Ich sehe dich und du öffnest deine Arme. Ich sehe in deine Augen und sehe unsterbliche Liebe. Alles Schmerz, alles Trauer? Nein. Jetzt nicht mehr. Ich stehe auf, meine Finger umfassen den Dolch fester. Ich tue meinen letzten Schritt. Und breite die Arme aus. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Für dich. Ich liebe dich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)