Raziels erste Liebe von Mephiles (oder: kann ein Vampir überhaupt lieben?) ================================================================================ Kapitel 3: Marie's neues Zuhause -------------------------------- Raziel indes ist am Hinrichtungsort angelangt. Marie ist immer noch an die Guillotine gefesselt. Sie schläft, doch Raziel kann im fahlen Mondlicht erkennen, das sie geweint hat. Er befreit sie von ihren Fesseln, nimmt sie vorsichtig in seine Klauen, damit er sie nicht unsanft weckt und breitet seine fledermausartigen Schwingen aus, um mit Marie in seinen Clan zu fliegen. Dort legt er Marie auf seinen vorher mit einer weichen Decke gepolsterten, geschlossenen Sarg und wartet geduldig und voller Hoffnung darauf, dass sie bald aufwacht. Raziels Sprösslinge beäugen sie neugierig mit hungrig funkelnden Augen. "Lasst sie in Ruhe! Das Mädchen wird nicht angerührt, sonst wartet der Vortex auf euch! Verstanden?! Das Menschenkind gehört mir!" zischt Raziel seine Kinder wütend an, und diese weichen erschrocken zurück. So wütend haben sie ihren Schöpfer schon lange nicht mehr erlebt. Schließlich droht er ihnen bei Ungehorsam doch sonst nicht mit dem See der toten Seelen, der Hinrichtungsart der Vampire, zwei gewaltigen Klippen mit einem noch gewaltigerem Wasserstrudel in deren Mitte. "Master, entschuldigt die Frage: Wollt ihr sie zu einer von uns machen oder warum schützt ihr sie vor uns?" fragt ein Razielim schüchtern. "Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich werde ich sie nicht umwandeln. Zumindest nicht, wenn sie es nicht will." anwortet Raziel ruhig. Dann schaut er besorgt auf Marie. Endlich öffnet sie langsam die Augen. "Raziel? Wo... bin ich? "Marie schaut sich entgeistert um. Doch dann jubelt sie nur fröhlich: "Raziel! Wir leben! Deine Artgenossen, sie haben uns gerettet! Wir leben!" Marie sieht sich genauer um, entdeckt die neugierigen Razielim und schaut sie verwirrt an. Dann blickt sie verwirrt und etwas besorgt zu Raziel. Der lächelt und sagt: "Na, wie gefällt dir dein neues Zuhause, Marie? Und Geschwister hast nun auch. Und zwar in Hülle und Fülle." Dabei lässt er seinen Blick mit einer einladenden Handbewegung über die Landschaft schweifen. "Meine Heimat?" - "Ja, Marie. Du hast mir doch im Kerker erzählt, das du eine Waise bist und deine Eltern von Vampiren getötet wurden. Tja, und da habe ich mir gedacht, warum denn nicht? Ein Vampir, der ein Menschenkind adoptiert, ist schließlich nichts Alltägliches." - "Oh, Raziel..." Marie fällt Raziel vor Freude schluchzend an den Hals. "Aber... ist das auch in Ordnung? Ich meine, ich bin doch kein Vampir..." Marie schaut sich die Razielim besorgt an, als ob sie fürchtet, dass sie sie angreifen und töten könnten, sollte Raziel einmal nicht in ihrer Nähe sein... "Das lässt sich ändern, wenn du willst." sagt Raziel. Doch traurige Bitterkeit untermalt sein Angebot. "Du meinst... du... würdest mich... wirklich..." - "Wenn es dir nichts ausmacht, dich Tag für Tag von Blut zu ernähren..." antwortet Raziel betrübt, und Marie umarmt ihn besorgt. "Ich will es nicht, wenn du es nicht willst Raziel. Ich will nicht, dass du wegen mir unglücklich bist." Raziel dreht sich mit einem Seufzer zu ihr um und sagt entschlossen: "Wenn du möchtest, können wir sofort damit anfangen, Marie." Marie lächelt. Raziel entfernt sich zusammen mit Marie an einen einsamen Ort in seinem Clan. Ein altes, baufälliges Gebäude ist das Ziel der beiden. Sie gehen hinein und Marie schaut sich um. In dem Raum sind einige Ketten, ähnlich wie in dem Kerker der Serafan, doch in der Mitte steht ein antiker und äußerst prächtiger Altar. "Hier erschaffe ich normalerweise meine Kinder. Manche von ihnen wollen die Verwandlung eigentlich gar nicht und wehren sich, deshalb die Ketten. Aber ich denke nicht, dass ich sie bei dir brauchen werde, denn du möchtest ja ein Vampir werden." erklärt Raziel. "Also muss ich mich nur auf den Altar legen? So wie ein Opferlamm? Ich weiß eigentlich überhaupt nicht, wie Vampire geschaffen werden. Kannst du es mir verraten, Raziel?" - "Ja. Ich verrate es dir, schließlich wirst du den Ritus gleich am eigenen Leib erfahren. Vampire entstehen durch Blutaustausch, sprich, der Vampir trinkt das Blut des Menschen, und dann trinkt der Mensch das Blut des Vampirs, oder umgekehrt. So einfach ist das. Allerdings ist so eine Erschaffung eines Vampirs nicht gerade ein Blutschlecken... oder wie ihr Menschen sagt: Zuckerschlecken für mich. Es schwächt mich immer sehr." - "Aha. Ich dachte immer, das ein bloßer Biss eines Vampirs ausreicht, um einen Menschen zum Vampir zu machen." - "Alles ausgedachter Schwachsinn deiner Art. Wahrscheinlich, um Kinder wie dich einzuschüchtern. Oder um uns zu noch größeren Monstern zu machen, als wir es eigentlich sind. Aber dadurch erhöhen sie nur die Angst vor uns. Schließlich gibt es nur wenige Menschen, die freiwillig Vampire werden möchten, so wie du. Nun, wenn wir anfangen sollen, leg dich auf den Altar." Marie legt sich auf dem Altar hin und schaut Raziel voll Vertrauen an. "Gut, das Gefühl, Blut abgesaugt zu bekommen müsstest du jetzt sicher schon kennen. Also lass uns anfangen." sagt Raziel und beißt langsam und sehr sanft zu. Genüsslich trinkt er Maries Blut. Als sie an der Schwelle ihres Todes liegt, entfernt Raziel seine messerscharfen Fangzähne behutsam aus Maries Hals. Dann beißt er sich selbst in seine Klaue. "Trink, Marie. Sonst stirbst du." sagt Raziel leicht besorgt und hält seine blutende Klaue über Maries Mund. Marie nimmt Raziels Klaue in die Hände und trinkt laut schlürfend Raziels Blut. "Gut so. Nicht nachlassen, Marie. Trink einfach weiter." spricht ihr Raziel beruhigend zu. Raziel wird immer schwächer, doch er versichert Marie immer wieder, dass es so gut ist und sie weitertrinken soll. Dann, als Raziel sich kaum noch auf den Beinen halten kann, flüstert er Marie zu: "Das reicht, Marie. Hör auf." Marie lässt Raziels Klaue gesättigt fallen und schaut ihn verwundert an. "Und? Bin ich jetzt ein Vampir?" fragt sie neugierig. "Noch nicht ganz. Aber bald wirst du die Veränderung merken. Dein verbessertes Wahrnehmungsvermögen und deine übermenschlichen Fähigkeiten und Kräfte werden sich sicherlich bald zeigen. Du kannst dann für etwa 10-15 Jahre kein Sonnenlicht ertragen, aber keine Sorge. Ich werde dir dein Essen direkt an deinen Sarg bringen." sagt Raziel und steht auf. Doch dann stockt er. "Ach du Schreck! Hölle hilf! Ich hab dir ja noch keinen Sarg zugelegt! Naja, schließlich habe ich die Verwandlung nicht schon Jahre vorrausgeplant wie sonst... Tja, tut mir aufrichtig Leid, Marie, aber es sieht so aus, als ob du hier ruhen müsstest, bis ich dir einen Sarg geholt habe." entschuldigt sich Raziel. "Gut, ich schlaf einfach auf dem Altar. Äh... Raziel... ich... nun ja... habe Durst." wispert Marie verlegen. "Ach, das ist bei jungen Welpen wie dir üblich, keine Sorge. Warte einfach hier, Marie. Ich werde dir ein Opfer herholen. Dann kann ich auch gleich nach einem netten Sarg für dich suchen... Was für ein Opfer wäre dir denn am liebsten? Mann, Frau, Kind..." - "Am Besten einer von diesen gemeinen Serafan, die uns gefangen haben. An denen würde ich meine Wut gerne etwas austoben. Warte... die können sich doch sicher wehren..." Marie sieht sich etwas unsicher um. "Aber wir können sie ja auch an die Ketten fesseln. Dann liegen die hier nicht hier so rum und sind doch noch zu etwas nütze. Wenn du keinen Serafan findest, kannst du einen Mann oder eine Frau herbringen, aber bitte kein Kind, Ok?" Wider Willen muss Raziel lächeln. Er weiß, dass sie das sagt, weil sie selbst noch ein Kind ist. Er nickt zustimmend. "Gut. Und wie soll dein Sarg aussehen?" - "Schwarz. Mit Gold oder Silber beschlagen." - "Gut. In Ordnung, Madame. Ihre Bestellung wird nicht lange auf sich warten lassen." scherzt Raziel. Marie lacht. "Ach übrigens, Marie: hübsche Beißerchen!" sagt Raziel mit stolzer Stimme und einem schelmischen Lächeln. "Ich hab schon Vampirzähne?" - "Ja. Schließlich musst du die Haut deiner Opfer ja irgendwie aufreißen können. Und das geht eben am Besten mit eigens dafür vorgesehenen Fangzähnen. Ich habe ja gesagt, dass sich die vampirischen Merkmale bald zeigen müssten. Nun, ich will deinen Blutdurst nicht länger auf die Folter spannen. Bis gleich." Raziel verlässt das Erschaffungsgebäude und fliegt los. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)