Monument von Karma (wenn Liebe die Zeit überdauert) ================================================================================ XIV --- So, ihr Lieben, da ist auch das 14. Kappi von 'Monument'. Ich hoffe, ihr werdet es mögen. Beim Nachwühlen gestern hab ich festgestellt, dass tatsächlich 23 Leute meine Story in ihrer Favoliste haben. Leutz, ich danke euch!!! Das motiviert mich unheimlich, weil ich nicht damit gerechnet habe, das es doch so viele Leser gibt, die das verfolgen, was meine kranken Hirnwindungen ausspucken. Ich hoffe, ich kann euch auch weiterhin gut unterhalten und ich würde mich freuen, wenn ihr mich wissen lasst, was ihr von meinem Geschreibsel haltet (Karmalein bettelt mal wieder um Kommis - ignoriert mich einfach *hehe*). So, und jetzt genug meines blöden Gelabers. Enjoy reading!! Karma ********************************************************************************* Zwanzig Minuten später stieg der Blondschopf vor dem Museum aus dem Bus, atmete tief durch und ging zur Kasse, um den Eintritt zu bezahlen. Sobald er seine Eintrittskarte hatte, sprintete er los und machte sich auf die Suche nach dem großen Saal, in dem er und seine Freunde am Vortag auf die Statue seines früheren Ichs gestossen waren. 'Das muss einfach eine Halluzination gewesen sein!! Es muss!! Jeder, nur nicht ausgerechnet er!! Bitte!!!' dachte Joey verzweifelt und wäre um ein Haar an dem gesuchten Saal vorbeigerannt. Keuchend kam er zum Stehen, stützte seine Hände auf die Knie und bemühte sich, seinen Atem wieder zu beruhigen, bevor er den Ausstellungsraum betrat. Dieses Mal hatte er jedoch keinen Blick für die Krüge, Statuen und sonstigen Ausstellungsstücke, sondern ging zielstrebig auf die Ecke zu, in der die Statue seines ägyptischen Ichs stand. 'Bitte lass es nur ein Alptraum gewesen sein!' flehte er inständig und blieb vor dem Sarkophag des Pharaos stehen. Nachdem er mehrmals tief durchgeatmet hatte, wollte er sich die Totenmaske ansehen – Yami hatte ihnen am Vortag erklärt, dass es in Ägypten Brauch gewesen war, die Toten so natürlich und lebensecht wie möglich darzustellen –, doch über den Deckel des Sarkophags war ein Mann gebeugt, der augenscheinlich damit beschäftigt war, einen Abguss von der Maske zu machen. 'Na toll. Dann werde ich wohl warten müssen, bis dieser Typ fertig ist.' dachte der Blondschopf missmutig, liess sich auf eine Bank im Ausstellungssaal fallen und vergrub das Gesicht in seinen Händen. 'Bitte lass das alles nur einen Zufall sein! Das darf einfach nicht die Wahrheit sein! Bitte!' flehte er inständig und bemerkte nicht, dass er nicht mehr alleine war. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Gleich nach dem Ende des Unterrichts verliess Seto den Klassenraum, ohne einem seiner Klassenkameraden auch nur einen einzigen Blick zu gönnen. Kaum in seine Limousine eingestiegen, wies er seinen Fahrer an, ihn ins Büro zu bringen. Dann nahm er sein Telefon zur Hand und instruierte Roland, ihm Schlaftabletten zu besorgen und sie ihm in sein Schlafzimmer in der Villa zu bringen. 'Das wäre doch gelacht! Ich lasse mich doch nicht von solchen Träumen unterkriegen. Und ich lasse mich nicht verunsichern. Wenn Muto und sein Kindergarten daran glauben wollen, sollen sie das tun. Aber ohne mich!' nahm er sich entschlossen vor und riss seine Gedanken von dem los, was er am Vormittag in der Schule geträumt hatte – auch wenn das bei Weitem nicht so einfach war. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Arthur Myers war mehr als nur unzufrieden. Unzählige Male hatte er am Vortag versucht, den jungen Mann, der die Inschrift am Sockel der Statue so mühelos aus dem Altägyptischen übersetzt hatte, zu erreichen, aber die junge Frau, die er in der Leitung gehabt hatte – sie hatte sich als Miss Hayama, Mr. Kaibas persönliche Sekretärin, vorgestellt –, hatte ihm jedes Mal gleichbleibend freundlich erklärt, dass ihr Chef nicht im Büro und deshalb auch nicht zu sprechen sei. Und die Privatnummer des Oberschülers hatte er, allen Versuchen zum Trotz, auch nicht aus ihr herausbekommen können. Es war einfach wie verhext. Sicher, er hatte sich die Worte des Jungen gemerkt, aber dennoch interessierte es ihn brennend, woher ein Schüler von gerade mal achtzehn Jahren Altägyptisch lesen konnte – und warum er sich so standhaft geweigert hatte, das zuzugeben. 'Ich werde schon noch herausfinden, was es damit auf sich hat!' schwor sich der Archäologe, schnappte sich seine Jacke und den Autoschlüssel und fuhr wieder zurück ins Museum. Seine Frau war am Morgen mit einigen Freundinnen ausgegangen und würde erst am Abend zurück sein, also konnte er sich den Rest des Tages genauso gut wieder seiner Arbeit und seinen Artefakten widmen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Yami und Yugi verabschiedeten sich von ihren Freunden und betraten gemeinsam den Spieleladen der Mutos. "Meinst Du, mit Joey ist alles in Ordnung?" wandte sich der Jüngere an seinen Freund und dieser nickte und lächelte ihm beruhigend zu. "Da bin ich mir sicher. Es war wohl einfach nur ein bisschen zu viel für ihn. Morgen ist er sicher wieder ganz der Alte." beruhigte er den Jungen und widmete sich dann dem Mittagessen. Danach gingen die Beiden gemeinsam nach oben ins Wohnzimmer und kümmerten sich um ihre Hausaufgaben, doch die Gedanken des ehemaligen Pharaos schweiften immer wieder ab. "Du bist heute ganz nachdenklich. Ist alles in Ordnung mit Dir?" erkundigte sich Yugi bei seinem Liebsten und dieser lächelte ihn an. "Ja, sicher. Ich würde mir nur gerne die Ausstellung noch einmal ansehen. Schliesslich sind wir ja gestern sofort wieder gegangen." erwiderte er und der Kleinere nickte. "Eine gute Idee. Vielleicht finden wir ja noch etwas Interessantes über Joeys früheres Leben heraus." stimmte er zu und der Ältere lächelte. "Vielleicht. Und vielleicht erfahre ich so auch, was nach meinem Weggang aus meinem Vetter geworden ist. Das würde mich sehr interessieren." gab er zurück und der Junge stand auf. "Dann lass uns gehen, ja?" schlug er vor. "Sollen wir die Anderen anrufen und mitnehmen?" wollte er dann wissen und Yami zuckte die Achseln. "Von mir aus ruf sie an. Wir können uns ja dann am Museum treffen. Aber vorher sollten wir unsere Hausaufgaben fertigmachen." antwortete er und der Junge nickte und wandte sich erst wieder seinen Heften und Büchern zu, bevor er seine Freunde der Reihe nach anrief. "Soll ich Joey auch anrufen und fragen, ob er mitkommen will?" erkundigte er sich mit dem Telefonhörer in der Hand, doch sein Liebster schüttelte den Kopf. "Lieber nicht. Geben wir ihm besser etwas Zeit, sich gründlich auszuschlafen. Er braucht Ruhe jetzt dringender als noch mehr Aufregung." widersprach er und der Jüngere nickte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Zwanzig Minuten nach seinem Entschluss betrat Arthur Myers das Museum durch den Hintereingang. Eine Weile beschäftigte er sich mit seinen Unterlagen, doch dann trieb ihn die Neugier doch wieder in den Ausstellungssaal. Seufzend legte er die Papiere, die er gerade bearbeitet hatte, zur Seite, stand auf und streckte sich ausgiebig, bevor er seiner Stimmung nachgab und sich auf den Weg zu der Statue machte, die ihn noch immer über Gebühr beschäftigte, weil er allen Bemühungen zum Trotz noch immer nicht hatte entschlüsseln können, in welchem Verhältnis der dargestellte Junge zu dem Pharao gestanden hatte, in dessen Grab seine Statue gefunden worden war. Zu seiner Verwunderung traf der Archäologe im großen Saal auf den Blondschopf, den er am Vortag mit seinen Freunden bereits bei der Statue angetroffen hatte. Der Junge hatte das Gesicht in den Händen vergraben und schien seine Umgebung nicht wirklich wahrzunehmen. 'Ob er wegen der Statue noch einmal hergekommen ist? Immerhin ist die Ähnlichkeit zwischen den Beiden ja wirklich geradezu verblüffend.' dachte Arthur und betrachtete den Sitzenden eingehend, bevor er zu ihm hinüberging und ihm auf die Schulter tippte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?" Erschrocken blickte Joey auf, als ihm plötzlich jemand auf die Schulter tippte. Als er den Blick hob, sah er direkt vor sich einen Mann, dessen Gesicht ihm vage bekannt vorkam. "Hä?" fragte er wenig geistreich zurück und der Mann streckte ihm lachend die Hand hin, um ihn auf die Beine zu ziehen. "Mein Name ist Arthur Myers. Ich bin Archäologe und habe die Ausgrabung geleitet, bei der wir unter anderem die Statue hier gefunden haben, die Ihnen so erstaunlich ähnlich sieht." stellte er sich vor und der Blondschopf sah ihn staunend an. "Sie haben das hier alles gefunden?" erkundigte er sich ungläubig und der Archäologe nickte und liess seinen Blick über die Artefakte schweifen. "Ja, allerdings. Und ohne unbescheiden klingen zu wollen, es ist nicht alltäglich, ein noch völlig intaktes, fünftausend Jahre altes und vollkommen ungeöffnetes Pharaonengrab zu finden." sagte er und in seiner Stimme klang der Stolz über seine Entdeckung mit. "Das glaub ich gerne." stimmte Joey ihm zu und seufzte abgrundtief. Myers warf ihm einen Seitenblick zu und lächelte dann. "Was halten Sie von einer schönen Tasse heissen Tee? Und wenn Sie Fragen haben, kann ich sie Ihnen vielleicht beantworten." schlug er vor und der Siebzehnjährige nickte dankbar und folgte ihm in sein Büro. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Seto sass in seinem Büro in der Kaiba Corporation und massierte sich die schmerzenden Schläfen. Er war unsagbar froh darüber, dass er am heutigen Tag keine Meetings oder Videokonferenzen hatte, denn er war sich nicht sicher, dass es ihm gelingen würde, seinen Zustand zu verbergen. Und das wäre alles andere als gut für seinen Ruf als Geschäftsmann. 'Wenn das so weitergeht, bin ich bis zum Wochenende ein nervliches Wrack.' dachte er und schüttelte unwillig den Kopf. Er durfte einfach nicht zulassen, dass ihn diese ganze Sache zu sehr beschäftigte, das war alles. 'Ich bin Seto Kaiba und nicht die Reinkarnation eines alten Ägypters.' versuchte er, sich selbst einzureden, aber nach dem, was am Morgen in der Schultoilette passiert war, war er sich dessen, wie er unwillig zugeben musste, nicht mehr ganz so sicher. 'Es war so real. Als hätte ich wirklich jemandem gegenübergestanden, der vor fünftausend Jahren gelebt hat.' sinnierte er und seufzte abgrundtief. 'Aber das kann nicht sein. Und das ist auch einfach nicht wahr. Und selbst wenn es wahr WÄRE, hätte es trotzdem keinerlei Auswirkungen auf mein Leben. Das ist alles lange vorbei. Ausserdem kann es mir doch egal sein, welche Vorlieben dieser Hohepriester hatte. Das hat nichts, aber auch absolut gar nichts mit mir zu tun.' Entschieden schob der Brünette alle Gedanken an seine Träume und auch alle Grübeleien über den Köter in den hintersten Winkel seines Bewusstseins und wollte sich wieder seinen Geschäften widmen, doch noch ehe er sich versah, war sein Kopf auf den Schreibtisch gesunken und er war schon wieder eingeschlafen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Vater!" Freudestrahlend rannte die kleine Nefertari, die inzwischen schon vier Sommer gesehen hatte, auf ihren Vater zu, als er den Raum betrat, in dem sie sich mit ihrem Bruder und ihrer Mutter aufhielt, und streckte ihm die Arme entgegen. Seth lächelte seine kleine Tochter an und ging in die Knie, um sie aufzufangen, doch Aten-Ra war schneller. Er fing seine Schwester noch im Lauf ab und hob sie auf seine Arme. "Komm mit, Nefi. Wir wollen Vater doch nicht stören." sagte er, ohne den Pharao auch nur eines Blickes zu würdigen, und trug das Mädchen aus dem Raum, ohne auf ihren Protest einzugehen. "Er hat mir auch nach all diesen Jahren immer noch nicht verziehen." murmelte der Brünette leise und liess sich auf einer der Bänke nieder. "Bitte zürne ihm nicht, mein Gemahl." Kisara trat von hinten an die Bank und legte Seth ihre Hände auf die Schultern. "Er ist immer noch ein Kind und versteht nichts davon. Eines Tages wird er es begreifen." murmelte sie und seufzte unhörbar. Das schlechte Verhältnis ihres Sohnes zu seinem Vater, das mit dem Tag der Geburt seiner kleinen Schwester seinen Anfang genommen hatte, betrübte sie über alle Maßen, doch nichts von dem, was sie dem Jungen sagte, schien seinen Entschluss, Nefertari von ihrem Gemahl fernzuhalten, ins Wanken bringen zu können. "Ich habe versucht, ihm das Wesen der Liebe zu erklären, doch er will mir nicht zuhören." gestand sie leise und der Pharao zog sie neben sich. "Bitte gib Dir nicht die Schuld, meine Liebe. Es ist ganz allein mein Fehler." erwiderte er, nahm ihre Hände in seine und strich sanft mit den Daumen über ihre Handrücken. Kisara betrachtete ihren Gemahl aufmerksam. Er sah aus, als würde ihn eine schwere Last niederdrücken. "Bitte gräme Dich nicht, mein Gemahl. Aten-Ra wird eines Tages verstehen, dass Du nicht nur sein Vater, sondern auch ein Mensch bist." versuchte sie ihn zu trösten. Mit einem wehmütigen Lächeln und einem seltsam traurigen Ausdruck in den Augen sah Seth sie an. "Du hast mir in all den Jahren nie einen Vorwurf daraus gemacht, dass ich ihn nicht vergessen kann, meine Liebe." sagte er leise und seine Gemahlin lächelte ihn sanft an. "Das steht mir nicht zu, mein Gemahl. Und ich würde es auch nie tun. Diese Erinnerungen sind ein Teil des Mannes, den ich liebe. Ich habe die Stärke Deiner Gefühle schon immer bewundert." gestand sie und das Lächeln, mit dem der Brünette sie bedachte, wurde warm. Bevor er allerdings etwas darauf erwidern konnte, kam Nefertari mit fliegenden braunen Haaren wieder in den Raum gerannt und warf sich in die Arme ihres Vaters. Lächelnd hob der Pharao seine kleine Tochter auf seinen Schoss. Das Mädchen drückte ihm einen Kuss auf die Wange und schlang seine Arme um seinen Nacken. "Aten-Ra spielt Verstecken mit mir. Kennst Du ein gutes Versteck für mich, Vater?" fragte sie hoffnungsvoll und Seth nickte lächelnd. "Selbstverständlich. Du kannst Dich in meinen Gemächern verstecken, wenn Du willst." bot er an und die Kleine küsste ihn erneut, bevor sie wieder von seinem Schoss rutschte und zu den Gemächern ihres Vaters rannte, um sich dort vor ihrem großen Bruder zu verstecken. Kisara hatte die Szene aufmerksam beobachtet. "Unsere Tochter liebt Dich sehr." sagte sie lächelnd und ihr Gemahl lächelte kurz zurück, bevor sein Gesicht wieder ernst wurde. "Ich fürchte nur, die Liebe unseres Sohnes habe ich verloren." sagte er und wandte den Blick ab. Seine Gemahlin streichelte tröstend seinen Arm. "Ich bin sicher, Aten-Ra wird Dir eines Tages verzeihen. Er wird..." setzte sie an, kam jedoch wegen eines Hustenanfalls nicht dazu, ihren Satz zu beenden. Besorgt musterte Seth sie von der Seite. "Was ist mit Dir, meine Liebe?" erkundigte er sich und sie lächelte tapfer. "Nichts, mein Gemahl. Es geht mir gut." erwiderte sie, doch der Ausdruck in den blauen Augen ihres Gemahls zeigte mehr als deutlich, dass er ihr nicht glaubte. "Ich werde nach einem Arzt schicken. Auf keinen Fall will ich Dich auch noch verlieren." Seth stand auf und bot Kisara seinen Arm, um sie in ihr Gemach zu geleiten. "Leg Dich hin und ruh Dich aus, meine Liebe." befahl er und streichelte für einen Moment ihr Gesicht, bevor er sich von ihrem Lager erhob und einen der Sklaven zu einem Arzt schickte. Es dauerte mehr als eine Stunde, bis der verlangte Heiler eintraf. Während er Kisara untersuchte, stand der Pharao in dem Gemach, in dem er gewöhnlich seine Besucher zu empfangen pflegte, und starrte auf die endlosen, im Sonnenlicht golden glänzenden Dünen. "Ich flehe Dich an, Osiris, nimm mir nicht auch noch sie. Du hast mir schon eine Liebe genommen. Nimm meinen Kindern nicht die Mutter. Wenn einer von uns gehen muss, dann nimm mich an ihrer Statt." flehte er leise. Dass sowohl seine Tochter als auch sein Sohn in der Tür standen und jedes Wort gehört hatten, bemerkte er nicht. Nefertari riss sich von der Hand ihres Bruders los, rannte zu ihrem Vater und zupfte an seinem Gewand. "Vater, was ist mit Mutter?" fragte sie ängstlich und in ihren großen blauen Augen schwammen Tränen. Erschrocken sah Seth das Mädchen an, beugte sich dann nach unten und hob sie auf seine Arme. "Deine Mutter ist krank. Ein Arzt ist bei ihr." sagte er und die Kleine nagte an ihrer Unterlippe, wie es schon ihr Bruder getan hatte, als er noch ein Kind gewesen war. "Sie wird doch wieder gesund, oder?" wollte sie dann wissen und der traurige Blick aus ihren hellen Kinderaugen liess ihren Vater unbemerkt schlucken. "Ich hoffe es, meri [1]. Ich hoffe es sehr." erwiderte Seth und das Mädchen lächelte ihn zaghaft an. "Wenn Du die Götter darum bittest, erfüllen sie Dir den Wunsch bestimmt." sagte sie hoffnungsvoll und der Pharao lächelte ebenfalls leicht. Es war lange her, dass jemand so grenzenloses Vertrauen in ihn gesetzt hatte. Früher einmal hatte auch sein Sohn geglaubt, dass er alles könnte, nur weil er der Pharao war. Der Junge hatte niemals einsehen wollen, dass sein Vater auch nur ein Mensch war. "Mein Pharao?" riss ihn die Stimme des Arztes aus seinen Grübeleien und als er sich umwandte, sah Seth, dass auch Aten-Ra in der Tür stand und ihn beobachtete. "Wie geht es meiner Gemahlin?" erkundigte sich der Brünette und der Heiler verneigte sich tief, bevor er antwortete. "Sie hat nur einen leichten Husten und etwas Fieber. Es ist nichts, worüber Ihr Euch Sorgen machen müsstet, mein Pharao. Ich habe ihr Medizin gegeben. Sie braucht nur etwas Ruhe, dann wird sie in ein paar Tagen wieder ganz gesund sein." erklärte er. "Gut. Du kannst jetzt gehen." murmelte Seth und atmete kaum merklich auf. 'Ich danke Dir, Osiris.' dachte er. "Wie Ihr wünscht, mein Pharao." sagte der Mann und verliess nach einer neuerlichen Verbeugung den Raum. Nefertari umarmte ihren Vater heftig. "Ich wusste, dass die Götter auf Dich hören!" jubelte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Aten-Ra entging das erleichterte Aufatmen seines Vaters nicht. 'Er hat sich wirklich um Mutter gesorgt. Er hatte tatsächlich Angst um sie.' stellte er fest und beobachtete nachdenklich den Mann, dem er in den letzten vier Jahren kaum einen Blick gegönnt hatte. 'Vielleicht hatte Mutter Recht, als sie gesagt hat, dass es mehr als nur eine Art von Liebe gibt.' grübelte er und erinnerte sich wieder an das Gespräch, dass er in seinem sechsten Sommer mit ihr geführt hatte. Damals hatte er nicht verstanden, was sie ihm erklärt hatte, doch in diesem Moment begann er zu begreifen, was sie hatte sagen wollen. "Wollen wir nach Mutter sehen?" fragte der Junge leise, ohne seinen Vater anzusehen. "Oh ja, Vater, lass uns Mutter besuchen!" rief auch Nefertari und der Pharao nickte. "Das ist eine gute Idee. Eure Mutter wird sich sicher freuen, euch zu sehen." gab er zurück und machte sich mit seinen Kindern auf den Weg zu den Gemächern seiner Gemahlin. Kisara lag mit geschlossenen Augen in ihrem Bett, öffnete sie jedoch sofort, als sie Schritte hörte. "Mutter!" rief Nefertari und warf sich in ihre Arme. Aten-Ra folgte seiner Schwester etwas langsamer und blieb am Bett seiner Mutter stehen, während sich Seth auf das Lager sinken liess und die Hand seiner Gemahlin in seine nahm, um sie zu streicheln. "Du hast mich erschreckt, meine Liebe." gestand er leise und sie lächelte ihn von unten herauf an. "Das wollte ich nicht, mein Gemahl. Ich sagte doch, es geht mir gut. Sorge Dich nicht um mich." "Gut. Ruh Dich aus, meine Liebe. Ich komme später noch einmal zu Dir. Du brauchst jetzt erst einmal etwas Schlaf." murmelte er und erhob sich wieder. Aten-Ra und seine Schwester folgten ihrem Vater, als er den Raum wieder verliess. Gemeinsam gingen sie hinüber in das Gemach, in dem sie vorher gewesen waren. Die ganze Zeit über hielt Nefertari die Hand ihres Vaters fest umklammert. Sie liess ihn erst los, als sie den Raum erreicht hatten, und widmete sich wieder ihren Spielzeugen, während der Pharao sich an eines der Fenster stellte und sie beobachtete. "Hast Du einen Augenblick Zeit für mich, Vater?" fragte Aten-Ra leise. Seth blickte seinen Sohn an und nickte. "Selbstverständlich, mein Sohn." antwortete er und der Junge stellte sich neben ihn ans Fenster. Eine Weile schwieg er und auch sein Vater sprach kein Wort. "Es tut mir leid, Vater." unterbrach der Schwarzhaarige das Schweigen und der Pharao sah ihn einen Moment lang nachdenklich an, bevor er antwortete. "Ich habe Dir nichts zu verzeihen, mein Sohn." sagte er, doch der Junge schüttelte entschieden den Kopf. "Doch, Vater. Ich war ungerecht. Ich habe nicht geglaubt, dass Du Mutter und uns wirklich liebst. Aber heute habe ich es gesehen. Ich hätte besser auf das hören sollen, was sie gesagt hat, aber ich wollte es nicht glauben. Mutter wollte immer, dass ich Dich verstehe, doch das wollte ich nicht. Kannst Du mir das verzeihen?" fragte der Junge und als er aufsah, schwammen Tränen in seinen blauen Augen. "Ich sagte doch, ich habe Dir nichts zu verzeihen, mein Sohn. Ich habe immer verstanden, wie Du empfunden hast, aber ich kann an meinen Erinnerungen und meinen Gefühlen nichts ändern. Die Liebe, die ich für euch empfinde, ist anders als die, die ich früher empfunden habe, aber nichtsdestoweniger ist und bleibt es Liebe. Ich habe euch – Deine Mutter, Deine Schwester und Dich – immer geliebt, Aten-Ra." sagte Seth und Aten-Ra tat etwas, was er schon seit Jahren nicht mehr getan hatte – er schlang die Arme um seinen Vater und barg schluchzend sein Gesicht an seiner Brust. Der Pharao legte seine Arme um seinen Sohn und zog ihn an sich. Dabei lächelte er, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. "Ich habe euch immer geliebt, mein Sohn. Immer." murmelte er leise und der Junge löste sich aus seiner Umarmung und sah auf. "Das weiss ich jetzt, Vater. Und ich werde es bestimmt nicht mehr vergessen." erwiderte er und wischte sich über die Augen. Sein Gesicht war gerötet und es war offensichtlich, dass er sich dafür schämte, mit fast sechzehn Sommern noch in den Armen seines Vaters geweint zu haben. "Bist Du Vater jetzt nicht mehr böse?" riss Nefertari ihren Vater und ihren Bruder aus ihrem Gespräch. Aten-Ra sah auf das Mädchen herab und schüttelte den Kopf. "Nein, Nefi, das bin ich nicht." erklärte er und die Kleine strahlte über das ganze Gesicht. "Das ist gut. Ich habe Dir immer gesagt, dass es Unsinn ist, dass Vater uns nicht liebt." sagte sie zufrieden und die Gesichtsfarbe des Schwarzhaarigen verdunkelte sich noch mehr. "Das hat er nämlich gesagt, Vater. Aber ich habe ihm das nie geglaubt. Ich weiss doch, dass Du uns liebst." fügte sie altklug hinzu und klang so sicher, dass Seth schmunzeln musste. "Ja, das tue ich. Ihr Drei – Deine Mutter, Dein Bruder und Du – seid heute das Wichtigste für mich." gab er zurück und hob das Mädchen auf seine Arme. Dann wanderte sein Blick wieder aus dem Fenster über die endlose Wüste. 'Und dennoch werde ich Dich nie vergessen, mein Liebster. Du bist in meinem Herzen und in meinen Gedanken – und das an jedem Tag, in diesem Leben wie in allen, die darauf folgen mögen.' ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ [1] Ägyptisch für 'Liebling' – hab ich aus nem Buch, weiss daher nicht, ob's wirklich richtig ist, aber ich find das Wort schön. ********************************************************************************* Tjaja, da hab ich mal wieder ein Träumchen für den armen Seto geschrieben. Sorry, falls das zu schmalzig sein sollte, aber ich wollte einfach, dass sich Aten-Ra wieder mit seinem Vater versöhnt. Ausserdem wollte ich die kleine Nefi noch mal auftauchen lassen. Sie ist so ein süsses Kind. *nefi patpat* *verlegen lach* Nyo, würd mich freuen, wenn ihr mir eure Meinung hinterlasst. Man liest sich hoffentlich! Karma Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)