The Nightmare before Halloween von Phantom (The Nightmare before Christmas Ⅲ) ================================================================================ Kapitel 3: Wenn aus Freunden Feinde werden... --------------------------------------------- Noch ahnte Jack nichts. Er saß in einer Ecke seiner Zelle und ließ den Schädel hängen. Wo genau sie ihn hingebracht hatten, vermochte er nicht zu sagen. Der Raum war finster – durch ein kleines Fenster beschien der Mond einen schmalen Spalt des kalten Steinbodens. Aber Jack dachte nur an Sally. Wie sie auf einmal dort gelegen hatte, hilflos und kaputt. Er wusste nicht genau, was vorgefallen war, doch an ihren Verletzungen war er bestimmt nicht unbeteiligt gewesen, sonst hätten sie ihn wohl kaum hier eingesperrt. Das Quietschen der Tür weckte ihn aus seinen Gedanken, und im Licht des Rahmens stand jemand: Behemoth! Jack wollte etwas sagen, kam allerdings nicht dazu, denn der Bauer mit der Axt im Kopf griff nach ihm und zog ihn wenig zimperlich, wie man es von ihm kannte, aus dem provisorischen Gefängnis an die frische Luft. Jack streckte sich, als er endlich wieder stehen konnte, und war vielleicht noch nie so glücklich gewesen, den Herbstwind seiner Heimatstadt auf seinen Knochen zu spüren. Vor ihm hatten sich seine Freunde versammelt. „Danke, dass ich endlich hinaus darf“, sagte er erleichtert. „Ich glaube, es ist Zeit, um gewisse Dinge klarzustellen.“ Niemand regte sich. Er sah sich ihren starren Blicken ausgesetzt. „Was ist denn los mit euch?“ „Es tut mir Leid, Jack.“ Die Worte auszusprechen, schien dem Bürgermeister große Mühe zu bereiten. „Es tut mir aufrichtig Leid.“ Wie ferngesteuerte Maschinen traten sie nun auf ihn zu. Unsicher ging er einen Schritt zurück, immer weiter, bis er die Wand eines Hauses an seinem Rücken spürte. Sie hatten ihn eingekesselt. Jack suchte ihre Gesichter nach einem Hinweis auf einen Scherz ab, doch er fand nicht einmal etwas, das ihn an seine alten Freunde erinnerte. Er verstand die Welt nicht mehr. Und er begann, etwas zu empfinden, das er zwar etliche Male verursacht, aber niemals selbst verspürt hatte: Angst. Nicht die schaurig-schöne Angst wie nach einem gelungenen Halloween-Streich, bei der es am ganzen Körper vor Spannung prickelt. Sondern eine, die einfach nur kalt war. Er wollte sich vergewissern, dass es wegen dem Vorfall war; er wollte fragen, ob sie nicht gemeinsam eine Lösung finden könnten, doch etwas Unerklärliches passierte: Kein Ton entkam seiner Kehle. Seine sonst so sichere Stimme schien festzustecken. Zum ersten Mal blieb Jack Skellington gänzlich stumm. Als unmittelbar neben ihm ein Feuer aufloderte, zog er das Bein in die Höhe, und nach einem kurzen Blick auf die wie aus dem Nichts entzündete Flamme schwenkte er ihn in Richtung der Hexenschwestern, welche ihre Arme noch beschwörend erhoben hatten. Eine Sekunde darauf flogen faustgroße Steine knapp an seinem Schädel vorbei, die – wie er sah – der Zyklop geworfen hatte, und ehe er sich weiter darüber entsetzen konnte, trotteten Harlekin und Mr. Hyde langsam aus der Menge auf ihn zu. Eine böse, böse Vorahnung drängte sich Jack auf… sowie ein erdrückendes Elend, wie er ein solches zuletzt an einem ganz bestimmten Weihnachten empfunden hatte – jenem Weihnachten nämlich, welches er fast zerstört hätte. Plötzlich – als wäre sie beabsichtigt worden – war dort eine Lücke in der ihn umringenden Mauer aus Monstern auszumachen, durch welche er auf das Tor zum Friedhof spähen konnte. Ohne lange nachzudenken, getrieben von der frostigen Gleichgültigkeit, die ihm aus sämtlichen Fratzen begegnete, lief er los, bevor Harlekin und Mr. Hyde ihn erreicht hatten. Alle sahen ihm nach, als er hinter den ungeraden Gitterstäben verschwand. „Jack ist weg“, murmelte Fledergraus. „Jack ist weg“, wiederholte ein anderer. Einige stießen einen Laut des Jubels aus, und dann stimmten weitere mit ein, bis ihr Gejohle alles Übrige übertönte. Sally, die gerade dazustieß, war geschockt über die Entscheidung der Bürger. Gleichzeitig bedauerte sie das flüchtende Skelett. Am liebsten wäre sie ihm gefolgt, hätte es getröstet, aber irgendetwas in ihr hielt sie zurück. Sie ballte ihre Hände ineinander. Das, was sie sich niemals auch nur hätte vorstellen können, war eingetreten: Sie hatte Angst vor Jack – richtige Angst, die sie verzehren wollte, wenn sie ihn nur sah… Eine Wasserperle zersprang auf ihren kleinen Fäusten. Sie blinzelte hinauf. Es hatte zu tröpfeln begonnen. „Hey! Wo sind die Knochenkekse?“ „Weiß nicht. Nicht an mir vorbeigekommen.“ „Du lügst doch!“ „Ich doch nicht.“ „Mann, wo sind die Knochenkekse?“ „Furcht hatte sie!“ „Schrecken hatte sie!“ „Ihr habt sie alle aufgefressen, ihr Dummköpfe!“ Und schon entbrannte eine weitere Rauferei. Die drei kleinen Schreckgespenster – in Halloween Town auch als Oogie Boogies Bande verschrien – packten sich gegenseitig an Schuhen und Kleidern, warfen einander um und würgten den anderen. Furcht, ein als roter Teufel verkleideter Junge, hielt sich selbst für den Anführer des Trios. Angst, eine Hexe mit großem Hut und zotteligen Haaren, war die Ränkeschmiedin unter ihnen. Und Schrecken, auf dessen Kostüm Knochen wie ein Gerippe abgebildet waren, nahm an jedem Schabernack, den Angst ausheckte, begeistert teil. „Düsen wir doch in die Stadt und holen uns neue!“, schlug er vor. Angst verschränkte die Arme. „Ihr macht das, immerhin habt ihr sie verdrückt!“ „Nein, wir gehen alle gemeinsam!“ „Damit wir auch alle gemeinsam den Hintern versohlt bekommen, wie letztes Mal?“, fragte Furcht skeptisch. „Was denn? Hat doch Spaß gemacht!“ „Du Blödmann!“ „Selber!“ „Matschkröte!“ „Dummschleim!“ „Blubbernde Säure!“ „Ruhe!“ Angst griff sich die beiden Jungen und knallte ihre Köpfe gegeneinander. Sie hatte in der Zwischenzeit ihre Badewanne mit den vier monströsen Füßen bereit gemacht – ihr komfortables und großräumiges Reisemittel. „Wo geht’s hin?“, wollte Schrecken wissen. „Wohin wohl? Wir gehen die Leute ärgern!“ „Und die Knochenkekse?“ „Vergiss die dummen Knochenkekse!“ „Und der Regen?“ „Vergiss den dummen Regen!“ Alle drei sprangen gleichzeitig in die Badewanne, sodass sie sich selbst wieder hinausschubsten. Als auch der Dritte endlich seinen Platz gefunden hatte, setzte sich das Gefährt ruckelnd in Bewegung – über den Stamm des Baumes, auf welchem ihr Unterschlupf errichtet worden war, nach draußen. Bevor sie ihr Quartier jedoch verließen, schnappten sie sich noch einige Spielzeuge, Trillerpfeifen und sogar eine Ratte, die gerade auf einem der klapprigen Schränke herumlungerte. Sie brauchten die Badewanne nicht zu steuern, denn sie ging – wortwörtlich – völlig automatisch und kannte das Ziel der Bande. Schrecken öffnete den Abfluss, durch den der hereinfallende Regen sickerte, dann quälten die drei die Ratte, zogen an ihrem Schwanz und warfen sie wie einen haarigen Spielball hin und her, dabei kicherten sie und verpassten dem Sitznachbarn auch mal grundlos eine Ohrfeige. Furcht warf Schrecken gerade das verängstigte Knäuel zu, doch der konnte es nicht fangen; es flog über den Rand der Badewanne und landete im giftgrünen Fluss. „Volltrottel!“, rief Angst. „Er ist schuld! Er hat viel zu hoch geworfen!“, versuchte sich Schrecken zu verteidigen. Furcht und Angst hüpften auf sein breites Gesicht und sahen der panischen Ratte nach, die sich mit letzter Kraft ans Ufer rettete und davonlief. Sie lachten schadenfroh. Dann schlug Angst ihre winzige Hand vor Furchts Mund, um ihn auf etwas aufmerksam zu machen, das sie entdeckt hatte: „Guck mal!“ „Was… ist da?“, wollte auch Schrecken erfahren, der sich von den Füßen der anderen beiden zu befreien versuchte. „Wen haben wir denn daaa?“, säuselte Furcht grinsend. Angst schaute ihn an. „Gehen wir hin?“ „Na sicher doch!“ In diesem Moment schüttelte sich Schrecken frei, sodass die beiden mit einem gemeinsamen „Aua!“ zurück in die feuchte Badewanne fielen. „Lasst mich auch mal gucken!“ Der Skelettjunge beugte sich über den Wannenrand und sah sich um. Es war dunkel, und der Regen erschwerte das Erkennen zusätzlich. „Da ist doch gar nichts!“ „Doch – daaa!“ Furcht packte seinen Kopf und drehte ihn um 90 Grad. „Ach, daaaa!“ „Jaa, daaaa!“ Sie kicherten und gaben der Badewanne Anweisung, die Richtung zu ändern. Ihr Ziel war der Spiralberg. Im Schatten des vom Mond beschienenen Hügels versteckt, näherten sie sich und sprangen aus der Wanne, nachdem diese ruckartig gestoppt hatte. Unruhige Finger grapschten nach Masken und Trillerpfeifen; eilige Füße tapsten den Bergrücken hinauf. Oben angekommen, tauschten sie einen letzten, erwartungsvollen Blick aus, dann setzten sie sich ihre Masken auf. „SÜßIGKEITEN ODER STREIHEEICH!“, schrien sie schrill und gaben dem Skelett, das vor ihnen saß und sie nicht bemerkt hatte, einen kräftigen Stoß, sodass es hinunterfiel. Rasch rannten sie ihm nach und stellten sich um es auf, kicherten. „Ihr schon wieder…“, seufzte Jack und rieb sich die Schulter. „Wir schon wieder!“, riefen sie im Chor. „Furcht!“ „Angst!“ „Und Schrecken!“ Auf den Pfeifen blasend tanzten sie um ihn herum. Als ihnen klar wurde, dass Jack das überhaupt nicht ärgerte, hörten sie auf. „Was ist los mit dir?“, fragte Furcht enttäuscht. Abermals seufzte er und blickte traurig auf den kargen, spröden Boden. „Jeder hetzt mich wie ein Tier Jeder lässt nur Abscheu seh’n Niemand spricht als Freund zu mir Niemand will mein Leid versteh’n Ich begreif’s nicht Warum? Warum?“ ("Nun hinab" aus "Das Phantom der Oper") Das Trio starrte ihn an… dann fing es an zu lachen. Jack hätte vorhersehen müssen, dass die drei es natürlich auch nicht verstehen würden. „Jack ist aus der Stadt verbannt?“ „Nun muss er wohl…“ – „…ins Hinterland!“ „Aber erst an uns vorüber“ „Uns allen drei!“ – „Wir drei begleiten…“ – „…ihn brav hinüber! Laaa, lalalalalaa, laaa, lalala! Laaa, lalalalalaa, lalalalalaa! Schaut Euch den Jack nur an Wie er weint und schreit Weil ich ihn nicht leiden kann Tut er mir nicht Leid“ „Jack sitzt hier und ist allein, was könnte denn noch besser sein? Treiben wir es bunt mit ihm, die ganze Nacht sind wir gemein!“ „Seht! Ich glaub’, jetzt wird was klar dem großen, tollen Knochenstar Er hat uns immer strikt belehrt, jetzt wird das Spielchen umgekehrt!“ „Schaut Euch den Jack nur an Ist das denn nicht fein? Jetzt, oh Jack, bist Du dran Denn Du bist allein“ „Ja, unser Kürbiskönig hat Den Laufpass aus Halloween-Stadt“ „Sie wollen ihn dort nicht mehr seh’n Was soll’s, ich kann’s versteh’n – uuuuii!“ Sie fingen an, an ihm zu zerren und ihn mit Kieseln zu bewerfen. Er kannte das freche Benehmen der drei ja und hatte normalerweise keine Probleme, angemessen mit ihnen umzugehen, doch heute fehlte ihm das Selbstbewusstsein dazu. „Schmeißen wir ihn erst mal ab, hol’n dann das Schießgewehr und schnell: Peng, peng, peng – und wenn wir gucken: Weg ist unser Schreckgestell!“ „Nein, Du Trottel, denk’ doch nach, denn beißt Jack schon so früh ins Gras Ist’s vorbei, die Zeit war kurz, wo bleibt denn da der ganze Spaß?“ „Schaut Euch den Jack jetzt an Selbst Sally ist weg Was hat er ihr angetan? Behandelt wie Dreck?“ Als er das hörte, senkte er den Kopf. Sally… Ungern gab er es zu, doch die Kinder hatten Recht: Er war es gewesen, der Sally angegriffen, sie zerrissen hatte. „Denkt an die Sally nur Denkt an ihren Schmerz Jack denkt nur an sich, wie stur Er hat auch kein Herz“ Er grub die langen Finger in den vom Regen aufgeweichten Untergrund, wo sie tiefe Furchen hinterließen. Nicht schon wieder… Innerlich flehte er, obwohl ihm bewusst war, dass dies es nicht verhindern würde. Die Kinder… Hoffentlich bemerkten sie es rechtzeitig… „Sally und Jack getrennt Doch statt was zu tun Jack flieht bloß und läuft und rennt Lässt die Sache ruh’n Schaut Euch den Jack jetzt an Wie er brennt vor Hass Und sich verändert dann Uns vergeht der Spaaahaaaaß!“ ("Die Verschwörung") Jetzt erst stellten sie fest, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Jedenfalls konnten sie sich nicht erinnern, Jack einmal mit solchen Flügeln gesehen zu haben… Und dieser Blick! Furcht, Angst und Schrecken rückten dicht zusammen. Denn selbst sie erkannten, dass das Spiel an dieser Stelle längst vorbei war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)