La Brise de la Solitude von QueenLuna (Kami X Közi) ================================================================================ Kapitel 1: OneShot ------------------ La Brise de la Solitude [1] Paris 1902 Langsam schieben sich Wolken vor den Mond. Es wird merklich dunkler. Ich wende meinen Blick von dem gespenstischen Schauspiel ab und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf den ruhig unter mir dahinfließenden Fluss. Die alten Bürgerhäuser an seinem Ufer werfen vereinzelte Lichter auf die Wasseroberfläche. Es ist ruhig, nur das leise Murmeln der nächtlichen Stadt ist vernehmbar. Meine Hände sind rot und kalt, ob von dem kalten Brückengeländer, das sie umklammern oder von dem eisigen Wind, der an mir zerrt. Ich weiß es nicht und es ist mir auch, um ehrlich zu sein, egal. Kurz wende ich meinen Blick zu dem kleinen Straßencafé einige Schritte von mir entfernt. Leise Musik dringt an mein Ohr. Ein paar Leute sitzen noch draußen, trinken ihren Kaffee oder unterhalten sich leise. Das Geräusch der wenigen vorbeifahrenden Fahrzeuge hinter mir, nehme ich schon gar nicht mehr wahr. Zu lange stehe ich schon hier und warte. Warte auf dich und das schon so lange. Ich kann nicht mehr… ohne dich. Ich seufze kaum hörbar auf. Wie lange ist es her, seit ich dich das letzte Mal sah? 2 Monate? Eine Ewigkeit. Wieso habe ich dich so lange nicht mehr zu Gesicht bekommen? Wo bist du hin? Hast du mein Flehen nicht bemerkt? Hast du nicht bemerkt, wie sehr ich mich nach dir verzehre? Tränen bilden sich in meinen Augen. Mit Mühe unterdrücke ich sie. Ich will nicht weinen, nicht hier ... ich habe schon zu oft geweint... wegen dir. Ich will nicht mehr. Wo bist du nur? Diese Frage stelle ich mir seit einiger Zeit. Als ich dich das letzte Mal sah, winktest du lächelnd zum Abschied und meintest, wir sähen uns am nächsten Tag wieder. Doch du kamst nicht. Du hast mich einfach allein im Regen stehen lassen. Ich hatte die Hoffnung, ich würde dich am nächsten Tag wiedersehen. Diese Hoffnung ging leider nicht in Erfüllung. Wie oft lag ich nachts in meinem Bett, weinte bis ich vor Erschöpfung einschlief? Wieder bin ich allein. Wieder hatte mich jemand verlassen. Einmal mehr habe ich die Orientierung in meinem Leben verloren. Ich weiß nicht, wohin ich soll, warum ich lebe. Genau wie damals, bevor ich dich traf. ... Ich lebte in den Tag hinein, ohne bestimmtes Ziel. Oft saß ich auf irgendwelchen Mauern oder auf dem Bürgersteig und wartete bis die Sonne unterging und ich nachhause gehen konnte, um die Nacht in meinen zwei winzigen Räumen zubringen und dem gleichen Tagesablauf nach der nächsten Morgenröte aufs Neue nachzugehen. Seit einiger Zeit saß ich immer an derselben Stelle, auf der steinernen Brücke, die ans alte Marktcafé grenzte. Der Platz neben der Frauenstatue mit dem weinenden Gesicht war mittlerweile zu meinem geworden. Ab und an kamen die Besitzer des Cafés zu mir, gaben mir einen Tee oder Kaffee. Sie kannten mich inzwischen schon. Eines Tages lag an dieser Stelle ein Strauß mit roten Rosen. Ich konnte mir denken, dass sie nicht für mich waren, sondern wohl eher von jemandem vergessen wurden. Dementsprechend setzte ich mich auf die andere Seite der Statue. Den ganzen Tag kam keiner um die Blumen mitzunehmen. Am Abend hingen traurig ihre Köpfe, einzelne Blütenblätter verteilten sich auf dem Bordstein. Am darauffolgenden Tag lagen erneut frische Rosen am Fuße des Denkmals. Allerdings diesmal auf der Seite, wo ich 24 Stunden zuvor gesessen hatte. Stirnrunzelnd hatte ich sie eine Weile betrachtet und mir überlegt, wer da solch makabere Späße mit mir trieb. Schließlich fragte ich die Frau des Cafébesitzers, ob diese irgendetwas wisse. Leider konnte sie mir meine Frage nicht beantworten. Und so ging es weiter. Egal, wo ich mich aufhielt... am nächsten Tag lag dort immer ein Strauß mit roten Rosen. Mit der Zeit wurde es mir zu blöd, vor einem Rosenstrauß zu flüchten, also wurde die Stelle neben der Statue wieder mein Stammplatz und die Rosen zu meiner Lieblingsbeschäftigung. Meist verstreute ich die Blätter auf der Brücke oder im Fluss. Manchmal nahm ich sie mit nach Hause. Dort roch ich die ganze Nacht an ihnen, um mir ihren Duft einzuprägen, für den Falle ich würde so den Besitzer der Blumen erkennen.Irgendwie empfand ich es als beängstigend, denn jemand schien mich zu beobachten. Doch nie entdeckte ich jemanden, unwichtig wie unauffällig ich versuchte die Leute in meiner Umgebung zu beobachten. Natürlich machte ich mir so meine Gedanken. Anfangs dachte ich, es wolle mir wer drohen, denn soweit ich wusste, wurden Toten immer Rosen mit ins Grab geworfen. Vielleicht wollte mich jemand umbringen. Als dies allerdings nach 2 Wochen immer noch nicht eingetroffen war, musste ich mir etwas Neues ausdenken. Warum sollte man auch einen Mord mit Rosen ankündigen? Der Gedanke war dann doch albern. An einem Tag kam die Cafébesitzerin zu mir und so unterhielten wir uns. In einem Nebensatz meinte sie, da würde sich wohl jemand starke Mühe geben, mir eine Freude zu machen. Ich verstand nicht und blickte sie nur fragend und stirnrunzelnd an. Da lächelte sie und erklärte mir, dass ich jeden Morgen immer strahlend am Laden vorbeilaufen würde und jedes Mal ein erwartungsfreudiges Glitzern in den Augen hätte, als würde ich sehnsüchtig auf die Rosen warten. Diese Erkenntnis gab mir zu denken. Wahrscheinlich stimmte das sogar, denn nun war mein täglicher Ablauf etwas anders als früher. Immer kurz nach Sonnenaufgang ging ich nach draußen in der Hoffnung, ich würde irgendwann erfahren, wer so viel Geld besaß, anderen Leuten ständig Rosen zu schenken. Außerdem machte es Spaß fremde Leute zu beobachten, mir ihre Angewohnheit einzuprägen. Oft entdeckte ich neue Seiten an der menschlichen Natur, die mich überraschten oder belustigten. Die Stunden gingen nun relativ schnell vorbei und die Langweile machte der Neugierde Platz. Die Cafébesitzer waren immer nett genug, dass sie mir bei Regentagen erlaubten, mich unter der Terrasse aufhalten zu dürfen. Spätestens nach dem zweiten Regentag fanden die Rosen mich auch dort. Von Woche zu Woche wuchs mein Interesse an dem Unbekannten mehr. Ich hatte mir sogar überlegt, ob ich eine Nachricht für ihn hinterlassen sollte, aber schnell verwarf ich die Idee wieder, die mir doch zu dumm erschien. So saß ich täglich auf der Brückenmauer oder auf dem Bürgerstein und wartete. Wahrscheinlich hätte ich dort ewig gesessen, wären das Glück und der Zufall nicht so nett gewesen um mir zu helfen. Eines Nachmittags machte ich es mir erneut auf dem Bürgersteig bequem. Die Rosen ruhten neben mir, während ich interessiert die Schuhe der Vorbeieilenden betrachtete. War wirklich sehr spannend… Meine Gedanken kreisten aber mal wieder um andere Dinge. Doch plötzlich machte ein wohlbekannter Duft mich auf sich aufmerksam. Verwirrt blickte ich auf. Ich sah nur noch einen rotbraunen Haarschopf zwischen den Leuten verschwinden. Wie von der Tarantel gestochen, sprang ich auf und versuchte die Person wieder zu finden. Ich hatte den markanten Duft erkannt. Rosen. Ich rannte bis ans andere Ende der Brücke ohne fündig geworden zu sein. Enttäuscht kehrte ich um. Da ich aber jetzt wusste, dass ich die Suche nach dem Unbekannten doch lohnte und dass es doch nicht ganz hoffnungslos war, wollte ich nun stärker versuchen ihn kennen zu lernen. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie war ich aufgeregt. Denn es wäre nur eine Frage der Zeit, bis er mir wieder über den Weg laufen würde. Vielleicht sogar sehr bald. Ich hoffte zu dem Zeitpunkt inständig, dass ich ihn nicht in irgendeiner Weise verschreckt hatte, als ich ihm plötzlich nachgerannt war. Ich betete dafür, dass am nächsten Tag wieder Blumen bei der Statue liegen würden, so könnte ich den Unbekannten endlich treffen. An diesem Tag wollte ich nicht nach Hause gehen, sondern versteckt in einer Seitenstraße warten, wahrscheinlich bis zum Morgengrauen, um endlich Gewissheit zu haben. In der kommenden Nacht konnte ich sowieso nicht schlafen, denn mein lautstark klopfendes Herz raubte mir jeden Anflug von Müdigkeit. Es war seltsam ... ich kannte ihn doch nicht und erwartete ihn doch sehnsüchtig. Meine Reaktion war vielleicht etwas überzogen romantisch, aber ich wollte es mir erlauben zu träumen. Natürlich nickte ich zwischendurch trotzdem immer mal ein, allerdings schrak ich im nächsten Moment wieder hoch, ob es nun von Geräusch einer entfernt herumstreunenden Katze oder irgendwelchen Menschen, die sich des Nachts auf den Straßen herumtrieben, war. Je länger ich wartete, umso unruhiger wurde ich. Es war bestimmt erst vier. Ich wusste es nicht genau, denn eine Uhr besaß ich nicht und hielt es auch nicht für notwendig. Vor einiger Zeit hatten die Kirchenglocken eine neue Stunde angekündigt. Inzwischen war mir schlecht. Allerdings weniger wegen der Nervosität, sondern viel mehr lag es am fehlenden Schlaf. Immer öfters flatterten meine Augen zu. In meinem Dämmerzustand nahm ich am Rande das leise Klacken von Schritten auf Pflastersteinen war. Träge hob ich meine Augen, schließlich war ich mir sicher, dass wieder nur ein Passant war, der mir eh keine Beachtung schenken würde. Doch mit einem Mal war ich hellwach und starrte wie gebannt auf den Passanten, der sich von der anderen Brückenseite her näherte. Es war weniger der lange Mantel, der mir ins Auge stach, als viel mehr die Gangart, dieses elegante, fast schon schwebende. Ich hatte den Unbekannten zwar erst einmal gesehen, aber ich war mir sicher, dass es die Person war, die ich so suchte. Hastig stand ich auf und krabbelte schon fast zum Brückengeländer in eine Nische, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Ich beobachtete genau. Überrascht nahm ich wahr, dass sich meine ersten Gedanken bestätigt hatten. Der Unbekannte war ein Mann. Ich weiß nicht, wie es dazu kam, dass ich nie daran gedacht hatte, dass es eine andere Möglichkeit gegeben hätte. Umso glücklicher war ich, dass meine Vorstellung nicht enttäuscht wurde. Endlich war die Gestalt heran und stand nun vor der Statue. Während sie sich kurz umblickte, um im schwachen Schein der Straßenlaternen doch noch etwas erkennen zu können, duckte ich mich soweit es ging. Als mir dies bewusst wurde, hätte ich am liebsten aufgelacht, denn eigentlich war mein Verhalten doch kindisch. Aber irgendwie war es spannend solch ein kleines Spielchen zu spielen. Der Unbekannte bückte sich um den neuen Strauß am Fuße der Statue zu platzieren und im gleichen Zug den alten wieder aufzunehmen und mit einer schnellen Bewegung über die Brüstung in den Fluss zu werfen. Innerlich jubelte ich auf. Ich hatte mich also doch nicht geirrt, der Rosenduft, den die milde Nachtluft zu mir wehte, war eindeutig. Vorsichtig erhob ich mich aus meinem Versteck und bewegte mich langsam auf die Person zu. Leicht enttäuscht musste ich feststellen, dass die gewellten rötlichen Haare einen Blick auf das Gesicht verbargen. Das war der Augenblick, in dem mir zum ersten Mal deine ganze Präsenz auffiel. Obwohl ich noch nicht einmal mit dir, dem Unbekannten gesprochen hatte, war ich fasziniert. Du lehntest immer noch an der Brüstung und schautest zum Horizont, wo sich schon der bevorstehende Sonnenaufgang ankündigte. Langsam trat ich neben dich und musterte dich von der Seite. Unwillkürlich verließ ein Seufzer meine Brust. Erschrocken blicktest du auf. Nach einigen Sekunden fingst du leicht an zu lächeln. Es war das Schönste, was ich je gesehen hatte. Auch wenn es jetzt kitschig klingt, damals war es genau das, was ich in diesem Moment dachte. Du lächeltest mich einfach an, so ehrlich und beruhigend. Ich hätte am liebsten geweint. Warum weiß ich nicht, aber irgendwie stieg Tränen in mir hoch. Leise lachtest du auf und fuhrst sanft über meine Wangen. „Hey, nicht weinen. Das war nicht meine Absicht, denn ich wollte dir eigentlich eine Freude machen...“ Wenn ich es jetzt so bedenke, mir fällt kein Augenblick ein, in dem du nicht gelächelt oder gar gelacht hast. Ich konnte nicht anders als unter einigen Tränen dein Lächeln zu erwidern. Ich weiß bis heute nicht, warum ich damals geweint habe. Vielleicht aus Erleichterung, dass endlich meine Suche beendet war. Du schienst mich schon zu diesem Zeitpunkt ohne Worte zu verstehen, denn sonst hättest du bestimmt nicht so reagiert. Ich ließ mich auf den Boden gleiten und zog dich mit mir auf die Knie. Auch weiß ich nicht mehr, wie viel Zeit vergangen war, bis die Sonne aufging und das Leben auf den Straßen einzog. Alles nahm ich nur am Rande wahr. Wir saßen einfach nur auf dem Boden mit den Rücken zur Brüstungsmauer und ließen alles auf uns wirken. So verharrten wir den ganzen Tag und unterhielten uns die meiste Zeit. Zwischendrin bekamen wir einen Kaffee von der lächelnden Cafébesitzerin in die Hand gedrückt. Warum du bliebst, war mir ein Rätsel, denn bestimmt hattest du besseres zu tun, als den ganzen Tag irgendwelche Gespräche mit jemand wie mir zu führen. Natürlich stellte ich dir diese Frage auch. Daraufhin lachtest du laut auf, einige Vorbeigehende drehten sich stirnrunzelnd um, was dich allerdings weniger störte. Lächelnd erzähltest du mir, dass du täglich kein bestimmtes Ziel hattest, außer mich zu beobachten und mir zuzusehen, wie ich mich am Anblick der Rosen erfreute. Bei dieser Aussage schlich ein leichtes Rot über meine Wangen, welches mich dann schließlich beschämt den Kopf senken ließ. Lachend musstest du mir dann versichern, dass du es mit Freuden getan hattest. Dann irgendwann kam der Moment, vor dem ich mich gefürchtet hatte. Der Abend brach über die Stadt hinein. Ich war mir sicher, dass du gleich gehen würdest. Und du schienst meine Befürchtung bemerkt zu haben, denn nachdem du mich noch einmal kurz gemustert hattest, nahmst du lächelnd meine Hand und zogst mich hoch. So wandelten wir die halbe Nacht durch die Stadt. Es war atemberaubend, obwohl es ja eigentlich nichts Besonderes war. Und doch verspürte ich von nun an, jedes Mal wenn ich nachts so mit dir umherlief, das Gefühl ein Ziel zu haben ... das Ziel der inneren Ausgeglichenheit. Ich bemerkte schon nach einigen Tagen, wie schön du warst. Nicht die Schönheit im Sinne, wie man eine Frau beschreiben würde. Deine Schönheit lag in deiner Ausstrahlung, dieser Ruhe, die mich immer wieder besänftigte. Es waren wohl die besten Tage meines bisherigen Lebens. Täglich trafen wir uns. Doch wie ich heute weiß, ist es nicht gut jemanden so oft zu sehen. Es löst ein Begehren in einem aus. Und genau das war es, was bei mir eintrat. Von Tag zu Tag verspürte ich den Drang diese Ruhe besitzen zu wollen, auf mich einfließen zu lassen und dich zu berühren. Manchmal, wenn du neben mir standst, musste ich zusammenreißen, um nicht plötzlich meinen Arm nach dir auszustrecken und endlich deine Haut zu berühren. Ich akzeptierte diese gewisse Art von Liebe zu dir schnell und genoss jeden Augenblick mit dir. Ich weiß nicht, ob du mein Verlangen gespürt hast. Es war wohl so. Wahrscheinlich hat genau das dich abgeschreckt. Ich weiß nur, dass du eines Tages nicht mehr da warst. Wie jeden Morgen kam ich zur Brücke und wartete auf dich. Nur kamst du nicht. Auch am nächsten Tag nicht. Die Tage und Wochen verstrichen und ich stand jeden Tag allein auf der Brücke. Die Leere in meinem Inneren war zurückgekehrt. Trotz allem wartete ich jeden Tag und gab die Hoffnung nicht auf. Wäre ich auch nur einmal nicht gekommen, hätte mich mein schlechtes Gewissen den ganzen Tag nicht losgelassen und immer wieder hätte ich das Gefühl gehabt, dass du vielleicht doch kommen und vergeblich auf mich warten würdest. Und das wollte ich nicht. Ich hätte dich suchen können, aber ich wusste nicht wo, denn du hattest nie etwas privates von dir preisgegeben. ... Und nun stehe ich erneut hier auf dieser Brücke. Die Sonne ist schon vor einigen Stunden untergegangen, aber ich will noch nicht gehen. Das matte Licht der Straßenlaternen wirft lange Schatten auf das Pflaster. In mir besteht weiterhin der kleine Funken Hoffnung, dass du noch kommen könntest. Langsam stoße ich die kühle Nachtluft aus und beobachte, wie sie sich in kleinen Wölkchen von mir entfernt. Ein Schatten streift mich. Eine Bewegung aus den Augenwinkeln. Es sind zwar einige Passanten unterwegs und doch weiß ich, dass du es bist. Der Rosenduft eilt dir voraus. Du trittst neben mich an die Brüstung, betrachtest das Bild vor dir, das Bild der nächtlichen Stadt. „Schön, nicht wahr?“ Ich nicke nur, zu mehr bin ich nicht mehr fähig. Zu groß ist meine Freude dich wieder zu sehen, dich wieder in meiner Nähe zu haben. Ich hatte solche Angst, dass du nicht kommst und doch… Endlich bist du wieder da! Du bist es wirklich! Ich fühle, wie du mich von der Seite her anschaust, also wende ich meinen Blick dir zu, beherrscht und ohne Hast. Du sollst nicht merken, wie es momentan in meinem Inneren aussieht, aufgewühlt und voller Gefühle. Wie du dort neben mir stehst ... als wenn nie etwas gewesen wäre. Die Ruhe umgibt dich immer noch. Am liebsten würde ich dich jetzt schlagen, denn ein Funken aus Wut und Verzweiflung über dein kommentarloses Verschwinden ist noch in mir. Doch das Gefühl dich umarmen zu wollen und nie wieder zu loslassen, verdrängt den Zorn. Nie wieder will ich deine Nähe missen. Es wäre zu schmerzlich. Ob ich das noch einmal aushalten würde, diese Leere? Wohl eher nicht. Meine Augen werden feucht. Nicht vor Trauer, sondern einfach aus Erleichterung, aus dem Gefühl heraus die innere Leere schwinden zu spüren. Kurz legst du deinen Kopf schräg. Ein sanftes Lächeln umspielt deine Lippen, als du dich schließlich von der Mauer wegdrückst und deine Arme um mich schlingst. „Ich habe dich vermisst ... wirklich ...“ Diese Worte aus deinem Munde. Leise schluchze ich auf und kralle mich stärker in deinen Mantel. Diese Worte, nach denen ich mich so lang gesehnt habe. Ich bin gerade mal in der Lage deinen Namen zuflüstern. Deine Hand streift durch meine Haare, während ich weiter deinem Herzschlag lausche. „Komm ... Lass uns gehen.“ Mit diesen Worten löst du dich aus der Umarmung und nimmst meine Hand. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen ziehst du mich mit dir fort, tiefer in das Straßengewirr der Stadt. ~*~ Mein Blick gleitet zum Fenster hinaus. In einigen Stunden erst wird die Sonne aufgehen. Noch liegt alles im Dunkeln. Von hier aus kann man weder Mond, noch Sterne erkennen. Sanftes Kerzenlicht erfüllt das Zimmer. Langsam wende ich mich ab und stützte mich mit den Händen am Fensterbrett ab. Schemenhaft sehe ich deinen Körper liegen ... eingehüllt im weißen Bettlagen. Vorsichtig trete ich näher ans Bett, um mich schließlich auf der Kante niederzulassen. Sanft gleiten meine Finger über dein schlafendes Gesicht. Es sieht so friedlich aus. Unwillkürlich muss ich lächeln. Als wir zu mir nach Hause kamen, hieltest du mich in deinen Armen ... Allerdings schwiegst du. Wir klammerten uns regelrecht aneinander und genossen die Ruhe und die Nähe zum jeweils anderen. Irgendwann zogst du mich mit dir auf das Bett. Deine samtenen Worte erfüllten die Stille des Raums, als du anfingst zu sprechen. Du erzähltest mir von deinen Ängsten und deinem Verlangen, das sich mit der Zeit entwickelt hatte, das aber nicht sein durfte. Denn du warst von deiner Familie an jemand anders versprochen. Du hattest es einfach nicht mehr ausgehalten und wolltest weg ... vielleicht hätte es dann aufgehört. Das Verlangen und die Sehnsucht nahmen zu, bis du schließlich doch wieder zu mir zurückkehrtest. Während deiner Erzählung blieb mir fast das Herz stehen. Du warst an jemanden anders versprochen… Doch du beruhigtest mich. Wir würden Wege und Mittel finden, um uns nicht trennen zu müssen, versprachst du mir. Paris ist eine große Stadt, wo man gut untertauchen kann. Deine Worte beruhigten mich etwas, da scheinbar die Verbindung zwischen dir und deiner Familie nicht sehr eng schien. Erleichtert lachte ich auf, als du mit deiner Sicht der Geschehnisse geendet hattest. Kichernd zog ich dich ganz aufs Bett, so dass ich unter dir zum Liegen kam. Die letzten Worte, die seitdem deine Lippen verließen, waren die schönsten für mich. „Ich liebe dich.“ Es war das wundervollste Geschenk meines bisherigen Lebens. Ich bin so unendlich dankbar, dich getroffen zu haben. Unsere nackten Leiber aufeinander. Die Hände, die den Körper des Anderen erforschten. Wir konnten nicht genug voneinander bekommen. Finger, die über meine Wange streichen, bringen mich in die Wirklichkeit zurück. Deine sanften, braunen Augen ruhen auf meinem Gesicht, als ich dir ein leises „Guten Morgen“ wünsche. Langsam richtest du dich auf und legst mir lächelnd eine Hand in meinen Nacken, was mich leicht frösteln lässt. Sie ist eiskalt. Leise lachst du auf, bis du schließlich meinen Kopf zu dir ziehst und meine Lippen mit den deinigen verschließt. Als du dich löst, hauchst mir Worte entgegen, die mein Herz etwas schneller schlagen lassen. „Komm wieder ins Bett, Közi. Bitte...“ ENDE [1] frz.: Die Brise der Einsamkeit Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)