Schicksalskinder von Schreiberling (Mein erster WB-Beitrag) ================================================================================ Kapitel 3: Das ungehorsame Spielzeug ------------------------------------ Am nächsten Morgen erwachte der Herrscher Kechmets mit wahnsinnigen Kopfschmerzen in seinem königlichen Gemach. Etwas verwirrt und ohne jedwede Erinnerung an die letzte Nacht, erhob er sich aus den weichen Kissen und rief nach seinen Sklaven. Diese kamen sofort herbeigeeilt, um ihren Herrn zu waschen und anzukleiden. Danach verlangte der Pharao nach Mahado und einem der Heiler, damit er seine Kopfschmerzen loswurde. Als es schließlich an der Tür klopfte, hatte Atemu bereits etwas für seine Schmerzen bekommen und war wieder ein wenig besserer Stimmung. „Herein!“, schallte es befehlsgewohnt durch das Zimmer. Mahado öffnete die Tür und verbeugte sich höflich vor dem Pharao. Er sah müde aus, was wohl auf ziemliche Aktivität letzte Nacht zu schließen ließ. „Ihr wolltet mich sprechen, mein Pharao.“ „Sag mir, Mahado....“ Der Herrscher biss laut schmatzend von einem Apfel ab. „Was ist letzte Nacht vorgefallen? Ihr seht müde aus.“ Mahado hob verwirrt eine Augenbraue. „Erinnert ihr euch nicht, mein König?“ „Natürlich tue ich das!“, giftete Atemu sofort und Mahado entschuldigte sich sogleich. Der Herrscher hatte natürlich immer recht. „Ich wollte es von euch selbst noch einmal hören.“, meinte Atemu schlicht und aß genüsslich seinen Apfel weiter. „Wie ihr wünscht.“ Mahado begann zu berichten, vermied es aber den Sklaven seines Herrschers zu erwähnen, denn sie hatten Seth noch immer nicht gefunden. „Ich verstehe...“, murmelte Atemu nachdenklich und kratzte sich am Kinn. „Das ist doch recht ärgerlich. Wie konnte es nur dazu kommen?“ „Was soll nun mit dem Täter geschehen, mein Herrscher.“ Mahado wusste, dass nur der Pharao entscheiden konnte, aber er wusste auch, dass die Antwort Aufsehen erregen würde. „Wir verfahren natürlich nach den Gesetzen.“ Mahado schwieg. Das hatte er befürchtet. Natürlich war der Mann eindeutig schuldig, aber eine Verhandlung wäre beim Volk besser angekommen, als eine sofortige Hinrichtung. „Bei allem Respekt, mein Pharao..... Aber haltet ihr es für klug, euer Volk noch mehr zu erzürnen.“ Atemu legte den Apfel zur Seite und sah Mahado abschätzend an. „Wie war das?!“, meinte er in bedrohlichem Tonfall und Mahado wusste, dass er sich jetzt in Acht zu nehmen hatte. „Euer Volk ist voller Wut. Das dürfte euch doch sicher nicht entgangen sein. Die Abgaben, die sie an euch entrichten, sind nur noch von minderwertiger Qualität und zwar alle.“ „Dann tu was dagegen.“, meinte Atemu schlicht. „Es ist nicht möglich, mein Herr. Es steht nirgendwo geschrieben, dass sie stets ihr bestes für Steuerentrichtung geben müssen.“ „Dann ändern wir das.“ Atemu verstand das Problem nicht. Er war der Pharao. Nichts war für ihn unmöglich. „Aber das Volk weigert sich....und wenn alle sich weigern und ihr alle bestrafen lasst.......wer verrichtet denn dann noch die Abgaben an euch?“ Atemu nickte zustimmend. Das war ein Problem. Das konnte sogar er erkennen. „Nun gut. Dann macht den Leuten klar, dass wir sie belohnen werden, wenn sie gut arbeiten.“ Mahado nickte zwar, aber er wusste, dass Atemu sich über die Art der Belohnung selbst keine Gedanken machen würde. Das war die Aufgabe seiner Hohepriester und fertig. „Aber was wird aus dem Gefangenen?“ Mahado versuchte sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Atemu, der bisher einen guten Start in den Tag gehabt hatte, dachte kurz nach. „Also gut. Ich erlaube dir, eine Versammlung einzuberufen und über diesen Menschen zu richten. Dann soll er seine gerechte Strafe erhalten.“ Mahado seufzte erleichtert und entfernte sich flugs um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen. Atemu lächelte selbstgefällig und ließ sich von seinen Dienern noch ein paar Weintrauben in den Mund schieben. Schließlich empfand er keinen Gefallen mehr daran und dachte über eine schönere Beschäftigung nach. / Aber ja. Wieso hab ich nicht gleich an mein schönstes Spielzeug gedacht...... Vielleicht ist er heute endlich etwas zahmer. / Voller Vorfreude hieß er die Wachen an Seth zu ihm zu bringen. Doch verwirrt musste er feststellen, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zuging, denn anstatt seinen Befehl unverzüglich auszuführen, standen die Männer da und tuschelten leise. „Was hat das zu bedeuten?!“, donnerte er wütend. „Tut was ich sage!“ Einer der Männer trat vor und warf sich demütig zu Boden. „Verzeiht, hoher Herr, aber wurde es euch denn nicht gesagt?“ „WAS?!“ Atemu hatte die Nase langsam voll. Wieso tat denn keiner, was er wollte? „Euer Sklave...... Er ist verschwunden.“, flüsterte der Mann leise und zitterte bereits vor dem Zorn des Pharao. „WAS?!“ schrie dieser los und sprang aus seinem bequemen Sessel auf. „MAHADO!!!!!!“, brüllte er und raste wie ein wildgewordenes Krokodil durch den Palast. Mahado, der gerade in einer Besprechung mit den anderen Wächtern saß, sah von seinen Schriften auf, als die Tür aufschlug. „MAHADO! Ist es war, dass ihr meinen Sklaven habt entkommen lassen?!“ Mahado und die anderen verbeugten sich kurz und sahen sich gegenseitig müde an. Sie hatten alle die ganze Nacht gesucht, außer Akunadin, der immer noch fort war. „Ja, mein Pharao. Es ist wahr.“ Atemu platzte fast vor Wut. „Wie konntet ihr nur einen Sklaven verlieren? Seid ihr denn zu gar nichts nütze!!!“ Karim verzog sein Gesicht, als hätte man ihm eine Ohrfeige verpasst. Isis zuckte erschrocken und schuldbewusst zusammen. Shada musste sich beherrschen seine Wut unter Kontrolle zu bringen und Sengal ließ sich nicht die kleinste Gefühlsregung anmerken. Atemu beruhigte sich etwas, als er die betroffenen Gesichter seiner Priester sah. „Ich verzeihe euch diesen Fehler noch einmal. Aber sorgt dafür, dass nichts anderes gemacht wird, bis er gefunden ist. Das hat höchste Priorität.“ „Aber, mein Pharao, ihr vergesst die Verhandlung über den Attentäter.“, warf Shada ein. Das würde sie viel Arbeit kosten. Doch der Pharao hatte keine Lust für einen Verbrecher auf seinen Spaß zu verzichten. „Ich habe mich doch verständlich ausgedrückt... Also tut was ich sage, oder ihr seid es, die meinen Zorn erwarten dürfen.“ Damit drehte der Herrscher Kemets sich mit wehendem Umhang um und verließ den Raum in schnellen Schritten. Missmutige Blicke folgten ihm hinaus. Doch Atemu scherte sich nicht darum. Er war der Pharao und sein Wort war Gesetz. Wer das nicht verstehen wollte, wurde eben bestraft......und da würde er auch bei seinen Hohepriestern keine Ausnahme machen. Doch nun stand der große Pharao vor einem neuen Problem. Ihm war langweilig und er brauchte immer noch Zerstreuung. Doch woher sollte er sie nehmen? Müde vom vielen Denken kam er schließlich am Garten vorbei und beschloss ein wenig hier zu verweilen. Vielleicht hatten die Priester sein Spielzeug bereits gefunden, wenn er sich wieder hinausbegab. Gerade suchte der Pharao nach einem geeigneten Platz zum Entspannen, als ihm zwischen den exotischen Blumen etwas ins Auge fiel, was dort ganz und gar nicht hingehörte. Jemand schien ein Tuch dort verloren zu haben, denn ein weißer Stofffetzen lugte unter einem großen Strauch hervor. Wütend über solch eine Verschandelung seines Gartens, streckte der Pharao die Hand aus und zog daran. Doch zu seiner Verwunderung rührte sich das Stückchen Stoff nicht vom Fleck. Noch einmal langte der Pharao richtig zu und musste feststellen, dass die Säuberung seines Gartens von dem hartnäckigen Stück Stoff nicht möglich zu sein schien. Wie konnte etwas so kleines nur so schwer zu entfernen sein.... Zu allem Überfluss raschelte es plötzlich zwischen den Pflanzen und etwas braunes tauchte leise darunter auf. Ein verschlafenes Gähnen war zu hören und auf einmal dämmerte es dem Pharao, was da aus seinem Garten herauswuchs. Das schöne erdfarbene Haar schob sich zwischen den grünen Blättern und bunten Blüten nach oben, bis ein makelloses Gesicht zum Vorschein kam. Blaue Saphire blinzelten verwirrt und brauchten eine Weile um sich an das grelle Tageslicht zu gewöhnen. Schlanke feingliederige Finger fuhren sich durch das verwuschelte Haar und ließen einige Blüten, die sich darin verfangen hatten hinuntersegeln. Der Pharao konnte nicht verhindern, dass er den anderen anstarrte. Hier hatte sein Spielzeug also die Nacht verbracht. Kein Wunder, dass ihn niemand gefunden hatte. Seine braunen Haare und der Rest seiner Kleidung fiel unter den bunten geradezu leuchtenden Blumen nicht im Mindesten auf. Atemu sah die Gelegenheit seinen Sklaven endlich zu berühren ohne auf erneuten Ungehorsam zu stoßen. Schließlich schien dieser noch viel zu schlaftrunken, als den Herrscher richtig wahrzunehmen. Also beugte Atemu sich vorsichtig vor und wollte dem jungen Sklaven einen Kuss auf die zartrosa Lippen hauchen. Vorsichtig beugte er sich vor und konnte schon fast die süße der Lippen schmecken... Doch da hatte er die Rechnung ohne Seth gemacht. Dieser schrak sichtlich aus seinen Träumen, als er ein fremdes Gesicht immer näher kommen sah. Mit schreckgeweiteten Augen schaute er Atemu entgegen. Doch er fing sich genauso schnell wieder.......und schon hatte der Herrscher eine ganze Faust im Gesicht. Atemu wurde von der Wucht des Schlages nach hinten geworfen und brauchte einen Moment um wieder hochzukommen. Wütend setzte er sich auf und wischte sich einige Blutsstropfen von der Lippe. Perplex schaute er auf das Blut an seiner Hand und dann auf den zornig funkelnden Seth. „Du wagst es...DU WAGST ES, MICH ZU SCHLAGEN?!“ Seth zuckte nur mit den Schultern und sein Blick sagte aus: Selbst Schuld. Atemu sprang auf. Erst wurde er gebissen und jetzt auch noch geschlagen. Nie hatte ihn jemand geschlagen. NIE! Nicht einmal sein Vater hatte je die Hand gegen ihn erhoben. „Das wird Konsequenzen haben.“, zischte Atemu wütend und pfiff einmal kurz nach seinen Wachen. Seth rührte sich nicht von der Stelle, sah aber völlig unbeeindruckt zu dem Herrscher hinüber und stand schließlich auf. Als die Wachen endlich eintrafen und das Blut an der Lippe ihres Herrschers sahen, machte sich Beunruhigung unter ihnen breit. Sie waren etwas irritiert, denn schließlich stand nur noch der junge Sklave im Garten, von dem gemunkelt wurde, dass er ihrem Herrn das Leben gerettet hatte. Atemus Zornpegel stieg, als ihm klar wurde, dass die Wachen seinen Befehl nicht ausführen wollten. „Worauf wartet ihr?! NEHMT IHN FEST!“ Endlich kam Bewegung in die Männer, aber trotzdem nahmen sie etwas zögerlich Seth in ihre Mitte und packten ihn an den Armen. „Was wünscht ihr, dass wir mit ihm tun sollen, mein Pharao......“, meinte der eine abwartend. Jeder kannte die merkwürdigen Launen ihres Herrschers und es wäre sicher fatal gewesen, all zu früh zu handeln. Vielleicht entschied er eine Sekunde später schon wieder ganz anders. Der Pharao stand da und schien zu überlegen. Niemand rührte sich und die Wächter waren sichtlich besorgt, weil man nie wusste, auf wen sich der Zorn ihres Herrn richten konnte. Nur Seth interessierte dies alles wenig. Die Aufmerksamkeit seiner blauen Augen lag in weite Ferne gerichtet. Dort, wo Rahs Sonnenscheibe niemals hinreichte.......jetzt würde er sicherlich nicht hinfinden, um sich sein Liebstes zurückzuholen. Doch Seth wurde schnell aus diesen Gedanken gerissen, als ein viel zu heiteres Lachen aus dem Munde des Pharaos entschwand und durch den ganzen Garten hallte. „.........bringt ihn in das Dorf des Aussätzigen.......“ Die Wachen fuhren geschockt zusammen und man konnte es ihnen nicht verhehlen, dass sie mitleidige Blicke auf den jungen Sklaven warfen, der keinerlei Furcht zeigte. Er schien nicht zu wissen, welches grausame Schicksal der Herrscher Ägyptens für ihn gewählt hatte. Atemu schritt mit einem belustigtem Funkeln in den brennenden Augen auf Seth zu und packte dessen Kinn, so dass er nicht drum herumkam ihn anzusehen. „...Hatshepson wird sich deiner sicher gerne annehmen.......“ Seth zog den Kopf soweit zurück, dass er wieder Abstand zum Gesicht des Pharaos gewann. Den Wachen, die bei ihm standen, brach kalter Schweiß aus. Sie alle wussten, was es mit dem dunklen Hexenmeister Hatshepson auf sich hatte und was er im Dorf der Aussätzigen mit seinen Opfern tat. „...mein Herrscher...“, begann einer der Männer zögernd, aber bestimmt......jedenfalls bis Atemus Kopf herumfuhr und er den Widersprechenden kalt musterte. „........“ Der Mann hielt sofort den Mund und sah reumütig zu Boden. Auch die anderen, denen es ebenso um den hübschen Jungen leid tat, schwiegen betroffen. Doch niemand sagte mehr ein Wort. Seth wurde nur noch abgeführt, um ihn für seine letzte Reise vorzubereiten. Wer zu Hatshepson geschickt wurde, kam nie als der zurück, als der er gegangen war. Wenn man überhaupt wiederkam. Das wussten sie und deshalb tat es ihnen um so mehr leid. Seth mochte vielleicht anders sein und trug Merkmale des Dunklen Gottes, aber niemand verdiente es zu Hatshepson geschickt zu werden. Wirklich niemand. Inzwischen im Tempel des Apophis fand eine ganz andere Art der Bestrafung statt. Akunadin saß zornig auf einem bequemen Sessel, in dem für ihn zurechtgemachten Gemach und hörte sich gezwungenermaßen, die schlechten Neuigkeiten seines Stellvertreters an. Phis war ein exzellenter Stratege und eine hinterlistige Schlange, wenn man nicht sehr genau auf seine Handlungsweisen acht gab. Durch den Millenniumsgegenstand jedoch hatte er genügend Respekt vor Akunadin, um ihm vorbehaltlos zu gehorchen. Manchmal aber, so wie heute, berichtete er von eigenmächtigen Handlungen, die dem Hohepriester nicht gefielen. „Dann ist der Anschlag durch deine Marionette fehlgeschlagen......“, fasste Akunadin die gezischelten Worte noch einmal schnell zusammen. Auch so eine von Phis dummen Angewohnheiten, das schlangenähnliche Sprechen. Aber für jemanden, der den Schlangengott verehrte nicht ungewöhnlich. Phis war schon als Kind, der beste in der Priesterschule des Schlangentempels gewesen. Dort wurden Gifte und Gegengifte gelehrt, sowie manche Hexerei. Schließlich war man Phis auf die Schliche gekommen, dass er sich den dunklen Mächten verschworen hatte. Akunadin jedoch hatte sein Talent sofort erkannt und ihn aus dem Tempel mitgenommen, um ihn zu „bekehren“. Heute war Phis ein Meister seines Fachs und unentbehrlich für den Hohepriester. Von Außen sah Phis wie ein schmieriger kleiner Diener aus, aber sah man ihm in die gelben Augen, hinter denen es ständig dunklere Abgründe zu geben schien, wusste man, dass man dabei war einer Schlange in den Rachen zu hüpfen. Doch diesmal hatte Phis sich zum falschen Zeitpunkt einen Fehltritt erlaubt. „SCHWEIG!“, donnerte Akunadin irgendwann und Phis gehorchte sofort und ließ sich zu Boden gleiten. „Ist dir klar, dass ich durch die Attacke deines dummen Sklavenpüppchens gezwungen bin, meinen eigenen Plan zurückzustellen.....“ Akunadin kochte vor Wut. Es wäre der richtige Zeitpunkt für den entscheidenden Schlag, so zum Greifen nahe gewesen und nun musste er sich wieder mit Warten begnügen. „Verzzzeiht Herr...“, flüsterte Phis leise, doch richtige Schuld hörte man, wie immer nicht aus seiner Stimme. Das war auch so ein Problem, dass Akunadin nie in den Griff bekommen hatte. Phis glaubte, die Stimme seines Gottes zu hören und meinte dann stets, nur dessen Befehl ausgeführt zu haben. Bisher hatte Akunadin ihm zwar versucht auszureden, dass ein Gott sich dazu herablassen würde, sich mit einem niederen Wesen, wie Phis abzugeben, aber ohne Erfolg. Phis behauptete felsenfest eine Art Auserwählter zu sein. Akunadin ließ sich genervt auf den Sessel zurücksinken. „Sei es, wie es sei. Es bringt nichts, sich über Vergangenes aufzuregen.....“ Der Hohepriester massierte sich verärgert die Schläfe. Sofort war Phis wieder auf den Beinen, trat lautlos hinter ihn und nahm Akunadins Hand weg, um diese Aufgabe selbst zu verrichten. Akunadin entspannte sich sichtlich. Das war wirklich etwas, wofür es sich lohnte Phis als Diener zu haben. Niemand massierte so gut, wie er. „Dann warten wir eben noch. Aber ich möchte, dass du keine Alleingänge mehr versuchst.“, gab er murmelnd zurück, als er langsam in den Schlaf überglitt. „Ja. Herr.“, kam es einlullend von Phis und schon war Akunadin auch schon ins Land der Träume abgetaucht. „Habt ihr es schon gehört?“ Isis horchte interessiert auf. Ohne ihren Millenniumsgegenstand unter Kontrolle zu haben, entging ihr wirklich viel zu viel. Was war nun schon wieder geschehen? Der Diener, der mit einem großen Korb Brot neben einem der Palastwächter stand, schüttelte fragend den Kopf. „Nein. Was hat er diesmal getan?“ „Er hat seinen neuen Sklaven, diesen Seth, zu Hatshepson in die Wüstenstadt geschickt.“ Isis musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszuschreien. Hatshepson? Das war ja furchtbar. Nicht umsonst hatte der alte Pharao Hatshepson verbannt. Der Diener hatte vor Schreck den Brotkorb fallen lassen und bückte sich nun, um alles wieder einzusammeln. „Ist das wirklich war?“ Der Wächter nickte nur leicht. „Mein Cousin war dabei, als der Pharao das Urteil aussprach.“ „Das ist furchtbar.“, flüsterte der Diener bestürzt, als er sich wieder aufgerichtet hatte. „Mögen die Götter der Seele des armen Jungen gnädig sein.“ Der Diener machte eine schnelle Schutzgeste und verschwand dann zurück in die Küche. Der Wächter schritt indes seine Runde zu Ende. „......er tickt immer mehr aus.......jetzt auch noch der Aussätzige.....dabei sollte er froh sein, dass sein alter Herr ihn verbannt hat.......“, murmelte er beim Fortgehen. Isis blieb an die Wand gelehnt stehen und fasste sich ans Herz. Wie weit waren sie vom Guten in diesem Palast abgekommen, wenn nun unschuldige Menschen zu dem größten dunklen Hexenmeister der ganzen Dynastien geschickt wurden? Jeder, auch Atemu, wusste doch, was mit den Menschen geschah, die dorthin gebracht wurden. Dieser erschreckende Mann, von dem man sagte, dass sich sogar die Götter vor ihm in Acht nähmen und er deshalb noch nicht gestorben sei.....dieser Mann würde nun wieder in die Amtshandlungen des Pharaos einbezogen werden, wo er doch nur verbannt worden war, um dies zu vermeiden. Schließlich hatte Hatshepson einst die Macht der Millenniumswaage in Händen gehabt und fast das Gleichgewicht von Gut und Böse in ihr zerstört. Und dorthin sollte der Pharao seinen neuen Sklaven geschickt haben? Isis weigerte sich einfach dies zu glauben. Sie musste den Pharao selbst zur Rede stellen, aber..... Würde dann nicht auffliegen, dass sie die Kette nicht unter Kontrolle hatte? Angst machte sich in ihr breit und letzten Endes brachte sie diese Angst zum Schweigen.... Seth wusste nicht, wo man ihn hinbrachte. Er saß auf dem Rücken eines Pferdes und direkt hinter ihm einer von Atemus Palastwächtern. Der Junge mit den blauen Augen war froh, dass es jener war, der sich hatte für ihn aussprechen wollen. Zwar hatte er es nicht geschafft sein Anliegen durchzubringen, aber so musste er immerhin nicht vor einem notgeilen Kerl sitzen, der ihm dauernd an den Hintern grapschte, wie es ihm schon einmal ergangen war. Die Reise verlief ohne Zwischenfälle, was inmitten der sengenden Wüstensonne nicht weiter verwunderlich war. Die meisten Diebe waren nachts unterwegs und nutzten so die Müdigkeit der am Tag reisenden Menschen. Seth hätte versuchen können zu fliehen, denn schließlich hatte er sich in der Wüste aus unerfindlichen Gründen noch nie verirrt, aber leider ritten er und der Mann hinter ihm nicht allein. Man hatte ihnen noch fünf weitere Reiter zur Seite gestellt und selbst wenn er den einen hätte überreden können, ihn frei zu lassen, hätten es die anderen zu verhindern gewusst. Kurz vor Anbruch der Dunkelheit erreichten sie ihr Ziel. Zwischen den endlosen Sanddünen ragten gräuliche Felsen empor, so als hätte sich die Erde zornig aus dem Boden gehoben. Seth hatte schon vieles in der Wüste gesehen, aber dieser Ort sah verflucht aus, so wie in den Geschichten seiner Mutter. Es kam ihm so vor als wären die Götter selbst voller Hass auf dieses Stück Erde gewesen und hätten versucht es für Menschen unzugänglich zu machen, indem sie diese Steine wachsen ließen. Die Steine waren so kantig und spitz geformt, dass sie die Pferde zurücklassen mussten und den restlichen Weg zu Fuß einschlugen. Seth sah sich aufmerksam um. Nicht ein Tier lebte zwischen den Steinen und auch sonst bewegte sich nichts. Die fünf anderen Reiter blieben stehen, als sie an eine Mulde im Steinboden kamen. Dort konnte man ein Loch erkennen, das nach unten in die Tiefe führte. An diesem Loch stand ein kleiner Junge von nicht mal sechs Jahren und starrte gleichgültig auf die Männer, die auf ihn zukamen. Seth hatte noch nie solch ausdruckslose Augen gesehen. Nicht mal bei den Sklaven, die schon mehrmals als Lustobjekte verkauft worden waren. Dieser Junge sah aus, als hätte man ihm die Seele aus dem Leib gestohlen. „Wir wollen zu Hatshepson.“, sagte der Wächter an seiner Seite zögernd. Er hatte Angst vor diesem Ort, das konnte Seth deutlich spüren. Was ging hier nur vor? Das mit Lumpen bekleidete Kind antwortete nicht und starrte weiterhin leer in das Gesicht des Wächters. „Ist er hier?“ Das Kind gab immer noch keine Antwort, stattdessen drehte es sich einfach um und ging auf eine Steinspitze zu, die vor ihm aus dem Boden ragte. Eine Weile starrte es den Stein, wie hypnotisiert an und dann......warf es sich mit dem ganzen Körper in die Spitze hinein. Erschrocken schrie der Mann neben Seth auf und riss ihn zurück, als Blut sich auf dem grauen Stein verteilte. Zitternd trat er noch weiter zurück und auch Seth war wie paralysiert. Der Junge hatte sich vor ihren Augen selbst gerichtet. Langsam kroch auch in Seth Angst hoch. Was war das für ein Ort, wo einem die Seele gestohlen wurde? Doch ehe sie sich entschließen konnten zu verschwinden, kletterte ein weiteres Kind aus dem Loch herauf und sah die Männer am Eingang durchdringend an. Es war diesmal ein junges Mädchen mit rabenschwarzen Augen und ebensolchem Haar. Es musste ungefähr in Seths Alter sein. Ihre Augen waren völlig klar und nicht so leer, wie die des Jungen zuvor. Kurz drehte sie den Kopf und besah sich nachdenklich den toten Körper des kleinen Jungen, der noch immer leblos auf dem Stein hing. Sie schüttelte nur den Kopf und wandte sich dann an die Männer, ohne den Leichnam weiter zu beachten. „Ihr seid Männer aus dem Palast.“, sagte sie nach einer kurzen Musterung bestimmt. Der Mann, der Seth immer noch dicht an sich gepresst hielt, nickte zustimmend. Er wünschte sich jetzt wohl lieber in die Hände des Gottes Seth selbst, als an diesen von Göttern verlassenen Ort. Das Mädchen wandte den Kopf schließlich Seth zu und besah ihn sich von oben bis unten. Ihre Augen weiteten sich einen Moment vor Überraschung und ein fröhliches Glitzern trat in das Schwarz. „Dann seid ihr wohl gekommen um uns einen Neuzugang zu bringen.“, meinte sie belustigt über die Angst des Mannes vor sich. Sie ging langsam auf Seth zu und stellte sich direkt vor ihn hin. Nun konnte man sehen, dass sie doch einen halben Kopf kleiner war, als der Braunhaarige. „.....und wen darf ich bei Meister Hatshepson anmelden?“ Seth schwieg. Er hatte bisher nichts gesagt und er würde jetzt sicher nicht damit anfangen. „Sein Name ist Seth.“, antwortete der Wächter stattdessen und schob Seth ein Stück vor. Er wollte jetzt nur noch hier weg und wenn er Seth schnell untergebracht hatte, konnte er das auch. „Seth.“, flüsterte das Mädchen grinsend und sah fasziniert in die blauen Augen des Jungen vor sich. „Ein ungewöhnlicher Name.“ Seth sagte nichts dazu. Was hätte er auch sagen sollen? „Dann komm mal mit....Seth.“ Nie hatte jemand seinen verhassten Namen so ausgesprochen, so als wäre er etwas besonderes. Seth rührte sich trotzdem nicht. Sein Blick hing immer noch auf dem toten Jungen fest, der auf dem Stein hing. Das Mädchen folgte seinem Blick und besah den Toten gleichgültig. „Mach dir um ihn keine Gedanken. Meister Hatshepson hat ihm einen Gefallen getan. Sein Dasein war nichts wert.“ Seth verstand nicht. Es war doch niemand außer ihnen hier gewesen. Der Junge hatte sich doch selbst umgebracht, was hatte es dann mit dem Mann zu tun, der hier lebte? Das Mädchen schien ihn auch ohne Worte zu verstehen, denn es lächelte wissend und sagte dann: „Der Meister hat ihn mit den Worten Wenn Fremde kommen, spring in den Stein und rette deine Seele, sonst bringen sie dich ins Schattenreich hier hoch geschickt. Der Meister ist sehr klug. Er wusste, dass ihr kommen würdet. Und jetzt folge mir bitte. Er wartet nicht gern.“ Seth rührte sich trotzdem nicht von der Stelle. Er sah immer noch auf den kleinen Jungen, der dort hilflos hin und herbaumelte. Dann endlich setzte er einen Fuß vor den anderen, schritt auf den toten Körper zu und zog ihn aus dem Steindolch raus. Für einen Moment sah er in die weitaufgerissenen leeren Augen und musste erschrocken feststellen, dass sie nicht viel anders aussahen, als zu dem Augenblick, wo das Kind noch gelebt hatte. Er warf einen kurzen Blick auf das Mädchen, das ihm interessiert zusah, jedoch nichts unternahm. Seth schulterte sich den Jungen auf den Rücken und ging zurück zum weiten Wüstensand. Dort kurz vor den grauen Steinklauen würde sich sicher kein Tier hintrauen und so fing er mit bloßen Fingern an, ein Loch zu graben. Schließlich rafften sich die Männer um ihn auf, ebenfalls schweigend zu helfen. Als die Sonne schon fast völlig verschwunden war, lag der tote Junge friedlich schlummernd im Wüstensand und Seth hoffte, dass seine Seele im Tod nicht noch mehr Leid zu ertragen hatte, als im Leben. Sengal raste, wie ein wildgewordener Löwe durch die Palastflure. Wenn es wirklich der Wahrheit entsprach, was er gehört hatte, dann könnte das alles verändern.....und zwar zum Negativen. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Es war seine Aufgabe dafür zu sorgen, dass die überlieferten Weisheiten ihre Gültigkeit behielten. Gerade bog er in den Gang zu den Ställen ab, als jemand ihm entgegen kam und er diese Person fast umrannte. „Isis...“ Sengal hielt sie am Arm fest, damit sie nicht umfiel. Normalerweise hielt sie sich nie hier auf. Das war mehr als merkwürdig. Wurde das ganze Reich denn immer verrückter? „Was tust du hier? Ich dachte, der Pharao hätte dich zu einer Sitzung berufen...“ Isis schwieg schuldbewusste. Sengal sah sie durchdringend an, blieb aber völlig ruhig. „Möchtest du mir vielleicht etwas sagen?“ Isis zögerte sichtlich. Ihr lag etwas auf der Zunge, aber es brauchte anscheinend Überwindung es loszuwerden. Sengal hatte keine Zeit.....eigentlich.....aber vielleicht wusste Isis etwas. Im Gegensatz zu den restlichen Hohepriestern hatte Sengal längst die Veränderungen in Isis Verhalten bemerkt und wusste sie auch zu deuten. Er hatte bisher aber geschwiegen, weil er gehofft hatte, das Problem löse sich von selbst. Doch dem schien nicht so zu sein. Überhaupt wurde alles von Tag zu Tag schlimmer als besser. „Wenn du etwas sagen möchtest, Isis, stehe ich dir jeder Zeit gern zur Verfügung, nur.....jetzt gerade kann ich nicht länger warten. Ich muss los.“ Sengal wollte schon an ihr vorbeilaufen, als sie ihn zurückhielt. „Ist es wegen dem Jungen,... Seth?“, fragte sie sehr zaghaft. Also wusste sie doch etwas. „Dann ist es doch kein Gerücht. Der Pharao hat ihn wirklich zu Hatshepson bringen lassen?“ Sengal konnte es nicht glauben. Bis zum Schluss hatte er gehofft, es wäre dem nicht so. Warum behielt sein Instinkt immer recht? Warum nur? Merkte denn niemand, wie wichtig der Junge war? Wie nah sein Schicksal an dem des Pharaos lag? Was würde wohl geschehen, wenn die Seele des Jungen verloren ging, wo er doch so dicht an den Pharao geknüpft war? „...es stimmt...“, flüsterte Isis ergriffen und langsam liefen ihr Tränen über die Wangen. Sengal verstand nicht..... Es war doch nicht ihre Schuld, weshalb war sie dann so davon betroffen? „Isis, was......“ „Es ist alles meine Schuld.“ Sie schluchzte laut und Sengal zog sie schnell durch die nächste Tür zu einer Abstellkammer. Es musste ja nicht jeder mitbekommen, wie die Hohepriesterin Tränen vergoss. „Was meint ihr damit?“ Sengal zog die junge Frau an sich und strich ihr beruhigend über den Rücken. Isis atmete tief durch. „Ohne die Kräfte meiner Kette, bin ich völlig machtlos.....Ich hätte sehen müssen...Ich hätte es verhindern müssen.......ooohhh......wenn das Pharao Aknankanon wüsste.....“ Isis klammerte sich haltsuchend an Sengal fest. Dieser seufzte leicht. Es war schon schwer, wenn man ein sehr hohes Amt inne hatte. „Was ihr redet ist Unsinn, Isis. Niemand weiß, was die Götter mit all dem bezwecken, aber es wird alles seine Richtigkeit haben. Das Verschwinden eurer Kräfte sicher auch. Habt keine Furcht. Vertraut den Göttern Ägyptens.“ „Wie könnt ihr in solch schweren Zeiten nur so zuversichtlich reden, Sengal?“ Isis sah ihn aus verheulten Augen an. Sie konnte den anderen manchmal echt nicht begreifen. Gaben ihm seine Weisheiten solche Zuversicht? Was mochte wohl auf den steinernen Wänden unter dem Palast stehen, dass Sengal immer solche Ruhe ausstrahlte? „Wie könnt ihr nur so voller Zweifel sein?“, stellte Sengal die berechtigte Gegenfrage und ließ Isis mit ihren Gedanken allein zurück. Für ihn galt es jetzt keine Zeit mehr zu verlieren und so ließ er sich ein Pferd satteln und genügend Wasser bringen, um in die Wüste zu reiten......an einen Ort, den selbst die Götter mieden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)