Fremde Welten von kiyahotep (Denn nur wer in der Hölle war, kann den Himmel wirklich sehen.) ================================================================================ # 8 --- Kapitel 8 Einen kurzen Moment standen sich die beiden Dämonen gegenüber und betrachteten sich, dann drehte sich der silberhaarige Dämon abrupt um und rannte los. Seine schwarzen Kleider flatterten im Wind. Ein kurzer Blick nach hinten verriet ihm, dass ihm der Andere folgte. Er schlitterte um zwei Biegungen und sah noch gerade, wie vor ihm eine dunkelhaarige Gestalt mehr oder weniger durch die Luft flog. Teiou. Das Ganze wirkte doch sehr seltsam ... Ashray war noch unsichtbar. Zum einen war er erleichtert, dass Ashray es anscheinend geschafft hatte, den Prinzen des Ostens zu befreien, zum anderen war er selbst gerade dabei ihren Verfolger in genau die gleiche Richtung zu führen. Wenn sie erst draußen in der Stadt waren, würde er ihn in die Irre führen und dann nach den beiden anderen suchen. Es war zwar sehr risikoreich sich hier zu trennen, da sie sich vielleicht nicht wieder finden würden, aber was anderes blieb ihm nicht übrig. Die Schritte hallten von den Wänden der Gänge wider, durch die sie liefen. Da ... der Ausgang tauchte auf, oder Eingang ... das war das Tor aus dem Gangsystem des Palastes in den großen Felsendom und in die Stadt, bzw. viele weitere Gänge ... Schnell eilte Keika den kurzen Abhang hinab zu den Felswänden und den engen Gassen. Beinahe wäre er gestolpert und gefallen, aber er schaffte es noch gerade sich wieder zu fangen und beschleunigte seine Schritte weiter. Vor ihm tauchte für einen kurzen Moment ein roter Haarschopf auf. Der Schrei eines Vogels war zu vernehmen. Hyogyoku ... "Folg ihm." Zischte er vor sich hin ... "Bitte folg ihm ..." Mittlerweile hatte er die Felsschluchten hinter sich gelassen und vor ihm tat sich der weite Felsendom auf. Einen Moment blieb er unschlüssig stehen und sah zurück. Sein Verfolger hing immer noch an ihm. Er atmete einmal tief durch und schlug sich dann nach rechts in die beinahe mannshohen Stauden, die ihm schon auf dem Hinweg aufgefallen waren. Sein Atem raste. Lange würde er das Tempo nicht mehr durchhalten und der schwarzhaarige Dämon hinter ihm war verdammt schwer abzuschütteln. Mit beiden Armen um sich schlagend kämpfte er sich voran. Hinter ihm knackte es. Der Andere hatte das Staudendickicht ebenfalls betreten. Er warf einen kurzen Blick zurück. Sein Vorsprung war kleiner, als er erwartet hatte. Plötzlich gab es vor ihm keinen Widerstand mehr. Natürlich hatte er nicht gesehen, wohin er lief und geriet nun ins Straucheln, als seine Arme nicht mehr gegen die Stauden stießen. Er stolperte aus dem Dickicht heraus. Der Boden unter seinen Füßen gab mit einem Mal nach. Er stand im Wasser, etwa knöcheltief, und würde in dem morastigen Untergrund weiter einsinken, wenn er stehen blieb. Ein Sumpf, jedenfalls so etwas ähnliches. Er war mitten in einen Sumpf gerannt ... ~*~*~ "ASHRAY! LAUF!" Noch immer hörte er diesen Ruf des Dämons, wie er durch die Gänge hallte. Er hatte sich Teiou über die Schulter gelegt. Der war nicht so schwer, wie Ashray erwartet hätte, aber es reichte, um sein Fortkommen einzuschränken. Dennoch rannte Ashray so gut es ging durch die Höhlen. Keikas Stimme hatte warnend geklungen. Zeit um hinter sich zu sehen, nahm er sich keine. Er musste nur schnellstmöglich hier raus und Teiou hier weg bringen. Als er den den steinernen Torbogen passiert hatte, zögerte er kurz. Welche Richtung sollte er nehmen? Welcher Gang war nochmal der, der am schnellsten aus dieser Albtraumstadt heraus führte? Weg von diesem grauenvollen Palast? Während dieser Gedanken vergaß er völlig sich auch noch darauf zu konzentrieren unsichtbar zu bleiben, so dass er kurzzeitig doch sichtbar wurde. Wobei Teiou ja eh sichtbar blieb ... Der Schrei eines Vogels ließ ihn zusammenzucken. Er sah kurz auf und sah etwas Goldenes aufblitzen. Irgendetwas sagte ihm, dem Tier zu folgen. Er bog in einen der Gänge zu seiner rechten Seite. Vor ihm sauste nun der Vogel herab und flog vor ihm her, als wollte er ihm den Weg wirklich zeigen. Zügig lief er durch die Gassen. Nur seine eigenen Schritte waren zu hören. Die anderen Schritte, die er bis gerade noch hinter sich vernommen hatte, wurden immer leiser und entfernten sich. Zum Glück waren die Gassen, die sie durchquerten, allesamt leer. Nicht, dass er die Dämonen so sehr fürchtete, aber im Moment war es der Sache eher dienlich, dass sie nicht gesehen wurden. Als sie den offenen Felsendom erreicht hatten, setzte Ashray Teiou kurz ab um sich zu strecken. Auf Dauer war es sehr anstrengend das Tempo zu halten und dann noch mit Teiou über der Schulter. Kurz betrachtete der Rotschopf seinen Freund. Er war immer noch blass, und schien bewusstlos zu sein, jedenfalls hatte er die Augen geschlossen und regte sich von selbst kein Stück. Seufzend nahm Ashray ihn wieder hoch, diesmal auf den Rücken. Vor ihnen tat sich die Dunkelheit auf. Zu seiner Rechten zog sich die Felswand hoch, bis in die weit entfernte Kuppel der Höhle. Links von ihm glitzerte es. Wasser, welches sich in einem nicht sonderlich tiefen Bett gesammelt hatte und beinahe die ganze übersehbare Fläche vor ihnen füllte. Ein schmaler Weg aus Steinen war zu erkennen. Auf einem der Felsen saß das nachtblau gefiederte Geschöpf mit den vereinzelten goldenen Federn und sah die beiden Prinzen mit leicht schräg gelegtem Kopf an. Ashray hatte irgendwie das Gefühl, dass der Vogel jeden Moment das Sprechen anfangen würde und 'Folgt mir' sagt, was aber nicht geschah. Stattdessen nickte der Vogel leicht mit dem Kopf in die Richtung hinter sich, über den schmalen Weg ... Ashray hatte die Aufforderung verstanden. Langsam trat er auf die Steine zu, die zum Teil von Wasser umspült wurden, und betrat sie vorsichtig. Von Stein zu Stein springend überquerten sie den flachen See ... ~*~*~ Mit einem Mal schoss vor Keika eine Wand aus Wasser in die Höhe. Schlitternd kam er noch so gerade zum stehen. Er wirbelte herum und sah sich nun dem anderen Dämon gegenüber. In der Dunkelheit war der, aufgrund seiner schwarzen Kleider und seinen dazu noch schwarzen Haaren, beinahe unsichtbar. Nur sein helles Gesicht stach heraus und seine Augen. Erschrocken stellte Keika fest, dass seine Augen von einem leuchtend blauen Farbton waren. 'Ein Wassermagier' schoss es ihm durch den Kopf. Der Andere war ein Wassermagier ... Keika sah auf den Boden. Dummerweise befanden sie sich im Wasser. Auch wenn es nicht sonderlich tief war, würde es doch reichen um damit ziemlich viel Schaden anrichten zu können - wenn der andere etwas von seiner Magie verstand, wobei die Wand aus Wasser hinter Keika eigentlich keinen Zweifel daran ließ. "Keika ..." Seine Stimme war eiskalt und sein Blick spiegelte einen Hass, den Keika momentan nicht unbedingt erklären konnte. Er musterte das Gesicht seines Gegenübers. Es war einer der beiden Dämonen, die sie hergeführt hatten. Der mit dem Tattoo um das Auge. Einen Moment brauchte Keika, bis ihm die Namen wieder einfielen, die Lili genannt hatte. Kariko war der mit den grünen Augen gewesen, also war das ... "Noel." Seine Stimme klang gelassen, obwohl Keika sich absolut nicht so fühlte. Abschätzig betrachtete er den Schwarzhaarigen. "Du bist also doch ein Verräter. War ja klar. Diese Lili lässt sich immer mit den Falschen ein. Was hast du mit dem Himmelsbewohner vor?" "Ich? Mit dem Himmelsbewohner? Selbst wenn ich es dir sagen würde, würdest du es mir nicht glauben." Keika verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an. Es hatte keinen Sinn nach einer Fluchtmöglichkeit zu suchen. Wenn dann würde es eh früher oder später zu einem Kampf zwischen ihnen beiden kommen. Und je früher, desto besser. Keika wusste nicht, wie viel Kraft er nach einer weiteren Stunde Rennerei noch haben würde. Seine Chancen standen jetzt auf jeden Fall besser ... "Wenn du es nicht sagen willst, dann kann ich dich genau so gut gleich erledigen. Dann muss Guru das nicht tun." Ein böses Lächeln schlich sich auf seine Lippen, dann machte er eine knappe Ruderbewegung mit beiden Armen und fast im gleichen Augenblick schossen zwei riesige Wasserkugeln auf Keika zu. Noch so gerade konnte er die Arme hochreißen und eine Säule aus Wind um sich errichten, an dem die riesigen Wassertropfen in ganz viele kleine zerrissen und in alle Richtungen davon stoben. "Pech gehabt." Keika grinste bei dem verwirrten Gesicht seines Gegners. Der mochte vielleicht genug Wasser für seine Angriffe haben, aber eigentlich war Keika im Vorteil. Mit dem Wind konnte er sich ebenfalls des Wassers bedienen, vielleicht nicht ganz so geschickt wie der Andere, aber er konnte es, und darauf musste er jetzt setzen ... ~*~*~ Hinter einem großen Felsen blieb der Vogel sitzen. Mit einem kurzen, erleichterten Seufzer ließ Ashray Teiou von seinem Rücken gleiten und setzte ihn so, dass der an der Felswand lehnte. Dann ließ er sich daneben fallen. Er brauchte einen Moment, bis er wieder richtig bei Atem war. Es war anstrengend gewesen so über die Steine zu springen, zumal er mehrmals fast das Gleichgewicht verloren hätte, weil Teiou ihn mit seinem Gewicht nach hinten gezogen hatte. Aber letztlich waren sie heil hier angekommen. "Hey Teiou ..." Vorsichtig rüttelte er seinen Freund an der Schulter. Er bekam keine Reaktion. "Du machst mir Angst, echt jetzt. Werd endlich wach ..." Ashray hatte beide Lippen aufeinander gepresst, sodass nur noch eine dünne Linie zu erkennen war. Wenn doch wenigstens Keika hier wäre, der wüsste sicherlich, was mit Teiou war. Jedenfalls hatte der mehr Ahnung von Krankheiten und Medizin, als Ashray. "Hey Vogel, wo bist du hin?" Seine Blicke wanderten kurz, dann entdeckte er einen Schatten, der über ihm den Fels hoch hüpfte. Zögernd warf er einen Blick zu seinem bewusstlosen Freund, dann stand er auf und kletterte dem Tier hinterher, welches nun oben auf der Spitze des Felsens saß und auf die spiegelnde Wasseroberfläche sah. "Was ist da?" Er sah den Vogel an, der nur ruhig da saß und in die Richtung starrte. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte Ashray, dass dort Wasser spritzte, in alle Richtungen, und auf der Oberfläche hatte sich ein weißer Schaum gebildet. In der Dunkelheit war es schwer zu erkennen, aber zwei Schatten gingen dort aufeinander los. Ab und zu schoss eine Wand aus Wasser in die Luft, dann ein Geysir, dann fiel alles in sich zusammen und ein Windstoß erreichte ihn auf seinem Aussichtspunkt. "Ist das ... ist das Keika?" Er sprach leise. Wieder sah er den Vogel an, der sich nicht regte. Noch eine Weile betrachtete er das Spiel des Wassers, dann rutschte er den Fels wieder runter und kniete sich neben Teiou. "Hey wir müssen weiter." Wie erwartet bekam er auch hier keine Antwort. Seufzend nahm er Teiou wieder auf den Rücken und machte sich daran den sehr unwegsamen Weg vor sich zu bewältigen. Sein Blick wanderte dabei immer wieder zu dem gefiederten Geschöpf, welches vor ihm flog und ab und zu auf einem Felsvorsprung saß und auf ihn wartete. ~*~*~ Um ihn herum wirbelte Wasser. Aber diesmal war es Keika, der den Ring aus Wasser um sie beide geschlossen hatte. Mit einem Sprung überrumpelte er Noel und zwang ihn zu Boden. Keika kniete über ihm und drückte ihn in den schlammigen Untergrund. Seine Haare waren nass und hingen ihm ins Gesicht, seine Kleider hatten sich auch voll gesogen, jedenfalls teilweise, aber das war gerade unwichtig. Er hatte es geschafft seinen Gegner in die Knie zu zwingen. Sein Blick ruhte auf Noel, der schwer atmend versuchte sich aus Keikas Griff zu befreien, daran aber scheiterte. In seinen Augen leuchtete immer noch Hass, aber Keika war sich sicher dort mittlerweile auch Furcht erkennen zu können. Er war der Sieger. "Du wirst nicht weit kommen und dein Freund auch nicht. Ashray, oder Alan, oder wie er auch immer heißt." Zischte er. Keika zuckte teilnahmelos mit den Schultern. "Du warst nicht so stark, wie ich erwartet hätte, Wassermagier." Sein Tonfall war verächtlich. "Woran lag es? Vielleicht hier dran?" Eilig griff Keika nach Noels rechtem Handgelenk, welches der noch reflexartig zurückziehen wollte. Keika bekam es dennoch zu fassen und riss nun den nassen Stoff der Robe entzwei, sodass ein weißer Verband zum Vorschein kam. Noel drückte er weiterhin zu Boden. Er saß mehr oder weniger auf ihm. "Wie kann man nur seine Kraft jemandem anderen geben? Und dann noch freiwillig?" Verständnislos und verachtend sah er den Schwarzhaarigen an. "Es dient einer guten Sache." Er lächelte schwach. "Ich weiß, dass du diese Praktik nicht magst. Glaub mir. Lili hat einiges über dich erzählt. So ganz unwissend bin ich nicht, was dich angeht." Keika sah ihn kurz an, betrachtete dann aber den Verband und machte sich daran ihn abzumachen. "Zu dumm, dass sie die letzten Jahre meiner Lebensgeschichte nicht kannte." Keikas Stimme klang gelassen. "Was machst du da?" Die blauen Augen folgten jeder von Keikas Bewegungen. Als er den Verband vorsichtig abgewickelt hatte, griff er nach seinem Gürtel, an dem sein Dolch hing, und zog diesen hervor. "Das traust du dich nicht, das nicht." Noel lachte. "Du hast doch keine Ahnung, was du da tust." Seine Augen leuchteten kurz amüsiert auf, aber Keika achtete nicht darauf. Er setzte die Schneidefläche des Messers auf Noels Handgelenk an. Es kostete ihn viel Mühe, das Zittern und die Anspannung zu verbergen, die ihn zu überkommen versuchte. Noch nie hatte er etwas dergleichen getan. Eigentlich war er dabei etwas zu tun, was er aufs Tiefste verabscheute. Aber da er ihn eh töten musste, war es auch egal, auf welche Art der dunkelhaarige Dämon starb. Mit einer schnellen Handbewegung, zog er die Klinge über Noels Haut. Der zog nur scharf die Luft ein und zuckte kurz zusammen. Er war nicht stark genug, um sich noch großartig zu wehren. Der Kampf hatte ihn geschwächt und vermutlich hatte er kurz vorher auch noch einen Teil seiner Kraft an Guru abgetreten, jedenfalls war die Wunde unter dem Verband noch relativ frisch. Keika steckte den Dolch zurück und presste nun seine Hand auf die Wunde. Blut floss an den Seiten heraus, weißes Blut, genau wie Keikas ... "Du wolltest wissen, was ich vorhabe, mit diesem 'Himmelsbewohner'. Er sah den Schwarzhaarigen an, ließ ihn aber nicht los. "Ich bin sein Geliebter und ich habe nicht vor ihn euch zu überlassen." Noel starrte ihn fassungslos an und öffnete den Mund um noch etwas zu erwidern, kam aber nicht mehr dazu ... Keika hatte die Augen geschlossen und konzentrierte sich. Er spürte, wie die Atemzüge des Schwarzhaarigen immer schwächer wurden und wie ihn eine seltsame Kraft durchfloss. Zunächst langsam, dann immer schneller beraubte er den Anderen seiner Kraft. Irgendwann sackte Noel ganz unter ihm zusammen. Noch einen Moment harrte er aus, dann ließ er hastig den Arm des toten Dämons los. Er hatte es getan. Er hatte ihn getötet, indem er ihm seine letzte Kraft genommen hatte. Ein kalter Schauer lief über seinen Rücken und für einen kurzen Moment spürte er eine unsagbare Angst. Er stand auf und betrachtete Noel. Der sah so aus, als ob er nur schlafen würde, aber Keika wusste, dass dem nicht so war. Er lachte kurz - etwas anderes als den Tod hatte der auch nicht verdient - und drehte sich dann um. Langsam schritt er durch das seichte Wasser und verschwand in der Dunkelheit. ~*~*~ Ashray saß neben Teiou, der immer noch keine Regung zeigte, und lauschte in die Dunkelheit. Wie lange und wie weit er gelaufen war, wusste er nicht. Der Vogel war verschwunden und sie waren alleine. Er hatte einen relativ trockenen und geschützten Ort hinter einigen Felsen gefunden, wo sie nun warteten. Ashray hoffte, dass sich das Warten lohnen würde, und das Keika irgendwie hierher fand. Um ihn war nur Stille oder nicht? Plötzlich war da ein Flattern. Kam der Vogel zurück? Gebannt sah er in die Dunkelheit, wo sich nun etwas bewegte und auf ihn zu kam. Irgendwie war er angespannt. Was wenn ein Dämon kam, der nicht Keika war? Ein Rascheln, wieder ein Flattern und dann tauchte der Vogel auf und knapp dahinter eine silberhaarige Gestalt ... Keika. Ohne wirklich auf Ashray zu achten ließ sich Keika vor Teiou auf die Knie fallen und nahm ihn in den Arm. Ashray konnte hören, wie er leise Teious Namen flüsterte. Einige Minuten blieb er einfach so sitzen, dann ließ er von seinem Freund ab und setzte sich zu Ashray. Keikas Kleider waren nass und am unteren Saum war sein Gewand von braunem Matsch bedeckt. An seiner Hand klebte etwas Weißes. Blut, wie Ashray vermutete. Keikas Blut war ja nicht rot, sondern weiß. "Ist alles in Ordnung mit dir?" Der Dämon nickte. Schweigend saßen sie eine ganze Weile nebeneinander, bis ein leises Knurren die Stille durchbrach. Ashray schlang hastig die Arme um sich. Keika hob den Kopf leicht und sah ihn an. "Hast du Hunger?" Was für eine dumme Frage. Ashray hatte seit mehreren Tagen nicht wirklich was zu Essen bekommen. Zwar hatte er auf dem Streifzug durch die Stadt etwas gesucht, aber wirklich genießbar war das nicht gewesen. Er nickte einfach. Keika schien sich unendlich langsam zu bewegen - er wirkte müde. Langsam ließ er eine Hand in seine Tasche gleiten und zog eine seltsame Frucht heraus, die fast die Form einen Flaschenkürbis hatte. Ashray schauderte. Kürbis ... Wie ekelhaft. Der Silberhaarige machte sich daran, die Frucht mit seinem Messer zu zerteilen. "Sie schmeckt nicht so sonderlich gut, aber die inneren Teile müssten sogar für dich genießbar sein." Er reichte ihm ein Stück grünliches Fruchtfleisch, welches sehr süßlich und schon beinahe faulig roch. Keika selbst nahm ein Stück vom äußeren Teil und biss hinein. Er verzog dabei keine Miene. Zögernd tat Ashray es ihm gleich. Allerdings spuckte er es beinahe sofort wieder aus. "Genießbar?" Er funkelte Keika an. "Das schmeckt absolut scheußlich, grauenvoll, ekelhaft. Das ist echt eine Zumutung." Seine Augen blitzten. "Dein Teil ist sicher besser. Du verarschst mich doch." Er griff nach der restlichen Frucht und schnitt sich ebenfalls ein Stück vom äußeren Teil ab. Wortlos folgten ihm die Blicke des Dämons, der sein Stück mittlerweile fast aufgegessen hatte. Neben ihm saß Hyogyoku, der an Ashrays weggeworfenem Stück rumpickte. Noch einmal sah der Rotschopf zu seinem dämonischen Begleiter, dann probierte er sein neues Stück. Spuckend und hustend hockte er, von Keika abgewandt auf dem Boden und hielt sich den Hals. "Wie kannst du das so essen?" Es war nur ein Krächzen, wozu er im Stande war. Keika lächelte. "Ich habe doch gesagt das Innere ist für dich genießbarer. Und warum ich das essen kann?" Er zuckte mit den Schultern. "Ich habe Jahre lang davon gelebt. Aber ich gebe zu, dass mir das Essen im Himmel auch tausend mal besser schmeckt." "Verständlich ..." Mehr brachte Ashray nicht mehr heraus, bevor er sich übergeben musste. "Geht es wieder?" Keika hockte neben ihm und hatte ihm irgendeinen komischen Saft eingeflößt, der zwar auch grausam schmeckte, aber seinen Magen wenigstens wieder einigermaßen beruhigt hatte. "Willst du noch was essen?" Ashray warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Okay, dann nicht. Ich hätte dir auch nur noch das Innere gegeben." "Spinner. Ich esse hier überhaupt nichts mehr. Eher verhungere ich. Freiwillig!" Keika lachte leise. Das war wieder der Ashray, den er kannte, und jetzt gerade fand er das irgendwie erheiternd. "Na gut, dann nicht." Er setzte sich wieder und nahm sich noch etwas - auch Hyogyoku bekam seinen Teil - worauf Ashray nur angewidert das Gesicht verzog. Nach einer Weile stand er auf. "Ich passe auf, dass uns hier keiner überrascht. Du kannst dich ausruhen." Er sah Keika noch einmal abschätzig an, dann drehte er sich um. "Ich habe hier lange genug gesessen und mich ausgeruht. Schlaf du ein bisschen, du siehst ziemlich müde aus. Wir müssen morgen sicher weit laufen, wenn wir hier raus wollen." Wobei er bezweifelte, dass die Strecke in einem Tag zurückzulegen war. Sie befanden sich ganz tief drin in der Hölle. Seufzend verschwand er hinter dem Felsen, der ihnen als Schutz diente und bezog seinen Wachposten. Keika sah ihm, immer noch kauend, nach. Mit einer Hand strich er Hyogyoku durchs Gefieder, der leise und freudig gurrte. "Du hast das gut gemacht. Sehr gut sogar - Hyogyoku." Leise redete er mit dem Vogel der seinen Kopf nun an ihn schmiegte, aber dann plötzlich inne hielt und auf die andere Seite neben Keika starrte. Auch Keika wandte den Blick in die Richtung. Was sollte an dem Felsen schon sein? Zwei blaue Augen sahen ihn verwirrt und eingeschüchtert an. Teiou ... ~*~*~ "Weißt du Teiou ... Ich habe es getan, ich habe das getan, was ich eigentlich so hasse ..." Er hatte Teiou im Arm - nach so langer Zeit endlich wieder - und strich ihm immer wieder durch die Haare. Teiou war mittlerweile wach. Sein Blick war zwar abwesend, und nur manchmal, wenn er den Kopf leicht hob und Keika ansah, konnte man erkennen, dass sich Furcht in seinen Augen spiegelte. Keika wusste noch nicht so ganz, was sie mit Teiou genau angestellt hatten, aber er wirkte so benommen und abwesend und er hatte Angst vor ihm, Keika, ... es konnte nichts Angenehmes gewesen sein. Er drückte ihn an sich, redete weiter leise auf ihn ein. Es tat so gut, ihn wieder bei sich zu haben, auch wenn Teiou davon wahrscheinlich nicht allzuviel mitbekam. "Ich habe Lili getroffen ... Teiou." Er schloss die Augen kurz. Er spürte Teiou, der den Kopf an seine Brust gelegt hatte, er spürte, wie er atmete. Um sie war alles ruhig. "Ich habe sie wieder getroffen Teiou und ... ich habe sie geküsst." Bei diesen Worten wurde seine Stimme noch leiser, als sie eh schon war, aber er musste es gerade jemandem erzählen, auch wenn Teiou es vielleicht nicht wahrnahm, aber es war erleichternd das zu sagen, es auszusprechen und dann ... ... und dann zu vergessen. Der Dämon drückte den Dunkelhaarigen sanft an sich. "Verzeih mit bitte." Er senkte den Kopf leicht und küsste Teiou auf die Stirn. Eine wirkliche Reaktion erhielt er nicht, aber Teiou war deutlich ruhiger geworden, als noch zu Beginn ihrer Umarmung. Er schien Keika langsam zu vertrauen. Leise seufzend lehnte Keika sich an die Wand und streichelte seinen Geliebten weiter. Es war schwer für ihn. Er musste hier den Starken spielen. Er war stark, aber eigentlich beschützte Teiou ihn immer. Und jetzt war es anders rum. Teiou war gerade wie ein kleines Kind. Völlig eingeschüchtert und verängstigt lehnte er an ihm. Kein Vergleich zu dem Teiou, den er in den letzten Jahren immer gekannt hatte. Von dem aufgeweckten, frechen Prinzen war nichts mehr da, jedenfalls im Moment nicht. Noch einmal betrachtete er Teiou in seinen Armen. Er hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig. Keika lächelte leicht, strich ihm noch einmal über den Kopf und schloss dann auch die Augen. Er war müde und ein bisschen Schlaf würde ihm sicher gut tun. Zumal sie noch einen langen Weg vor sich hatten ... ~*~*~ "... Wenn wir also hier und hier unsere Truppen postieren würden, dann müssen wir auf jeden Fall nicht mit einem Überraschungsangriff von hinten rechnen." "Sollte die Karte wirklich stimmen." "Das tut sie. Ich glaube kaum, dass es Shogun sonst gelungen wäre zu tun, was er getan hat ..." Tia saß in seinem Sessel und versuchte dem Ganzen einigermaßen aufmerksam zu folgen. Draußen war es schon länger dunkel und eigentlich würde er einfach nur gerne ins Bett gehen. Er war müde. Als Shuten hatte er immer sehr viel zu tun und heute war es besonders schlimm gewesen. Allerdings waren endlich - nach tagelanger Suche - Karten der Dämonenwelt aufgetaucht. Vor ihm standen nun Generäle aus dem Süden und dem Osten, auch einige aus den beiden anderen Ländern, um einen großen Tisch versammelt und diskutierten das weitere Vorgehen. Außerdem waren Grindas, Ashrays Schwester, und Soryuou, der Tenno des Ostens und Teious Vater, anwesend. In einer Ecke an der Wand lehnte Koo, der im Halbschatten stand, da sich das gesamte Licht auf den Tisch konzentrierte. Eine Weile beobachtete Tia den Schwarzhaarigen, der irgendwie desinteressiert wirkte. "Würden wir nicht einen Angriff der Dämonen provozieren?" "Schon, aber haben sie nicht angefangen?" "Das kann man nicht sagen, vielleicht ist Prinz Teiou alleine auf die Idee gekommen dorthin zu gehen." "Ganz sicher nicht." Das war Soryuou, der ein Stück von Tiarandear entfernt saß und nun auf beide Hände gestützt da stand. Er schien aufgebracht über diese Bemerkung. In den letzten Tagen war er ziemlich besorgt um seinen Jüngsten gewesen und irgendwie auch um Keika. Jedenfalls hatte Tia das bei ihren beinahe täglichen Gesprächen rausgehört und fand das auch irgendwie verwunderlich, da Teiou vorher mehr oder weniger der verstoßene Sohn war, wegen Keika. Aber anscheinend konnte man auch die vehementeste schlechte Einstellung gegenüber Dämonen ändern. Bestes Beispiel dafür war wohl Soryuou, oder besser noch ... Koo. Der Blonde sah wieder in die Ecke, wo der zweite Kronprinz des Ostens stand. Es gab viele, die die Dämonen hassten, aber Koo gehörte zu denen, die sie mehr als alles andere verabscheuten. "Mein Vater hat Recht. Teiou mag manchmal noch kindisch sein und auch abenteuerlustig, aber so verrückt ist er nicht. Ich gehe davon aus, dass die Dämonen ihn überwältigt und verschleppt haben." Alle Blicke lagen mit einem Mal auf ihm. "Wie? Das lassen wir jetzt mal dahin gestellt." Er zuckte mit den Schultern und trat nun ebenfalls an den Tisch heran und sah entschlossen in die Runde. "Also? Wie sieht euer Plan jetzt aus?" Einer der Älteren sah nun Tia an, der den Kopf auf eine Hand gestützt und bisher schweigend dieser Versammlung beigewohnt hatte. Zunächst sah Tia ihn irritiert an. Er hatte sich seine eigenen Gedanken gemacht. Vor allem um Ashray. Als er realisiert hatte, dass sie ihn nun alle ansahen, nickte er. Der Älteste der Generäle begann nun zu erläutern, wie weiter vorzugehen sei. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sich alle einverstanden gezeigt hatten. Diesmal hatte Tia sich zusammengerissen und aufmerksam zugehört. Am Ende der Schlussfolgerungen setzte er sich aufrecht hin und sah in die Runde. "Bereitet alles vor. Sobald wie möglich werden zwei Regimenter in die Dämonenwelt geschickt. Der Eingang in die Welt der Dämonen soll ebenfalls noch stärker bewacht werden. Ich werde Ashraou, Santo und Suiteio informieren, dass die Bannkreise verstärkt werden müssen. Das gilt natürlich auch für Euch, Soryuou." Er sah kurz zum Herrscher des Ostens und fuhr dann wieder an alle gewandt fort. "Ich möchte morgen früh einen Bericht sehen." Der junge Mann erhob sich und nickte einmal in die Runde. "Die Sitzung ist hiermit geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen eine gute Nacht." Mit diesen Worten verließ er als erstes den Raum, gefolgt von einigen Wachen. Hosted by Animexx e.V. 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