Schattenkrieg von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 23: Flammendes Inferno ------------------------------ Rufe schallten zu ihnen und der Alarm plärrte noch immer. Es war unmöglich zu sagen, aus welcher Richtung die Soldaten kommen würden und wie nahe sie den Agents bereits waren. Hastig blickten sie sich um. „DiNozzo? Auf dem schnellsten Weg hinaus aus diesem Komplex, haben wir uns verstanden?“ Gibbs blickte dem Jüngeren forschend in die schwarzen Augen und musste sich beherrschen, um nicht zu erschauern. „Los, gehen wir.“ Er wollte sich bereits in Bewegung setzen, als Scully ihn am Arm zurückhielt. „Wartet. Wo ist Mulder?“ Die Tür hinter ihnen war noch nicht wieder ins Schloss gefallen und so stieß Gibbs sie unsanft mit dem Fuß wieder auf. Seine Mine war grimmig und sprach Bände, was er von dem Verhalten des FBI-Agents hielt. „Mulder, bewegen Sie ihren Hintern hier raus und zwar zügig.“ „Ich komme nach. Geht nur, ich muss hier noch etwas erledigen.“ Gibbs schnaubte wütend. „Einen Dreck muss er.“ Er schlug die Labortür ganz auf und stürmte zurück in den kleinen Raum dahinter. „Agent Mulder, das war keine Bitte. Raus aus diesem Raum.“ Sein Blick huschte durch das schlecht erleuchtete Zimmer und fand den Agent im hinteren Teil an den Bedienungskonsolen der Geräte. „Zum Teufel mit Ihnen, was machen Sie da?“ Mulder schaute nicht einmal auf und hielt es offensichtlich auch nicht für notwendig, dem NCIS-Agent zu antworten. Seine Finger flogen über die Bedienelemente, doch Gibbs hatte den Eindruck, dass der andere nicht wirklich wusste was er da tat. Mit schnellen Schritten überbrückte er die wenigen Meter zwischen sich und Mulder und drehte diesen an der Schulter zu sich herum. Ihre Gesichter waren nur weniger Zoll voneinander entfernt. „Für den Fall, dass Sie mich nicht deutlich genug verstanden haben, Agent Mulder: Ich sagte raus hier. Sofort.“ Unwirsch schüttelte Mulder die Hand ab und trat zurück. „Sie haben mir nichts zu befehlen, Agent Gibbs. Ich...“ Gibbs knurrte drohend. Dann packte er den Jüngeren und stieß ihn unmissverständlich in Richtung Tür. „Ich diskutiere nicht mit Ihnen, Agent Mulder. Nicht jetzt und nicht hier. Hinaus mit Ihnen.“ Wieder riss sich Mulder los und dieses Mal stieß er Gibbs hart von sich fort. „Verdammt, hören Sie doch auf mit dieser Scheiße, Gibbs. Ich kann hier nicht einfach heraus spazieren und so tun, als hätte ich nichts gesehen. Im Gegensatz zu Ihnen und Scully hege ich noch immer den Wunsch, die Pläne des Syndikats zu durchkreuzen.“ Blitzend starrten sich die beiden Männer an. „Mulder, jetzt ist nicht der Richtige Zeitpunkt für diesen Kampf. Wir werden überhaupt nichts erreichen, wenn wir noch länger hier verweilen und darauf warten, dass die Soldaten uns finden.“ Gibbs Kiefer mahlten. „Wollen Sie das denn nicht verstehen?“ Fahrig strich sich Mulder durch das wirre Haar. Er musste sich beherrschen, jetzt war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um sich zu streiten. „Ok, hören Sie. Geben Sie mir ein paar Minuten, mehr will ich nicht. Nur ein paar Minuten. Wenn meine Vermutung richtig ist und das System, an dem Agent Todd angeschlossen war, ein in sich geschlossener Kreislauf ist, so könnten wir das gesamte Projekt von diesem Raum aus sabotieren.“ Flehend schaute der den Älteren an. „Bitte, nur ein paar Minuten.“ Seufzend schloss Gibbs die Augen. Sie wollten zu viel auf einmal und meist trieb einen dieser Umstand in eine aussichtslose Lage. Zu oft hatte er diese Erfahrung machen müssen. Noch hatten sie eine Chance zu entkommen. Eine geringe zwar, aber immerhin eine Chance. Wenn Mulder allerdings recht hatte mit seiner Behauptung... „Sie wissen, dass wir diese Minuten vielleicht nicht haben?“ Mulder nickte. „Ich weiß. Helfen Sie mir und wir sind schneller von hier verschwunden.“ Scully, die den Disput der beiden Männer in bangem Schweigen von der Tür aus verfolgt hatte, trat zu ihnen. „Was haben Sie vor?“ „Die Gasflaschen.“ Mulder schob sich an Gibbs vorbei zurück zu den Apparaturen an der Wand. Er löste mit groben Rütteln einige Abdeckplatten, hinter denen eine ganze Reihe unbeschrifteter Flaschen zum Vorschein kamen. „Ich habe keine Ahnung mit was sie gefüllt sind, aber sie sind auf jeden Fall an ein Kreislaufsystem angeschlossen. Sehen Sie.“ Er wies auf mehrere Schläuche, die zuvor sowohl mit Kate verbunden gewesen waren, als auch in der Wandverkleidung verschwanden. „Aber wir haben nichts, womit wir es kontaminieren könnten.“ Scully blickte zweifelnd. „Nein, aber vielleicht ist es brennbar.“ Mulders Blick flackerte zwischen seiner Partnerin und Gibbs hin und her. „Vielleicht reicht auch eine Verpuffung, die sich dann durch das geschlossene System ausbreitet. Ich weiß es nicht. Wir haben nichts, womit wir das Gas zum Verbrennen kriegen könnten.“ „Durch einen Kurzschluss.“ Gibbs runzelte nachdenklich die Stirn. „Wir lassen einen Teil des Gases austreten und verursachen dann einen Kurzschluss. Ist das Gas brennbar, sollte es für eine Entzündung ausreichen.“ „Und wie sollen wir das anstellen, ohne uns mit in die Luft zu sprengen?“ Scully war keinesfalls begeistert von dem Plan. Sie wollte ebenso sehr Schaden anrichten wie Mulder oder Gibbs, aber nicht um jeden Preis. „Wir bräuchten eine Art Fernzündung.“ „Sie haben doch mich.“ Die drei drehten sich überrascht zur Tür. Tony stand unter der Zarge, Kate locker in seinem Arm haltend, und blickte sie an. „Das Gas würde euch töten wenn ihr es nur einatmet. Ihr könnt es nicht gefahrlos ausströmen lassen. Mir wird es nichts anhaben können. Wenn ich die Wissenschaftler richtig verstanden habe, ist es ein Gas, das sich bei einem bestimmten Luft-Gas-Gemisch selbst entzündet. Ich brauche also nichts weiter zu tun, als die Verschlüsse der Gasflaschen zu lösen und den Raum anschließend zu verlassen. Der Rest kommt von ganz allein.“ Mulder schnaubte und wandte sich ab, für ihn klang das zu einfach. Aber Scully unterband seinen Protest, noch bevor er ihn äußern konnte. „Würde sich der Schaden nur auf diesen Raum begrenzen? Oder gibt es eine Chance, dass das gesamte Kreislaufsystem in Mitleidenschaft gezogen wird?“ „Wenn ich die Schläuche so von den Flaschen löse, dass das Gas nicht allein aus den Flaschen ausströmt sondern auch aus dem geschlossenen System selbst, müsste sich die Verpuffung durch die Schläuche hindurch weiterverlagern.“ Die drei wechselten einen schnellen Blick. Es war eine gute Chance und mehr, als sie für den Moment erwarten durften. Mit einem knappen Nicken erteilte Gibbs die Erlaubnis. „Tu was du kannst. Ich will keine Heldentaten, hast du mich verstanden? Du löst die Verbindungen und kommst anschließend wieder zu uns. Wir werden vor der Tür warten.“ Seine blauen Augen funkelten DiNozzo an, während er Kate von ihm entgegen nahm. „Keine Heldentaten.“ Hintereinander verließen sie den kleinen Raum und brachten einige Meter zwischen sich und die Tür. Keiner wollte Gefahr laufen, versehentlich doch etwas von dem ausströmenden Gas einzuatmen. Noch immer lag der Flur menschenleer da und lediglich Rufe aus weiter Ferne drangen zu ihnen. Mit ein bisschen mehr Glück würde ihnen die nötige Zeit gewährt werden. Nur wenige Augenblicke später huschte DiNozzo mit katzenhafter Anmut aus dem Labor, aus dem jetzt ein unheilvolles Zischen zu vernehmen war, und schloss behutsam die Tür in seinem Rücken. Er wies die anderen still an, den Gang weiter hinunter zu gehen und nahm Gibbs gerade die Last von Kates reglosem Körper wieder ab, als die Tür des kleinen Raumes von einer gewaltigen Druckwelle nach außen aus den Angeln gesprengt wurde. Offenbar hatte Tony keinerlei Risiko eingehen wollen und das Gas schnell ausströmen lassen. Dass es so schnell zu einer Reaktion kommen würde, überraschte sie alle. Instinktiv gingen die Agents in Deckung, doch außer dichtem Rauch drang nichts bis zu ihnen vor. Sie bedeckten ihre Atemwege mit Kleidung und wichen zurück. Feuerschein schimmerte durch die dichten Schwaden und wieder plärrte der Alarm los. Dicht gefolgt von einer weiteren Detonation und mehreren dumpfen Schlägen, die von weiter her zu kommen schienen. DiNozzo lächelte diabolisch. „Die Kettenreaktion hat angefangen. Wir sollten jetzt besser gehen.“ Tatsächlich waren schon die ersten schnellen Schritte zu hören, ob von Soldaten oder Löschtruppen konnte keiner sagen, und so liefen sie los, irrten suchend durch die verstörend gleichaussehende Etage. Schnell war die Luft geschwängert von beißendem Gestank und dichtem Rauch, die Flure hallten von dem ohrenbetäubenden Alarm und den gebrüllten Befehlen der sich sammelnden Soldaten wider. Schon bald mussten sie feststellen, dass offenbar mehr Personal aus dem großen Saal hier her abgezogen worden war, als sie gehofft hatten. Die Gefahr einer zufälligen Entdeckung stieg damit sprunghaft an. Und immer wieder erzitterte der Boden unter ihren Füßen von einer weiteren Detonation. Als sie um die nächste Ecke bogen, stießen sie prompt mit einer Abordnung bestehend aus zwei Soldaten zusammen. Die Verblüffung stand ihnen offen ins Gesicht geschrieben und auch die Gefährten waren für einen Moment zu erschrocken, um sofort zu reagieren. Sie wichen zurück, unschlüssig ob sie diesen Moment der Verwirrung nutzen konnten. Es vergingen einige Herzschläge, in denen sich beide Parteien schweigend musterten. Verunsichert, misstrauisch. Dann versuchte einer der Soldaten sein Gewehr auf die Agents zu richten und Gibbs reagierte. Er hob seine Pistole und tötete die Soldaten kurzerhand mit zwei gezielten Kopfschüssen. Lautlos brachen sie vor seinen Füßen zusammen und die darauf herrschende Stille ließ Mulder und Scully schaudern. Sie waren noch immer erstarrt von dem unerwarteten Zusammenstoß mit den feindlichen Soldaten und gleichzeitig entsetzt über das schnelle und kaltblütige Handeln des NCIS-Agents. Mulder schluckte trocken und blickte den Senior-Agent von der Seite her an. Der erwiderte seinen Blick reglos. „Wir oder sie. Denken Sie immer daran, Agent Mulder. Das hier ist Krieg.“ Er stieg über die Leichen der Soldaten hinweg und folgte dem Flur weiter. Sie versuchten ihr Glück schließlich über die Treppen. Natürlich eine sinnlose Hoffnung. Das Treppenhaus hallte stets wider von Schritten und Stimmen der Soldaten und Mulder zog sich hastig vom Geländer der Treppe zurück, als der Laser eines Präzisionsgewehrs durch den Mittelschacht zu ihnen herauf schwenkte. Doch zu spät. Unter ihnen brüllte jemand einen arabischen Fluch zu ihnen herauf, eine kurze Salve wurde abgefeuert und ließ den Putz an der Wand über ihren Köpfen ab platzen. „Nach oben, schnell.“ Sie hasteten die Treppe hinauf, schlugen mal hier mal dort wahllos die Tür zu einer der Etagen und kauerten sich dann still in einer schmalen Nische zusammen. Die Waffen im Anschlag, beobachteten sie den Treppenabsatz vor sich, darauf gefasst die Soldaten zu erschießen sobald sie in Sicht kamen. Doch ihre List ging auf und ihre Verfolger verließen das Treppenhaus eine Etage unter ihnen in der Annahme, sie hätten sich in die Flure gerettet. Sie durften aufatmen, aber keiner wusste für wie lange. Mulder ballte frustriert seine Hände und versuchte der wachsenden Enttäuschung Herr zu werden. „Überall sind Kameras, da ist es doch wirklich egal wohin wir fliehen. Früher oder später sitzen wir auf jeden Fall in der Falle.“ Er hatte Mühe klar zu denken, die aufkeimende Panik zu unterdrücken. Er wollte hier raus und in den Gesichtern der anderen konnte er ablesen, dass es ihnen nicht viel besser erging. Lange würden sie diesem Druck nicht mehr standhalten können. „Tony.“ Gibbs zwang sich leise zu sprechen, dennoch schnitt seine raue Stimme scharf durch die vom Rauch gedämpfte Stille des Treppenhauses. Der Alarm klang fremd und fern. „Du bist der Einzige, der den Weg hinaus kennt. Bring uns endlich nach draußen.“ Tony hatte sich ein Stück abseits an die Wand gelehnt, Kates bewusstlose Gestalt wie ein Kuscheltier an sich gepresst, und zuerst machte es den Anschein, als habe er Gibbs Worte gar nicht gehört. Schweiß stand ihm auf der Stirn und er zitterte. „DiNozzo, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um...“ Mulder unterbrach den drohenden Wutausbruch des Senior-Agents, indem er ihm behutsam die Hand auf den Arm legte und sich gleichzeitig einen bitterbösen Blick einhandelte. Ja, sie waren alle mit ihren Nerven am Ende, nicht nur er allein. „Er ist schon einmal so gewesen, Agent Gibbs. Als ich ihm hier das erste Mal begegnet bin. Uns läuft die Zeit schneller davon als Sie ahnen.“ Voller Grauen starrte Gibbs sein Gegenüber an. „Was...“ „Nach oben.“ Tony schier durch den Streit der beiden Männer seine Lethargie vorerst überwunden zu haben und unterbrach Gibbs mit brüchiger Stimme. Er sah noch immer erbärmlich aus. „Der Weg nach unten ist uns versperrt. Sie überwachen jeden nur möglichen Ausgang. Wir können nur noch nach oben.“ Sie sparten es sich zu fragen, woher er das mit den Ausgängen wissen wollte. Der Weg nach unten war ihnen so oder so verwehrt. Niemand würde mehr durch diese Flammenhölle entkommen. Mulder versuchte vergeblich seine rasenden Gedanken zu bändigen. Aus dem Augenwinkel registrierte er, wie DiNozzo von einem weiteren Schütteln gepeinigt wurde. „Wohin führt uns der Weg nach oben?“ „Auf das Plateau. Der Forschungskomplex ist zu großen Teilen in das Bergmassiv hineingearbeitet worden. Dadurch ist ein Plateau entstanden. Wenn wir es bis zum Rand schaffen, könnte uns die Flucht gelingen.“ Es blieb keine Zeit länger darüber zu diskutieren, die Schritte auf der Treppe unter ihnen wurden bereits wieder lauter, und da DiNozzo offensichtlich immer stärker mit sich selbst ringen musste, fällte Gibbs an seiner statt die weitere Entscheidung: „Wir bleiben auf der Treppe. Bleibt dicht beisammen und versucht kein leichtes Ziel für ihre Visiereinrichtungen zu sein. Vorwärts.“ Sich dicht an der Außenmauer des Treppenhauses haltend, setzten sie den Aufstieg fort. Waren ihnen zuvor bereits die monotonen Gänge bedrückend vorgekommen, so wurde das stetige Hinauf zu einer wahren Marter. Die Stufen wuchsen mit jedem einzelnen Schritt, der Sauerstoff dagegen schien mit jedem zurückgelegten Höhenmeter weniger zu werden, der heiße Rauch kratzte noch zusätzlich in ihren Lungen. Schon bald rangen sie krampfhaft nach Luft und wurden langsamer. DiNozzo verlor auf einem der Absätze schließlich das Gleichgewicht und brach in die Knie. Dabei stieß er einen Laut irgendwo zwischen Knurren und Fauchen aus. „Scully!“ Die FBI-Agentin war bereits mit schnellen Schritten an die Seite des Jüngeren geeilt. Sie bedachte ihren Partner mit einem finsteren Blick, während sie die Vitalfunktionen DiNozzos überprüfte. Sein Puls flog dahin. Was zum Teufel dachte sich Mulder denn könne sie tun? Verabreichte sie Tony jetzt das Gegenmittel, wäre ihre Flucht damit auch jetzt und hier vorbei. Und nur weil sie im Moment nichts von ihren Verfolgern hörten, hieß das nicht , dass sie für längere Zeit in Sicherheit sein würden. So oder so mussten sie das Treppenhaus bald verlassen, wenn sie nicht alle eine Rauchvergiftung erleiden wollten. Ihr Blick wanderte von Mulder zu Gibbs. Seine Mine blieb wie immer reglos, aber die stumme Frage in seinen Augen ließ ihr das Herz bluten. Sie war nicht Gott und wünschte sich doch nur, dass ihnen ein bisschen mehr Zeit blieb. Aber so wie die Dinge im Moment standen, verloren sie DiNozzo mit großer Wahrscheinlichkeit. Es brauchte keine Worte, Gibbs verstand sie auch so. Um seine Fassung ringend schloss er die Augen. „Wir müssen weiter. Dana... gib ihm das Mittel, wir werden sie beide tragen.“ Ihre Augen wurden groß. „Jethro, ich...“ Sie hätte damit rechnen müssen. Gibbs war in dem Geist gedrillt, dass niemand zurück blieb. Es überstieg ihrer aller Kräfte, sie konnten unmöglich Kate und Tony hier heraustragen und dabei noch hoffen ihren Verfolgern zu entkommen. Aber die irrwitzig geringe Chance das Schicksal auf diese Weise auszutricksen, war immer noch besser als den Tod zu akzeptieren. Scully zauderte, „Es ist nicht mehr weit.“ Zitternd vor Anstrengung schüttelte DiNozzo die Hand der FBI-Agentin ab und kämpfte sich zurück auf die Füße. Es war bewundernswert, mit welchem Willen er sein Leid ignorierte. „Sie werden mir das Zeug erst spritzen, wenn wir in Sicherheit sind, verstanden?“ Betreten erwiderte sie den Blick ihres Gegenübers. Es gab nichts, was Scully darauf hätte erwidern können. Die tiefe Entschlossenheit Tonys duldete keine Widerworte. Und so nickte sie stumm. Noch ehe jemand Widerspruch erheben konnte, nahm DiNozzo das Treppensteigen wieder auf. Die noch verbleibenden Stufen zogen sich schier endlos dahin und Scully war bereit zu glauben, dass diese teuflische Treppe sie direkt in die Hölle führen würde, als sie schlussendlich das Ende der Treppe erreichten. Von hier aus führte eine Falltür in der Decke in die hoffentlich rettende Freiheit. Ein Schott, nur von Innen zu öffnen und aus gegossenem Stahl gefertigt. Mulder reckte sich und gemeinsam mit Gibbs versuchte er das schwere Rad des Verschlussmechanismus zu öffnen. Schweiß ließ ihren Griff trügerisch werden und Mulder fühlte Schwindel seinen Kopf umwölken, als er mit all seiner verbliebenen Kraft zog. Über ihren eigenen schweren Atem hinweg und DiNozzos leises Wimmern, waren schon wieder Schritte unter ihnen auf den Stufen zu hören. Stimmen riefen sich etwas in arabischer Sprache zu. Widerstrebend gab das Schloss endlich nach und die kleine Gruppe kletterte hastig ins Freie, hinaus aus dem tödlichen Labyrinth und hinein in die sengende Hitze des späten Nachmittags. Ächzend von der Anstrengung sackten sie neben der Falltür zu Boden und versuchten schwer aneinander gelehnt zu Atem zu kommen. War in den klimatisierten Fluren der Sauerstoff auf Grund des sich ausbreitenden Rauchs weniger geworden, so schien ihnen die Sonne hier draußen gnadenlos jedes noch so kleine Sauerstoffmolekül streitig machen zu wollen. Scully hustete krampfhaft, Mulder kauerte zusammengekrümmt an ihrer Seite und kämpfte mit heftigem Schwindel. Sie waren schon ein elendiger Haufen. „Wir könnten einfach hier sitzen bleiben und jeden erschießen, der seinen Kopf durch dieses Schott reckt.“, murmelte Mulder verdrossen und Gibbs bedachte ihn mit einem grimmigen Lächeln. Das würde ihm durchaus gefallen, sie aber auf lange Sicht kaum retten. Er hustete bellend. Das Plateau flirrte in der Hitze des Nachmittags und machte es schwer, die tatsächlichen Ausmaße der Ebene zu erkennen. Sie wirkte so schon ernüchternd weitläufig. Den Rand des Plateaus erreichen. Es klang simpel, würde es wohl aber kaum werden. Der Regen war abgezogen, offenbar hatten sie sich für längere Zeit in dem Komplex aufgehalten als erwartet, und ließ eine unerträgliche Schwüle zurück. DiNozzo schrie auf. Ein Laut, der nichts menschliches mehr in sich barg und den anderen bis ins Mark drang. Er krümmte sich, warf sich in den Staub und wälzte sich hilflos in einem Schmerz, der für Außenstehende nicht nachvollziehbar war. Ein innerer Schmerz, als würde sein tiefstes Selbst zerfasern. „Tony.“ Vergessen war die gähnende Erschöpfung. Scully war schneller bei ihm als sie ihren zerschlagenen Gliedern zugetraut hätte. Er schlug ihre helfenden Hände zur Seite, blind für alles was um ihn herum geschah. Wieder stieß er einen Schrei aus, dessen Echo weit über die Ebene hallte und Scully blickte hilflos zu Mulder und Gibbs. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie alle waren am absoluten Ende ihrer Kräfte, doch keiner von ihnen wollte die verzweifelte Hoffnung auf eine erfolgreiche Flucht aufgeben, noch DiNozzo dem sicheren Tod überantworten. Aber beides erfüllen zu können erschien in genau diesem Augenblick nicht sehr wahrscheinlich. Mulder fluchte leise und zwang seine unsteten Gedanken zurück auf den Punkt ihrer Misere. Womöglich konnten sie den Entschluss, Tony das Gegenmittel zu verabreichen, nicht mehr viel länger herauszögern. So sehr er sich selbst auch dagegen sperren mochte. Daher mussten sie sich jetzt entscheiden was sie tun wollten. Hier sitzen bleiben konnten sie jedenfalls nicht. „Ich dränge wirklich nur ungern, aber wenn wir das wirklich machen wollen, sollten wir es jetzt gleich tun.“ Er wies auf einen Punkt südlich von ihnen und Gibbs und Scully folgten seinem Blick. Von Süden näherte sich der erste Trupp feindlicher Soldaten, die Nachmittagssonne im Rücken. Noch waren sie nur als schwarze Schatten zu erkennen, doch sie rückten zügig vor. „Wir haben keinen Ort, an dem wir uns verstecken können, keine Richtung in die wir uns nach Hilfe wenden könnten. Wir könnten tagelang durch diese Wüste fliehen und doch nirgends ankommen.“ Es war keine Mutlosigkeit als vielmehr verbitterte Frustration, die Mulder damit zum Ausdruck brachte und den anderen war die niederschmetternde Wahrheit dieser Worte nur allzu deutlich bewusst. Sie blickten sich um. Aus Richtung Osten näherte sich ein weiterer Trupp und durch die Windstille klang Hundegebell zu ihnen. Gibbs schloss in einem Anflug aus Verzweiflung die Augen. Hunden würden sie niemals entkommen können. In diesem Moment erwachte DiNozzo plötzlich aus seiner lethargischen Starre und nahm ihnen ein Mal mehr die Entscheidung ab. Er sprang auf die Füße und hetzte davon, als sei der Teufel selbst hinter ihm her, nicht als habe er gerade eben noch unter starken Schmerzen gelitten. In einer unerwarteten Geschwindigkeit spurtete er in Richtung Westen, fort von den näher kommenden Soldaten auf das Ende des Plateaus zu. Zu überrumpelt von der plötzlichen Genesung des NCIS-Agents, starrten die anderen der sich entfernenden Gestalt hinterher. Erst nach einigen Herzschlägen schüttelten sie die Überraschung ab. Mulder legte sich ohne großes Federlesen die noch immer besinnungslose Kate über die Schultern, sie war erschreckend leicht, und nebeneinander machten sie sich an die Verfolgung DiNozzos. Zu riskieren ihn jetzt zu verlieren, war für keinen von ihnen eine Option. Trotzdem schrumpfte ihr Vorsprung zu den Verfolgern mit beängstigender Geschwindigkeit. Schon wurden die ersten Schüsse auf sie abgefeuert, schlugen allerdings noch in einiger Entfernung von ihnen in den steinernen Boden, von welchem sie unter viel Staub als heulende Querschläger abgewiesen wurden. Der größere Grund zur Sorge waren die Hunde. Diese näherten sich ihrer Beute in tödlichem Schweigen, ihre schlanken Körper flogen schattengleich über die Ebene und nur das Trommeln ihrer Pfoten verriet ihr Näherkommen. Als Scully einen Blick über ihre Schulter riskierte, waren zwei der muskulösen Tiere ihnen dicht auf den Fersen und so drehte sie sich noch im Laufen um, hob ihre Pistole und feuerte auf das vorderste Tier. Vier, fünf Mal schlugen die Geschosse in den Körper, doch der Hund strauchelte nicht einmal. Mit unverminderter Geschwindigkeit setzte er seine Verfolgung fort und Scully schrie auf vor Verwunderung und Entsetzen. „Der Kopf. Blas ihm den Schädel weg.“ Gibbs Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihr. Drei weitere Schüsse gab sie auf das mittlerweile beängstigend nahe gekommene Tier ab und endlich wankte es. Es stolperte über seine eigenen Pfoten und brach schließlich zusammen, blieb in einer sich schnell ausbreitenden Lache aus Blut liegen. Ohne zu zögern schoss sie weiter auf den zweiten Hund, bis der Schlagbolzen ihrer Pistole ins Leere ging. Schaudernd starrte sie auf die entblößten Fänge. Sie hatte ihm nichts mehr entgegen zu setzen. Bevor sie nachladen konnte, würde das Tier über ihr sein. Neben ihr sank Gibbs auf ein Knie, die eigene Waffe ruhig in Anschlag bringend, während der Hund geifernd näher kam. Ein einzelner Schuss fiel und das Tier ging sich überschlagend zu Boden, wo es zuckend verendete. Keine fünf Schritte vor ihnen. „Spare deine Munition. Wenn du sie aus dem Lauf heraus nicht treffen kannst, lass es.“ Scully lud mit zitternden Fingern ein neues Magazin in ihre Waffe. Dabei verfiel sie bereits wieder in einen humpelnden Trab. Sie war so schrecklich erschöpft, ihr tat jeder Muskel, jeder Knochen in ihrem Körper weh. Wie konnte Gibbs da von ihr verlangen präzise zu schießen? Verbissen blickte sie zu dem NCIS-Agent, der sich noch immer an ihrer Seite hielt. Seine blauen Augen erwiderten ihren Blick mit strenger Unbarmherzigkeit. „Dana, wir haben zu wenig Munition. Wir dürfen sie auf diese Weise nicht einfach verschwenden. Ziele beim nächsten Versuch genauer und wir können uns länger verteidigen.“ Verdrossen schaute sie weg. Sie verstand die Notwendigkeit dieser Aufforderung und wusste insgeheim auch, dass Gibbs diese Worte nicht als persönliche Beleidigung gemeint hatte. Aber er war für derartige Feuergefechte ausgebildet worden und verfügte offensichtlich zusätzlich noch über eine traumwandlerische Zielsicherheit. Sie nicht. Direkt vor ihnen warf sich Mulder plötzlich zu Boden, als ein Kugelhagel ganz in ihrer Nähe einschlug und auch Gibbs und Scully gingen neben ihm in Deckung. DiNozzo lag unweit von ihnen am Boden und für einen kurzen Moment schloss sich eine kalte Faust um Gibbs Herz. Doch der Jüngere lebte noch, war nur von neuem in Krämpfe verfallen. „Ich kann nicht mehr weiter.“ Scully kauerte zitternd zwischen Mulder und Gibbs. Ihr Atem kam in rasselnden Stößen. Ein Blick auf Mulder zeigte, dass auch er nicht mehr in der Verfassung war, weite Strecken zurück zu legen. Unter Schmutz und Schweiß war sein Gesicht von der Anstrengung gerötet. Er schüttelte nur schwach den Kopf, als Gibbs ihn forschend ansah. Ihre Flucht kam hier und jetzt endgültig zu ihrem Ende. Ein weiterer Geschosshagel ging in ihrer unmittelbaren Nähe nieder und dieses Mal erwiderte Gibbs das Feuer. Mulder schloss sich an und auch wenn es sie auf Dauer nicht retten würde, sie zwangen die vorderste Linie der Soldaten zumindest ein Stück weit zurück. Splitter und Sand spritzen auf, reizten ihre Atemwege und Augen. Aber sie blieben unverletzt. In einer kurzen Feuerpause, in welcher die Agents ihre verbliebene Munition untereinander aufteilten, hob Scully plötzlich alarmiert den Kopf. „Was ist das?“ Konzentriert versuchte sie über den Lärm der feindlichen Schusswaffen hinweg zu hören. Da war das Geräusch wieder. Ein dumpfes Dröhnen das beständig lauter wurde. Der besorgte Blick, den Gibbs gen Himmel warf, bestätigte ihr, dass sie sich nicht verhört hatte. „Dort.“ Gibbs folgte dem ausgestreckten Arm Mulders. Im Gegenlicht der tiefstehenden Sonne nur schwer zu erkennen, näherten sich fünf Flugobjekte ihrer Position. Sie flogen tief. Und schnell. Ihre Formation verriet, dass sie keinesfalls unerfahrene Flieger waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)